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80/02 Forstrecht;Norm
ForstG 1975 §17 idF 2002/I/059;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Dr. FK in Z, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 29. März 2005, Zl. FA10A - 31 Ki 19/05-4, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 5. Februar 2003 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Rodungsbewilligung für eine Teilfläche des Grundstückes Nr. 780/1 der KG L. im Ausmaß von ca. 600 m2 zum Zweck der Errichtung von Freizeiteinrichtungen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 29. Juli 2004 wurde der - am 8. Jänner 2004 auf Erteilung einer Rodungsbewilligung für den gesamten als Waldfläche ausgewiesenen Teil des Grundstückes Nr. 780/1 (1.646 m2) geänderte - Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Februar 2003 abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Im Zuge des Berufungsverfahrens holte der Landeshauptmann von Steiermark gutachterliche Stellungnahmen der Fachabteilung 13 B, Bau- und Raumordnung, Energieberatung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung (im Folgenden kurz: Fachabteilung)sowie des forstlichen Amtssachverständigen ein.
Die Stellungnahme der Fachabteilung vom 2. Februar 2005 lautet (auszugsweise) wie folgt (Schreibweise wie im Original; anonymisiert):
"Ggst. Areal (gemeint:Das Grundstück Nr. 780/1), im nordöstlichen Thermenbereich gelegen, ist im seit 02. 03 2001 rechtskräftigen FWP. VF. 3.00 als Wald ausgewiesen.
Es ist nordwärts einer im Zuge der dort gegebenen Erholungsgebietsausweisung festgelegten Freihaltezone situiert und nimmt südorientierte Hanglage ein.
Auch das im ÖEK integrierte funktionelle Siedlungsleitbild sieht im ggst. Bereich weder eine kurz- noch langfristige Baulandentwicklung vor, sondern typisiert ggst. Areal gemäß Legende zum Siedlungsleitbild vielmehr als erhaltenswerte Gründstruktur / Wald.
...
Da ggst. Areal eindeutig dem zentralen Thermenbereich zuzuordnen ist, Freiland - Wald darstellt, dieser Bereich gesamtfunktionell als erhaltenswerte Grünstruktur/Wald definiert wird, und (...) die gegebenen Siedlungsgrenzen als langfristige Entwicklungsgrenzen anzusehen sind, kann somit ein die Waldausweisung ggst. Areals überwiegendes siedlungspolitisches Interesse im Sinne des § 17 (2) Forstgesetz 1975 (...) nicht abgeleitet werden."
Im Gutachten des forstlichen Sachverständigen vom 14. Februar 2005 wird (auszugsweise) ausgeführt (Schreibweise wie im Original; anonymisiert):
"Der gegenständliche Rodungsantrag betrifft die als Wald ausgewiesene Teilfläche des gemischt genutzten Grundstückes 780/1, KG . L(...) im Ausmaß von 1.646 m2. Das Grundstück wird im Norden durch den Weg (Grundstück Nr. 2166) und anschließend durch das Waldgrundstück 778, im Nordosten durch die Landesstraße nach J(...) und sonst durch landwirtschaftliche Grundstücke begrenzt (zum Teil Eigengrund bzw. Fremdgrund). Die Waldfläche soll dauernd zum Zwecke der Errichtung von Freizeiteinrichtungen genutzt werden.
Die Rodungsfläche liegt in einer Höhe von ca. 400 Metern und ist leicht geneigt und nach Südosten exponiert. Derzeit ist die Rodungsfläche mit einem Nadellaubmischwald mit deutlich stufiger Struktur bestockt. Die Überschirmung beträgt 0,7 bis 0,9.
Die Waldausstattung beträgt in Katastralgemeinde L(...) 33,6 Prozent und in der Gemeinde L(...) 38 Prozent, die Waldflächenbilanz in der Gemeinde L(...) ist gering negativ. Im genehmigten Waldentwicklungsplan des Bezirkes H(...) liegt die Rodungsfläche in der Funktionsfläche 17 des Bezirkes F(...). Diese Funktionsfläche ist mit der Codierung 133 festgelegt, was bedeutet, dass eine geringe Schutzfunktion, eine hohe Wohlfahrtsfunktion und eine hohe Erholungsfunktion vorliegt. Die Rodungsfläche selbst wird mit der Codierung 123 festgelegt, was wie folgt begründet wird:
Die mittlere Wohlfahrtsfunktion liegt aus Gründen der Luftfilterung, der Bindung der ohnehin sehr geringen Niederschläge durch Interzeption bzw. Erhaltung der Bodenfeuchte des Bodens vor. Durch die Rodung würde es zu einer deutlichen Austrocknung kommen, was auch deutlich negative Einflüsse auf das nicht unmittelbar angrenzende Waldgrundstück 778 bedeuten würde.
