TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/8 2007/06/0207

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Veröffentlicht am 08.05.2008
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/03 Personenstandsrecht;

Norm

ABGB §178a;
NÄG 1988 §3 Abs1 Z6 idF 1995/025;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des RH in V, vertreten durch Dr. Susi Pariasek, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Gonzagagasse 15, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. April 2007, Zl. Gem(Pst)-700925/3-2007-Dor, betreffend Namensänderung (mitbeteiligte Partei: mj. AE, vertreten durch seine Mutter DUE in R, diese vertreten durch Mag. Helmut Kunz, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Dinghoferstraße 5), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Ehe der Eltern des minderjährigen Mitbeteiligten (geboren am 5. Oktober 2000) wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes F geschieden (rechtskräftig seit 22. Dezember 2003). Mit einem weiteren Beschluss des Bezirksgerichtes F wurde die alleinige Obsorge für den minderjährigen Mitbeteiligten im Frühjahr 2003 auf die Kindesmutter übertragen.

Der Mitbeteiligte, vertreten durch seine Mutter, beantragte mit Schriftsatz vom 31. März 2006 (am selben Tag persönlich bei der Bezirkshauptmannschaft U abgegeben) die Änderung seines Namens von H in E. Die Mutter sei am 19. August 2005 ihre Ehe mit TE eingegangen. Alle aus dieser Ehe stammenden Kinder würden den Familiennamen E erhalten. Da ihr Sohn den Familiennamen aus erster Ehe trage, möchte sie, dass er denselben Familiennamen erhalte.

Der Beschwerdeführer als leiblicher und ehelicher Vater des Mitbeteiligten nahm zu diesem Antrag in der Weise Stellung, dass er bereits im Jahr 2003, als seine Exfrau mit einem Afrikaner verheiratet gewesen sei, keine Zustimmung für die Namensänderung für den Mitbeteiligten gegeben habe. Da seine Exfrau in der Zwischenzeit wieder geschieden sei, mittlerweile wieder geheiratet habe, aber ihren Mädchennamen bei der Verehelichung behalten habe, stimme er der Namenänderung für seinen Sohn A nicht zu.

Die Bezirkshauptmannschaft U gab dem Antrag des Mitbeteiligten, vertreten durch seine Mutter, vom 31. März 2006 mit Bescheid vom 8. Juni 2006 statt.

Sie begründete dies damit, dass oberstes Gebot für die Behörde die geordnete und gedeihliche Entwicklung des Kindes zu sein habe, und dass sich diese Entwicklung in stabilen Verhältnissen zu vollziehen habe. Die Verhältnisse, in denen der minderjährige Mitbeteiligte derzeit aufwachse, schienen eine entsprechende Gewähr für eine gedeihliche Entwicklung zu bieten. Durch die Bewilligung der Namensänderung würden die Rechte des Beschwerdeführers keineswegs beeinträchtigt. Grundsätzlich werde dazu festgestellt, dass durch die in Rede stehende Änderung weder Rechte (z.B. Besuchsrecht) noch Pflichten (z.B. Unterhaltsleistungen) des Vaters berührt würden. Die Behörde gelange somit zur Auffassung, dass die Namensänderung im überwiegenden Interesse und auch zum Wohle der psychischen Entwicklung des Kindes gelegen sei.

Der Beschwerdeführer erhob dagegen Berufung. Darin führte er insbesondere aus, dass er auf dem Geburtsnamen seines Sohnes bestehe. Für die psychische Entwicklung des Kindes sei die Lebensführung seiner Exfrau verantwortlich. Sie sei während des kurzen Zeitraumes zum dritten Mal verheiratet und der jetzige Ehemann mit dem Namen E sei also der "dritte Vater" seines Sohnes. Auch während der zweiten Ehe habe die Mutter des Mitbeteiligten einen Antrag auf Änderung des Familiennamens gestellt. Er habe die Änderung nicht erlaubt, die Ehe habe nur ein Jahr gedauert. Jetzt sei sie erst ein halbes Jahr verheiratet.

