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95 TechnikNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Regelungen des Ingenieurkammergesetzes bzw des Ziviltechnikerkammergesetzes betreffend die Versorgungsansprüche von Hinterbliebenen nach einem Ziviltechniker wegen Verstoßes gegen das Determinierungsgebot; in der Folge Feststellung der Gesetzwidrigkeit des (gesamten) Statuts der Wohlfahrtseinrichtungen 1991 bzw 1995 mangels gesetzlicher DeckungSpruch
I. §27 Abs2 Z2 sowie §29 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 1969/71 in der Fassung BGBl. 1990/735, waren verfassungswidrig.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.
II. Das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer, erlassen durch Beschluss des Kammertages vom 30. Juni 1970, kundgemacht in den Öffentlichen Nachrichten der Bundes-Ingenieurkammer vom 20. Juli 1970, idF der Kammertagsbeschlüsse bis einschließlich jenem vom 13. Dezember 1991, dieser kundgemacht im amtlichen Teil der Zeitschrift "konstruktiv" Nr. 167 vom 14. Feber 1992, S 5, war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B1578/01 ein Beschwerdeverfahren anhängig, dem im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde liegt:
1.1. Die Beschwerdeführerin ist die Witwe nach einem am 24. März 1992 verstorbenen Ziviltechniker. Dem Beschwerdevorbringen zu Folge war die Ehe bis zum Todeszeitpunkt aufrecht; der Ehegatte sei jedoch 1985 aus der bis dahin gemeinsamen Wohnung ausgezogen.
Nach dem Ableben ihres Ehegatten stellte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 2. April 1992 einen Antrag auf Auszahlung des Sterbegeldes, dem seitens der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer auch entsprochen wurde. Mit Eingabe vom 22. März 2001 stellte die Beschwerdeführerin auch einen Antrag auf Gewährung der Witwenpension gemäß §15 Abs1 des - am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen - Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen 2000 der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten. Dieser Antrag wurde vom Kuratorium der Wohlfahrtseinrichtungen bescheidmäßig abgewiesen; auch der dagegen erhobenen Berufung wurde nicht stattgegeben. Dies mit der Begründung, dass ein Pensionsanspruch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Stichtages, somit des Sterbedatums des Mitgliedes, zu beurteilen sei; nach dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Statut habe eine Witwe jedoch nur dann Anspruch auf Gewährung der Witwenpension, wenn sie zum Todestag im gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied gelebt habe, was auf die Beschwerdeführerin nicht zutreffe.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in welcher die Verletzung der Beschwerdeführerin in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
2. Aus Anlass dieser Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der §§27 Abs2 Z2 und 29 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 1969/71 in der Fassung BGBl. 1990/735 (im Folgenden: IKG), sowie gegen die Gesetzmäßigkeit des §13 Abs1 und Abs12 des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen der Bundes-Ingenieurkammer, erlassen durch Beschluss des Kammertages vom 30. Juni 1970, in der Fassung der Kammertagsbeschlüsse bis einschließlich jenem vom 13. Dezember 1991 (im Folgenden: Statut WE 1991), entstanden.
Der Verfassungsgerichtshof hat daher mit Beschluss vom 12. März 2003 ein Gesetzes- und ein Verordnungsprüfungsverfahren zur Prüfung der Verfassungs- bzw. Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen eingeleitet.
2.1. Zur Frage des Prüfungsumfanges führte der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss aus:
"[D]er Verfassungsgerichtshof [dürfte] bei der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde in erster Linie die ... die Zuwendungen an die Witwe nach einem Ziviltechniker betreffenden Bestimmungen in §13 des Statutes WE 1991 anzuwenden haben, auf die sich der bekämpfte Bescheid der Sache nach stützt.
