Index
L92201 Pflegegeld Burgenland;Norm
PGG Bgld 1993 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der U R in H, vertreten durch den Sachwalter K St in H, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 9. Mai 2007, Zl. 6-SO-64101894-8/7-2007, betreffend Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft i.A. der Gewährung von Pflegegeld und Gewährung von Pflegegeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Verweigerung der Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft richtet, als unbegründet abgewiesen.
Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Pflegegeld richtet, wird sie zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 23. Mai 2006 wurde der am 25. November 2005 eingebrachte Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Pflegegeld nach dem Burgenländischen Pflegegeldgesetz (Bgld. PGG) von der belangten Behörde mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, aus den vorliegenden Unterlagen gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft oder vom Rechtsstatus her österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sei. Eine Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes gemäß § 3 Abs. 1 lit. a Bgld. PGG sei, dass der Anspruchswerber die österreichische Staatsbürgerschaft besitze oder von seinem Rechtsstatus her österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt sei. Dies könne nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheine. Auf Grund des eingeholten Erhebungsberichtes des Referates für Jugendwohlfahrt und Sozialarbeit der Bezirkshauptmannschaft (BH) Güssing vom 31. März 2006 komme die Behörde zu der Auffassung, dass die Nachsicht nicht zu gewähren sei.
Auf Grund einer Missstandsfeststellung und Empfehlung der Volksanwaltschaft vom 20. Dezember 2006 hob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 68 Abs. 2 AVG den Bescheid vom 23. Mai 2006 auf (Punkt 1. des Spruches), sprach aus, hinsichtlich der Beschwerdeführerin werde gemäß § 3 Abs. 4 Bgld. PGG die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a Bgld. PGG, österreichische Staatsbürgerschaft, mangels Vorliegens einer sozialen Härte nicht nachgesehen (Punkt 2. des Spruches) und wies gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a Bgld. PGG den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung von Pflegegeld nach dem Bgld. PGG ab.
Begründend wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei ukrainische Staatsangehörige. Sie sei die Mutter von V. St., die seit 1996 mit K. St. verheiratet und in H wohnhaft sei. Das Ehepaar St. habe drei minderjährige Kinder. Anlässlich eines Besuches bei ihrer Tochter im Jahr 2004 habe die Beschwerdeführerin einen Schlaganfall erlitten und habe daher nicht mehr in die Ukraine zurückreisen können. Seit diesem Zeitpunkt werde sie von ihrer Tochter gepflegt.
Auf Grund des am 18. November 2005 gestellten Antrages auf Gewährung von Pflegegeld sei ein amtsärztliches Gutachten eingeholt worden, aus dem sich nachstehende Gesundheitsstörungen der Beschwerdeführerin ergäben: Bluthochdruck, Demenz, Desorientierungszustände im Rahmen einer Hirnmangeldurchblutung, Abnützungserscheinungen sämtlicher Gelenke und der Wirbelsäule und eine Depression. Es sei ein Pflegebedarf von 132 Stunden errechnet worden, was einem Pflegebedarf der Pflegestufe 3 entspreche.
Aus dem eingeholten Situationsbericht betreffend die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer sozialen Härte der BH ergebe sich, dass die am 23. März 1925 geborene Beschwerdeführerin mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und 3 Enkelkindern in H wohne. Ihr Tochter sei Hausfrau, deren Ehemann sei Frühpensionist. Die Kinder J. St. (geboren am 3. Dezember 1988) und K. St. (geboren am 12. August 1997) gingen zur Schule, K. St. (geboren am 24. März 2000) besuche noch den Kindergarten.
Die Beschwerdeführerin erhalte im Rahmen der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes monatlich EUR 256,30, es würden weiters für sie Krankenversicherungsbeiträge von monatlich EUR 312,13 als Leistung der Sozialhilfe bezahlt. Die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin sei bis 23. Dezember 2006 befristet. Die Familie bewohne ein Haus in H bestehend aus einem Keller (100 m2) und zwei weiteren Etagen in der Gesamtgröße von etwa 200 m2, die als Wohnfläche genutzt würden. Der Haushalt wirke ordentlich und sauber. Der Schwiegersohn beziehe eine monatliche Pension von EUR 1.753,02.