Die hohe Erholungsfunktion wird dadurch begründet, dass in der Gemeinde ein sehr starker Besuch von Erholungssuchenden vorliegt, die ihre Erholung nicht nur in der Therme, sondern auch durch sportliche Aktivitäten und durch laufen, Nordic walken und wandern suchen. Direkt unterhalb der Landesstraße verläuft ein markierter Wanderweg, sodass auch die Rodungsfläche für Erholungszwecke intensiv genutzt wird.
Auf Grund dieser Festlegungen der überwirtschaftlichen
Funktionen, wird aus forstfachlicher Sicht festgestellt, dass ein
besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung für die
Rodungsfläche vorliegt ... .
...
.... Wie oben ausgeführt, tritt durch die beabsichtigte
Rodung einerseits eine Schmälerung der Wohlfahrts- und Erholungsfunktion ein und außerdem sind negative Auswirkungen auf dem Waldgrundstück Nr. 778 zu erwarten.
Bei Genehmigung der beantragten Rodung ist damit zu rechnen, dass Trockenschäden an den Bestandesrändern bzw. auch Austrocknung des Waldbodens eintreten können. ...
..."
Mit Bescheid vom 29. März 2005 wies der Landeshauptmann von Steiermark die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 17 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 (im Folgenden: ForstG) ab.
Zur Begründung führte der Landeshauptmann im Wesentlichen aus, der Bewilligung zur Rodung der Fläche stünde ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser als Wald gemäß § 17 Abs. 2 ForstG entgegen. Eine Erteilung der Rodungsbewilligung sei auch gemäß § 17 Abs. 3 ForstG nicht möglich, weil ein öffentliches Interesses an einer anderen Verwendung dieser Fläche nicht vorliege. Diese rechtliche Beurteilung beruhe im Wesentlichen auf dem Gutachten des forstlichen Amtssachverständigen. vom 14. Februar 2005 und der Stellungnahme der Fachabteilung vom 2. Februar 2005.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift, beantragt aber die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
1.1. § 17 ForstG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 59/2002 lautet (auszugsweise):
"Rodung
§ 17. (1) Die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) ist verboten.
(2) Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald nicht entgegensteht.
(3) Kann eine Bewilligung nach Abs. 2 nicht erteilt werden, kann die Behörde eine Bewilligung zur Rodung dann erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.
...
(5) Bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses im Sinne des Abs. 2 oder bei der Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 3 hat die Behörde insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.
..."
1.2. Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage der Novelle BGBl. I. Nr. 59/2002, RV 970 BlgNR 21. GP, 94, zu § 17 ForstG lauten (auszugsweise):
"Die Neuformulierung des Abs. 2 erlaubt (...) die Erteilung einer Rodungsbewilligung, wenn ein (durch das Gutachten eines forstlichen Amtssachverständigen zu beurteilendes) besonderes öffentliches Interesse an der Walderhaltung nicht entgegensteht. Ein besonderes - und damit einer Bewilligung nach § 17 Abs. 2 entgegenstehendes - öffentliches Interesse an der Walderhaltung ist dann als gegeben zu erachten, wenn es sich um Waldflächen handelt, denen mittlere oder hohe Schutzwirkung, mittlere oder hohe Wohlfahrtswirkung oder hohe Erholungswirkung gemäß Waldentwicklungsplan zukommt. ...
Werden im für die Beurteilung des öffentlichen Interesses an der Walderhaltung maßgeblichen forstfachlichen Gutachten Einwände gegen die beantragte Rodung erhoben bzw. wird auf das öffentliche Interesse an der Walderhaltung qualifizierende besondere Wirkungen der zur Rodung beantragten Waldfläche hingewiesen, scheidet die Erteilung einer Bewilligung nach Abs. 2 aus, da diesfalls das öffentliche Interesse an der Walderhaltung als dem Rodungsantrag entgegenstehend anzusehen ist. ..."
