TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/30 2005/04/0054

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Veröffentlicht am 30.04.2008
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Index

E6J;
14/01 Verwaltungsorganisation;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/02 Energierecht;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

61997CJ0224 Ciola VORAB;
62000CJ0453 Kuehne Heitz VORAB;
62002CJ0201 Delena Wells VORAB;
62004CJ0234 Kapferer / Schlank Schick VORAB;
MinroG 1999 §116;
MinroG 1999 §119;
UVPG 2000 §3 Abs6;
UVPG 2000 §3 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Hainburg an der Donau, vertreten durch die Prader Rechtsanwalt GmbH in 1070 Wien, Seidengasse 28, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 3. Februar 2005, Zl. US 9A/2004/14- 11, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G (mitbeteiligte Partei: H in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei betreibt einen Kalksteinbergbau am Pfaffenberg in den Gemeinden Hainburg und Bad Deutsch-Altenburg. Im Jahr 2004 suchte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha um die Genehmigung für die Errichtung von obertägigen Bergbauanlagen, bestehend aus einer Sand-Splittanlage und einer Korngemischanlage, und um die Erweiterung der Wasserbaustein-Sortieranlage um einen Vorbrecher an.

Mit Schreiben vom 3. August 2004 beantragte die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G die Feststellung, ob beim gegenständlichen Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen sei. Mit Bescheid vom 17. September 2004 stellte die NÖ Landesregierung fest, dass die Herstellung (Errichtung) der gegenständlichen obertägigen Bergbauanlage nicht dem UVP-G 2000 unterliege und dass für das Vorhaben somit keine UVP durchzuführen sei.

Die dagegen erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei wurde mit dem angefochtenen Bescheid abgewiesen. In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst das Berufungsvorbringen wieder, wonach der in Rede stehende Kalksteinbergbau Gegenstand zweier bergrechtlicher Verfahren in den Jahren 1997 und 1998 gewesen sei:

Am 3. Oktober 1997 habe die mitbeteiligte Partei einen Rahmenbetriebsplan in Form eines Aufschluss-, Abbau- und Rekultivierungsplanes vorgelegt, der von der Berghauptmannschaft Wien genehmigt worden sei. In weiterer Folge seien unter Berücksichtigung dieses Rahmenbetriebsplanes mit Bescheid vom 22. Juli 1998 gemäß § 203 Abs. 2 Berggesetz 1975 Auflagen für einen Zeitraum von 60 Jahren angeordnet worden. Die beschwerdeführende Partei habe in der Berufung den Standpunkt vertreten, dass bereits 1997 für die damalige Erweiterung des Steinbruchs eine UVP hätte stattfinden müssen, weil diese Anlagenerweiterung die Kriterien des damaligen § 3 Abs. 4 UVP-G erfüllt hätte. Die genannten bergrechtlichen Genehmigungen seien daher zwar rechtswidrig, ihre Nichtigerklärung sei aber wegen des Ablaufes der 3-Jahres-Frist des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 nicht mehr möglich. Ausgehend davon habe die beschwerdeführende Partei in der Berufung unter Bezugnahme auf ein Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Rechtsansicht vertreten, dass im nunmehr anhängigen Verfahren betreffend die Genehmigung der Bergbauanlage sämtliche Auswirkungen des Steinbruches auf die Umwelt und die Nachbarn zu prüfen seien, da andernfalls zwingende Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts verletzt würden (Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 7. Jänner 2004, Rs C-201/02, Delena Wells).

