TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/8 2008/06/0035

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Veröffentlicht am 08.05.2008
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Index

25/02 Strafvollzug;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
StVG §99a Abs1 Satz1;
StVG §99a Abs1 Satz2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des TR in H, vertreten durch Dr. Rudolf Fries, Rechtsanwalt in 2500 Baden, dieser vertreten durch Mag. Gerald Hegenbart, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser Franz Ring 13, gegen die Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Wien vom 22. Oktober 2007, 2 Vk 147/07, betreffend eine Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Auf Grund des Vorbringens in der Beschwerde, des vorgelegten, angeschlossenen Bescheides und der Vorakten (betreffend die Gewährung der Verfahrenshilfe zur Einbringung dieser Beschwerde) geht der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer verbüßt eine Freiheitsstrafe und ist gegenwärtig in der Justizanstalt (JA) H untergebracht, im beschwerdegegenständlichen Zeitraum befand er sich in der JA S.

Am 3. September 2007 beantragte der Beschwerdeführer schriftlich die Bewilligung eines Ausganges gemäß § 99a und § 126 Abs. 2 Z 4 StVG vom 15. September 2007, 10.00 Uhr bis zum 17. September 2007, 10.00 Uhr und führte dazu in einem anstaltsinternen Fragebogen aus (sinngemäße Wiedergabe), der Ausgang solle der Aufrechterhaltung familiärer und persönlicher Bindungen dienen. Die Frage, bei welchen "Firmen, Behörden, Privatpersonen etc." vorgesprochen werden solle, wurde damit beantwortet, dass die Namen dreier Personen angegeben wurden. Er werde im Falle der Bewilligung bei einer näher angeführten Person wohnen. Weiters führte er aus, dieser Ausgang werde für die Dauer von 48 Stunden benötigt, zur Aufrechterhaltung persönlicher, familiärer Bindungen und für rechtliche Angelegenheiten. Die im kommentierten Strafvollzugsgesetz von Drexler verankerte "Ansicht" (im Original unter Anführungszeichen), dass erst eine Reisedauer von mindestens drei Stunden pro Reiserichtung relevant im Sinne des § 99a Abs. 1 letzter Satz StVG sei, sei einerseits eine bloße lapidare Meinung des Verfassers, und andererseits nicht durch das Gesetz und die herrschende Judikatur zum Strafvollzugsrecht gedeckt. Auch bleibe zu berücksichtigen, dass, wenn es im StVG heiße, dass eine bestimmte bewilligungspflichtige Tätigkeit unter bestimmten Voraussetzungen bewilligt werden könne, der Anstaltsleiter zunächst zu prüfen habe, ob die ausdrücklich genannten Voraussetzungen gegeben seien, und sodann im Rahmen der eigentlichen Ermessensausübung, ob andere nach dem betroffenen Gesetz rechtserhebliche Gesichtspunkte der Erteilung der Bewilligung - hier betreffend einen Ausgang - entgegenstünden. Sei dies nicht der Fall, sei eine solche Bewilligung zu erteilen.

Der Anstaltsleiter gab dem Ansuchen insoweit statt, als ein Ausgang von 12 Stunden bewilligt wurde, nämlich vom 17. September 2007, 06.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 9. September 2007 verkündet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an die belangte Behörde, in welcher er insbesondere ausführte, er sei bei seinen Ausgängen in Wien nicht nur aufhältig, sondern auch wohnhaft, der Anreiseweg betrage mehr als zwei Stunden. Die Meinung, dass von berücksichtigungswürdigen Reisebewegungen erst bei einer Reisedauer von mindestens drei Stunden pro Reiserichtung gesprochen werden könne, sei unrichtig. Um den Gesetzeszweck zu erfüllen, hätte dem Ansuchen zur Gänze bzw. zumindest im Ausmaß von 36 Stunden stattgegeben werden müssen, zumal auch die gesetzlichen Merkmale der §§ 99a, 126 StVG vorlägen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Beschwerde nicht Folge gegeben. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Dauer eines Ausganges gemäß § 99a StVG und dementsprechend gemäß § 126 Abs. 2 Z 4 StVG betrage grundsätzlich maximal bis zu 12 Stunden. Eine Ausweitung des Ausganges über diesen Zeitraum hinaus sei gesetzlich nur gerechtfertigt, wenn die Reisebewegung, die in die Dauer des Ausganges einzurechnen sei, dies erforderlich mache. Von berücksichtigungswürdigen Reisebewegungen könne erst bei einer Reisedauer von mindestens drei Stunden pro Reiserichtung gesprochen werden (Hinweis auf Drexler, Kommentar zum Strafvollzugsgesetz, Rz 2 zu § 99a) und diese Voraussetzungen lägen evidentermaßen bei einer Fahrt von St. Pölten nach Wien nicht vor, betrage die fahrplanmäßige Fahrt mit der Eisenbahn doch lediglich 45 Minuten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2006 anzuwenden.