Die Familie habe folgende Fixausgaben zu verzeichnen: Strom monatlich EUR 115,10, Wasser jährlich EUR 196,30, Kanal jährlich EUR 275,66, Müll jährlich EUR 96,80, Ölheizung jährlich etwa EUR 2.500,--, Rauchfangkehrer halbjährlich EUR 38,65, Telefon zweimonatlich etwa EUR 100,-- und Versicherungspaket der Uniqua (Auto-, Hausrats- und Lebensversicherung) monatlich EUR 261,61. Das Ehepaar St. habe weiters Schulden (offene Kredite bzw. Wohnbaudarlehen) in Höhe von etwa EUR 240.000,-- (geschätzt von Herrn St.). Herr St. besuche daher regelmäßig die Schuldnerberatung. Auf Grund der schwierigen finanziellen Lage sei es bereits mehrfach zu Unterstützungen der Familie im Rahmen der Sozialhilfe gekommen.
Mit Bescheid der Landesregierung vom 23. Mai 2006 sei im Hinblick darauf, dass für die Beschwerdeführerin bereits im Rahmen der Sozialhilfe Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie Krankenversicherungsbeiträge geleistet würden, das Vorliegen sozialer Härte nicht angenommen und daher der Antrag auf Gewährung von Pflegegeld mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen abgewiesen worden. Dieser Bescheid sei auf Grund des Missstandsberichtes und der Empfehlung der Volksanwaltschaft mit Punkt 1. des Spruches aufzuheben gewesen.
Nach Wiedergabe des Situationsberichtes der BH Güssing führte die belangte Behörde aus, hinsichtlich des Vorbringens von Herrn St., die Familie befinde sich in finanziellen Nöten und es liege daher eine soziale Härte vor, werde auf Grund von Ermittlungen bei der Schuldnerberatung festgestellt, dass Herr St. ein zweites Haus in N (Bezirk Oberpullendorf) besitze. Dieses Haus hätte zwangsversteigert werden sollen, was jedoch am Mangel an Interessenten gescheitert sei. Ein weiterer Verkaufsversuch sei nicht aktenkundig. Entgegen den Darlegungen des Herrn St. sei er nicht mehr in Betreuung der Schuldnerberatung. Anlässlich seiner letzten Vorsprache im September 2004 habe er erklärt, nur mehr Probleme mit dem Versandhaus Neckermann zu haben. Auf Grund mehrfacher Urgenzen einer Inkassofirma bei der Schuldnerberatung seien im Jahr 2005 Termine mit Herrn St. zwecks weiterer Betreuung vereinbart worden, wovon kein einziger Termin von Herrn St. eingehalten worden sei.
Dem weiteren Vorbringen, Frau St. könnte einer Halbtagsarbeit nachgehen, wenn Pflegegeld genehmigt würde, werde entgegen gehalten, dass sich Herr St. aus körperlichen Gründen außer Stande sehe, die Pflege und Betreuung seiner Schwiegermutter allein zu bewältigen, sondern lediglich seiner Gattin bei der Betreuung und Pflege helfen könne. Der Zukauf von Pflege und Betreuung durch ambulante Pflegedienste mittels Pflegegeldes seit entsprechend den Notwendigkeiten stundenweise möglich, sicherlich jedoch nicht täglich den gesamten Vormittag, um eine Halbtagsbeschäftigung der Tochter der Beschwerdeführerin gewährleisten zu können. Als weiterer durchaus wesentlicher Grund dafür, dass Frau St. keiner Beschäftigung nachgehen könne, sei die fehlende verkehrstechnische Anbindung genannt worden. Die Behauptungen von Herrn St., durch "Fahrtendienste" für seine Frau zur Arbeit und von der Arbeit von der Pflege seiner Schwiegermutter abgehalten zu werden, sei insofern nicht stichhältig, als er - wie sich aus dem vorliegenden Situationsbericht ergebe - seiner Frau bei der Pflege nur behilflich sein könne. Eine mangelnde Verkehrsverbindung könne wohl nicht als Rechtfertigung für den Bezug von Pflegegeld herangezogen werden.
Hinsichtlich eines vermehrten Betreuungsaufwandes sei im Übrigen zu bemerken, aus dem Situationsbericht ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin die meiste Zeit des Tages lethargisch im Bett liegend verbringe und eine Versorgung in der Früh, mittags und abends erfolge.
