Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des H S in H, vertreten durch Dr. Josef Kogler, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Museumstraße 31a, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich (Senat für Landeslehrer an Volksschulen und Sonderschulen) vom 20. Jänner 2006, Zl. 1-DOK-27/7-06, betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1959 geborene Beschwerdeführer steht als Sonderschuloberlehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Oberösterreich. Seine letzte Dienststelle war die Sonderschule X.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Y - Senat für Landeslehrer an Volks- und Sonderschulen vom 14. Juli 2005 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig erkannt:
"Herr SOL H. S. ist schuldig.
Er hat schuldhaft seine Dienstpflichten gemäß § 29 Abs. 1 und Abs. 2 LDG 1984 verletzt.
Herr SOL H.S. wurde mit Wirkung vom 16.9.2003 vorläufig vom Dienst suspendiert. Grund für die vorläufige Suspendierung war, dass im Haus in H, ..., anlässlich einer Hausdurchsuchung am 9.9.2003 Suchtgift aufgefunden wurde.
Mit Bescheid vom 2.5.2005 wurde Herr SOL H.S. mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert.
Gemäß § 29 Abs. 1 LDG 1984 ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung (z.B. § 144 ABGB, § 2 SchOG) treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus Eigenem zu besorgen.
Gemäß § 29 Abs. 2 LDG 1984 hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Herr SOL H.S. wird daher beschuldigt, Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 69 LDG 1984 begangen zu haben.
Über Herrn SOL H.S. wird daher gemäß § 70 Abs. 1 Z. 4 i.V.m.
§ 95 Abs. 2 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der
Entlassung
verhängt."
Abgesehen von einer detaillierten Wiedergabe des Verfahrensganges und der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, des in der Verhandlung gehaltenen Plädoyes des Disziplinaranwaltes und des Schlusswortes des Beschwerdeführers findet sich als Begründung lediglich Folgendes:
"Die Disziplinarkommission kam in der Verhandlung am 11.7.2005 zur Überzeugung, dass der zur Last gelegte Sachverhalt bei entsprechender rechtlicher Würdigung schwere Verstöße gegen die Bestimmungen der §§ 29 Abs. 1 und Abs. 2 LDG 1984 darstellen und Herr SOL H. S. daher schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt hat.
Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verfolgung durch die Disziplinarkommission liegen nicht vor. Die zur Last gelegten Handlungen stellen gravierende Dienstpflichtverletzungen dar.
Die Strafbemessung hat gemäß § 71 LDG 1984 zu erfolgen. Bei der Strafbemessung ist vor allem die Schwere der Dienstpflichtverletzungen als Strafbemessungsgrund zu beachten. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die Strafhöhe erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Auch die nach dem Strafgesetzbuch maßgebenden Gründe sind sinngemäß zu berücksichtigen und es ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (es folgt ein Zitat) ist es für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen Standes- oder Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt wird. Der VwGH hat auch mehrfach dargelegt, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Öffentlichen Dienstes ist. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlungen eingetretenen Vertrauensverlustes. Wird der Beschuldigte wie im konkreten Fall überhaupt nicht mehr diesem Vertrauen gerecht, so wurde dieses Vertrauensverhältnis zerstört und der Beschuldigte kann auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, so fehlt es auch an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung der Beschuldigten nicht mehr, dann auch nicht mehr teilweise. Hier geht es nicht mehr um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis als Landeslehrer.
Ein Lehrer ist untragbar, weil durch derartige Taten nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zu solchen Lehrpersonen zerstört wird. Der entscheidende Gesichtspunkt ist hiebei, dass sich die Verwaltung auf die Redlichkeit und Vertrauenswürdigkeit eines Lehrers bei dessen Dienstausübung verlassen muss, weil eine lückenlose Kontrolle nicht möglich ist.
Eine günstige Zukunftsprognose für den Landeslehrer kann den eingetretenen Vertrauensverlust nicht aufheben und auch das für die Zeit nach der Begehung der Straftaten geltend gemachte Wohlverhalten des Landeslehrers ist nicht geeignet, die eingetretene Untragbarkeit für den Schuldienst ungeschehen zu machen.
Bei einem strafrechtlich geahndeten Verhalten, das bei objektiver Beachtung geeignet ist, bezogen auf die dienstliche Stellung des Lehrers, nach allgemeiner gesellschaftlicher Auffassung die Achtung und das Vertrauen in die Person und damit die Amtsstellung zu untergraben, liegt jedenfalls im Sinne des § 29 Abs. 2 LDG 1984 ein disziplinärer Überhang vor, der bei der gegebenen Sachlage das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beamten und der Verwaltung zu zerstören geeignet ist und demnach auch die Disziplinarstrafe oder Entlassung rechtfertigt.