Die Berufung der beschwerdeführenden Partei, bei der es sich um eine Standortgemeinde der Bergbauanlage handle, sei zwar gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zulässig, sie sei aber nach Ansicht der belangten Behörde nicht berechtigt: Die Herstellung der gegenständlichen obertägigen Bergbauanlage erfülle keinen Tatbestand des Anhanges 1 des UVP-G 2000. Insbesondere kämen die Z. 25 und 26 des Anhanges 1 dieses Gesetzes nicht zur Anwendung, weil diese Bestimmungen nur die Entnahme bzw. Erweiterungen der Entnahmen mineralischer Rohstoffe erfassten, nicht aber die Herstellung bzw. Erweiterung einer Bergbauanlage. Selbst wenn man daher die Auffassung der beschwerdeführenden Partei teilte, dass bei der seinerzeitigen Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes bzw. bei der nachfolgenden Vorschreibung von Auflagen eine UVP hätte stattfinden müssen, so führe dies auch bei Bedachtnahme auf das zitierte Urteil des EuGH nicht dazu, dass auch die gegenständliche Bergbauanlage einer UVP zu unterziehen sei. Der Einzelne könne sich nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH zwar gegenüber dem Mitgliedstaat auf die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinien betreffend die UVP berufen, er könne dies aber nur in einem "die Genehmigung des jeweiligen Vorhabens betreffenden Verfahren" geltend machen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, zu der die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift erstattet hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei bringt in ihrer zulässigen Beschwerde (§ 3 Abs. 7 vorletzter Satz UVP-G 2000 in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 153/2004) zusammengefasst vor, dass schon die im Jahre 1997 genehmigte Erweiterung des Steinbruches (Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes) einer UVP hätte unterzogen werden müssen, weil das Ausmaß der damals beantragten Rohstoffgewinnung die zu diesem Zeitpunkt geltenden Schwellenwerte des damaligen UVP-G überschritten hätte. Zu diesem Ergebnis gelange man auch bei Berücksichtigung des genannten Urteils des EuGH, in dem es gleichfalls um die Genehmigung eines Steinbruches gegangen sei. Dort habe der EuGH ausgeführt, dass in einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren, in dem zunächst eine Grundsatzentscheidung und sodann eine Durchführungsentscheidung ergehe, die Auswirkungen des Projektes auf die Umwelt zu prüfen seien, "sobald es möglich ist". Dies zeige, dass die UVP schon bei der Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes im Jahre 1997 hätte durchgeführt werden müssen. Zu den Konsequenzen einer unterlassenen UVP habe der EuGH ausgeführt, der Mitgliedstaat müsse im Rahmen seiner Zuständigkeiten alle erforderlichen allgemeinen und besonderen Maßnahmen ergreifen, so auch die Rücknahme oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung, damit überprüft werde, ob Vorhaben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben und bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht würden. Dies bedeute für den vorliegenden Fall, dass zwar die 1997 genehmigte Entnahme der mineralischen Rohstoffe wegen der 3-Jahres-Frist des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 nicht mehr für nichtig erklärt werden könne. Gleichzeitig weist die Beschwerde jedoch darauf hin, dass selbst die Rechtskraft (hier: betreffend die Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes) nach der Rechtsprechung des EuGH (Hinweis auf das Urteil vom 29. April 1999, Rs C-244/97, Ciola) der Aufhebung eines Verwaltungsaktes nicht entgegen stehe. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei sei aber zumindest bei der gegenständlich beantragten Genehmigung der Bergbauanlagen wegen des gebotenen richtlinienkonformen Gesetzesvollzuges eine UVP durchzuführen, was die belangte Behörde hätte feststellen müssen. Nach dem zitierten Urteil des EuGH könne sich der Einzelne unmittelbar auf die in Rede stehende Richtlinie berufen und die Durchführung einer UVP verlangen. Die Ansicht der belangten Behörde, dass die UVP nur bei der Genehmigung solcher Vorhaben, die nach den einschlägigen Kriterien der UVP-Pflicht unterlägen, durchzuführen sei, stehe mit dem zitierten Urteil des EuGH im Widerspruch. Schließlich meint die Beschwerde, dass § 3 UVP-G 2000 von einem umfassenden Vorhabensbegriff ausgehe und dass die gegenständlichen Bergbauanlagen daher gemäß der Z. 25 des Anhanges 1 dieses Gesetzes der UVP-Pflicht unterlägen.

Zum letztgenannten Beschwerdevorbringen ist zunächst festzuhalten, dass das UVP-G 2000 bei der Aufzählung der UVPpflichtigen Vorhaben in Anhang 1 unter der Überschrift "Bergbau" die "Entnahme" von mineralischen Rohstoffen im Tagbau bzw. Erweiterungen solcher Entnahmen nennt (Z. 25 und 26). Der Verwaltungsgerichthof hat daher im Erkenntnis vom 12. September 2007, Zlen. 2005/04/0115 bis 0117, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass die zur Genehmigung beantragte Bergbauanlage (diese diente im damaligen Fall dem Gipsabbau) keinen der die UVP-Pflicht begründenden Tatbestände erfülle, weil es sich um keine Entnahme von mineralischen Rohstoffen handle.

