TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/22 2006/18/0362

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Veröffentlicht am 22.04.2008
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z11;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
FrPolG 2005 §87;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z1;
FrPolG 2005 §9 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der M S in S, geboren am 29. August 1968, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4 (Einvernehmensanwalt: Dr. Herbert Kaspar, Rechtsanwalt in Wien), gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 5. September 2006, Zl. SD 954/06, betreffend Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 5. September 2006 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer moldawischen Staatsangehörigen, vom 4. Juli 2006 auf Aufhebung des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien (der Erstbehörde) vom 22. Juni 2005 gegen sie erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.

Grundlage dieses rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes sei die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführerin vom 4. Mai 2005 wegen der Verbrechen der kriminellen Organisation nach § 278a StGB und der Schlepperei nach § 104 Abs. 1, 3 und 5 des Fremdengesetzes 1997 - FrG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren gewesen.

In der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid habe sich die Beschwerdeführerin mit ihrer "Rolle" bei den ihr angelasteten strafbaren Handlungen befasst und weiters vorgebracht, ihr Ehemann könnte garantieren, dass sie nie wieder straffällig würde, und sie wollte nach dem Ende der Strafhaft auf einer für sie reservierten Arbeitsstelle arbeiten.

Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Beschwerdeführerin am 11. März 2003 illegal in Österreich eingereist sei und am 13. März 2003 einen Asylantrag gestellt habe. Mit Bescheid vom 11. März 2003 sei sie von der Bezirkshauptmannschaft V ausgewiesen worden. Diese Ausweisung sei jedoch vorerst nicht effektuiert worden, weil ihr auf Grund ihres Asylantrages eine ab dem 14. März 2003 gültige vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden sei, die allerdings nach dem Abschluss des Asylverfahrens am 10. Jänner 2006 widerrufen worden sei.

Mit Bescheid vom 22. Juli 2005 sei sodann das unbefristete Aufenthaltsverbot erlassen worden.

Als einziger Umstand, der sich seither zu Gunsten der Beschwerdeführerin geändert haben könnte, wäre der Umstand zu nennen, dass sie am 17. Mai 2006 den österreichischen Staatsbürger S. geheiratet habe. Die im Verfahren gemachten Versuche, das strafgerichtliche Urteil in Zweifel zu ziehen, indem sich die Beschwerdeführerin eher als Opfer denn als Täterin darzustellen versucht habe, seien untauglich, weil die Verwaltungsbehörde an den Spruch des Urteils gebunden sei. Im Übrigen könnten die Gründe, die seinerzeit zur Erlassung des rechtskräftigen unbefristeten Aufenthaltsverbotes geführt hätten, mit einem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht neuerlich aufgerollt werden.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie nunmehr als Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 12 FPG gelte und auf sie daher nach § 87 leg. cit. die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach § 85 Abs. 2 und § 86 leg. cit. anzuwenden seien, könne ihrer Berufung nicht gefolgt werden. Auf Grund ihres persönlichen Verhaltens, das durch den rechtskräftigen Spruch des Strafgerichtes eindeutig determiniert sei, müsse die öffentliche Ordnung und Sicherheit nach wie vor als gefährdet angesehen werden. Die strafgerichtlich festgestellte Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und die Begehung von Schlepperei in führender Position und in großem Umfang stellten als persönliches Verhalten der Beschwerdeführerin zweifelsfrei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich die Verhinderung der Ausbeutung von Menschen und der illegalen Einwanderung, berühre. In diesem Zusammenhang sei aus der Begründung des Strafurteils zitiert, die sich auf dort genannte Beweismittel und insbesondere die durch das Beweisverfahren überprüften Geständnisse der damals Angeklagten gründe und an deren Richtigkeit die Berufungsbehörde keinen Grund zum Zweifel sehe. Danach sei die angeklagte Beschwerdeführerin am 18. Dezember 2004 in Österreich festgenommen worden. Etwa 20 Monate vor der Festnahme sei diese nach Österreich gekommen. In der Folge habe sie begonnen, in Österreich eine Schlepperorganisation aufzubauen, wobei sie mit einer Organisation in der Slowakei und Moldawien zusammengearbeitet habe und gleichsam der Chef dieser Organisation in Österreich gewesen sei.

Da die Erklärung der Beschwerdeführerin, künftighin nicht mehr straffällig zu werden, rein deklaratorischen Charakter aufweise und einer Objektivierung in keiner Weise zugänglich sei, sei darauf nicht weiter Bedacht zu nehmen gewesen. Wegen des besonders verwerflichen, primär auf Gewinn gerichteten und mindestens einige Wochen lang andauernden strafbaren Verhaltens der Beschwerdeführerin könne für sie derzeit - und auf Jahre hinaus - keine günstige Verhaltensprognose erstellt werden.

In Anbetracht der mittlerweile erfolgten Verehelichung der Beschwerdeführerin sei von einem mit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Die Intensität der familiären Bindung könne angesichts der Tatsache, dass die Heirat während ihrer Haft erfolgt und sie nach wie vor in Haft sei, als nicht sehr hoch eingeschätzt werden. Die Begehung von Verbrechen - unter anderem auch in Form der Gewerbsmäßigkeit, also in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen -

stelle eine nachhaltige Gefährdung des öffentlichen Interesses (Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte Dritter) dar, die es im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK - unter Hinteranstellung der gegenläufigen persönlichen Interessen der Fremden - notwendig mache, das bereits erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot aufrechtzuerhalten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot (oder ein Rückkehrverbot) auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der hg. Judikatur kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Weiters kann bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0783, mwN).