Die §§ 93, 99, 99a und 126 StVG lauten auszugsweise:

"Besuche

§ 93. (1) Strafgefangene dürfen Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann. Es darf ihnen nicht verwehrt werden, jede Woche wenigstens einen Besuch in der Dauer von mindestens einer halben Stunde zu empfangen; wenigstens einmal innerhalb von sechs Wochen ist die Besuchsdauer auf mindestens eine Stunde zu verlängern. Erhält ein Strafgefangener selten Besuch oder hat ein Besucher einen langen Anreiseweg, so ist die Besuchsdauer jedenfalls angemessen zu verlängern.

(2) Zur Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen ist den Strafgefangenen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen in hiefür angemessener Häufigkeit und Dauer, erforderlichenfalls auch außerhalb der Besuchszeiten, zu geben. Auf eine Überwachung solcher Besuche kann, soweit keine Bedenken bestehen, verzichtet werden.

(3) ..."

"Unterbrechung der Freiheitsstrafe

§ 99. (1) Ist ein Strafgefangener nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt worden ist, sowie nach seinem Lebenswandel vor der Anhaltung und seiner Aufführung während dieser weder für die Sicherheit des Staates, noch für die der Person oder des Eigentums besonders gefährlich, so ist ihm auf seinen Antrag eine Unterbrechung der Freiheitsstrafe in der Dauer von höchstens acht Tagen zu gewähren,

1. wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene die Unterbrechung benötigt, um im Inland

a) einen Angehörigen oder einen anderen ihm besonders nahe stehenden Menschen, der lebensgefährlich erkrankt oder verletzt ist, aufzusuchen,

b)

an dem Begräbnis einer dieser Personen teilzunehmen oder

c)

wichtige Familienangelegenheiten im Zusammenhang mit einem der in den lit. a und b angeführten Anlässe oder mit der Ehescheidung eines Angehörigen oder unaufschiebbare persönliche Angelegenheiten zu ordnen;

              2.              wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt und die Unterbrechung für den Wirtschaftsbetrieb, in dem der Strafgefangene tätig war, notwendig erscheint. Die Unterbrechung darf nur gewährt werden, wenn eine Unterkunft und der Unterhalt des Strafgefangenen für die Zeit der Unterbrechung gesichert sind. Von der Bewilligung einer Unterbrechung ist die Sicherheitsbehörde des für die Zeit der Unterbrechung in Aussicht genommenen Aufenthaltsortes des Strafgefangenen zu verständigen.

(2) Die Unterbrechung ist zu widerrufen, wenn der Verurteilte versucht, sich dem weiteren Strafvollzug zu entziehen, wenn begründete Besorgnis besteht, dass er dies versuchen werde, oder wenn der dringende Verdacht besteht, dass er aufs Neue eine gerichtlich strafbare Handlung begangen habe oder begehen werde.

(3) Der Verurteilte hat die Strafe spätestens mit Ablauf des Zeitraumes, für den die Unterbrechung bewilligt worden ist, wieder anzutreten. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Anstaltsleiter die Vorführung zu veranlassen.

(4) Die Zeit der Unterbrechung ist in die Strafzeit einzurechnen. Wird jedoch die Unterbrechung widerrufen oder tritt der Verurteilte die Strafe nicht rechtzeitig wieder an, so ist die außerhalb der Strafhaft verbrachte Zeit in die Strafzeit nicht einzurechnen.

(5) ..."

"Ausgang

§ 99a. (1) Einem im Sinne des § 99 Abs. 1 nicht besonders gefährlichen Strafgefangenen ist auf sein Ansuchen höchstens zweimal im Vierteljahr zu gestatten, die Anstalt in der Dauer von höchstens zwölf Stunden am Tag zu verlassen, wenn die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigt und der Strafgefangene den Ausgang zu einem der im § 93 Abs. 2 genannten Zwecke benötigt. Soweit es nach dem Zweck des Ausganges unter Bedachtnahme auf allfällige Reisebewegungen notwendig erscheint, darf die Dauer der Abwesenheit bis zu 48 Stunden betragen.

(2) § 99 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sowie Abs. 2 bis 4 gilt dem Sinne nach.

(3) Die Entscheidung über den Ausgang und über den Widerruf steht dem Anstaltsleiter zu.

(4) ..."