Bei Prüfung der Frage, ob diese präjudiziellen Verordnungsbestimmungen ihrerseits gesetzmäßig sind, hätte der Verfassungsgerichtshof aber anscheinend die Bestimmungen des Ingenieurkammergesetzes betreffend die Gewährung von Zuwendungen an Hinterbliebene anzuwenden. Im Einzelnen scheint es sich dabei um die folgenden Regelungen zu handeln: §27 Abs2 Z2 sowie die 'die ... Verwaltung der Mittel [des Versorgungsfonds]', 'die Gewährung und Höhe der Zuwendungen', 'allfällige Beschränkungen der Auszahlung und die Pflichten des Leistungsempfängers' betreffenden Bestimmungen im ersten Satz des §29 Abs1 Ingenieurkammergesetz. Diese Bestimmungen dürften ihrerseits mit den übrigen das 'Statut der Wohlfahrtseinrichtungen' regelnden Vorschriften des §29 Ingenieurkammergesetz derart in untrennbarem Zusammenhang stehen, dass für den Fall der Aufhebung bloß der erstgenannten Regelungen der Gesetzesvorschrift ein völlig veränderter, dem Gesetzgeber nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben wäre (vgl. etwa VfSlg. 13.915/1994, 14.895/1997, VfGH 30.11.2002 B937/01). Im Hinblick darauf wurde §29 Ingenieurkammergesetz in seiner Gesamtheit in Prüfung gezogen."
2.2. In der Sache äußerte der Verfassungsgerichtshof folgendes Bedenken:
"Das in Art18 B-VG zum Ausdruck kommende Legalitätsprinzip verlangt u.a. die ausreichende Determinierung des Inhaltes einer Verordnung durch das Gesetz. Damit eine Verordnung als ausreichend determiniert angesehen werden kann, muss ihr Inhalt im Gesetz hinreichend bestimmt sein, d.h. es müssen schon aus dem Gesetz selbst alle wesentlichen Merkmale der Verordnungsregelung ersehen werden können (vgl. zB VfSlg. 2294/1952, 4662/1964, 7945/1976, 10.899/1986, 11.938/1988); eine Verordnung hat nur zu präzisieren, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde (vgl. die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: VfSlg. 7945/1976, 9226/ 1981 u.a.). Auch Organe der Selbstverwaltungskörper sind zur Erlassung von Verordnungen nur 'auf Grund der Gesetze' iSd. Art18 Abs2 B-VG befugt (vgl. VfSlg. 3993/1961, 4886/1964, 13.464/ 1993, VfGH 19.6.2001 V32-39/01; vgl. explizit ablehnend zum Gedanken eines 'gelockerten Legalitätsprinzipes' für autonome Satzungen bereits VfSlg. 7903/1976).
Im vorliegenden Zusammenhang hat es der Gesetzgeber unterlassen, eine nähere Regelung über die Versorgungsansprüche von Hinterbliebenen nach einem Ziviltechniker, im Besonderen über den Kreis der solcher Art Anspruchsberechtigten sowie die Anspruchsvoraussetzungen, zu treffen und die diesbezügliche Regelung im Wesentlichen dem Statut, also dem Verordnungsgeber, überlassen. Damit dürfte er aber gegen das aus Art18 B-VG abzuleitende Determinierungsgebot verstoßen haben."
3.1. Die Bundesregierung hat im Gesetzesprüfungsverfahren mitgeteilt, dass sie von einer meritorischen Stellungnahme Abstand nehme.
3.2. Der Kammertag der Bundeskammer als verordnungserlassendes Organ wies in seiner Äußerung darauf hin, dass sowohl die in Prüfung gezogenen Bestimmungen des IKG als auch das Statut WE 1991 infolge Novellierung außer Kraft getreten seien.
4. Die im vorliegenden Fall maßgebliche Rechtslage stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
4.1. §9 Abs1 und §13 des Statutes WE 1991 lauteten wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§9. Zuwendungen aus dem Versorgungsfonds
(1) Dem Ziviltechniker (ehemaligen Ziviltechniker) stehen geldliche Zuwendungen aus dem Versorgungsfonds aus dem Grunde des Alters oder der dauernden Berufsunfähigkeit, deren Hinterbliebenen wegen Ablebens des Gatten (der Gattin) bzw. des Vaters (der Mutter) zu.
...