2.1. An seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes geänderten Umständen bringt die Beschwerde vor, dass die Beschwerdeführerin am 17. Mai 2006 den österreichischen Staatsbürger S. geheiratet habe und sie auf Grund ihrer sehr guten Führung in Strafhaft häufig Ausgang erhalte, woraus zu schließen sei, dass sie keine Gefahr mehr für die Gesellschaft darstelle.

Auch hätten sich durch ihre Heirat ihre sozialen Umstände maßgeblich und nachhaltig geändert. Durch ihren Ehegatten finde sie jenen Halt und auch jene wirtschaftliche Stütze, die jedenfalls die Annahme rechtfertigten, dass sie zukünftig keine strafbaren Handlungen mehr begehen würde. Ihr Gatte beabsichtige, ihre beiden Kinder zu adoptieren, die dann nach Österreich kommen würden, sodass sich ihre Kernfamilie spätestens bei Haftentlassung in Österreich befinden würde. Ihr Ehegatte sei überdies gesundheitlich erheblich angeschlagen, sodass ihm angesichts der schlechten gesundheitlichen Versorgung in Moldau eine Übersiedlung dorthin nicht zumutbar wäre.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde liegt der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin, die am 11. März 2003 illegal eingereist war und sodann mit einer ab dem 14. März 2003 gültigen, am 10. Jänner 2006 widerrufenen asylrechtlichen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhältig war, nach ihrer Einreise begonnen hatte, in Österreich eine Schlepperorganisation aufzubauen, wobei sie mit einer Organisation in der Slowakei und Moldawien zusammenarbeitete und als Mitglied in einer kriminellen Organisation in führender Position und in großem Umfang Schlepperei verübte. Wegen dieser Verbrechen der kriminellen Organisation und der Schlepperei wurde über sie (laut Beschwerdevorbringen: mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg) am 4. Mai 2005 eine Freiheitsstrafe von vier Jahren verhängt, die sie derzeit noch verbüßt.

Nach ständiger hg. Judikatur können die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung eines (allfälligen) Wohlverhaltens des Fremden nicht berücksichtigt werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2007/18/0804, mwN), und es reicht daher auch eine von Justizwachebeamten attestierte gute Führung im Strafvollzug nicht aus, um einen behaupteten Gesinnungswandel unter Beweis zu stellen (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch das hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zl. 2006/18/0174). Schon deshalb ist die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, dass die belangte Behörde von Amts wegen eine Stellungnahme der Justizanstalt hätte einholen oder die Beschwerdeführerin zumindest im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht zur Beibringung einer solchen Stellungnahme hätte anleiten müssen, nicht berechtigt. Im Übrigen ist der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeitraum viel zu kurz, um auf einen Wegfall der von der Beschwerdeführerin ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im Sinn des § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) FPG zu schließen.

Die Ansicht der belangten Behörde, dass das persönliche Verhalten der Beschwerdeführerin somit weiterhin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft, nämlich die Verhinderung der Ausbeutung von Menschen und der illegalen Einwanderung berühre, darstelle, kann daher nicht als rechtswidrig erachtet werden.

Darüber hinaus stellt auch die von der Beschwerde ins Treffen geführte Verstärkung der persönlichen Bindungen und Interessen der Beschwerdeführerin in Österreich in Anbetracht ihrer massiven Straftaten und des seither verstrichenen Zeitraumes keinen Umstand dar, der die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 87 iVm § 86 Abs. 1 oder des § 66 Abs. 1 und 2 FPG rechtfertigen könnte.

3. Die Beschwerde bringt vor, dass die Beschwerdeführerin den "Sonderbestimmungen für EWR-Bürger und deren Angehöriger" zwar hinsichtlich des Entzuges des Aufenthaltsrechtes, nicht jedoch hinsichtlich der Rechtsschutzgarantien des § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG unterfalle, weil ihr österreichischer Ehegatte nicht zu den freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern gehöre und sie daher nicht als begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG angesehen werde. Angehörige von nicht freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern würden im Vergleich zu Angehörigen von EWR-Bürgern, die ein Freizügigkeitsverhalten setzten, ungleich behandelt und schlechter gestellt, was verfassungswidrig sein dürfte. Zur Sicherstellung einer verfassungskonformen Erledigung wäre das Berufungsverfahren daher im Sinn des § 9 Abs. 1 Z. 1 FPG vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zu führen gewesen.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Ansicht der belangten Behörde, dass sie gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG (vgl. zu dieser im Verfassungsrang stehenden Bestimmung auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Oktober 2006, G26/06 u.a.) als Berufungsbehörde zuständig sei, entspricht vielmehr der hg. Judikatur (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 29. November 2006, Zl. 2006/18/0314, mwN).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. April 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006180362.X00

Im RIS seit

14.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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