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
2.1.1. Dem angefochtenen Bescheid liegt die auf das forstliche Sachverständigengutachten vom 14. Februar 2005 gestützte Annahme zu Grunde, dass der in Rede stehenden Waldfläche als "mittel" zu bewertende Wohlfahrts- und hohe Erholungsfunktion zukämen. Die mittlere Wohlfahrtsfunktion liege in der Luftfilterung und Bindung der ohnehin sehr geringen Niederschläge durch Interzeption bzw. Erhaltung der Bodenfeuchte begründet. Durch die Rodung der Waldfläche würde es zu einer deutlichen Austrocknung kommen, was auch negative Einflüsse auf die Waldfläche des Grundstückes Nr. 778 bedeuten würde. Die hohe Erholungsfunktion resultiere aus der intensiven Inanspruchnahme der verfahrensgegenständlichen Fläche insbesondere durch Besucher der in der Gemeinde L. situierten Therme. In dieser Hinsicht stünde der beantragten Rodung ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald entgegen.
2.1.2. Die Beschwerde bringt unter Hinweis auf die hg. Erkenntnisse vom 14. Jänner 1981, Zl. 07/2726/80, vom 14. September 1982, Zl. 82/07/0096, vom 29. Mai 1984, Zl. 83/07/0327, und vom 26. Februar 1987, Zlen. 83/07/0384, 85/07/0125, 0126, 0127, vor, das forstliche Sachverständigengutachten sei nicht begründet, zumal mit den bloßen Hinweisen auf "negative Einflüsse auf die Waldfläche Nr. 778", "Luftfilterung", "Erhaltung der Bodenfeuchte" und "intensive Nutzung der Rodungsfläche durch Besucher" die Wohlfahrts- und Erholungswirkung der in Rede stehenden Waldfläche nicht in einer wissenschaftlich messbaren Weise dargetan worden seien.
Dem ist zu erwidern, dass es in sämtlichen zitierten Erkenntnissen um die Frage ging, ob es sich bei einer Fläche um Wald im Sinne des ForstG handle. Diese Erkenntnisse sind auf den Fall einer beantragten Rodungsbewilligung wie den Beschwerdefall, für den § 17 ForstG in der Fassung der Novelle 2002 heranzuziehen ist, schon deshalb nicht übertragbar.
Der von der belangten Behörde beigezogene forstliche Amtssachverständige ist in seinem Gutachten - in Übereinstimmung mit dem Waldentwicklungsplan - auch auf die Waldausstattung der Katastralgemeinde L. und der Gemeinde L. sowie auf die Waldflächenbilanz der Gemeinde L. einzeln eingegangen. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, die ausführlich begründeten Ausführungen des Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihm selbst in Auftrag gegebenen Gutachten zu widerlegen. Dies hat er jedoch unterlassen. Weder auf Grund der Beschwerdeausführungen noch sonst auf Grund des Inhaltes der Verwaltungsakten ergeben sich für den Verwaltungsgerichtshof Bedenken gegen das forstliche Sachverständigengutachten (vgl. zu den Anforderungen an ein forstliches Sachverständigengutachten im Rodungsverfahren etwa die hg. Erkenntnisse vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0358, vom 22. Dezember 2003, Zl. 2001/10/0221, vom 22. November 2004, Zl. 2001/10/0225 und vom 21. Juni 2007, Zl. 2004/10/0095). Die darauf gestützte Beurteilung der belangten Behörde, dass der in Rede stehenden Waldfläche mittlere Wohlfahrts- und hohe Erholungsfunktion zukämen, und daher in rechtlicher Sicht ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald der beantragten Rodung entgegenstehe, ist demnach nicht zu beanstanden.
2.1.3. Auch mit dem Hinweis auf das von ihr als "gering" erachtete Ausmaß der zur Rodung in Aussicht genommenen Fläche - insbesondere im Hinblick auf die unstrittige räumliche Nähe zum Thermenareal der Gemeinde L. - zeigt die Beschwerde nicht konkret auf, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald der Erteilung der beantragten Bewilligung im Sinne des § 17 Abs. 2 ForstG nicht entgegensteht (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2007).
2.1.4. Dass das verfahrensgegenständliche Grundstück von "undurchdringlichen Waldrändern" umgeben und der an der nördlichen Grenze der Waldfläche verlaufende Weg ausdrücklich als Privatweg deklariert sei, wird erstmals in der Beschwerde vorgebracht, erweist sich sohin als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung.
2.2. Die Erteilung einer Rodungsbewilligung käme im Beschwerdefall nach dem bisher Ausgeführten nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 ForstG in Betracht. Ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche im Sinne dieser Bestimmung hat die belangte Behörde jedoch verneint. Dagegen bringt die Beschwerde nichts vor.
2.3. Die Versagung der Rodungsbewilligung ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 23. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005100088.X00Im RIS seit
16.06.2008Zuletzt aktualisiert am
12.07.2008