Am 13. Juli 2006 gab die Mutter vor der belangten Behörde an, dass sie am 15. Jänner 2004 zum zweiten Mal geheiratet habe, diese Ehe sei am 21. Juni 2005 rechtskräftig geschieden worden. Während dieser Zeit habe sie keinen Antrag auf Namensänderung ihres Sohnes gestellt. Am 19. August 2005 habe sie TE geheiratet und habe ihren Mädchennamen behalten. Im Hinblick auf die Änderung des Familiennamens ihres Sohnes habe sie am 31. Mai 2006 den Familiennamen U-E angenommen.

In dem im Berufungsverfahren erstatteten Gutachten der klinischen Psychologin Mag. E.L. der Abteilung Jugendwohlfahrt der Oö Landesregierung ist u.a. ausgeführt:

"BEFUND

I Angewandte Methoden

Explorationsgespräch mit der Kindesmutter (Km), Frau am D...

E... 10.10.2006.

     Gespräch mit dem mj A... am 10.10.2006 sowie Anwendung des

projektiven Zeichenverfahrens 'Die Sonnenfamilie' - ein

Familienbeziehungstest im Spiegel von Kinderzeichnungen nach

Andreas Iten;

     Einzelgespräch mit dem Stiefvater (Stv) ... T... E... am

14.11.2006 und kurzes Gespräch mit der Km.

II Befunderhebung:

Gespräch mit der Km:

     Die Km begründet den Antrag auf Namensänderung für ihren Sohn

A... H... auf A... E... wie folgt: A... wolle so heißen wie die

anderen Familienmitglieder, um nicht ausgegrenzt und um Teil der Familie zu sein.

Die Namensänderung sei auch ihr eigener Wunsch, weil sie die Problematik aus eigener Kindheit - mit ihrer Halbschwester - kenne. 'Der Name 'H...' löst bei mir Grauen aus, daran möchte ich nicht monatlich (durch die Besuchskontakte) erinnert werden. Ich will die Dämonen aus der Vergangenheit loswerden.'

     Ihr Ex-Ehemann, Herr R... H... (Kv), (der biologische Vater

von A...), sei lediglich wegen seines gekränkten Egos gegen die

Namensänderung.

Vorgeschichte:

Ihre erste wesentliche Beziehung und Ehe habe sie mit Herrn

H... gelebt. 'A... ist ein Wunschkind gewesen, denn ich brauche

Halt.'

     Herr H. sei sehr jähzornig: 'Er hat mich in die Enge

getrieben und mich vor anderen Leuten erniedrigt. A... hat sich

schon beim bloßen Hören seiner Stimme vor ihm gefürchtet. Auch hat

er nach seinem Aufenthalt im Wagner-Jauregg Krankenhaus entgegen

meinem Ersuchen die Medikamente nicht nehmen wollen.'

     Im Jahr 2003 habe er dann die Scheidung eingereicht und eine

Morddrohung gegen sie ausgesprochen, die sie bei der Polizei in F

angezeigt habe. Sie habe dann die alleinige Obsorge beantragt,

weil Herr H... psychisch krank und nicht belastbar sei und er

Gefahren für das Kind nicht einschätzen könne. So sorge sie sich

anhaltend um die Sicherheit ihres Sohnes, wenn Herr H.

beispielsweise dem A... das Autofahren zeige: beide säßen hinter

dem Lenkrad und zudem habe Herr H... ja nur ein Auge. Ein andermal

habe der Kv den damals Dreijährigen einfach alleine im Innenhof des Wohnhauses sitzen lassen.