Hinsichtlich der durch die erforderliche Betreuung und Pflege der Beschwerdeführerin auflaufenden zusätzlichen Kosten, etwa für Windeln, werde festgestellt, aus dem Bericht und dem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin nicht gewindelt sei, sondern die Toilette benutze. Des Weiteren würde seitens der Gebietskrankenkasse der Kauf von Windeln bezuschusst, zumal seitens des Sozialhilfeträgers Krankenversicherungsbeiträge geleistet würden.
Die familiäre und finanzielle Situation der Familie habe sich mittlerweile auch insofern geändert, als die älteste Tochter nicht mehr die Schule besuche, sondern einer Lehre nachgehe und somit eine Lehrlingsentschädigung erhalte. Die zweite Tochter besuche eine öffentliche Schule, sodass wohl für die Ausstattung mit Unterrichtsmitteln Kosten aufliefen. Hier könne die Familie im Bedarfsfall Unterstützung im Rahmen der Sozialhilfe erlangen.
Abschließend werde festgestellt, dass im gegenständlichen Fall nach Ansicht der belangten Behörde eine soziale Härte nicht vorliege und der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 4 Bgld. PGG nicht zum Tragen komme.
Zu Spruchpunkt 3. wurde zusammengefasst ausgeführt, da die Beschwerdeführerin nicht österreichischen Staatsbürgern gemäß § 3 Abs. 3 Bgld. PGG gleichgestellt und die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 Bgld. PGG nicht nachgesehen worden sei, sei ihr Antrag auf Gewährung von Pflegegeld abzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 1 Bgld. PGG hat das Pflegegeld den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.
Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes ist gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 lit. a, dass der Anspruchswerber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 lit. a kann gemäß § 3 Abs. 4 leg. cit. nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint. § 19 Abs. 3 und § 23 Abs. 2 sind nicht anzuwenden.
Gemäß § 3 Abs. 3 Bgld. PGG sind bestimmte Fremde (die Beschwerdeführerin zählt nicht zu dieser Personengruppe) österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.
Nach § 19 Abs. 3 Bgld. PGG kann nach Erlassung eines Bescheides nach diesem Gesetz beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht Klage erhoben werden.
Gemäß § 23 Abs. 2 Bgld. PGG haben Bescheide auf die Möglichkeit, eine Klage beim Landesgericht Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht einzubringen, auf die dabei einzuhaltende Frist, die Form der Einbringung und auf das Erfordernis des hinreichend bestimmten Klagebegehrens hinzuweisen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf gesetzmäßige Entscheidung über ihren Anspruch auf Pflegegeld "bzw." Nachsicht von der Anspruchsvoraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dem Bgld. PGG verletzt.
Sie führt aus, aus den Erläuterungen zum Bundespflegegeldgesetz und der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern betreffend pflegebedürftige Personen (LGBl. 3/1994) gehe hervor, dass pflegebedürftige Personen, die nicht unter das Bundespflegegeldgesetz fielen, grundsätzlich zu gleichen Bedingungen Pflegegeld beziehen sollten; zu solchen Personen zählten zum Beispiel Angehörige von Pensionsbeziehern und Sozialhilfeempfänger. Das heiße, dass bei Sozialhilfeempfängern das Vorliegen sozialer Härten anzunehmen sei. Dies sei auch beim Absehen von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft bei der Gewährung der Sozialhilfe von der BH Güssing geprüft und angenommen worden.
Maßgebend für die Nachsicht sei, dass diese auf Grund persönlicher, familiärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheine. Soziale Härte sei dann anzunehmen, wenn der durch das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft bedingte Mangel eines Pflegegeldanspruches dazu führte, dass der Pflegebedürftige mangels finanzieller Deckung für den Pflegemehraufwand die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Umfang erhalten könnte. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin seien von der belangten Behörde nicht berücksichtigt worden. Daraus hätte sich ein sozialer Härtefall ergeben. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführerin die notwendige und aufwändige Pflege nur bei ihrer Tochter und deren Familie zukommen könne und sie darauf existenziell angewiesen sei, da sie ansonsten weder in Österreich noch in der Ukraine Verwandte habe. Sie wohne derzeit bei der Familie ihrer Tochter, die aus dem Ehegatten und drei Kindern bestehe. Ihre Tochter sei Hausfrau, deren Gatte sei nach einem Unfall Frühpensionist und beziehe eine Pension von monatlich EUR 930,81 zuzüglich Kinderzulage, Kinderabsetzbetrag, "Mehrergänzungszulage" und Familienbeihilfe, sodass insgesamt ein Betrag von EUR 1.796,99 anfalle. Damit müsse für die Erhaltung der gesamten Familie und des Hauses aufgekommen werden, hinzu kämen noch Schuldenrückzahlungen.
