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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §273 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des G Z sen. in S, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 24. Mai 2005, Zl. UVS-17/10.147/6-2005, betreffend Verwaltungsübertretung in einer Bausache (weitere Partei:
Salzburger Landesregierung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2003/06/0177, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten, dass (u.a.) dem Beschwerdeführer mit näher genannten Bescheiden des Bürgermeisters der Marktgemeinde S die Baubewilligung für den Zu- und Aufbau beim bestehenden Wohn- und Geschäftshaus im Gebiet der Marktgemeinde S erteilt wurde. Die im Einreichplan enthaltene Errichtung eines südseitigen Balkons war von diesen Baubewilligungen umfasst. Die Bauführung im Hinblick auf den südseitigen Balkon entsprach jedoch nicht den erteilten Bewilligungen. Ein Ansuchen des Beschwerdeführers vom 6. Dezember 1997 um Erteilung der Baubewilligung für den Balkon in der vergrößerten Form wurde rechtskräftig abgewiesen. Nach Vornahme verschiedener Änderungen an diesem Balkon suchte der Beschwerdeführer am 5. Oktober 1999 erneut um Erteilung der Baubewilligung für die gegenüber dem ursprünglich bewilligten Ausmaß hinaus vergrößerte Ausführung des Balkons ein. Diese Baubewilligung wurde von den Baubehörden versagt, die Abweisung der Vorstellung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde war Gegenstand der zur hg. Zl. 2003/06/0177 protokollierten Beschwerde. Der Verwaltungsgerichtshof begründete die Abweisung der Beschwerde damit, dass nach dem dem Baugesuch vom 5. Oktober 1999 angeschlossenen Plan ein Teil des spitzwinkelig geplanten südseitigen Balkons über die öffentliche Verkehrsfläche, die unbestritten eine Gemeindestraße sei, rage. Dem vorgelegten Verwaltungsakt sei klar zu entnehmen, dass die gemäß § 8 Abs. 3 des Salzburger Bautechnikgesetzes, LGBl. Nr. 75/1976 in der Fassung LGBl. Nr. 48/1996 (BauTG) erforderliche Zustimmung der Gemeinde als Straßenverwalterin nicht erteilt worden sei. Demgemäß habe die beantragte Baubewilligung auch nur versagt werden können. Es könne im Beschwerdefall dahingestellt bleiben, ob die Bestätigung des Bürgermeisters vom 7. Oktober 1999 einen Bescheid darstelle oder nicht, ausschlaggebend sei allein der offensichtliche Inhalt dieser Erledigung. Nach dem Wortlaut werde ausschließlich bestätigt, dass mit dem Bau begonnen werden könne, es werde weder die Zustimmung des Straßenverwalters zur Überbauung des Straßengrundes noch eine Baubewilligung erteilt.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S vom 14. Oktober 2004 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 3 iVm § 16 Abs. 4 bzw. 7 Salzburger Baupolizeigesetz 1997 schuldig erkannt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt. Es wurde ihm zur Last gelegt, an einem näher genannten Ort in einem näher genannten Zeitraum bei der Ausführung der mit Bescheid vom 20. September 1995 bewilligten baulichen Maßnahme (Balkon) nicht nur geringfügig vom Baukonsens abgewichen zu sein (es folgt eine Konkretisierung der durchgeführten baulichen Maßnahmen).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Mai 2005 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge, setzte die verhängte Geldstrafe auf EUR 700,-- herab, berichtigte im Tatvorwurf den Zeitpunkt der Fertigstellung des in Rede stehenden Balkons und fasste die Beschreibung der durchgeführten baulichen Maßnahme neu.
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Gang der baurechtlichen Verfahren wieder und verwies auf das im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch anhängige Verfahren zur Zl. 2003/06/0177. Darüber hinaus führte sie aus, die Errichtung des Balkons in der vergrößerten Form werde vom Beschwerdeführer grundsätzlich nicht in Abrede gestellt. Die belangte Behörde habe ihrer Beurteilung hinsichtlich der tatsächlichen Größe des Balkons den vom Beschwerdevertreter vorgelegten Geometerplan und hinsichtlich der konsensgemäßen Größe des Balkons den der ursprünglichen Baubewilligung beigelegten Planunterlagen aus dem Bauakt der Marktgemeinde S zu Grunde gelegt. Aus dem Geometerplan ergebe sich, dass der gegenständliche südseitige Balkon in Abweichung von der ursprünglichen baubehördlichen Bewilligung in seinem breitestem Bereich ca. 1,30 m über die Grundgrenze in eine öffentliche Verkehrsfläche hineinrage.