Im Zuge der Scheidung 2003 sei auch das Besuchsrecht, 14- tägig von Sonntag 9.00 bis 16.00 Uhr, mitverhandelt worden. Es habe dbzgl. immer wieder Gerichtsverhandlungen gegeben, weil der Kv eine Erweiterung des Besuchrechts und die Übernachtung des Sohnes bei ihm in Tschechien beantragt hatte, was sie aus Sorge nicht zulassen wollte. Zudem sei der Kv zeitlich unzuverlässig gewesen und er habe A... auch schon mal früher als vereinbart zurückgebracht. Bei den Übergaben sei es jedes Mal zu Beschimpfungen gegen sie durch den Kv gekommen.

Von November 2003 bis November 2004 habe sie im Burgenland gewohnt, wo ihre gesamte Familie lebe. Infolge einer neuerlichen gerichtlichen Besuchsvereinbarung, von Freitag auf Samstag (aber ohne Übernachtung) sei der Kv dann von Tschechien ins Burgenland gefahren, um seinen Sohn zu besuchen. Dies habe allerdings nur einmal funktioniert.

     Ihre zweite Ehe, die nur ein halbes Jahr gedauert habe, sei

eine Flucht nach vorne gewesen. Sie habe gehofft, Herr H... würde

sich dadurch ihr gegenüber zurückhalten. Noch bis vor einem halben

Jahr habe er Besitzansprüche an sie gestellt.

     Im November 2005 sei sie dann nach Oberösterreich gezogen,

ihre Tochter Am... sei aber noch in Wiener Neustadt geboren.

     Im Sommer 2006 sei am Bezirksgericht in B, unter Beiziehung

eines Anwaltes, das Besuchsrecht wie folgt festgelegt worden:

Jedes erste Wochenende im Monat von 9.00 - 17.00 Uhr.

     Nach den Besuchswochenenden sei A... schon anders, denn der

Kv lerne ihm zu schimpfen und grob zu sein.

     Die Übergabesituation beim Holen und Bringen des Sohnes sei

jetzt etwas besser als früher.

     Alle Beteiligten hielten sich zurück um keine Eskalationen zu

provozieren.

Gegenwärtige Situation:

Frau E... erläutert, sie, ihr Mann, ihr Sohn und ihre Tochter

bewohnten derzeit ein kleines Haus in R..., Wohnfläche ca. 60 m2.

Für die zwei Kinder stehe ein Kinderzimmer zur Verfügung. Ihr Mann sei Betriebselektriker im Schichtbetrieb in der Voest, sie sei in Karenz.

Die Beziehung zwischen Stv und Mj. beschreibt die Km wie folgt:

A... wolle so wie der T... 'ein Elektrischer' (ein Elektriker) und

ein Feuerwehrmann werden. Er habe vor ihm Respekt und reagiere auf

seine Ermahnungen, wenn er z.B. Schimpfwörter, die er im

Kindergarten höre, ausprobiere. Sie begrüße die Mithilfe ihres

Mannes bei der Erziehung, und sie versuche die Beziehung zwischen

beiden zu fördern: So seien ihr Mann und A... schon mal gemeinsam

Schi gefahren. Bei Konflikten zwischen beiden halte sie sich raus.

     Am... sei der Grund, der das ganze zusammenschweiße und da

hole sich auch A... etwas vom Zugehörigkeitsgefühl.

Untersuchung des Mj.:

Verhaltensbeobachtung: Während des Gespräches mit der Km spielt der Mj. ruhig im Vorraum. Blickkontakt beantwortet er mit einem maskenhaften Lächeln, Aufforderungen kommt er wortlos nach. Im Gespräch findet er nur mühsam Sätze. Insgesamt wirkt der Mj. gehemmt und angepasst: Er zeigt keine spontanen Sprachäußerungen oder spontane Körperbewegungen. Möglicherweise liegt eine emotionale Retardierung vor.