Soweit sich die beschwerdeführende Partei in Rechten verletzt erachtet, weil die belangte Behörde die 1997 erteilte und unstrittig in Rechtskraft erwachsene Genehmigung für die Entnahme von mineralischen Rohstoffen (Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes) nicht im Sinne der Ausführungen des EuGH im Urteil Rs C-201/02, Delena Wells, "zurückgenommen oder ausgesetzt" hat, ist sie darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen in diesem Urteil (Rn. 65 bis 70) nur die zuständigen Behörden verpflichtet sind, solche Maßnahmen zu ergreifen. Den für die Entscheidung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 zuständigen Behörden kommt im vorliegenden Verfahren (die Sache dieses Verwaltungsverfahrens ist durch den eingangs erwähnten Feststellungsantrag vom 3. August 2004 begrenzt) keine Zuständigkeit zur Aufhebung der im Jahr 1997 erteilten bergrechtlichen Genehmigung zu. Schon deshalb fehlt es gegenständlich (ohne dass es noch auf die Frist des § 3 Abs. 6 UVP-G 2000 ankäme) an den Voraussetzungen für die Durchbrechung der Rechtskraft dieser Genehmigung für die Entnahme mineralischer Rohstoffe (vgl. zur Bedeutung der Rechts- bzw. Bestandskraft neben dem in der Beschwerde zitierten Urteil des EuGH "Ciola" vor allem auch die Urteile vom 17. Juni 2003, Rs C-453/00, Kühne & Heitz, Rn. 26 bis 28, und vom 16. März 2006, Rs C-234/04, Kapferer, Rn. 20 bis 23, sowie das zitierte Urteil Delena Wells, Rn. 59 bis 60).

Das Hauptargument der Beschwerde geht allerdings dahin, dass das (behauptetermaßen rechtswidrige) Unterlassen der UVP hinsichtlich der Rohstoffentnahme (im Zuge der Bewilligung des Rahmenbetriebsplanes) dazu führen müsse, dass die UVP nunmehr bei der Genehmigung der Bergbauanlage zu erfolgen habe. Nur dadurch könnten im Sinne des zitierten Urteiles des EuGH (vgl. dort Rn. 64) die Auswirkungen des bei der Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes erfolgten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht behoben werden.

Auch dem ist nicht beizupflichten:

Im zitierten Urteil Rs C-201/02, Delena Wells, hat der EuGH, (Rn. 52 f dieses Urteils) - bezogen auf den ihm vorgelegenen Fall eines "mehrstufigen Genehmigungsverfahrens" (die Grundsatzentscheidung legt Vorgaben fest, über die die Durchführungsentscheidung nicht hinausgehen darf; vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2006, Zl. 2002/03/0213) - ausgesprochen, dass die Prüfung der Auswirkungen eines Projektes auf die Umwelt grundsätzlich durchzuführen ist, sobald dies möglich ist, also im Verfahren betreffend die Grundsatzentscheidung. Nur dann, wenn diese Auswirkungen erst im Verfahren zur Erlassung der Durchführungsentscheidung ermittelt werden können, sei die Prüfung in diesem Verfahren durchzuführen.

Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies: Selbst wenn für die unstrittig bereits 1997 erteilte Genehmigung der Rohstoffentnahme (Genehmigung des Rahmenbetriebsplanes) eine UVP notwendig gewesen wäre, so könnte die UVP im gegenständlichen Verfahren betreffend die Genehmigung der Bergbauanlage nur dann nachgeholt werden, wenn Letztere ein Teil eines mehrstufigen Verfahrens für die Genehmigung der Rohstoffentnahme wäre. Dies ist aber nicht der Fall: Die Genehmigung von Gewinnungsbetriebsplänen (§ 116 MinroG) und die Genehmigung von Bergbauanlagen (§ 119 MinroG) stehen zueinander nicht im Verhältnis der Grundsatzentscheidung zur Durchführungsentscheidung, handelt es sich dabei doch um zwei rechtlich voneinander unabhängige Entscheidungen mit jeweils eigenständigem Genehmigungsgegenstand (vgl. in diesem Zusammenhang das bereits zitierte Erkenntnis Zlen. 2005/04/0115 bis 0117, in dem betont wurde, dass der Verfahrensgegenstand bei der Genehmigung einer Bergbauanlage nicht der Abbau selbst ist).

Nach dem Gesagten war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. April 2008

Gerichtsentscheidung

EuGH 62002J0201 Delena Wells VORAB
EuGH 62000J0453 Kuehne Heitz VORAB
EuGH 62004J0234 Kapferer / Schlank Schick VORAB
EuGH 62002J0201 Delena Wells VORAB

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005040054.X00

Im RIS seit

28.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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