Ihre Tochter pflege die Beschwerdeführerin mit Hilfe ihres Gatten und könne daher keiner regelmäßigen Arbeit nachgehen. Zu den ständigen Ausgaben kämen noch Rückzahlungsraten für Schulden aus dem Hauskauf. Durch den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin - der Arzt habe Pflegegeld nach Stufe 3 festgestellt - ergäben sich pflegebedürftige Mehraufwendungen. Für die Familie ihrer Tochter sei es daher äußerst schwierig, für die Kosten rund um ihre Pflege aufzukommen und habe sich deren finanzielle Lage durch die Aufnahme der Beschwerdeführerin wesentlich verschlechtert, sodass sie sich am Rande der finanziellen Leistungsfähigkeit befinde. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte soziale Härte auf Grund der Tatsachen und Umstände des Einzelfalles liege daher vor und zwar sowohl hinsichtlich ihrer persönlichen, als auch der familiären und der wirtschaftlichen Verhältnisse.
Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid nicht alle ihre familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse, die die Grundlage für die Entscheidung bilden sollten, ermittelt. Es blieben noch folgende Fragen offen, die zu prüfen und in die Entscheidung einzubinden gewesen wären, um ein dem AVG entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen:
Die Tochter der Beschwerdeführerin sei im Besitz eines Führerscheines, der im Jahr 1996 in Österreich umgeschrieben worden sei. Sie habe aber seit Erlangung des Führerscheines kein Kraftfahrzeug mehr gelenkt.
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Die durch die Operation des Sohnes notwendigen zusätzlichen Betreuungsmaßnahmen und Kosten - so fielen hiefür in Folge der notwendigen Behandlung und der erforderlichen Sportausübung allein schon ca. EUR 200,-- an - seien nicht erhoben worden. Auf Grund des Anratens der logopädischen Betreuung von "Rettet das Kind" werde eine Heilbehandlung bei einem Omnipathen durchgeführt und sei eine Sportausübung notwendig.
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Das Haus in N sei im Februar 2007 zwangsversteigert worden (EUR 23.000,--). Damit hätten aber nicht alle Forderungen abgedeckt werden können und seien diesbezüglich Exekutionen anhängig, die aber auf Grund des geringen Einkommens von Herrn St. derzeit nicht bedient werden könnten.
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Aus dem Nichtbesuch der Schuldnerberatung könne nicht auf Fehlen der finanziellen Not geschlossen werden.
Die Ausführungen betreffend die mögliche Halbtagsarbeit von Frau St. und die Feststellung, dass sich Herr St. aus körperlichen Gründen außer Stande sehe, die Pflege und Betreuung seiner Schwiegermutter allein zu bewältigen, seien nicht nachvollziehbar. Vielmehr würde der stundenweise Zukauf ambulanter Pflegedienste die Familiensituation wesentlich verbessern, da damit zumindest eine Halbtagsbeschäftigung der Tochter der Beschwerdeführerin möglich wäre und Herr St. allein durch seine Anwesenheit für die Beaufsichtigung der Beschwerdeführerin sorgen könnte und wenn nötig jederzeit fremde Hilfe herbeiholen könnte.
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Die familiäre und finanzielle Situation der Familie habe sich durch die Lehre der ältesten Tochter nicht zum Besseren gewendet, da durch das teilweise "Führen" zum Arbeitsplatz und durch die Kosten für eine Mietwohnung zusätzliche Aufwendungen entstünden, die die Lehrlingsentschädigung wesentlich kürzten.
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Der Hinweis, dass die Schulkosten für die zweite Tochter durch Unterstützung im Zuge der Sozialhilfe vermindert werden könnten, stelle keine Lösung des Problems dar.
Bei Durchführung eines dem AVG entsprechenden Ermittlungsverfahrens wäre die erkennende Behörde zu einer anderen Entscheidung gekommen, nämlich dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht der Staatsbürgerschaft gegeben seien.
