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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §17;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2008/18/0257 2008/18/0259 2008/18/0258Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerden der 1.) MH, geboren am 22. Oktober 1976 (Zl. 2008/18/0256), 2.) AH, geboren am 14. Juli 1988 (Zl. 2008/18/0257), 3.) KH, geboren am 14. September 2001 (Zl. 2008/18/0258), und 4.) BH, geboren am 21. Dezember 2004 (Zl. 208/18/0259), vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OEG in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 41/9, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 2008, Zlen. 1.) 317.271/2-III/4/07, 2.) Zl. 317.271/3-III/4/07,
3.) Zl. 317.271/5-III/4/07 und 4.) Zl. 317.271/3-III/4/07, betreffend Niederlassungsbewilligungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat jedem der Beschwerdeführer den Aufwand von je EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 21. Jänner 2008 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen für den Zweck "Angehöriger" gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, und der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer gemäß § 23 Abs. 4 und § 47 Abs. 3 NAG abgewiesen.
Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 NAG dürften Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn gegen ihn ein aufrechtes Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates bestehe. "Wie die Recherchen der Berufungsbehörde weiters ergaben, wurde gegen (die Erstbeschwerdeführerin) ein Einreise-/Aufenthaltsverbot im Schengener Gebiet durch die Bundesrepublik Deutschland mit Ausschreibung vom 12.12.2003, welches derzeit noch aufrecht ist, erlassen." Daher sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels an die Erstbeschwerdeführerin zwingend zu versagen. Da die Erstbeschwerdeführerin Erziehungsberechtigte der Zweit- bis Viertbeschwerdeführer sei, richte sich die Art und die Dauer deren Aufenthaltstitels nach der Erstbeschwerdeführerin. Da diese keinen Titel erhalte, könne auch den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern keine Titel erteilt werden.
2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, diese wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass gegen die Erstbeschwerdeführerin "mit Ausschreibung vom 12.12.2003" ein Einreise-/Aufenthaltsverbot erlassen worden sei. Den angefochtenen Bescheiden sei nicht zu entnehmen, welche Beweisergebnisse die belangte Behörde zu einer derartigen Annahme veranlasst habe. Den Beschwerdeführern sei vor Erlassung der angefochtenen Bescheide keine Gelegenheit gegeben worden, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen. Der Vertreter der Beschwerdeführer habe am 26. Februar 2008 versucht, Akteneinsicht zu nehmen. Entgegen der Bestimmung des § 17 AVG seien jedoch Aktenbestandteile ("angeblich OZ. 11 bis 13") von der Akteneinsicht ausgenommen worden.
1.2. Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nicht erteilt werden, wenn gegen ihn ein Aufenthaltsverbot eines anderen EWR-Staates besteht.
Die belangte Behörde hat zu dem gegen die Erstbeschwerdeführerin möglicherweise erlassenen Einreise- /Aufenthaltsverbot keine näheren Feststellungen getroffen. So blieb offen, von welcher Behörde zu welchem Zeitpunkt welcher Rechtsakt mit welchem Inhalt gesetzt worden sein soll. Was die "Ausschreibung vom 12.12.2003" betrifft, so ist den vorgelegten Verwaltungsakten lediglich zu entnehmen, dass SIRENE Deutschland der belangten Behörde am 21. Dezember 2007 mitteilte, die Erstbeschwerdeführerin sei seit dem 23. Dezember 1999 ins Ausland verzogen. Für die Ausschreibung vom 12. Dezember 2003 sei die Stadtverwaltung Frankfurt/Main zuständig. Die Erstbeschwerdeführerin sei in Deutschland kriminalpolizeilich nicht in Erscheinung getreten.
1.3. Die belangte Behörde hat die Anträge auf Niederlassungsbewilligung abgewiesen, ohne sich auf ein konkretes Aufenthaltsverbot stützen zu können und ohne zu ermitteln, welche Umstände zur Ausschreibung vom 12. Dezember 2003 geführt haben. Die bisherigen Ermittlungsergebnissen reichen nicht aus, um vom Bestehen eines Aufenthaltsverbots gegen die Erstbeschwerdeführerin auszugehen.
2. Die angefochtenen Bescheide waren gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. April 2008
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Allgemein Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008180256.X00Im RIS seit
10.06.2008Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008