TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/29 2005/05/0333

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Veröffentlicht am 29.04.2008
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;

Norm

BauO Wr §129 Abs10;
BauO Wr §60 Abs1 litb;
BauO Wr §62a Abs1 Z27;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der H GmbH in Wien, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Johannesgasse 16, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. September 2005, Zl. BOB-336/05, betreffend eine Bauangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Magistratsabteilung 37 erteilte mit Bescheid vom 14. Juni 2005 gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (hier in der Fassung LGBl. Nr. 10/2003; BO) der Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Baulichkeit auf dem Grundstück Nr. 1683, EZ 4185 der Katastralgemeinde Stammersdorf, den Auftrag, binnen einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Bescheides die auf der gegenständlichen Liegenschaft ohne baubehördliche Bewilligung errichtete Baulichkeit, nämlich eine beidseitig affichierte Werbeanlage, Breite x Höhe 10,37 m x 2,40 m, Gesamthöhe (inklusive Ständer) ca. 3,40 m, mit einem Abstand zur Grundgrenze "Brünner Straße" von ca. 4,40 m, zu beseitigen.

Dies wurde damit begründet, dass für die im März 2004 erfolgte Errichtung dieser Plakatwand die erforderliche baubehördliche Bewilligung gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO nicht erwirkt worden sei. Weil sich die Werbeanlage im Nahbereich einer Grundgrenze befände, sei keine Bewilligungsfreiheit gemäß § 62a Abs. 1 Z 27 BO gegeben.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung meinte die Beschwerdeführerin, die Werbeanlage befände sich nicht im Nahebereich einer Grundgrenze.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Dies wurde damit begründet, dass Bewilligungsfreiheit gemäß § 62a Abs. 1 Z 27 BO nicht gegeben sei. Die gegenständliche Werbeanlage sei 4,40 m von der Grundgrenze entfernt situiert. Auf Grund dieses geringen Abstandes zur Grundgrenze sei schon nach dem allgemeinen Wortsinn davon auszugehen, dass hier von einem Nahebereich zur Grundgrenze gesprochen werden könne, sehe doch der Gesetzgeber der BO im § 79 Abs. 1 im Allgemeinen eine Vorgartentiefe von 5 m vor und bezeichne den Vorgarten als den an einer Verkehrsfläche gelegenen Grundstreifen, der im Regelfall von einer Bebauung frei zu bleiben habe. Die Werbeanlage befinde sich daher im Nahebereich der Grundgrenze und sei auch dann nicht bewilligungsfrei, wenn sie eine Höhe von weniger als 3,50 m aufweise.

Aus dem Ausmaß der Plakatwand, diese weise eine Länge von 10,37 m und vom unteren Rand der Werbefläche gemessen aus eine Höhe von 2,40 m auf, ergebe sich, dass zu deren Aufstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei, zumal sie im Hinblick auf ihre Maße einem enormen Winddruck ausgesetzt sei und daher u.a. einer entsprechenden Fundierung bedürfe. Die Bewilligungspflicht der Plakatwand ergebe sich somit ex lege aus § 60 Abs. 1 lit. b BO.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, worin sie Rechtswidrigkeit seines Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machte.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin verweist auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Oktober 2005, B 803/04-9, wonach der Zweck dieser Norm darin bestehe, die Gefahr durch ein allfälliges Umstürzen der Werbeanlage zu beherrschen, also zu verhindern, dass eine umstürzende Werbeanlage angrenzenden Grund berühre. Daher könne nach Auffassung der Beschwerdeführerin der Schutzbereich nicht weiter sein als die Werbeanlage hoch sei. Der Gesetzgeber sei nicht von einer starren Mindestentfernung ausgegangen, ansonsten hätte er dies ohne Weiteres normieren können. Auch könnten Werbeanlagen mit einer Gesamthöhe von 3,5 m nicht beliebig weit von der Grundgrenze entfernt aufgestellt werden, da sie ansonsten jeglichen Sinn verlören.

Gemäß § 129 Abs. 10 BO ist jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen.

Gemäß § 60 Abs. 1 lit. b BO ist bei der Errichtung von baulichen Anlagen über und unter der Erde, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine kraftschlüssige Verbindung gebracht werden und wegen ihrer Beschaffenheit geeignet sind, öffentliche Rücksichten zu berühren, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken.

§ 62a Abs. 1 Z 27 BO hat folgenden Wortlaut:

"§ 62a (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

27. Werbeanlagen, wie Plakatwände und dergleichen bis zu einer Höhe von 3,50 m, soweit sie nicht an oder im Nahebereich von Grundgrenzen errichtet werden, sowie Litfasssäulen, beides außerhalb von Schutzzonen; Ankündigungsanlagen für längstens 2 Monate;

28. ..."

Im Mittelpunkt der vorliegenden Beschwerde steht die Frage, ob die verfahrensgegenständliche Werbeanlage ein bewilligungsfreies Bauvorhaben im Sinne des § 62a Abs. 1 Z 27 BO ist oder nicht. Die Ausmaße der Werbeanlage (Gesamthöhe 3,40 m; Länge 10,37 m) sowie der Abstand der Werbetafel zur Grundgrenze im Ausmaß von ungefähr 4,40 m werden von den Verfahrensparteien nicht bestritten.

Mit dieser Frage hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. März 2007, Zl. 2006/05/0022, auseinander gesetzt, wobei damals die 5 m breite und 3,50 m hohe Werbetafel von der Grundstücksgrenze 4 m entfernt war. Unter Hinweis auf einen im damaligen Verfahren ergangenen Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshof vom 14. Dezember 2005, B 1366/04, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dem Begriff "Nahebereich von Grundgrenzen" wohne ein Schutzmoment inne und mit dieser Abgrenzung werde bezweckt, allfällige von den Werbeanlagen ausgehende Gefahren hintan zu halten. Das öffentliche Interesse, das hinter der Vermeidung dieser Gefahren steht, dürfe durch bewilligungsfreie Bauführungen, auch durch die Errichtung von Werbetafeln nicht oder kaum berührt werden. Werden solche öffentlichen Interessen berührt, dann fehle es an der Rechtfertigung für die Bewilligungsfreiheit der errichteten Werbeanlagen.

Mit dem Hinweis auf den Normzweck, nämlich die von den Werbeanlagen ausgehende Gefahren zu vermeiden, würden alle bei einem Umstürzen einer Werbetafel typischerweise auftretende Gefahrenmomente angesprochen. Es erschien dem Verwaltungsgerichtshof evident, dass solche Tafeln typischerweise als Folge eines Wind- oder Sturmereignisses umstürzen können, wobei gerade durch die in einem solchen Fall vorherrschende Wettersituation der Gefahrenbereich durch ein Vertragen der umgestürzten oder abgerissenen Teile regelmäßig über den Radius, der der Größe der Tafel entspricht, hinaus erweitert werde.

Angesicht dessen ist auch hier die Ansicht der belangten Behörde, im vorliegenden Fall stehe die 3,40 m hohe und 10,37 m breite Werbetafel, die von der Grundgrenze einen Abstand von 4,40 m aufweise, im "Nahebereich dieser Grundgrenze", nicht zu beanstanden.

Auf das Tatsachenvorbringen, eine derart große Werbeanlage würde, wenn sie beispielsweise 5,0 m von der Grundgrenze entfernt wäre, keine Werbewirkung erzielen, muss auf Grund des aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbotes nicht eingegangen werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. April 2008

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005050333.X00

Im RIS seit

18.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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