§13. Zuwendungen an die Witwe
(1) Der Witwe eines Ziviltechnikers oder eines ehemaligen Ziviltechnikers werden unter der Voraussetzung Zuwendungen (Witwenversorgung) gewährt, daß sie im Zeitpunkt des Todes des Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) mit diesem im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und die Wartefrist nach Abs2 abgelaufen ist.
(2) Die Wartefrist bei der Witwen(er)versorgung beträgt je nach Teilnahme des verstorbenen Ziviltechnikers für die Altersklassen
27 bis 30 6 Monate
31 bis 35 1 Jahr
36 bis 40 2 Jahre
41 bis 45 3 Jahre
46 bis 50 4 Jahre
51 bis 55 5 Jahre
56 bis 60 6 Jahre
Ist diese Wartefrist im Zeitpunkt des Todes des Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) zur Hälfte abgelaufen, gebührt ein Drittel der nach Abs4 zustehenden Zuwendungen sowie ein Zuschlag in Höhe von zwei Drittel dieser Zuwendungen multipliziert mit dem Verhältnis der Anzahl der bezahlten Beitragsmonate zu der Anzahl der Beitragsmonate, die das Mitglied bis zur Vollendung des
70. bzw. 65. Lebensjahres bzw. darüber hinaus bis zum Ablauf der Wartefrist zu zahlen gehabt hätte.
(3) Der Anspruch auf Zuwendungen erlischt, wenn sich die Witwe wieder verehelicht oder eine eheähnliche Lebensgemeinschaft eingeht. Witwenversorgung wird nicht gewährt, wenn die Witwe rechtskräftig strafgerichtlich überwiesen ist, den Tod des Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) durch eine vorsätzliche Handlung verschuldet oder mitverschuldet zu haben.
(4) Die Witwen(er)versorgung beträgt 60 von Hundert der Altersversorgung an den Ziviltechniker (ehemaligen Ziviltechniker). Die Witwen(er)versorgung wird unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des §11 Abs3 bis 5 berechnet.
(5) Kinderlose Witwen, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten an Stelle der monatlichen Zuwendung eine Abfindung in der Höhe eines Jahresbezuges, kinderlose Witwen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine solche in der Höhe von zwei Jahresbezügen.
(6) Einer Witwe, die das 40., 45. oder 50. Lebensjahr vollendet hat, kann auf ihr Ansuchen an Stelle der monatlichen Zuwendung eine einmalige Abfindung in der Höhe des 3- bzw. 4- bzw. 5-fachen eines Jahresbezuges gewährt werden.
(7) Wenn die Witwe um mehr als 20 Jahre jünger ist als das Mitglied, wird die Witwenversorgung erst nach Ablauf eines Zeitraumes gewährt, der so groß ist wie der über 20 Jahre hinausgehende Altersunterschied zwischen ihr und dem Verstorbenen.
(8) Im Falle der Verehelichung eines Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) nach Vollendung des 60. Lebensjahres wird Witwenversorgung nur gewährt, wenn die Ehe zum Zeitpunkt des Ablebens des Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) länger als 3 Jahre gedauert hat. Ist in einem solchen Fall die Witwe um mehr als 10 Jahre jünger als der Verstorbene, wird die Witwenversorgung erst nach Ablauf eines Zeitraumes gewährt, der so groß ist wie der über 10 Jahre hinausgehende Altersunterschied zwischen ihr und dem Verstorbenen. Die Bestimmungen des ersten und zweiten Satzes sind dann nicht anzuwenden, wenn aus einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft eine Ehe wurde und der Witwe aus dem Grunde der Verehelichung durch diese Bestimmung Nachteile erwüchsen, die bei Fortführung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht entstanden wären.
(9) Von den in den Absätzen 7 und 8 festgesetzten Zeiträumen kann Abstand genommen werden, wenn auf Grund einer versicherungstechnischen Berechnung ein Einmalerlag oder eine monatliche Mehrleistung erbracht wird, die die Mehrleistungen des Versorgungsfonds infolge des über 10 bzw. 20 Jahre hinausgehenden Altersunterschiedes deckt.
