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60/02 Arbeitnehmerschutz;Norm
ASchG 1994 §35 Abs1 Z5 idF 2001/I/159;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des AH in F, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 40, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. Juni 2007, Zl. uvs-2006/24/1068-6, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Bestimmungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Spruchpunkt I. des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 21. Juni 2007 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als verantwortlicher Beauftragter nach § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten, dass die F GmbH mit Sitz in F, es als Arbeitgeberin unterlassen habe, dafür zu sorgen, dass am 30. Oktober 2005 im Betrieb der F GmbH in F Arbeitsmittel, bei denen Mängel (Beschädigungen) festzustellen gewesen seien, die die Sicherheit beeinträchtigen können, nicht benutzt würden, und zwar
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ein Hubzug für eine Nutzlast von 1,5 Tonnen (in der Folge: Hubzug 1,5 t), dessen Verschraubungen locker gewesen seien und dessen Haken beim Anheben einer Vorbrecherwelle (ca. 500 kg) zu Bruch gegangen sei und
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ein Hubzug für eine Nutzlast von 1,6 Tonnen, dessen oberer Lasthaken durch offensichtliche Überbeanspruchung stark verformt gewesen sei,
obwohl Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsmittel nicht benutzt würden, wenn Beschädigungen festzustellen seien, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder wenn die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig seien.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß §§ 35 Abs. 1 Z. 5 iVm 130 Abs. 1 Z. 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.300,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 109 Stunden) verhängt.
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 3 VStG verpflichtet, die Gebühren des Sachverständigen DI H binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides zu ersetzen. Die Gebühren seien mit Bescheid vom 20. Juni 2007 mit EUR 1.785,60 festgesetzt worden (siehe zum letztgenannten Bescheid den Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2007/02/0205).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.) Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
§ 35 Abs. 1 des ASchG BGBl. Nr. 450/1994 idF
BGBl. I Nr. 159/2001 lautet (auszugsweise):
"(1) Arbeitgeber haben dafür zu sorgen, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln folgende Grundsätze eingehalten werden:
...
5. Arbeitsmittel dürfen nicht benutzt werden, wenn Beschädigungen festzustellen sind, die die Sicherheit beeinträchtigen können, oder die Schutz- und Sicherheitseinrichtungen nicht funktionsfähig sind."
Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, sie habe sich auf ein unschlüssiges Gutachten gestützt. Der Sachverständige komme zu Vermutungen und Bedingungen. Er könne nicht darlegen, warum er davon ausgehe, dass die Verschraubungen bereits vorher locker gewesen seien. Er könne weiter nicht darlegen, ob der von ihm angenommene Dauerbruch mit freiem Auge erkennbar gewesen wäre, oder sagen, ob bzw. dass die Gebrauchsspuren bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen wären.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung nicht auf.
Die Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053). Die Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen.
Der angefochtene Bescheid stützt sich sowohl auf das Gutachten als auch auf die Aussagen eines beigezogenen Sachverständigen bei der durchgeführten mündlichen Verhandlung. Während im schriftlichen Gutachten zwar "nicht zur Gänze" ausgeschlossen wurde, "dass die Verschraubungen in der Folge der Überbeanspruchung des Hubkettenzuges während des Arbeitsvorganges vor dem Bruch des Lasthakens locker wurden", gab der Sachverständige bei der mündlichen Verhandlung aber zu Protokoll, "dass die Verschraubungen bereits vorher locker waren" und im Zuge des Arbeitsvorganges "zusätzlich" locker werden können. Wenn die Verschraubungen intakt und sicher seien, dann könnten sie sich "durch den geschilderten Vorgang" nicht lockern. Nur dann, wenn sie nicht intakt seien, dann könnten sie sich weiter lockern. Es sei "nicht möglich, aber eher unwahrscheinlich", dass die Verschraubungen durch eine Überlastung beim Hebevorgang gelockert worden seien. Wäre der Hubkettenzug einer Prüfung unterworfen worden, dann hätte man vorhandene lockere Verschraubungen festgestellt. Nach der Aussage in der mündlichen Verhandlung seien die lockeren Verschraubungen nicht Ursache für den Bruch gewesen.
Nach dem Unfall wurden unbestritten lockere Verschraubungen festgestellt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten und durch seine Aussagen bei der mündlichen Verhandlung durchaus schlüssig und nachvollziehbar dargestellt, dass die in Rede stehenden Verschraubungen bereits vor dem Unfall locker gewesen waren. Der diesbezügliche Beschwerdevorwurf ist daher unbegründet.