Zunächst ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwischen der Gewährung von Pflegegeld mit der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen und der Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft mit der Beurteilung der dafür erforderlichen Voraussetzungen zu unterscheiden ist. Der Bescheid über den Anspruch auf Pflegegeld, der (nur) mit Klage beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft werden kann, ist von dem in einem anderen Regelungszusammenhang stehenden Bescheid über die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft zu unterscheiden. Ist die Behörde der Auffassung, einem Fremden sei die Nachsicht von der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht zu erteilen und es könne ihm wegen des Fehlens der Staatsbürgerschaft Pflegegeld nicht zuerkannt werden, so hat sie zwei Bescheide zu erlassen, und zwar den Bescheid über die Verweigerung der Nachsicht und den Bescheid betreffend die Abweisung des Pflegegeldantrages (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 15. September 2003, Zl. 2003/10/0153, mwH). Die Behörde kann diese Bescheide in getrennten Ausfertigungen erlassen, es besteht jedoch kein Hindernis, sie - wie im vorliegenden Fall - in einer Ausfertigung zusammen zu fassen. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Pflegegeldes richtet, war sie wegen der insofern gemäß § 19 Abs. 3 Bgld. PGG bestehenden sukzessiven Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichtes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom 23. Juni 2006, Zl. 2004/10/0025).
Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich auf Grund von Bestimmungen in den Pflegegeldgesetzen anderer Bundesländer, die dem § 3 Abs. 4 Bgld. PGG vergleichbar sind, bereits wiederholt mit der Frage des Vorliegens einer sozialen Härte zu beschäftigen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2007, Zl. 2006/10/0032, und vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0303). Die dort angestellten Erwägungen sind daher auch zur Entscheidung des vorliegenden Falles heranzuziehen und unter Bedachtnahme auf den Zweck des Pflegegeldes (§ 1 Bgld. PGG) eine soziale Härte im Sinne des Gesetzes dann anzunehmen, wenn der durch das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft bedingte Mangel eines Pflegegeldanspruches dazu führen würde, dass der Pflegebedürftige mangels finanzieller Deckung des Pflegemehraufwandes die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Umfang erhalten könnte. Diese Beurteilung ist anhand der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des (fremden) Anspruchswerbers vorzunehmen, wobei es entscheidend auf die Gesamtbeurteilung der erwähnten Verhältnisse ankommt.
Der nach dem amtsärztlichen Gutachten unbestritten bestehende Pflegebedarf der Beschwerdeführerin bewirkt einen Mehraufwand. Dieser führt allerdings nicht bereits für sich zur Annahme des Vorliegens sozialer Härte im Sinne des § 3 Abs. 4 Bgld. PGG. Entscheidend ist in diesem Punkt vielmehr, ob mangels finanzieller Deckung dieses Aufwandes die Beschwerdeführerin die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Ausmaß erhält. Diese Frage konnte die belangte Behörde jedoch zu Recht verneinen. Die Beschwerdeführerin erhält die erforderliche Pflege und Betreuung nämlich - auch nach ihrem Vorbringen - durch ihre Familie.
Umstände, die die Annahme rechtfertigten, eine ordnungsgemäße Pflege und Betreuung der beschwerdeführenden Partei erfordere eine Heranziehung Dritter, insbesondere fachlich qualifizierten Personals, ergeben sich aus dem amtsärztlichen Gutachten nicht; sie sind auch auf Grund des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich. Weder die Art noch das Ausmaß der notwendigen Betreuungs- und Hilfsmaßnahmen lassen eine Heranziehung Dritter geboten erscheinen. Auch der Hinweis auf eine beabsichtigte halbtägige Berufstätigkeit der Tochter der Beschwerdeführerin bedeutet noch nicht, dass die von dieser bisher geleistete Pflege und Betreuung in Hinkunft nicht mehr erbracht werden könnte; dies insbesondere im Hinblick darauf, dass die belangte Behörde - unbestritten - davon ausgegangen ist, dass die Beschwerdeführerin die meiste Zeit des Tages lethargisch im Bett liegend verbringt und eine Versorgung in der Früh, mittags und abends erfolgt. Es wurde auch niemals ein konkretes Vorbringen erstattet, aus dem sich ergeben hätte, dass eine (unmittelbar bevorstehende) Aufnahme einer Beschäftigung durch die Tochter der Beschwerdeführerin es unmöglich machte, die erforderlichen Pflegemaßnahmen weiterhin zu leisten.
Der Beschwerde war daher schon aus diesem Grund ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007100134.X00Im RIS seit
16.06.2008Zuletzt aktualisiert am
22.10.2012