Sonnenfamilie:

Der Mj. wird aufgefordert, seine Familie in Form von Sonnen zu zeichnen. Interpretation der Zeichnung: Der Mj. verbindet mit dem Begriff 'meine Familie' die mütterliche Verwandtschaft (mGm, mGv, Tante K..., Km), bei der er im Burgenland lebte. Die Gegenwartsfamilie wird nicht dargestellt (Sonnensymbole für ihn, für die Schwester und für den Stv fehlen).

Zudem zeigt sich, dass der Mj. weder seinen biologischen Kv (R...-Papa) noch einen der nachfolgenden Männer (W...-Papa, T...- Papa) als zu seiner Familie zugehörig abbildet.

In Hinblick auf a) 2 übergroß dargestellte Schulfreunde, die der Mj. zur Familie zählt, und im Hinblick auf b) die Anordnung der Sonnen, und auf c) das verschmierte Sonnengesicht der Km, gibt die Zeichnung Anlass zur Sorge hinsichtlich der bislang gebildeten inneren Repräsentation von Bindung.

Gespräch mit dem Mj.:

Um der Wortkargheit des Mj. zu begegnen wird dieser aufgefordert, den R...-Papa, also jenen der in Tschechien wohnt, zu zeichnen. Im Zuge des Zeichenvorganges entwickelt sich vorsichtig angeleitet und schleppend ein Dialog: Papa (der R...-Papa) hole ihn am Besuchstag ab. Der könne gut mit Keramik arbeiten und er habe auch einen Keramikofen gebaut. Er helfe ihm gerne bei Keramikarbeiten und fahre gerne mit. Der W...-Papa? aus W habe in K? gewohnt. Er sei dort zu einer Familie hingezogen und das sei schade. T...- Papa: 'Der kann aus Holz eine Küche bauen, die kaputt geworden ist. Der ist auch Elektriker und kann auch gut kochen. Ich habe eine Kochmütze und wir haben Spaghetti, Gulasch und Zwetschkenknödel gekocht.'

...

III Untersuchungsergebnis:

1) Der Mj. verbindet mit dem Begriff 'meine Familie' derzeit noch die mütterliche Verwandtschaft. Seine aktuelle familiäre Situation hat der Mj. noch nicht verinnerlicht, das heißt, dass der Mj. derzeit Beziehung im neuen Familiengefüge aufbaut, diese aber noch nicht - zeitbedingt - zu tragfähigen Bindungen werden konnten.

Dies spricht keineswegs gegen den neuen Familienverband, sondern bestätigt Erfahrungen aus dem Pflegekinderwesen: Kinder im Alter von fünf Jahren, und in Abhängigkeit von der individuellen Vorgeschichte, brauchen unter günstigen Umständen und sofern sie noch bindungsbereit sind, ein bis zwei Jahre ehe sie sich auf die neue familiäre Situation einlassen um neue Bindungen aufzubauen.

Die Anleihe aus dem Pflegekinderwesen ist angesichts der wechselvollen Vorgeschichte des Mj. zulässig: Der Mj. war (und ist) in bindungssensiblen Lebensjahren immer wieder gefordert, sich neuen Familienkonstellationen (1. Ehe, 2. Ehe, Familie der Km im Burgenland, 3. Ehe) anzupassen.

2) Die Ergebnisse der Zeichnung und die konkrete Lebenserfahrung des Mj., der innerhalb seiner ersten fünf Lebensjahre drei verschiedene 'Väter' kennen gelernt hat, sprechen dafür, dass der Mj. bislang keine tragfähige Bindung zu einem der 'Papas' aufbauen konnte.

3) Möglicherweise liegt eine emotionale Retardierung des Mj. vor.

 

IV Empfehlung:

Von der Änderung des Familiennamens des Mj. von H... auf E... rate ich derzeit ab.

Begründung:

Bevor eine Namensänderung überlegt wird, muss sichergestellt sein, dass der Mj. bezüglich seiner biologischen Herkunft aufgeklärt ist und die Bedeutung der Männer in ihren unterschiedlichen Funktionen (biolog. Kv, Lebensgefährte/Ehemann der Km, Stiefvater) nicht nur kognitiv sondern auch emotional verstanden hat.

