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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §55 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des S, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Steiermark vom 15. Februar 2008, Zl. 2 F 213-2007, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie ergibt sich Folgendes:
Der Beschwerdeführer, ein kroatischer Staatsangehöriger, befindet sich seit Jänner 2005 durchgehend in Österreich. Er ist Vater einer am 14. März 2006 geborenen Tochter, mit deren Mutter er seit 15. November 2006 verheiratet ist. Ehefrau und Tochter sind österreichische Staatsbürger.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 15. Februar 2008 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 86 Abs. 1 und § 87 iVm § 60 Abs. 1 Z 1 und 2 sowie §§ 61, 63 und 66 Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Dies begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer, der bereits in Bosnien-Herzegowina wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft sei, gemäß dem am 31. Jänner 2007 in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 30. August 2008 nachgenannte strafbare Handlungen begangen habe:
Er habe am 19. April 2006 in Graz durch Leistung von Aufpasserdiensten zu einem unter Verwendung einer "Softgunpistole" vorgenommenen versuchten Raubüberfall beigetragen. Er habe weiters in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, am 20. April 2006 zu einem Einbruchsdiebstahl beigetragen sowie am 12. Mai 2006 an einem versuchten Einbruchsdiebstahl teilgenommen. Weiters habe er in Graz und Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift gewerbsmäßig und in einer das 25- fache der Grenzmenge übersteigenden Menge durch Gewinn bringenden Verkauf in Verkehr gesetzt, und zwar im Zeitraum von Mai 2005 bis 25. Mai 2006 gemeinsam mit einem Mittäter zumindest 370 kg Cannabiskraut an verschiedene Personen, sowie schließlich - ua. - mit dem selben Mittäter Suchtgift in einer großen Menge mit dem Vorsatz erworben und von 22. bis 25. Mai 2006 (mindestens 120 g Kokain) bzw. am 25. Mai 2006 (mindestens 2.600 g Cannabiskraut) besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde.
Der Beschwerdeführer sei wegen dieser Taten mit dem erwähnten Urteil nach § 28 Abs. 4 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von sechs Jahren verurteilt worden, die er zurzeit verbüße. In Anbetracht seines Gesamtfehlverhaltens werde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Österreichs durch einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet. Die Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß innewohnende Wiederholungsgefahr habe sich beim Beschwerdeführer schon dadurch manifestiert, dass nur wenige Stunden nach dem misslungenen Raubüberfall versucht worden sei, mit einem Einbruchsdiebstahl zu Geld zu kommen. Von einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland würde eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit ausgehen, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung der besonders gefährlichen Suchtgiftkriminalität betreffe. Von daher sei das Aufenthaltsverbot unter dem Blickwinkel des § 86 Abs. 1 FPG zulässig. Zwar sei mit diesem Aufenthaltsverbot im Hinblick auf die familiären Bindungen zu Ehefrau und Kind ein relevanter Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden. Die Ehefrau habe jedoch als Beitragstäterin an der Suchtgiftkriminalität des Beschwerdeführers mitgewirkt. Außerdem stehe den gewichtigen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet die sich aus seinem gravierenden Gesamtfehlverhalten ergebende massive Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Von daher sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten und es wögen die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
Der Beschwerdeführer ist Ehegatte einer österreichischen Staatsbürgerin (und zugleich Vater einer österreichischen Tochter). Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist daher gegen ihn gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne Weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach der eben wiedergegebenen Vorschrift des § 86 Abs. 1 FPG gegeben sind, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0442). Gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache ua. zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist.