Der Beschwerdeführer rechtfertige sich damit, dass er die Bestätigung des Bürgermeisters der Marktgemeinde S vom 5. Oktober 1999 über den Baubeginn der Balkonvergrößerung als Baubewilligung angesehen habe. Daraus sei jedoch für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen (wird näher ausgeführt). Nach der Aktenlage sei die Balkonvergrößerung zu einem Zeitpunkt begonnen worden, als noch nicht einmal über das erste Änderungsbewilligungsansuchen aus dem Jahre 1997 entschieden worden sei. In der heutigen Form sei die Balkonerweiterung nach Angabe des Beschwerdeführers im Jahre 2000 errichtet worden. Da die Erweiterung des Balkons über den Nachbargrund zudem in die öffentliche Verkehrsfläche hineinrage, handle es sich keinesfalls um eine bloß geringfügige Änderung. Sie sei nach der Aktenlage auch nicht nachträglich bewilligungsfähig. Die entsprechenden Ansuchen seien von der Baubehörde nach Durchlaufen des Instanzenzuges jeweils abgewiesen worden. Die vorliegende Übertretung werde daher als erwiesen angenommen, wobei festzuhalten sei, dass es sich dabei gemäß § 23 Abs. 3 Salzburger Baupolizeigesetz um ein so genanntes Dauerdelikt handle, bei dem der strafbare Tatbestand hinsichtlich des unzulässig Hergestellten erst mit der Rechtskraft der erforderlichen Bewilligung oder mit der Beseitigung der hergestellten baulichen Anlage ende. Da eine nachträgliche Bewilligung der Balkonerweiterung (Abweichung vom Baukonsens) nicht erteilt worden und eine Beseitigung bis dato ebenfalls nicht erfolgt sei, ende die Tatzeit im vorliegenden Fall mit der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses (Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 26. Februar 2007, B 998/06-13, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Bürgermeister habe ihm mit Bescheid vom 5. (offensichtlich richtig: 7.) Oktober 1999 die Errichtung des Balkons in einer "etwas vergrößerten bzw. modifizierten Form" schriftlich gestattet, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen im eingangs wiedergegebenen Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2003/06/0177, zu verweisen.
Der Beschwerdeführer bringt vor, für ihn sei mit näher bezeichnetem Beschluss des Bezirksgerichtes S vom 9. September 2005 ein vorläufiger Sachwalter bestellt worden. Der vorliegend angefochtene Bescheid sei zu einem Zeitpunkt ergangen, in dem er nicht mehr straffähig gewesen sei. Er sei bereits sehr mehreren Jahren bettlägerig und auf Grund zunehmender Demenz nicht mehr in der Lage seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Er sei also seit Jahren nicht mehr strafmündig.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ist zunächst ersichtlich, dass das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 13. Oktober 2004 dem Beschwerdeführer zu eigenen Handen am 18. Oktober 2004 zugestellt wurde. Dem Straferkenntnis ist allerdings zu entnehmen, dass die erstinstanzliche Behörde von einer Bevollmächtigung des Sohnes zur Vertretung des Beschwerdeführers in Verwaltungsverfahren ausging (siehe Seite 4 des erstinstanzlichen Bescheides: "Eine schriftliche Vollmacht ist nicht erforderlich, da ihr Sohn bereits in einem Verwaltungsvollstreckungsverfahren eine umfassende Vollmacht - lautend auf Vertretung in Verwaltungsverfahren - vorgelegt hat, der Behörde als ihr Sohn bekannt ist und kein Zweifel an seiner Vertretungsbefugnis besteht."). Eine allgemeine Vertretungsvollmacht schließt im Allgemeinen, d.h. wenn nicht der Empfang von Schriftstücken ausgeschlossen ist, die Zustellungsbevollmächtigung ein (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) S 306 E 98. zu § 10 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Ab dem Vorliegen einer Zustellungsbevollmächtigung (§ 9 ZustG) hat die Behörde jedoch nur mehr an den Zustellungsbevollmächtigten und nicht an den Vertretenen zuzustellen; wird stattdessen an den Vertretenen selbst zugestellt, ist diese Zustellung unwirksam (vgl. die in Walter/Thienel, a.a.O., S 1925 f E 50. zu § 9 ZustG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Ist der erstbehördliche Bescheid demnach - im Falle der bestehenden