Es war daher wie im Spruch zu entscheiden."
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung, in welcher er neben bereits eingetretener Verfolgungsverjährung auch die Unbestimmtheit des Disziplinarerkenntnisses und die fehlende Nachvollziehbarkeit des Bescheides im Einzelnen rügt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Jänner 2006 wurde diese Berufung abgewiesen und die Disziplinarstrafe der Entlassung bestätigt.
Begründend führt die belangte Behörde - soweit entscheidungswesentlich - Folgendes aus:
"Am 8. 9. 2003 wurde auf dem Anwesen von SOL H.S. in H eine Hausdurchsuchung durchgeführt, bei der 15 Hanfpflanzen sichergestellt wurden, die in einem Glashaus, das Herr R. Sch. mit Erlaubnis von SOL H. S. direkt neben dem Eingangsbereich des Anwesens aufgestellt hatte, gezüchtet worden waren.
Darüber hinaus wurden in den Räumlichkeiten, die Herr SOL H. S. Herrn R.Sch. zur ausschließlichen Benützung überlassen hat, weitere Suchtmittel beschlagnahmt.
Am 9. 9. 2003 wurde SOL H. S. im Zuge der Ermittlungen der Gendarmerie zu diesem Suchtgiftfund in der Schule festgenommen, da er sich weigerte, freiwillig mit den Beamten zur Einvernahme mitzukommen.
Letzteren Sachverhalt zeigte der Leiter der Sonderschule X am selben Tag schriftlich beim Bezirksschulrat Y an.
Im Zuge der Einvernahme wurde von zwei Gendarmeriebeamten eine vermutliche Drogenbeeinträchtigung wahrgenommen. Ein Drogenschnelltest ergab ein positives Ergebnis auf die Drogenarten Kokain und THC. Aufgrund dieses Ergebnisses wurde SOL H. S. mit seiner Zustimmung zwecks klinischer Untersuchung zur Gemeindeärztin Dr. M. nach P. gebracht. Dort verweigerte er trotz Aufklärung über die Folgen seiner Entscheidung die Blutabnahme, weil ihm, wie er bei der Einvernahme am 9. 9. 2003 angab, bei der Blutabnahme übel werde. Später führte er aus, er hätte sich dazu gesundheitlich nicht in der Lage gefühlt, da er aufgrund des Stresses bei der Vernehmung einen Herzinfarkt fürchtete. Eine freiwillig abgegebene Harnprobe wurde vom WJKH ausgewertet und brachte ein negatives Ergebnis hinsichtlich Drogen, wobei allerdings auf dem Befund vermerkt war, dass der Harn möglicherweise verdünnt war.
Im Zuge der Einvernahme wurde auch das Mobiltelefon von SOL H. S. beschlagnahmt. Der Berufungswerber nutzte einen unbeobachteten Moment, um die SIM-Karte aus dem Handy zu entfernen und zu verschlucken, um deren Auswertung durch die Polizei zu verhindern.
Vom Gendarmeriepostenkommando O. wurde am 10. 9. 2003 der Verdacht der Übertretung nach § 5 StVO in Verbindung mit § 99 StVO wegen Lenkens im vermutlich durch Drogen beeinträchtigten Zustand und Verweigerung der deshalb angeordneten Blutabnahme an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gemeldet.
Am 14. 2. 2005 erstattete das Gendarmeriepostenkommando O. wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 295 StGB und § 27
(1) SMG Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Linz gegen SOL H. S.. Auch gegen Herrn R. Sch. wurde wegen vermuteter Suchtgiftdelikte Strafanzeige am selben Tag erstattet.
SOL H. S. wurde vom Landesgericht Linz mit Urteil vom 11. 5. 2005 rechtskräftig wegen Beweismittelunterdrückung gem. § 295 StGB und Verstrickungsbruch gem. § 271 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.
Von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung wurde der Berufungswerber mit Straferkenntnis vom 5. 2. 2004 für schuldig erkannt, sein Fahrzeug in vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigtem Zustand gelenkt und sich am 9. 9. 2003 geweigert zu haben, sich durch eine Ärztin im öffentlichen Sanitätsdienst Blut abnehmen zu lassen, um den Grad der Beeinträchtigung festzustellen, nachdem Organe der Straßenaufsicht Symptome der Suchtgiftbeeinträchtigung bei ihm festgestellt hatten.