(9a) Die Absätze 7 und 8 sind nicht anzuwenden, wenn in der Ehe ein Kind geboren oder durch die Ehe ein Kind legitimiert wurde oder die Witwe schon zum Zeitpunkt des Todes des Ehegatten schwanger war und eine Lebendgeburt folgt oder in diesem Zeitpunkt dem Haushalt der Witwe ein Kind des Verstorbenen angehörte, das Anspruch auf Zuwendungen gemäß Par. 14 hat.
(10) An eine weibliche Verwandte eines Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) in aufsteigender Linie oder an eine Schwester kann eine Zuwendung wie an eine Witwe gewährt werden, wenn sie dem Verstorbenen mindestens die letzten 10 Jahre hindurch den Haushalt geführt hat, mit ihm in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, sowie im Zeitpunkt seines Ablebens das 60. Lebensjahr überschritten hat und keine anspruchsberechtigte und zu versorgende Witwe vorhanden ist.
(11) An die Lebensgefährtin eines Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) wird eine Zuwendung wie an eine Witwe gewährt, wenn eine eheähnliche Lebensgemeinschaft mindestens 3 Jahre bestanden hat.
(12) An die gerichtlich geschiedene oder nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Gattin eines Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) kann zur Gänze oder zum Teil eine Zuwendung wie an eine Witwe bzw. eine Witwenzuwendung gewährt werden, wenn eine solche schriftliche Verfügung des Ziviltechnikers vorliegt. Dadurch entfällt zur Gänze oder zum Teil eine Zuwendung an eine etwaige Witwe bzw. Lebensgefährtin.
(13) Die vorstehenden Bestimmungen gelten sinngemäß auch für Witwer, Lebensgefährten und geschiedene Gatten nach weiblichen Ziviltechnikern (ehemaligen Ziviltechnikern)."
4.2. Die §§27 und 29 des Ingenieurkammergesetzes, BGBl. 1969/71 in der Fassung BGBl. 1990/735, lauteten wie folgt (die in Prüfung gezogenen Bestimmungen sind hervorgehoben):
"§27. Wohlfahrtseinrichtungen
(1) Als gemeinsame Wohlfahrtseinrichtungen für die Ziviltechniker und deren Hinterbliebene sind ein Versorgungsfonds und ein Sterbekassenfonds zu errichten und zu betreiben. Diese Fonds besitzen keine eigene Rechtspersönlichkeit, sie bilden zweckgebundene Sondervermögen der Bundeskammer.
(2) Der Versorgungsfonds ist dazu bestimmt,
1. an Ziviltechniker und ehemalige Ziviltechniker für den Fall des Alters oder der dauernden Berufsunfähigkeit,
2. an Hinterbliebene der in Z. 1 genannten Personen
einmalige oder wiederkehrende geldliche Zuwendungen zu gewähren.
(3) Der Sterbekassenfonds ist zur Gewährung einmaliger geldlicher Zuwendungen aus Anlaß des Ablebens eines Ziviltechnikers oder ehemaligen Ziviltechnikers bestimmt.
(4) Die Mittel der Fonds sind aus Fondsbeiträgen aufzubringen. Diese sind vom Kammertag unter Bedachtnahme auf das Ausmaß der gemäß dem Statut (§29) zu erbringenden Leistungen in einer solchen Höhe festzusetzen, die den Erfordernissen der Fonds unter Berücksichtigung ihres dauernden Bestandes und der Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit entspricht."
"§29. Statut der Wohlfahrtseinrichtungen
(1) Nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Versorgungs- und des Sterbekassenfonds, die Aufbringung und Verwaltung der Mittel, die Geschäftsführung des Kuratoriums, die Beitragspflicht, die Gewährung und Höhe der Zuwendungen, die Art der Auszahlung, allfällige Beschränkungen der Auszahlung und die Pflichten des Leistungsempfängers sind unter Bedachtnahme auf die in den §§27, 28 [betreffend die 'Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen'] und 29 Abs2 bis 7 festgelegten Grundsätze in einem Statut festzusetzen. Hiebei sind die Grundsätze der Versicherungsmathematik sowie der verwaltungsorganisatorischen Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen. Das Statut ist in den Nachrichten der Bundeskammer und der Länderkammern kundzumachen. Das Statut tritt, wenn darin nicht ein späterer Tag bestimmt ist, mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft.