Dieses emotionale Verstehen erfordert Beständigkeit und Zeit, um zwischen Beziehungen und tragfähigen Bindungen unterscheiden zu lernen.

Es wird daher empfohlen, den begonnenen Prozess des Beziehungsaufbaues zwischen Mj und Kv - und damit auch seine Identitätsentwicklung - mittels Besuchskontakten zu fördern. Die hohe Bedeutung biologischer Elternschaft für ein Kind ist in der psychologischen Fachliteratur unumstritten.

Parallel dazu braucht der Mj. Zeit, um Beziehungsangebote im neuen Familienverband durch konkrete alltägliche Erfahrungen prüfen und festigen zu können.

Aber auch dann, wenn die äußere Ordnung (faktische Vergangenheit und Gegenwart) unter günstigen Umständen im Kind vollzogen sein wird (innere Ordnung, emotionales Verstehen, Aufbau von Bindungen und innere Repräsentanz von Bindungspersonen), rate ich im gegenständlichen Fall derzeit von einer Namensänderung ab,

weil die Antragsteller Herr und Frau E... Herrn H... massiv

negativ erleben und weil Herr H... gegen die Namensänderung ist.

Jeder Versuch der Ausgrenzung des Kv (durch Namensänderung oder Adoption) - unabhängig davon wie berechtigt dies den Geschädigten, ihrem subjektiv Erlittenem folgend, erscheint - ist zum Nachteil für den Mj., auch dann, wenn er zu seiner eigenen Entlastung (um dem Loyalitätskonflikt auszuweichen) vordergründig der Namensänderung zustimmt. Der Nachteil liegt in der Verleugnung seiner biologischen Herkunft und damit in der Verleugnung eines Teiles seiner Identität.

..."

Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie führte insbesondere aus, dass im vorliegenden Fall angesichts des dargelegten Sachverhaltes die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 9 NamensänderungsG erfüllt wären. Eine beantragte Änderung des Familiennamens dürfte gemäß § 3 Abs. 1 Namensänderungsgesetz (NÄG) u. a. dann nicht bewilligt werden, wenn die Änderung des Familiennamens dem Wohl einer hievon betroffenen, nicht eigenberechtigten Person abträglich sei. Es sei somit die Frage nach dem Wohl des Kindes selbst zu prüfen, wobei es der Behörde frei stehe, im Einzelfall von sachkundigen Stellen oder Sachverständigen Stellungnahmen und Gutachten einzuholen.

Eine solche Stellungnahme sei von der Berufungsbehörde beim zuständigen Jugendwohlfahrtsträger eingeholt worden. Nach Ansicht der beigezogenen Sachverständigen Mag. E.L. (klinische Psychologin) sei von der Änderung des Familiennamens derzeit abzuraten. Bevor eine Namensänderung überlegt werde, müsse sichergestellt sein, dass der Minderjährige bezüglich seiner biologischen Herkunft aufgeklärt sei und die Bedeutung der Männer in ihren unterschiedlichen Funktionen (biologischer Kindesvater, Lebensgefährte bzw. Ehemann der Kindesmutter, Stiefvater) nicht nur kognitiv, sondern auch emotional verstanden habe. Dieses emotionale Verstehen erfordere Beständigkeit und Zeit, um zwischen Beziehungen und tragfähigen Bindungen unterscheiden zu lernen. Es werde daher empfohlen, den begonnenen Prozess des Beziehungsaufbaues zwischen dem Minderjährigen und dem Kindesvater (und damit auch seine Identitätsentwicklung) mittels Besuchskontakten zu fördern. Die hohe Bedeutung biologischer Elternschaft für ein Kind sei in der psychologischen Fachliteratur unumstritten. Parallel dazu brauche der Minderjährige Zeit, um Beziehungsangebote im neuen Familienverband durch konkrete alltägliche Erfahrungen prüfen und festigen zu können. Aber auch dann, wenn die äußere Ordnung (faktische Vergangenheit und Gegenwart) unter günstigen Umständen im Kind vollzogen sein würden (innere Ordnung, emotionales Verstehen, Aufbau von Bindungen und innere Repräsentanz von Bindungspersonen), werde im vorliegenden Fall derzeit von einer Namensänderung abgeraten, weil die Antragsteller den Beschwerdeführer massiv negativ erleben würden und der Beschwerdeführer gegen die Namensänderung sei. Jeder Versuch der Ausgrenzung des leiblichen Vaters sei zum Nachteil für den Minderjährigen, auch dann, wenn dieser zu seiner eigenen Entlastung, vordergründig einer Namensänderung zustimme. Der Nachteil liege in der Verleugnung seiner biologischen Herkunft und damit in der Verleugnung eines Teiles seiner Identität.

