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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Y, vertreten durch Dr. Friedrich Schwarzinger und Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Johannisgasse 3/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. Juli 2006, Zl. VwSen-230948/2/Ste/CR, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist mit X. verheiratet. Sie haben vier gemeinsame Kinder: E., geboren am 26. Mai 1990, A., geboren am 30. Mai 1992, K., geboren am 16. September 2002 (in Österreich), und S. , geboren am 19. November 2003 (in Österreich). Die Genannten sind türkische Staatsangehörige.
X. ist am 14. August 2002 mit E. - A. verblieb bei seinen Großeltern in der Türkei - unter Verwendung eines vom 6. August bis zum 5. September 2002 gültigen Reisevisums, ausgestellt von der Bundesrepublik Deutschland, nach Österreich eingereist und hielt sich danach - jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides - im Bezirk Grieskirchen beim Beschwerdeführer auf. Dieser hat laut seinem Beschwerdevorbringen seit 26. März 1992 ("Ende 1999/2002 auf Grund des Erdbebens in der Türkei unterbrochen") in Österreich gelebt und gearbeitet.
Ein in der Türkei gestellter Antrag der X. auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 16. November 2001 war mit Bescheid vom 22. Jänner 2003 (bestätigt mit Berufungsbescheid vom 30. Mai 2003) abgewiesen worden. Anträge auf Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens blieben ohne Erfolg (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2006, Zl. 2006/18/0031).
Einem Ansuchen um Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs. 4 des (bis zum 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG hat die Bundesministerin für Inneres am 21. Mai 2004 nicht zugestimmt. Ein neuerlicher Antrag vom 9. November 2005 wurde mit Bescheid vom 7. Dezember 2005 abgelehnt.
Am 8. April 2004 gestellte Anträge der X. und der drei in Österreich aufhältigen Kinder E., K. und S. auf Erteilung von Erstniederlassungsbewilligungen wurden abgewiesen. Eine dagegen an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 5. September 2006, Zlen. 2006/18/0243 bis 0246, dem die Einzelheiten des Verfahrens entnommen werden können, als unbegründet abgewiesen.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2006 wurde die Ausweisung der X. verfügt. Die aufschiebende Wirkung einer dagegen erhobenen Berufung, über die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht entschieden worden war, wurde nicht aberkannt.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2006 wies die belangte Behörde gemäß den §§ 24 und 51 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG die Berufung gegen die Bestrafung der X. wegen (zumindest fahrlässigen) unbefugten Aufenthaltes im Bundesgebiet, und zwar für die Zeit vom 19. Jänner 2004 bis zum 31. Dezember 2005 gestützt auf § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 1 FrG, für die Zeit ab 1. Jänner 2006 gestützt auf § 120 Abs. 1 Z. 2 iVm § 31 Abs. 1 des (am 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen) Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, als unbegründet ab (vgl. dazu den hg. Beschluss vom heutigen Tag, Zl. 2006/21/0215).
Dasselbe erfolgte mit dem angefochtenen Bescheid betreffend die auf § 7 VStG iVm § 120 Abs. 1 Z. 2 und § 31 Abs. 1 FPG gestützte Bestrafung des Beschwerdeführers, gegründet auf vorsätzliche Beitragstäterschaft zum unbefugten Aufenthalt der Kinder E., K. und S. in Österreich seit dem 13. Februar 2006.
Der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des gegen den Beschwerdeführer erlassenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses vom 15. Mai 2006 lautet auszugsweise:
"Sie gewähren Ihren minderjährigen Kindern, die türkische Staatsangehörige und somit Fremde im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes sind, und zwar der in der Türkei am 26.5.1990 geborenen Tochter E. seit Ablauf des mit 5.9.2002 befristeten Einreisevisums, sowie den im Inland geborenen Kindern, dem Sohn K., geb. 16.9.2002, und der Tochter S., geb. 19.11.2003, seit deren Geburt einen unbefugten Aufenthalt in B., ..., und zuletzt seit dem 20.10.2003 in G., ..., und ermöglichen ihnen trotz eingeleitetem Ausweisungsverfahren und schriftlicher Aufforderung der Behörde vom 24.1.2006, den rechtwidrigen Aufenthalt der Kinder im Bundesgebiet bis zum 12.2.2006 zu beenden und deren Ausreise aus dem Bundesgebiet zu veranlassen, seit dem 13.2.2006 an der von Ihnen angemieteten Unterkunft in G., ..., weiterhin einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich und haben somit entgegen Ihrer Verpflichtung, da Sie als Vater und gesetzlicher Vertreter über den dzt. Aufenthaltsort Ihrer mj. Kinder verfügen, keine geeigneten Vorkehrungen getroffen, dass diese die Einreise- und Niederlassungsbestimmungen des Fremdenrechts einhalten und in Kenntnis dieser Rechtswidrigkeit und den strafrechtlichen Folgen und sohin zumindest ab dem 13.2.2006 in vorsätzlicher Weise Ihren Kindern die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, indem Sie es unterlassen haben, die notwendigen Schritte zu setzen, um die rechtzeitige Ausreise der Kinder und Unterbringung in der Türkei zu gewährleisten, zumal diese weder über gültige
Einreisetitel verfügen, noch ... zum Aufenthalt berechtigt sind
und sie nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, ihnen kein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt und sich im konkret bezogenen Fall auch aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften keine Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes ergibt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 117/2002, iVm § 120 Abs. 1 Zi. 2 und § 31 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 147/2005.