Zustellungsbevollmächtigung des Sohnes, was zu klären sein wird - nicht rechtswirksam erlassen worden, so hat dies den Mangel der Zuständigkeit der belangten Behörde zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers zur Folge. Die Zuständigkeit reicht in derartigen Fällen nur soweit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen (vgl. die in Walter/Thienel, a.a.O., S 1261 E 93. zu § 66 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Zum Vorbringen im Zusammenhang mit der letztlich zu einer Sachwalterbestellung für den Beschwerdeführer führenden Erkrankung ist Folgendes zu bemerken: Aus dem dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Pflegschaftsakt des Bezirksgerichtes S ist zu entnehmen, dass zunächst mit Beschluss vom 9. September 2005 für den Beschwerdeführer Mag. F. zum einstweiligen Sachwalter (u.a.) zur Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten und in weiterer Folge mit Beschluss vom 15. November 2005 der Sohn des Beschwerdeführers für diesen zum Sachwalter bestellt und mit der Besorgung aller Angelegenheiten betraut worden ist. Im (zeitlich vor der Sachwalterbestellung liegenden) Verfahren vor der belangten Behörde ist der Sohn des Beschwerdeführers für diesen unter Berufung auf eine (im Akt erliegende) schriftliche Vollmacht vom 9. Mai 2005 eingeschritten, derzufolge er zur Vertretung des Beschwerdeführers in allen Angelegenheiten "vor/bei den Behörden und in Verfahren/Belangen des Zivil- sowie Verwaltungsrechtes in Zukunft" berechtigt sei. Es wurde allerdings im Berufungsverfahren auch ein fachärztliches Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 11. Juli 2005 vorgelegt, demzufolge der Beschwerdeführer seit 2001 an Morbus Alzheimer erkrankt sei. Er sei "derzeit" weder persönlich noch zeitlich orientiert und nicht im Stande, die Angelegenheiten des täglichen Lebens zu begreifen. Aus neuro-psychiatrischer Sicht sei der Patient nicht im Stande irgendwelche Rechtsgeschäfte ohne einen allfälligen Schaden durchzuführen.
Die Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozess- und Handlungsfähigkeit des Beschwerdeführers im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist. Für die Zeit davor (im Beschwerdefall demnach für die gesamte Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens) ist aber zu prüfen, ob er schon damals nicht mehr prozessfähig gewesen ist und somit nicht mehr in der Lage war, Bedeutung und Tragweite des Verfahrens und der sich in diesem ereigneten prozessualen Vorgänge zu erkennen, zu verstehen und sich den Anforderungen eines derartigen Verfahrens entsprechend zu verhalten. Das Fehlen der Prozessfähigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amt wegen wahrzunehmen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2006, Zl. 2004/05/0326, mwN). Schon im Hinblick auf das ihr vorliegende ärztliche Attest konnte die belangte Behörde nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer prozess- und handlungsfähig gewesen ist und insbesondere seinem Sohn wirksam Vollmacht erteilen konnte.
Die belangte Behörde wäre demnach gehalten gewesen, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, aber auch grundsätzlich mit der Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers ab der Zustellung der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25. Februar 2004 auseinander zu setzen.
Dadurch, dass die belangte Behörde keine Feststellungen im aufgezeigten Sinn getroffen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird auch noch zu klären sein, ob nicht der Beschwerdeführer auf Grund der Bestätigung des Bürgermeisters vom 7. Oktober 1999 mit schuldausschließender Wirkung davon ausgehen konnte, dass ihm damit die Ausführung des Baues bewilligt worden sei.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 8. Mai 2008
Schlagworte
Sachwalter Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang Zustellung Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Vertretungsbefugnis Inhalt UmfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007060167.X00Im RIS seit
13.06.2008Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008