Im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Namensänderung dem Wohl des Kindes in einem besseren Ausmaß gedient, wenn es den Familiennamen jener Person erhalten solle, der die Obsorge für ihn zukomme, als die Beibehaltung eines (anderen) Familiennamens. Der Beschwerdeführer sei gegen die Namensänderung, mache aber keine Umstände geltend, die einen Versagungsgrund im Sinne des § 3 NÄG beinhalteten. Eine allfällige Verhinderung oder Förderung von Kontakten zwischen ihm und dem Minderjährigen sei Angelegenheit der Pflegschaftsbehörde und könne nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens abgehandelt werden. Auch würde dies nichts an der Tatsache ändern, dass die alleinige Obsorge bei der Kindesmutter liege. Letztere sei alleine im Namensänderungsverfahren von Bedeutung. Auch die Anzahl der von der Kindesmutter geschlossenen Ehen bzw. deren Dauer könne auf eine allfällige Namensänderung keinen Einfluss haben. Der Bestand einer Ehe finde im Namensänderungsrecht keine Berücksichtigung. Der Behauptung des Beschwerdeführers, es sei auch während der zweiten Ehe der Kindesmutter ein Antrag auf Namensänderung gestellt worden, sei von der Kindesmutter widersprochen worden. Entsprechende Nachweise seien von keiner der beiden Seiten vorgelegt worden.

Die Argumentation des zuständigen Jugendwohlfahrtsträgers, die sich im Wesentlichen in allgemeinen Ausführungen erschöpfe, werde zur Kenntnis genommen, jedoch müsse ihr - ebenso wie den Ausführungen des Beschwerdeführers - entgegengehalten werden, dass im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Name des Kindes weder der Ausübung des Besuchsrechtes noch familiären oder freundschaftlichen Kontakten entgegenstehe. Es wäre gerade Sache des leiblichen Vaters, seinem Kind nahe zu bringen, dass er nicht etwa auf Grund der Namensänderung von ihm weniger erwünscht wäre (Hinweis u.a. auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. März 2005, Zl. 2005/06/0025). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente gegen die bewilligte Namensänderung würden lediglich den subjektiven Standpunkt widerspiegeln. Der Beschwerdeführer meine, dass durch die Unterlassung der Namensänderung dem Wohl des Kindes mehr gedient wäre als durch die bescheidmäßig bewilligte Herbeiführung der Namensgleichheit mit der leiblichen Mutter. Dieser Vergleich könne nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausfallen, da auf Grund der Ermittlungsergebnisse eindeutig feststehe, dass sämtliche gesetzliche Voraussetzungen für die bewilligte Namensänderung vorlägen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie der Mitbeteiligte, vertreten durch seine Mutter - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Namensänderungsgesetzes (NÄG), BGBl. Nr. 195/1988, in der mit 1. Mai 1995 in Kraft getretenen Fassung des Namensrechtsänderungsgesetzes (NamRÄG), BGBl. Nr. 25/1995, lauten:

"§ 1. (1) Eine Änderung des Familiennamens oder Vornamens ist auf Antrag zu bewilligen, wenn ein Grund im Sinn des § 2 vorliegt, § 3 der Bewilligung nicht entgegensteht und die Namensänderung betrifft

1. einen österreichischen Staatsbürger;

...