(2) Die Ziviltechniker sind, sofern die Abs3, 4 und 7 nicht anderes bestimmen, zur vollen Teilnahme am Versorgungs- und Sterbekassenfonds verpflichtet.
(3) Von der Teilnahme am Versorgungsfonds sind Ziviltechniker, deren Befugnis ruht, befreit.
(4) Das Statut hat nach Maßgabe der Grundsätze der Versicherungsmathematik Ermäßigungen der Beiträge zum Versorgungsfonds vorzusehen, wobei die nachstehenden Prozentsätze nicht überschritten werden dürfen:
a) Ermäßigung bis zu 85 vH für Ziviltechniker, deren steuerpflichtiges Jahreseinkommen aus Ziviltechnikertätigkeit nachweislich weniger als das 300fache der Zeitgrundgebühr nach den gemäß §31 erlassenen Gebührenordnungen beträgt;
b) Ermäßigung bis zu 75 vH für Ziviltechniker, deren steuerpflichtiges Jahreseinkommen aus Ziviltechnikertätigkeit nachweislich weniger als das 400fache der Zeitgrundgebühr nach den gemäß §31 erlassenen Gebührenordnungen beträgt;
c) Ermäßigung bis zu 75 vH, wenn dem Ziviltechniker und seinen Angehörigen nachweislich durch seine Teilnahme an einer gesetzlichen Sozialversicherung oder auf Grund seines Beamten-Dienstverhältnisses die Anwartschaft oder der Anspruch auf eine Pension zusteht;
d) Ermäßigung bis zu 50 vH, wenn der volle Beitrag für den Ziviltechniker nachweislich eine unzumutbare Härte bedeuten würde, durch die der angemessene Lebensunterhalt des Ziviltechnikers oder seiner Angehörigen gefährdet erscheint;
e) Ermäßigung bis zu 25 vH, wenn der volle Beitrag für den Ziviltechniker nachweislich eine sonstige unzumutbare Härte bedeuten würde.
(5) Für den Fall einer gänzlichen oder teilweisen Befreiung von der Beitragspflicht (Abs3 und 4) hat das Statut die Gewährung von Zuwendungen entsprechend dem Ausmaß der Befreiung ganz oder teilweise auszuschließen.
(6) Das Statut kann auch bestimmen, ob und inwieweit sich Ziviltechniker, die von der Beitragspflicht befreit sind, zu einer Beitragsleistung oder beitragspflichtige Ziviltechniker zu einer höheren Beitragsleistung verpflichten können, um eine oder eine höhere Zuwendung zu erhalten. Weiters kann das Statut ausscheidenden Kammermitgliedern die Fortsetzung der Beitragsleistungen gestatten.
(7) Das Statut kann Ziviltechniker von der Teilnahme an beiden oder einer der Wohlfahrtseinrichtungen ausschließen, wenn ihre Mitgliedschaft zu einer Länderkammer erst ab einem bestimmten Lebensalter beginnt, das im Statut festzusetzen ist und fünfzig Jahre nicht unterschreiten darf."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Anlassbeschwerde ist zulässig; der Verfassungsgerichtshof hat daher über sie meritorisch zu entscheiden, wobei er bei Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des angefochtenen Bescheides die im Prüfungsbeschluss genannten Bestimmungen des Ingenieurkammergesetzes und des Statutes der Wohlfahrtseinrichtungen 1991 anzuwenden hätte, sodass diese Vorschriften präjudiziell sind. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, sind die Normenprüfungsverfahren zulässig.
