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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §58 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2005/18/0154Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerden
1. des SP, geboren am 3. August 1962, 2. der DP, geboren am 29. Juli 1963, 3. des AP, geboren am 18. April 1990, 4. des DP, geboren am 10. September 1992, alle in L und vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 31. März 2005, 1. Zl. St 334/04 (betreffend den Erstbeschwerdeführer; hg. Zl. 2005/18/0153) und
2. Zl. St 337/04 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer; hg. Zl. 2005/18/0154), betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin den Aufwand von jeweils EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind die Eltern des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers.
Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 31. März 2005 wurden die Beschwerdeführer, bosnische Staatsangehörige, jeweils gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 sowie § 37 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführer seien gemeinsam am 30. Oktober 1999 illegal und mit gefälschten Reisepässen nach Österreich eingereist. Sie seien zuerst nach Deutschland weitergereist, wo sie jedoch von den deutschen Behörden aufgegriffen und nach Österreich rücküberstellt worden seien. Das Asylverfahren des Erstbeschwerdeführers sei seit dem 21. April 2004 im Hinblick auf
§ 7 Asylgesetz 1997 und seit dem 19. August 2004 im Hinblick auf
§ 8 Asylgesetz 1997 rechtskräftig negativ abgeschlossen. Über die Asylanträge der Zweitbeschwerdeführerin sowie des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers lägen seit 24. August 2004 rechtskräftig negative Entscheidungen gemäß § 11 AsylG vor. Die Beschwerdeführer hielten sich seit dem Abschluss ihrer Asylverfahren insofern rechtswidrig im Bundesgebiet auf, als ihnen seit diesen Zeitpunkten weder ein Einreise- noch ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei. In Hinblick auf die Tatsache, dass die Beschwerdeführer seit November 1999, also seit ungefähr fünf Jahren, gemeinsam in Österreich aufhältig seien und der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin über eine Arbeitsbewilligung verfügten und einer Beschäftigung nachgingen, werde durch die verhängten Maßnahmen in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführer eingegriffen. Deren Integration werde jedoch dadurch releviert, dass gegen die gesamte Familie ein Ausweisungsverfahren durchgeführt worden sei und der Erstbeschwerdeführer sowie die Zweitbeschwerdeführerin für ihre Beschäftigung zwar über eine Arbeitsbewilligung, nicht jedoch über entsprechende Aufenthaltstitel verfügten.
Die Beschwerdeführer hielten sich seit mehreren Monaten illegal in Österreich auf. Bereits ein mehrmonatiger unrechtmäßiger Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Die Ausweisung sei gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten. Die Übertretung fremdenpolizeilicher Vorschriften stelle einen gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung dar. Die öffentliche Ordnung werde schwer beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben würden, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ebenso, wenn Fremde nach Auslaufen einer Aufenthaltsbewilligung bzw. nach Abschluss ihres Asylverfahrens das Bundesgebiet nicht rechtzeitig verlassen würden. Die Ausweisung sei in solchen Fällen erforderlich, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte. Vor dem Hintergrund dieser Tatsache habe auch von der Ermessensentscheidung des § 33 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden müssen.
Die Anträge der Beschwerdeführer vom 17. September 2004 auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen iSd § 19 Abs. 2 Z. 6 iVm § 10 Abs. 4 FrG würden die belangte Behörde nicht verpflichten, eine rechtskräftige Entscheidung darüber abzuwarten. Die Bundesministerin für Inneres habe der Erteilung dieser Aufenthaltstitel nicht zugestimmt.
2. Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden mit dem Begehren, sie wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm jedoch von der Erstattung von Gegenschriften Abstand.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. Die Beschwerdeführer haben unstrittig nie über einen Aufenthaltstitel verfügt. Ihre Asylanträge sind rechtskräftig abgewiesen worden. Auf Grundlage dieses Sachverhalts begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die von den Beschwerdeführern gestellten Anträge auf Erteilung von humanitären Niederlassungsbewilligungen, über die noch nicht entscheiden wurde, einer Ausweisung der Beschwerdeführer entgegenstehen. In seinem Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034, hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit einer von derselben belangten Behörde getroffenen Ermessensentscheidung befasst, die eine mit der Begründung der hier bekämpften Bescheide identische Begründung aufweist, und hat Letztere als unzureichend qualifiziert. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Die Beschwerdeführer haben - unvorgreiflich des Ergebnisses der behördlichen Ermessensübung - die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt, indem sie - wenngleich inhaltlich unter Heranziehung von auch für die Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG bedeutsamen Umständen - ausführlich darlegten, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu ihren Gunsten Ermessen zu üben gehabt hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0268).
3. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine den Beschwerdeführern die Verfolgung ihrer subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Bescheide andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung zu geben, leiden die angefochtenen Bescheide an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Sie waren deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. April 2008
Schlagworte
Ermessen besondere Rechtsgebiete Verfahrensbestimmungen Ermessen Ermessen VwRallg8 Begründung von ErmessensentscheidungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005180153.X00Im RIS seit
10.06.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008