(2) Insoweit der Antragsteller in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, hat der gesetzliche Vertreter den Antrag einzubringen. Die Einbringung bedarf der persönlichen Zustimmung des Antragstellers, wenn dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat.

§ 2. (1) Ein Grund für die Änderung des Familiennamens liegt vor, wenn

...

8. der Antragsteller den Familiennamen seiner Eltern oder eines Elternteils erhalten will oder der Antragsteller den Familiennamen einer Person erhalten will, von der er seinen Familiennamen abgeleitet hat und deren Familienname geändert worden ist oder dessen Änderung beantragt ist;

9. der minderjährige Antragsteller den Familiennamen der Person erhalten soll, der die Obsorge für ihn zukommt oder in deren Pflege er sich befindet und das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist;

...

§ 3. (1) Die Änderung des Familiennamens oder Vornamens darf nicht bewilligt werden, wenn

...

6. die beantragte Änderung des Familiennamens oder Vornamens dem Wohl einer hievon betroffenen, nicht eigenberechtigten Person abträglich ist;"

§ 178a ABGB lautet:

"Berücksichtigung des Kindeswohls

§ 178a. Bei Beurteilung des Kindeswohls sind die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten, sowie die Lebensverhältnisse der Eltern entsprechend zu berücksichtigen."

Der Beschwerdeführer macht als Grund, dass die vorliegende Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 6 NÄG dem Wohl des mitbeteiligten Minderjährigen abträglich sei, geltend, dass die herangezogene Sachverständige Mag. E.L. von einer Änderung des Familiennamens abgeraten habe. Es sei dabei auf die hohe Bedeutung der biologischen Elternschaft für ein Kind nach der psychologischen Fachliteratur hingewiesen worden. Dazu gehöre auch der Familienname. Gegen die Namensänderung spreche nach Ansicht der Sachverständigen auch, dass die "Antragsteller" den Beschwerdeführer massiv negativ erleben würden und der Beschwerdeführer gegen die Namensänderung sei. Jeder Versuch der Ausgrenzung sei zum Nachteil des minderjährigen Mitbeteiligten. Der Nachteil liege in der Verleugnung seiner biologischen Herkunft und damit in der Verleugnung eines Teiles seiner Identität.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu:

Im Beschwerdefall ist unzweifelhaft, dass (jedenfalls) die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z. 9 NÄG erfüllt sind und dass somit ein Grund für die Änderung des Familiennamens des Mitbeteiligten vorliegt. Strittig ist hingegen, ob der Versagungsgrund nach § 3 Abs. 1 Z. 6 leg. cit. zum Tragen kommt, der voraussetzte, dass die beabsichtigte Namensänderung dem Wohl des Mitbeteiligten abträglich wäre.