2.1. Der Verfassungsgerichtshof äußerte in seinem Prüfungsbeschluss das Bedenken, dass der Gesetzgeber, indem er es unterlassen habe, eine nähere Regelung über die Versorgungsansprüche von Hinterbliebenen nach einem Ziviltechniker, im Besonderen über den Kreis der solcher Art Anspruchsberechtigten sowie die Anspruchsvoraussetzungen, zu treffen und die diesbezügliche Regelung im Wesentlichen dem Statut, also dem Verordnungsgeber, überlassen habe, gegen das aus Art18 B-VG abzuleitende Determinierungsgebot verstoßen habe.
2.2. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist nichts hervorgekommen, was diese Bedenken zerstreut hätte (vgl. dazu VfGH 23. Juni 2003, G8/03, V7/03). Damit liegt aber eine dem Art18 B-VG widersprechende formalgesetzliche Delegation vor.
2.3. Da das Ingenieurkammergesetz gemäß §77 Abs1 des Ziviltechnikerkammergesetzes 1993, BGBl. 1994/157, mit Ablauf des 31. Mai 1994 bzw. dessen §29 mit Ablauf des 31. Mai 1995 außer Kraft getreten ist, hatte sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung zu beschränken, dass §27 Abs2 Z2 sowie §29 des Ingenieurkammergesetzes verfassungswidrig waren.
3.1. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 9535/1982) hat die Verfassungswidrigkeit jener Gesetzesbestimmung, die die Verordnung trägt, zur Folge, dass die Verordnung hiermit der erforderlichen gesetzlichen Deckung entbehrt.
Aus der Verfassungswidrigkeit der §§27 Abs2 Z2 und 29 IKG folgt demnach die Gesetzwidrigkeit der in Prüfung gezogenen Regelungen des Statutes WE 1991. Da jedoch nicht nur jene Bestimmungen des Statutes, hinsichtlich derer das Verordnungsprüfungsverfahren eingeleitet wurde, der gesetzlichen Grundlage entbehren, sondern vielmehr das gesamte Statut, war gemäß Art139 Abs3 iVm. Abs4 B-VG vorzugehen.
3.2. Da das Statut der Wohlfahrtseinrichtungen 1991 durch die
115. Verordnung der Bundeskammer gemäß Beschluss des Kammertages vom 7. April 1995, kundgemacht im amtlichen Teil der Zeitschrift "konstruktiv" Nr. 189 vom 6. Juni 1995, S 22 ff., eine neue Fassung erhielt, hatte sich der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs4 B-VG auf den Ausspruch zu beschränken, dass das Statut in der im Spruch genannten Fassung gesetzwidrig war.
3.3. Der auf Art139 Abs3 letzter Satz B-VG gestützten Anregung der Beschwerdeführerin im zu Grunde liegenden Beschwerdeverfahren, bloß die Wortfolge "sie im Zeitpunkt des Todes des Ziviltechnikers (ehemaligen Ziviltechnikers) mit diesem im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und" in §13 Abs1 des Statutes und die Wortfolge "oder nicht im gemeinsamen Haushalt lebende" in §13 Abs12 des Statutes als gesetzwidrig festzustellen, konnte nicht gefolgt werden. Der Verfassungsgerichtshof ist nämlich nicht ermächtigt, den Ausspruch der Gesetzwidrigkeit von Verordnungsbestimmungen bloß auf Teile der jeweils präjudiziellen Verordnungsregelungen zu beschränken. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit der präjudiziellen Bestimmungen des Statutes hätte aber für die Beschwerdeführerin die selben Folgen wie die Feststellung der Gesetzwidrigkeit des gesamten Statutes. Daher liegt hier kein Fall des Art139 Abs3 letzter Satz B-VG vor.
4. Die Verpflichtung des Bundeskanzlers sowie des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit zur unverzüglichen Kundmachung der Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 sowie Art139 Abs5
B-VG.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden.
Schlagworte
berufliche Vertretungen, Legalitätsprinzip, Selbstverwaltung, Ziviltechniker Kammer, VfGH / Verwerfungsumfang, Wohlfahrtseinrichtungen, Determinierungsgebot, IngenieurkammerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G39.2003Dokumentnummer
JFT_09969377_03G00039_00