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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 13. August 2005, Zl. VwSen-400727/2/Gf/Gam, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: O), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem zitierten Bescheid gab die belangte Behörde der Schubhaftbeschwerde des Mitbeteiligten, eines Staatsangehörigen von Guinea, Folge und stellte dessen Anhaltung in Schubhaft vom 6. Mai bis zum 29. Juni 2005 als rechtswidrig fest. Bei dieser Entscheidung ging sie davon aus, dass der am 1. November 1987 geborene Mitbeteiligte am 26. März 2002 in das Bundesgebiet eingereist sei. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 4. Juli 2002 sei für den Mitbeteiligten die Magistratsabteilung 11 - Amt für Jugend und Familie, zu dessen Obsorgeträger bestellt worden.
Wegen dreimaliger Vergehen gegen das Suchtmittelgesetz sei nach seiner Haftentlassung von der Bundespolizeidirektion Wien am 2. Mai 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und zur Sicherung der Abschiebung über ihn gemäß § 61 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG mit Bescheid vom 6. Mai 2005 die Schubhaft verhängt worden.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass der Aufenthaltsverbotsbescheid vom 2. Mai 2005 nicht dem Beschwerdeführer, sondern dem Magistrat Wien hätte zugestellt werden müssen. Mangels gültiger Zustellung sei der Bescheid nicht erlassen worden, sodass dieser auch nicht vollstreckbar sein oder in Rechtskraft erwachsen konnte. Somit entfalle die Grundlage für die vorliegende Schubhaftverhängung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Amtsbeschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten seitens der belangten Behörde erwogen hat:
Gemäß § 95 Abs. 1 FrG sind minderjährige Fremde, die das 16. Lebensjahr vollendet habe, in Verfahren nach dem 3., 4. und 6. Hauptstück handlungsfähig. Gemäß § 95 Abs. 2 Z 2 leg. cit. hat der gesetzliche Vertreter eines solchen Fremden das Recht, innerhalb der einer Partei offen stehenden Frist Rechtsmittel einzulegen, Beschwerden einzubringen und Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.
§ 95 Abs. 1 leg. cit. räumt somit Fremden bereits ab Vollendung des 16. Lebensjahres Prozessfähigkeit ein. Ungeachtet dessen dürfen gewisse - den Minderjährigen begünstigende - Verfahrenshandlungen auch vom gesetzlichen Vertreter gesetzt werden (Muzak in: Muzak/Taucher/Pinter/Lobner (Hrsg), Fremden- und Asylrecht, Anm. 1 zu § 95 FrG).
Im 3. Hauptstück des FrG wird der Aufenthalt von Fremden geregelt. Dessen zweiter Abschnitt enthält die Bestimmungen über die Aufenthaltsbeendigung, somit auch über das Aufenthaltsverbot. Demnach durfte dem Mitbeteiligten, der zu diesem Zeitpunkt das 16. Lebensjahr vollendet hatte, der Bescheid betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unmittelbar ohne Einschaltung des gesetzlichen Vertreters zugestellt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 2002, Zl. 2001/02/0136). Der Bescheid wird in solchen Fällen auch dann wirksam erlassen, wenn der Behörde ein gesetzlicher Vertreter des Fremden bekannt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2001, Zl. 2001/18/0006).
Da somit die belangte Behörde in der ihren Bescheid tragenden Frage der wirksamen Zustellung des Aufenthaltsverbotes an den Mitbeteiligten die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 29. April 2008
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005210349.X00Im RIS seit
19.06.2008Zuletzt aktualisiert am
14.10.2008