Schon zur Rechtslage vor Inkrafttreten des NÄG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Herstellung der Gleichheit des Familiennamens mit dem Namen der Familie, in der ein Kind aktuell aufwächst, grundsätzlich in höherem Maß dem Wohl dieses Kindes entspricht als die Beibehaltung des bisherigen Namens (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. November 1990, Zl. 90/01/0121). Das NÄG hat die Möglichkeit der Angleichung des Familiennamens eines Minderjährigen an den des Obsorgeberechtigten erleichtert, wodurch die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes zusätzlich Bestätigung erfahren hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 98/01/0212). In der Folge hat sich auch der Oberste Gerichtshof vor dem Hintergrund der seit 1. Mai 1995 geltenden Fassung des NÄG der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes angeschlossen (vgl. dessen Beschluss vom 28. Jänner 1999, 6 Ob 246/98i = RZ 1999/44, in dem auch die Unterschiede zur alten Rechtslage dargestellt werden) und zusammenfassend wie dieser ausgesprochen, dass im Allgemeinen dem Wohl des Kindes die Herstellung der Gleichheit des Familiennamens mit der Familie, in der es aufwächst, in höherem Maße entspricht als die Beibehaltung seines bisherigen (anders lautenden) Familiennamens (vgl. weiters etwa das hg. Erkenntnis vom 30. März 2005, Zl. 2005/06/0025, und die dort dazu angeführte Vorjudikatur); nur in Ausnahmefällen könne eine davon abweichende Betrachtungsweise geboten sein. Wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, der Angleichung des Familiennamens eines Kindes mit dem seines aktuellen Umfeldes den Vorzug zu geben, so hat er damit zum Ausdruck gebracht, allenfalls erwachsende psychische Belastungen eines Kindes jedenfalls im Regelfall als nicht derart nachteilig für das Kindeswohl zu qualifizieren, dass von einem Überwiegen dieser Nachteile gegenüber den typischerweise mit der Namensänderung verbundenen Vorteilen gesprochen werden könnte.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde liegen im vorliegenden Fall allerdings Umstände vor, die eine abweichende Betrachtungsweise gebieten. Diese besondere Situation ergibt sich im vorliegenden Fall für den Mitbeteiligten dadurch, dass seine Mutter in relativ kurzer Zeit nunmehr zum dritten Mal verheiratet ist und er mit "drei verschiedenen Vätern" konfrontiert ist bzw. war. Aus den Feststellungen der klinischen Psychologin ergibt sich die ambivalente Beliebigkeit des Mitbeteiligten zu den verschiedenen "Vätern", die für ihn zwar vorhanden sind, aber nicht innerlich präsent (wie sich dies aus dem Sonnentest ergeben hat). In der von der Sachverständigen festgestellten innerlich ungefestigten Situation des Mitbeteiligten den "Vätern" gegenüber, nicht einmal der "gegenwärtige" sei emotionell präsent, sei die vorliegende Namensänderung nach Ansicht der Sachverständigen eine zusätzliche Erschwernis für die anzustrebende (wichtige) Stabilisierung der Bindung des Mitbeteiligten zum leiblichen Vater. So wies die Sachverständige auch insbesondere darauf hin, dass vor einer Namensänderung sicher gestellt sein müsse, dass der Mitbeteiligte bezüglich seiner biologischen Herkunft aufgeklärt sei und die Bedeutung der Männer in ihren unterschiedlichen Funktionen (biologischer Kindvater, Lebensgefährte/Ehemann der Kindesmutter, Stiefvater) nicht nur kognitiv, sondern auch emotional verstanden habe. Dieses emotionale Verstehen erfordere Beständigkeit und Zeit, um zwischen Beziehungen und tragfähigen Bindungen unterscheiden zu lernen. Auf Grund dieser als schlüssig zu erkennenden Annahmen der beigezogenen Sachverständigen ergibt sich aber nicht, dass die vorliegende Änderung des Familiennamens des Mitbeteiligten im vorliegenden Entscheidungszeitpunkt für den davon betroffenen Mitbeteiligten als abträglich im Sinn des § 3 Abs. 1 Z. 6 anzusehen war. Die belangte Behörde hätte vielmehr eingehender begründen müssen, warum sie entgegen den Ausführungen der Sachverständigen angenommen hat, dass die Namensänderung dem Wohl des Kindes nicht abträglich sei.

Sie belastete ihren Bescheid daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Auf das übrige Vorbringen war daher nicht mehr einzugehen.

Von der beantragten Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren in Bezug auf Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf den in der angeführten Verordnung vorgesehenen Pauschalsatz für Schriftsatzaufwand abzuweisen.

Wien, am 8. Mai 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007060207.X00

Im RIS seit

24.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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