Die im bekämpften Bescheid angeführte strafgerichtliche Verurteilung wird in der vorliegenden Beschwerde nicht bestritten. Der Beschwerdeführer hat damit den nach dem eben Gesagten als Orientierungsmaßstab auch für die Beurteilung nach § 86 Abs. 1 FPG dienenden Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht. Wegen der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität kann es entgegen den Beschwerdeausführungen aber auch keinem Zweifel unterliegen, dass das Fehlverhalten des Beschwerdeführers, der innerhalb eines Jahres mehr als 370 kg Cannabiskraut in Verkehr setzte und auch mit Kokain handelte, eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. März 2007, Zl. 2007/21/0081). Hieran vermag das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers, das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz stelle seine erste strafrechtliche Verurteilung dar, die Straftaten seien auf seine "zum damaligen Zeitpunkt ausweglose Situation" (um seine Sucht und den Lebensunterhalt zu finanzieren) zurückzuführen, während er nunmehr von seiner Suchtgiftabhängigkeit völlig geheilt sei, an der Aufklärung des Strafverfahrens "ausgesprochen kooperativ" mitgewirkt habe und die von ihm begangenen strafbaren Handlungen zutiefst bereue, nichts zu ändern. Diesem Vorbringen steht nämlich einerseits gegenüber, dass der Beschwerdeführer nach den Ausführungen im bekämpften Bescheid unbestritten schon in Bosnien-Herzegowina wegen Suchtgiftdelikten vorbestraft ist, und andererseits, dass seit der letzten strafbaren Handlung erst ein vergleichsweise kurzer Zeitraum verstrichen ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das behauptete kooperative Verhalten des Beschwerdeführers ebenso wie die vorgebrachte Heilung von der Suchtgiftabhängigkeit in keiner Weise näher konkretisiert wurden.
Gemäß § 66 Abs. 1 iVm § 60 Abs. 6 FPG ist, würde durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, dieses zulässig, wenn es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Gemäß § 66 Abs. 2 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Die belangte Behörde nahm zu Recht an, dass mit dem Aufenthaltsverbot ein schwerwiegender Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers einhergehe. Sie hat aber auch - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die gebotene Interessenabwägung durchgeführt, wobei sie zu dem nicht zu beanstandenden Ergebnis gelangte, dass die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ausgehende große Gefährlichkeit hingenommen werden müssten. In diesem Sinn ist die in der Beschwerde als Konsequenz des Aufenthaltsverbotes angesprochene Trennung des Beschwerdeführers von seiner österreichischen Ehefrau und seiner Tochter in Kauf zu nehmen, zumal die angesprochenen "physischen und psychischen Schäden des minderjährigen Kindes" nicht näher präzisiert werden.
Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, er habe bereits zwischen 1992 und 1998 in Österreich gelebt, so könnte ein derartiger Inlandsaufenthalt seine persönliche Interessen an einem Verbleib in Österreich zwar verstärken. Angesichts der von ihm ausgehenden gravierenden Gefährlichkeit - neben der massiven Suchtgiftdelinquenz ist ihm insbesondere die Beteiligung an einem versuchten Raubüberfall vorzuwerfen - könnte allerdings auch dieser Gesichtspunkt im Grunde des § 66 FPG (iVm § 60 Abs. 6 FPG) zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen. Gleiches gilt für sein Vorbringen, er absolviere zurzeit in der Haft eine Lehre als Schlosser und werde nach Enthaftung einer Beschäftigung nachgehen können, während er weder in Bosnien-Herzegowina noch in Kroatien - wo er zudem über keinen Wohnraum verfüge bzw. nicht mehr Fuß fassen könne - den Lebensunterhalt seiner Familie werde sichern können.
Nach dem eben Gesagten ergibt sich, dass den vom Beschwerdeführer behaupteten Verfahrensmängeln jedenfalls keine Relevanz zukommt. Im Übrigen ist noch ergänzend darauf hinzuweisen, dass wegen der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers im Blick auf § 55 Abs. 3 FPG eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten mit dem Gesetz nicht im Einklang gestanden wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 2007, Zl. 2006/18/0254).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass dem angefochtenen Bescheid eine Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 29. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008210229.X00Im RIS seit
13.06.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009