Der Sachverständige hat weiter angegeben, dass starke Gebrauchsspuren vorlagen. Es könnten auch Gebrauchsspuren während des Unfalls entstehen, aber nicht in diesem Ausmaß. Dem tritt der Beschwerdeführer nicht entgegen. Damit ist auch der weitere Vorwurf, der Sachverständige habe nicht sagen können, ob bzw. dass die Gebrauchsspuren bereits vor dem Unfall vorhanden gewesen wären, unberechtigt.
Der Sachverständige hat zwar die Möglichkeit eingeräumt, dass ein Dauerbruch mit freiem Auge nicht erkennbar sein könne, mit einer Funktionsprüfung wäre er jedoch feststellbar gewesen. Die Durchführung einer solchen Prüfung, die im Beschwerdefall erforderlich gewesen wäre, wurde nicht behauptet, so dass sich auch dieser Vorwurf als unbegründet erweist. Auf Grund der Unterlassung dieser Prüfung durfte die belangte Behörde auch zu Recht ein Verschulden des Beschwerdeführers annehmen.
Der Beschwerdeführer behauptet, es werde ihm vorgeworfen, dass "durch die lockeren Verschraubungen der gegenständliche Unfall passiert wäre". Damit unterstellt er dem Spruch des angefochtenen Bescheides einen Inhalt, den dieser nicht aufweist. Es kommt bei einer Übertretung gemäß § 35 Abs. 1 Z. 5 ASchG nicht darauf an, dass eine Beschädigung in concreto unfallkausal ist, sondern lediglich darauf, dass feststellbare Beschädigungen die Sicherheit beeinträchtigen können, somit eine abstrakte Gefahr darstellen. Dass aber lockere Schrauben an einem Hubzug, mit dem Lasten von mehr als einer Tonne Gewicht gehoben werden dürfen, eine derartige Gefahr darstellen, ist unmittelbar einsichtig.
Der Beschwerdeführer bringt vor, es werde nunmehr davon ausgegangen, dass der Hubzug 1,5 t durch einen Dauerbruch vorgeschädigt gewesen sei, wovon im Straferkenntnis und in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 22. November 2005 noch keine Rede gewesen sei, weshalb der "Vorwurf des Dauerbruchs am Lasthaken bereits verjährt" sei. Die Formulierung "Haken beim Anheben einer Vorbrecherwelle ... zu Bruch ging" im Spruch (des durch den angefochtenen Bescheid diesbezüglich unverändert bestätigten Straferkenntnisses der Behörde erster Instanz) besagt lediglich, dass es bei diesem Arbeitsvorgang zum endgültigen Bruch des Hakens gekommen ist. Ein Vorwurf einer Vorschädigung durch einen Dauerbruch ist aus dem Spruch des angefochtenen Bescheides nicht abzuleiten, deshalb kann diesbezüglich auch keine Verjährung eingetreten sein.
Wenn der Beschwerdeführer behauptet, die belangte Behörde habe sich nicht auf § 35 Abs. 1 Z. 5 ASchG, sondern auf "§ 35 Abs. 1 Z. 1, § 35 Abs. 1 Z. 2, § 35 Abs. 3 Z. 1 und 2 sowie § 37 Abs. 1 und 6 ASchG" gestützt, so ist dies angesichts des Spruches des angefochtenen Bescheides, der sich nach seinem Inhalt auf § 35 Abs. 1 Z. 5 ASchG stützt und diese Norm zitiert, unverständlich.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.) Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Der Beschwerdeführer wendet ein, es ergäbe sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht, dass die belangte Behörde die Gebühren des Sachverständigen DI F bereits bezahlt habe, dies sei jedoch Voraussetzung für den Barauslagenersatz. Hinsichtlich der Höhe der Gebühren fehle jegliche Begründung der belangten Behörde.
Der Ersatz der Barauslagen durch die Partei setzt voraus, dass die Barauslagen der Behörde bereits erwachsen sind, sie also selbst die vom Sachverständigen für seine Tätigkeit angesprochene Gebühr nach deren Festsetzung bereits bezahlt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0004).
Im Beschwerdefall lässt sich weder aus dem angefochtenen Bescheid, noch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt erkennen, dass die belangte Behörde die Überweisung an den Sachverständigen (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides) vorgenommen hat, sodass nicht abschließend beurteilt werden kann, ob der belangten Behörde die Barauslagen tatsächlich entstanden sind.
Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer auch zu Recht auf, dass die Höhe der dem Sachverständigen zugesprochenen Gebühr nicht nachvollziehbar ist. Denn im angefochtenen Bescheid findet sich diesbezüglich keine Aufschlüsselung und der im Spruch erwähnte Gebührenfestsetzungbescheid vom 20. Juni 2007 war dem angefochtenen Bescheid nicht als Bestandteil beigeschlossen.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher im Umfang seines Spruchpunktes II. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 25. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007020206.X00Im RIS seit
19.06.2008Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008