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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der S Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 13/4. Stk./Tür 8, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt I vom 23. Jänner 2004, Zl. II-AL-0004e/2004, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 19. Februar 2003 erteilte der Stadtmagistrat I die Benützungsbewilligung für mit Bescheiden vom 12. Dezember 2000 und 9. Mai 2001 genehmigte bauliche Änderungen eines im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Gebäudes mit einer Auflage hinsichtlich der Änderung einer Stufe im Eingangsbereich. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 28. Februar 2003 zugestellt.
Mit Schreiben vom 18. März 2003 ersuchte der Architekt der Beschwerdeführerin die Behörde um Fristerstreckung (zur Ausführung der Berufung). Diese teilte ihm am 21. März 2003 schriftlich mit, dass die vierzehntägige Berufungsfrist abgelaufen und der Bescheid bereits in Rechtskraft erwachsen sei. Daher sei eine Fristerstreckung nach dem AVG nicht mehr möglich.
Mit dem am 14. April bei der Behörde eingelangten Wiedereinsetzungsantrag, der mit der Berufung verbunden wurde, brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der zuständige Sachbearbeiter den Fristvormerk für die Berufung gegen den gegenständlichen Bescheid irrtümlich nicht mit zwei, sondern mit vier Wochen vorgenommen habe. Erst mit Brief vom 13. März 2003 habe er den Bescheid daher an den Architekten zur Berufungserstattung weitergeleitet, der diesen erst am 18. März 2003 erhalten habe. Der Sachbearbeiter sei als langjähriger Mitarbeiter der Beschwerdeführerin in der Bau- und Betriebsabteilung mit Behördenverfahren vertraut und habe zuvor niemals Termine oder Fristen versäumt. Der Umstand, dass er die Berufungsfrist unrichtig vermerkt habe, sei daher für die Beschwerdeführerin unvorhersehbar und unabwendbar gewesen. Erst durch das behördlichen Schreiben vom 21. März 2003, eingelangt beim Architekten am 1. April 2003, sei der Irrtum erkannt worden. Dass der Architekt offenbar die Fristversäumung sofort erkannt habe, sei der Berufungswerberin nicht zuzurechnen. Auch legte die Beschwerdeführerin eine eidesstättige Erklärung des Sachbearbeiters vom 11. April 2003 vor, in der der Sachbearbeiter die Richtigkeit der Ausführungen im Antrag bestätigt hat.
Mit Bescheid vom 6. November 2003 wies der Stadtmagistrat I den Antrag auf Wiedereinsetzung ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine näheren Angaben über die von der Beschwerdeführerin gewählte Art der Behandlung der an sie zugestellten fristauslösenden Bescheide und Schriftstücke, hinsichtlich der Einrichtung eines diesbezüglichen geeigneten Systems bzw. über die Gründe, weshalb dieses System im vorliegenden Fall versagt habe, enthalten habe.
Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wies die belangten Behörde die dagegen gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin ab und bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung. Darin führte sie aus, dass - schenke man den Berufungsausführungen Glauben - der Sachbearbeiter der Beschwerdeführerin zum einen irrtümlich die Rechtsmittelfrist mit vier Wochen (anstatt zwei Wochen) kalendiert und andererseits diesen Bescheid mit 13. März 2003 dem Architekten zur Erstattung einer Berufung weitergeleitet habe, der am 18. März 2003 bei diesem eingegangen sei. Dieser habe noch am selben Tag die Bearbeitung des gegenständlichen Aktes in Angriff genommen und sofort erkannt, dass die im anzufechtenden Bescheid in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Frist von zwei Wochen verfristet seien müsse. Anders sei dessen schriftliche Anfrage vom 18. März 2003, worin um Erstreckung der Berufungsfrist ersucht worden sei, nicht zu verstehen. Sohin sei mit diesem Zeitpunkt die Falschkalendierung der Rechtsmittelfrist auf Seiten der Berufungswerberin bewusst geworden, sodass ab diesem Zeitpunkt das Hindernis der irrtümlich falschen Kalendierung einer Berufungsfrist in Wegfall geraten sei. Dem beauftragten Architekten sei zu unterstellen, dass ihm die Tatsache der Fristversäumung nach Zufertigung des zu bekämpfenden Bescheides bekannt sein hätte müssen, zumal das im Akt erliegende Fristerstreckungsansuchen zum damaligen Zeitpunkt dann nicht erforderlich gewesen wäre, wenn angenommen worden sein sollte, das Ende der Rechtsmittelfrist laufe mit 28. März 2003 ab.
Weil nach § 71 Abs. 2 AVG der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden müsse, stehe fest, dass diese Frist mit 1. April 2003 abgelaufen sei, sodass der der Behörde mit Datum 14. April 2003 übermittelte Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zu qualifizieren und daher abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der seine Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts beantragt wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden (§ 71 Abs. 2 AVG).
Dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zu Folge hat der zuständige Sachbearbeiter der beschwerdeführenden Aktiengesellschaft die Frist für die Erhebung einer Berufung im vorliegenden Fall "irrtümlich" mit vier Wochen statt mit zwei Wochen vorgemerkt. Nähere Ausführungen dazu, aus welchem Grunde dem Sachbearbeiter dieser Irrtum unterlief, sind dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen. Die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 6. November 2003 enthielt jedenfalls die Angabe, dass die Berufungsfrist zwei Wochen betrage.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass ein minderer Grad des Versehens, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, nur dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft (vgl. den hg. Beschluss vom 11. November 1997, Zl. 96/01/0725). Nun müssen besondere Umstände dafür vorliegen, wenn ein zur Behandlung und Beantwortung von behördlichen Schriftstücken zuständiger Sachbearbeiter entgegen einer eindeutigen Angabe in der Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides eine falsche Frist vormerkt, um ein solches Versehen als einen Fehler im Rahmen eines bloß minderen Grades des Versehens zu werten. Liegen solche besonderen Umstände nicht vor und werden sie nicht einmal behauptet, so kann nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die Behörde erster Instanz von nicht bloß einem minderen Grad des Versehens beim Sachbearbeiter der Beschwerdeführerin ausging. Dasselbe gilt auch für den von der Beschwerdeführerin in der Folge als Vertreter betrauten Architekten (vgl. dazu, dass ein Verschulden des Machthabers einem Verschulden des Vertretenen hier gleichzusetzen ist; letzterer muss sich ein Verschulden des Machthabers zurechnen lassen, etwa die hg. Erkenntnisse vom 7. Oktober 1993, Zl. 93/01/0673, und vom 23. März 1999, Zl. 99/02/0023). Auch die Auffassung der belangten Behörde, dass der Wiedereinsetzungsantrag verspätet war, weil der Vertreter der Beschwerdeführerin offensichtlich schon am 13. März 2003 einen früheren Fristablauf, als vom Sachbearbeiter angenommen, erkannt hatte, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden, weil sich die Beschwerdeführerin auch die Kenntnis ihres Vertreters, des Architekten, hinsichtlich des Beginns der Wiedereinsetzungsfrist zurechnen lassen muss.
Da die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid sohin nicht in Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 8. Mai 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2004060031.X00Im RIS seit
19.06.2008Zuletzt aktualisiert am
31.07.2009