Am 11. 1. 2005 erlangte der Bezirksschulrat Y erstmals Kenntnis von diesem Straferkenntnis.
Aufgrund der Vorfälle wurde SOL H. S. mit Dienstanweisung des Bezirksschulrates Y vom 16. 9. 2003 vorläufig vom Dienst suspendiert. Mit Bescheid der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Y vom 2. 5. 2005 wurde die endgültige Suspendierung ausgesprochen.
Am 10. 5. 2005 wurde von der Disziplinarkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Bezirksschulrat Y ein Einleitungs- und Verhandlungsbeschluss für ein Disziplinarverfahren gefasst.
Mit Erkenntnis vom 14. 7. 2005 wurde über SOL H. S. die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt. Dieses Erkenntnis wurde mit Bescheid vom 25. 7. 2005 dahingehend berichtigt, dass der vorher ausgesprochene Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung ersatzlos aufgehoben wurde.
...
SOL H. S. hat in seiner Berufung angeführt, dass der festgestellte Sachverhalt eigentlich eine Darstellung des Verfahrensablaufes darstellt und diese Darstellung nicht bestritten.
Da der Verfahrensablauf aufgrund der umfassenden Unterlagen (Niederschrift, Protokolle der Verhandlungen, Erklärungen der Betroffenen ...) geklärt erschien und im Zusammenhang mit der Berufung auch widerspruchsfrei feststand, konnte die Disziplinaroberkommission gem. § 94 Abs 2 Zi 5 LDG von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen.
Gem. § 92 Abs 1 und 2 LDG hat die Disziplinarkommission mit Beschluss über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu entscheiden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, hat dieser Beschluss die rechtliche Bedeutung, dem wegen Dienstpflichtverletzungen beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung innerhalb der Verjährungsfrist ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Der Einleitungsbeschluss hat sohin eine Umgrenzungsfunktion, da eine Disziplinarstrafe nur wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden darf, das auch Gegenstand des Einleitungsbeschlusses war. Das vorgeworfene Verhalten muss dabei derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welche Tat als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Angaben über Ort, Zeit und Tatumstände müssen den Tatvorwurf so genau beschreiben, dass eine Unterscheidung von gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Beschuldigten angelastet werden könnten, jedenfalls möglich ist. Dabei ist nicht nur der Spruch des Einleitungsbeschlusses, sondern dieser in Verbindung mit der Begründung zu beurteilen, insofern sich aus dieser der von der Behörde angenommene maßgebliche Sachverhalt, der im anschließenden Verfahren zu beurteilen ist, ergibt.
Zugegebenermaßen enthält der Einleitungsbeschluss eine Schilderung des Verfahrensablaufes rund um die Hausdurchsuchung im Objekt H, ... am 8. 9. 2003, die daran anschließenden Vorfälle bei den Einvernahmen sowie die vorausgegangenen Vorkommnisse auf dem Anwesen von SOL H. S. und die anschließenden Verurteilungen aufgrund des Verschluckens der SIM-Karte des Mobiltelefons bei der anschließenden Vernehmung durch die Gendarmerie am 9. 9. 2003 und die Verweigerung der Blutabnahme.
Im Zusammenhang mit der wenn auch knappen Begründung wird allerdings hinreichend klar, dass all jene Momente dieser Auflistung, aus denen sich eine zu geringe Distanz von SOL H. S. zu Drogen ergibt, Gegenstand des Disziplinarverfahrens sind.
Damit ist jedenfalls auch die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung durch die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. 2. 2003 Gegenstand des Disziplinarverfahrens. Die Gendarmeriebeamten hegten den Verdacht einer Drogenbeeinträchtigung und ersuchten aus diesem Grund um die Blutabnahme. Anstatt sich mit einer solchen frei zu beweisen, verweigerte SOL H. S. sie.
Der sorglose Umgang mit Herrn R. Sch., indem SOL H. S. ihm Räumlichkeiten überlässt, ein Glashaus errichten lässt ohne zu kontrollieren, was dieser dort treibt, rückt ihn auch in den Dunstkreis der Drogenszene und ist daher auch zum Thema des Disziplinarverfahrens geworden.
Allerdings wurden diese Umstände bereits im Herbst 2003 beim Bezirksschulrat bekannt. