Index
E1E;Norm
11997E018 EG Art18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des BB in W, geboren am 30. Dezember 1978, vertreten durch Dr. Gerhard Koller, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich-Schmidt-Platz 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Mai 2007, Zl. 146.118/4-III/4/07, betreffend Versagung einer Erstniederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 11. Mai 2007 wurde der am 2. Jänner 2006 gestellte Antrag des Beschwerdeführers, eines tunesischen Staatsngehörigen, auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gemäß § 21 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 1 Z. 5 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 23. August 2005 mit einem von der Österreichischen Botschaft in Tunis ausgestellten Visum D, gültig vom 20. Juli 2005 bis zum 19. Jänner 2006, in das Bundesgebiet eingereist und halte sich seither durchgehend hier auf. Er habe den gegenständlichen Antrag vom 2. Jänner 2006 während seines Aufenthaltes mit einem Visum D im Inland gestellt. Es handle sich um einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Auf Grund des zuletzt erteilten Aufenthalts-Reisevisums sei der Beschwerdeführer bis zum 19. Jänner 2006 zum Inlandsaufenthalt berechtigt gewesen. Mit 20. Jänner 2006 habe er die Dauer seines durch Erteilung eines befristeten Sichtvermerks erlaubten Aufenthalts überschritten und halte sich seit dieser Zeit illegal im Bundesgebiet auf.
Gemäß § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG könne einem Fremden ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Überschreitung der Dauer des sichtvermerksfreien Aufenthalts vorliege. Gleiches gelte auch, wenn die Dauer des Sichtvermerks überschritten werde. Gemäß § 21 Abs. 2 NAG sei der Beschwerdeführer auf Grund seiner rechtmäßigen Einreise und seines zum Antragszeitpunkt rechtmäßigen Aufenthalts zwar berechtigt gewesen, seinen Antrag im Inland zu stellen, allerdings schränke § 21 Abs. 4 NAG dieses einem bestimmten Personenkreis zukommende Recht insofern ein, als die zulässige Antragstellung allein noch kein Aufenthaltsbzw. Bleiberecht verschaffe und einen - wie im Fall des Beschwerdeführers durch ein Visum - erlaubten Aufenthalt nicht verlängern könne. Sohin liege der zwingende Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG vor. Der Beschwerdeführer hätte spätestens nach Ablauf seines befristeten Visums am 19. Jänner 2006 aus Österreich ausreisen und die Entscheidung im Ausland abwarten müssen. Dies habe er nicht getan. Sein Antrag sei daher gemäß § 21 Abs. 4 iVm § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG abzuweisen. Auf die von der erstinstanzlichen Behörde zur Abweisung des Antrages herangezogenen Gründe, insbesondere auf die Frage ausreichender Unterhaltsmittel im Sinn des § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG sei nicht einzugehen gewesen.
Ergänzend sei auszuführen, dass auch eine allfällige Prüfung eines aus dem Gemeinschaftsrecht abzuleitenden Aufenthaltsrechts nicht zum gewünschten Erfolg führen könne, weil der Beschwerdeführer die in der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie) festgelegten Voraussetzungen nicht erfülle. Aus dem gesamten Akteninhalt sei nicht ersichtlich, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers das Recht auf gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Es liegen weder konkrete Behauptungen in der Beschwerde noch sonstige Anhaltspunkte dafür vor, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers einen grenzüberschreitenden Freizügigkeitssachverhalt iSd Art. 18 und 39 ff EG verwirklicht hat. Dem Beschwerdeführer kommt daher ein (gemeinschaftsrechtliches, ex lege wirksames) Aufenthalts- und Niederlassungsrecht (§ 57 iVm § 54 Abs. 1 und § 52 Z. 1 NAG) nicht zu. Daher kommen im vorliegenden Fall (in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise) § 47 NAG und nicht die Bestimmungen über das gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht nach dem 4. Hauptstück (§§ 51 ff NAG) zur Anwendung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Jänner 2008, Zl. 2007/18/0400, mwN, und vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0490).
2. Beim gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" iSd § 47 Abs. 1 und 2 NAG handelt es sich um einen Erstantrag iSd § 21 Abs. 1 NAG. Dem in dieser Bestimmung verankerten Grundsatz der Auslandsantragstellung folgend hätte der Beschwerdeführer daher grundsätzlich den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Ausland stellen und die Entscheidung darüber im Ausland abwarten müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2007/18/0286). Die Voraussetzungen für einen der in § 21 Abs. 2 NAG genannten Fälle, in denen es ausnahmsweise zulässig wäre, die Entscheidung über den Antrag im Inland abzuwarten, sind nicht erfüllt. Der Beschwerdeführer kann die Voraussetzung einer bisherigen rechtmäßigen Niederlassung iSd Abs. 2 Z. 2 leg. cit. nicht erfüllen, weil er (auch) im Zeitraum bis zum 31. Dezember 2005 der Sichtvermerkspflicht unterlegen ist, ihm aber ein Aufenthaltstitel nicht erteilt wurde (vgl. § 30 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 2 Fremdengesetz 1997). Eine gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsberechtigung, die die Sichtvermerkspflicht ausschließen würde, kam dem Beschwerdeführer auch vor dem 1. Jänner 2006 nicht zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 31. März 2008, Zl. 2008/18/0094, mwN, und nochmals das vom heutigen Tag, Zl. 2006/18/0490). Der Beschwerdeführer erfüllte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch nicht die Voraussetzung eines rechtmäßigen Aufenthalts iSd Abs. 2 Z. 1 leg. cit., weil die Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer erteilten Visums D mit 19. Jänner 2006 abgelaufen ist.
3. Die gemäß § 21 Abs. 2 Z. 1 NAG bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer des dem Beschwerdeführer erteilten Visums D am 19. Jänner 2006 zulässige Inlandsantragstellung vom 2. Jänner 2006 schuf gemäß § 21 Abs. 4 NAG kein über den erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Daher hat der Beschwerdeführer dadurch, dass er die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassung in Überschreitung der Dauer des erlaubten sichtvermerksfreien Aufenthalts im Inland abgewartet hat, den (zwingenden) Versagungsgrund des § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG verwirklicht.
4.1. § 73 Abs. 4 NAG sieht die Möglichkeit vor, trotz des Vorliegens von Versagungsgründen eine Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen zu erlangen, wenn deren Erteilung unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK bzw. des § 11 Abs. 3 NAG geboten erscheint, wobei die zuletzt genannte Gesetzesstelle in verfassungskonformer Weise dahin auszulegen ist, dass sie auch bei Vorliegen von Versagungsgründen iSd § 11 Abs. 1 Z. 5 NAG zur Anwendung kommt. Werden humanitäre Gründe geltend gemacht und liegen diese vor, so hat die Behörde die begehrte Bewilligung zu erteilen, wobei entgegen dem Wortlaut des Gesetzes ("kann") die in § 74 NAG ausnahmsweise vorgesehene Antragstellung im Inland zuzulassen ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2007/18/0286).
4.2. Die Beschwerde macht humanitäre Gründe geltend und verweist auf die "Familiensituation des Beschwerdeführers" und auf die "Lebensgemeinschaft mit der österr. Ehegattin und der österr. Tochter bei überdies gesetzeskonformer Inlandsantragstellung". Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass ein besonderer Ausnahmefall vorliegen würde, der eine rasche bzw. sofortige Familienzusammenführung zur Abwendung eines unzulässigen Eingriffs in ein durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht auf Familienleben erfordert, und dass der Beschwerdeführer in seinem durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde, wenn er die Entscheidung über einen gemäß § 21 Abs. 1 NAG grundsätzlich im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abwarten müsste, zumal der Beschwerdeführer das Familienleben zu einem Zeitpunkt begründet hat, zu dem er sich bewusst gewesen ist, dass sein Aufenthaltsstatus bzw. der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 2008/18/0094, mwN).
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. April 2008
Schlagworte
Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180395.X00Im RIS seit
17.06.2008Zuletzt aktualisiert am
01.06.2010