TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/29 2005/21/0405

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Veröffentlicht am 29.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §19 Abs2;
AsylG 1997 §19 Abs4;
AsylG 1997 §19;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z2;
AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §36b idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §44 Abs1;
AsylG 1997 §44 Abs4;
AVG §69 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 26. August 2005, Zl. VwSen- 400717/5/SR/Da, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger, reiste Anfang des Jahres 2003 illegal in Österreich ein. Er wurde im März 2003 nach Tschechien zurückgeschoben. Nach einer neuerlichen illegalen Einreise stellte er am 7. August 2003 beim Bundesasylamt, Außenstelle Linz, einen Asylantrag. Am 9. Dezember 2003 wurde ihm eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 - AsylG zuerkannt. Nach Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG iVm einer (negativen) Feststellung nach § 8 leg. cit. wurde die vorläufige Aufenthaltsberechtigung laut AIS am 16. März 2004 "widerrufen".

Mit Bescheid vom 9. April 2005 verhängte die Bundespolizeidirektion Linz über den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. einer Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung bzw. Zurückschiebung. Zur Begründung führte sie aus, dass der Beschwerdeführer am selben Tag von der Polizei kontrolliert worden sei und weder ein gültiges Reisedokument noch einen anderen Ausweis habe vorweisen können. Außerdem habe er kaum Bargeld bei sich gehabt und nach seinen Angaben in Österreich keinen Wohnsitz. Die Schubhaft wurde ab dem 9. April 2005 vollzogen.

Am 22. April 2005 verständigte das Bundesasylamt die Bundespolizeidirektion Linz, dass das Asylverfahren des Beschwerdeführers gemäß § 69 Abs. 1 AVG mit Bescheid vom 21. April 2005 wieder aufgenommen wurde. Der Beschwerdeführer wurde am 29. April 2005 aus der Schubhaft entlassen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die - die Anhaltung vom 22. bis 29. April 2005 bekämpfende - Schubhaftbeschwerde vom 30. Mai 2005 gemäß den §§ 72 Abs. 1 und 73 FrG ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass gemäß § 44 Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl. I Nr. 101, das Asylverfahren des Beschwerdeführers nach den Bestimmungen des AsylG in der Fassung vor der genannten Novelle zu führen sei. Dem Beschwerdeführer sei vor dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens durch Aushändigung der Bescheinigung die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 AsylG zuerkannt worden. Diese habe mit Rechtskraft des Asylbescheides am 11. März 2004 geendet. Das AsylG sehe kein Wiederaufleben einer erloschenen vorläufigen Aufenthaltsberechtigung vor, weshalb das Bundesasylamt im Fall der Stattgebung des Wiederaufnahmeantrages erst nach Würdigung des nunmehr vorliegenden Sachverhaltes und nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuzuerkennen habe. Im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides sei dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen. Erst ab dem Zeitpunkt der Aushändigung der Bescheinigung (nach § 36b Abs. 1 AsylG idF der AsylG-Novelle 2003) sei dem Beschwerdeführer eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung (wieder) zugekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen hat:

Unbestritten wurde dem Beschwerdeführer im Asylverfahren gemäß § 19 Abs. 2 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung durch Aushändigung der Bescheinigung zuerkannt.

Dieses Asylverfahren wurde mit Bescheid vom 21. April 2005 gemäß § 69 Abs. 1 AVG wieder aufgenommen. Als Folge des die Wiederaufnahme anordnenden Bescheides trat der Bescheid, mit dem das wieder aufzunehmende Verfahren abgeschlossen worden war, außer Kraft (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. März 1977, Zl. 1341/75, Slg. 9277 A). Vor rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens war dem Beschwerdeführer die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zuerkannt worden; in diesen Stand wurde das Asylverfahren durch die Wiederaufnahme zurückgesetzt, wodurch die zunächst gemäß § 19 Abs. 4 AsylG erloschene vorläufige Aufenthaltsberechtigung wieder auflebte.

Daran ändert der Umstand nichts, dass die Asylbehörde dem Beschwerdeführer nach Wiederaufnahme des Verfahrens eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 36b AsylG idF der AsylG-Novelle 2003 ausgestellt hat. Gemäß § 44 Abs. 4 leg. cit. wurde nämlich ausdrücklich angeordnet, dass Bescheinigungen gemäß § 19 AsylG idF vor der AsylG-Novelle 2003 ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt behalten, es sei denn, es wird vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 36b ausgestellt. Daraus folgt, dass auch in "Altverfahren" nach § 44 Abs. 1 leg. cit. grundsätzlich die Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG ihre Gültigkeit behält. Gemäß § 19 Abs. 4 AsylG endet zwar die vorläufige Aufenthaltsberechtigung bei Einstellung oder rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens; das Asylverfahren wurde jedoch - wie bereits dargelegt - in den Stand vor dessen rechtskräftigem Abschluss zurückversetzt.

Da gemäß § 21 Abs. 1 AsylG die Bestimmungen des FrG über die Schubhaft nicht auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung - unter der hier gegebenen initiativen Antragstellung iSd § 21 Abs. 1 Z 2 leg. cit. - Anwendung finden, erweist sich die nach Wiederaufnahme des Asylverfahrens aufrecht erhaltene Schubhaft als rechtswidrig. Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 29. April 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005210405.X00

Im RIS seit

19.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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