..."
Begründend führte die belangte Behörde aus, es wäre X. nach einer vertretbaren Frist von zwei Monaten "zur Betreuung der am 19. November 2003 geborenen Tochter" S. zumutbar gewesen, den seit 6. September 2002 gegebenen unbefugten Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden und das Bundesgebiet zu verlassen. Sie habe keine der im § 31 Abs. 1 FPG angeführten Bewilligungen erlangt, um ihren Aufenthalt in Österreich rechtmäßig zu gestalten. Auch von einer Duldung der X. könne nicht die Rede sein, weil ihre Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung und einer humanitären Aufenthaltserlaubnis abgewiesen worden seien. Das Fehlen der Rechtskraft des Ausweisungsbescheides sei nicht wesentlich, weil die Verhängung einer Ausweisung lediglich Folge eines unerlaubten Aufenthaltes sei, die fehlende Rechtskraft den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet jedoch nicht beenden könne.
Der Pflicht zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder könne X. auch in der Türkei nachkommen. Für den Beschwerdeführer bestehe die Möglichkeit, seine Familie auch in der Türkei von Österreich aus finanziell zu unterstützen. Eine gemeinsame Ausreise der X. mit ihren Kindern sei zumutbar. Persönliche und familiäre Umstände, die den Schutz und die Obhut des Beschwerdeführers notwendig machten, um einen dauerhaften Schaden der Kinder oder eine nachhaltige eigene gesundheitliche Beeinträchtigung der X. abzuwenden, seien nicht ersichtlich. Das Fehlen von Anknüpfungspunkten im Heimatland und die Integration in Österreich seien "dafür nicht von vornherein ungeeignet". Die Aufarbeitung der Erdbebenkatastrophe in der Türkei könne auch in diesem Staat - allenfalls mit Hilfe eines türkischen Psychiaters - fortgesetzt werden. Ein Strafausschließungsgrund iSd § 6 VStG liege somit nicht vor.
Der Beschwerdeführer habe "entgegen seiner Verpflichtung, da er als Vater und gesetzlicher Vertreter über den derzeitigen Aufenthaltsort seiner mj. Kinder verfüge", keine geeigneten Vorkehrungen getroffen, dass die Genannten die Einreise- und Niederlassungsbestimmungen des Fremdenrechts einhalten und ihnen daher zumindest ab dem 13. Februar 2006 in vorsätzlicher Weise die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert. Er habe es nämlich unterlassen, die notwendigen Schritte zu setzen, um ihre rechtzeitige Ausreise und die Unterbringung in der Türkei zu gewährleisten. Die Kinder hätten keine der im § 31 Abs. 1 FPG angeführten Bewilligungen erlangt, um ihren Aufenthalt rechtmäßig zu gestalten bzw. hielten sich "seit der Geburt unrechtmäßig im Bundesgebiet" auf.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer gemäß dem wiedergegebenen Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vor, er habe durch Gewährung der Unterkunft gegenüber seinen Kindern E., K. und S. diesen Beihilfe zu ihrem - näher beschriebenen - rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich geleistet. Weiters habe er seiner eigenen Verpflichtung als ihr gesetzlicher Vertreter dazu, die Ausreise der genannten Kinder zu veranlassen, nicht Rechnung getragen und sei deshalb gemäß § 7 VStG iVm § 120 Abs. 1 Z. 2 und § 31 Abs. 1 FPG zu bestrafen.
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass die bloße Gewährung von Unterkunft dem Beschwerdeführer rechtsrichtig nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, weil er - auf Grundlage der unbestritten gebliebenen Feststellungen der belangten Behörde - als Vater unterhaltsberechtigter Kinder hiezu verpflichtet ist. Eine Möglichkeit des Beschwerdeführers, konkret auf den Aufenthalt seiner Ehefrau X., der Mutter der genannten Kinder, und damit den Ort der ihnen gegenüber zu erbringenden Betreuungsleistungen Einfluss zu nehmen, hat auch die belangte Behörde nicht unterstellt.
Der vom erstgenannten nicht trennbare weitere Vorwurf (Nichterfüllung der den Beschwerdeführer als gesetzlichen Vertreter der genannten Kinder treffenden Verpflichtungen) kann nicht als Zurlastlegung eines Tatbeitrages (zum strafbaren Verhalten eines Dritten), sondern nur als solcher einer eigenen Pflichtwidrigkeit (als unmittelbarer Täter) verstanden werden. Unter Beihilfe im Sinn des § 7 VStG ist nämlich lediglich die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines Anderen zu verstehen; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit bloß in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines Anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 91/04/0033, mwN).
Abgesehen davon, dass der letztgenannte Vorwurf vom erstgenannten - wie gezeigt zu Unrecht erhobenen - nach der Begründung der belangten Behörde inhaltlich nicht trennbar ist, wurde durch die Vermengung der dargestellten - keinen gesetzlichen Straftatbestand unterstellbaren - unmittelbaren Täterschaft mit der Leistung eines bloßen Tatbeitrages in einem einheitlichen (zudem unübersichtlichen) Spruch auch dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z. 1 VStG nicht entsprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2005, Zl. 2001/10/0152).
Nach dem Gesagten erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 29. April 2008
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchSpruch und BegründungBesondere RechtsgebieteSpruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006210216.X00Im RIS seit
28.05.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013