"Strafvollzug in gelockerter Form

§ 126. (1) Strafgefangene, an denen zeitliche Freiheitsstrafen vollzogen werden, sind im Strafvollzug in gelockerter Form anzuhalten, soweit Einrichtungen für einen solchen Vollzug bestehen, diese Einrichtungen dadurch am besten genützt werden und zu erwarten ist, dass die Strafgefangenen die Lockerungen nicht missbrauchen werden.

(2) Im Strafvollzug in gelockerter Form sind den Strafgefangenen eine oder mehrere der folgenden Lockerungen zu gewähren:

1. Anhaltung ohne Verschließung der Aufenthaltsräume oder auch der Tore am Tage;

2. Beschränkung oder Entfall der Bewachung bei der Arbeit, auch außerhalb der Anstalt;

3. Verlassen der Anstalt zum Zweck der Berufsausbildung und - fortbildung oder der Inanspruchnahme ambulanter Behandlungsmaßnahmen;

4. ein oder zwei Ausgänge im Sinne des § 99a im Monat auch zu anderen als den dort genannten Zwecken.

(3) ..."

Die Beschwerde ist nach den Umständen des Falles als zulässig anzusehen, weil Kern der Thematik nicht isoliert ein Ausgang im September 2007 ist, sondern vielmehr die Frage des Ausmaßes eines Ausganges unter Berücksichtigung von Reisebewegungen im Vordergrund steht und sich der Beschwerdeführer weiterhin im Strafvollzug befindet, diese Frage daher für ihn noch relevant sein kann.

Gemäß § 99a Abs. 1 erster Satz StVG beträgt die Dauer eines Ausganges (grundsätzlich) "höchstens zwölf Stunden". Da das Ziel des Ausganges naturgemäß außerhalb der Anstalt liegt und typischerweise auch Fahrbewegungen erforderlich sein können, um das Ziel zu erreichen, bedeutet dies, dass solche Fahr- /Reisebewegungen üblichen Ausmaßes in der als Grundsatz normierten Höchstdauer von 12 Stunden inkludiert sein sollen. Der letzte Satz des § 99a Abs. 1 leg. cit. normiert hievon Ausnahmen: die Dauer der Abwesenheit darf bis zu 48 Stunden betragen, soweit "es nach dem Zweck des Ausganges unter Bedachtnahme auf allfällige Reisebewegungen notwendig erscheint". Das bedeutet zunächst, dass die Dauer der Reisebewegungen nur ein Aspekt ist, nicht minder kommt es auf den konkreten Zweck des Ausganges an. Um dem Anstaltsleiter die Beurteilung zu ermöglichen, welche Dauer des Ausganges im Einzelfall "notwendig" im Sinne dieser Bestimmung ist, hat der Strafgefangene die erforderlichen Umstände bekannt zu geben, weil es sich um Umstände handelt, die in seiner Sphäre liegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 31. März 2004, Zl. 2002/06/0214). Das hat aber der Beschwerdeführer unterlassen. In seinem Ansuchen hat er nur bekannt gegeben, er benötige den Ausgang in der Höchstdauer von 48 Stunden zur Aufrechterhaltung persönlicher und familiärer Bindungen und für rechtliche Angelegenheiten und wolle drei Personen aufsuchen. Warum im Hinblick darauf die Höchstdauer von 48 Stunden für den Ausgang "notwendig" sein soll (und 12 Stunden nicht ausreichen sollten), ist daraus nicht ableitbar. Auch dann, wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers annehmen sollte, dass die Reisebewegungen von der JA S zu den Zielorten in W allenfalls länger sein sollten als jene, die von der Grundregel (12 Stunden) des § 99a Abs. 1 erster Satz StVG erfasst sind (was dahingestellt bleiben kann), ist daraus auch in keiner Weise ersichtlich, dass die angestrebten 48 oder bloß 36 Stunden für den angegebenen Zweck "notwendig" sein sollten.

Wie zuvor gesagt, hatte der Beschwerdeführer, der die Ausnahmebewilligung anstrebte, von sich aus die ihm wesentlich erscheinenden Momente aus seiner Sphäre, auf die er sich berief, auch offen zu legen. Hat er dies zu unterlassen, kann dies nicht mit Erfolg in der Beschwerde als Verfahrensmangel geltend gemacht werden (vgl. hiezu beispielsweise die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 555f wiedergegebene hg. Judikatur).

Da somit der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die "Notwendigkeit" der angestrebten längeren Dauer des Ausganges nicht aufgezeigt hat, wurde seine Beschwerde zu Recht abgewiesen.

Da sich bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde ergibt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 8. Mai 2008

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008060035.X00

Im RIS seit

18.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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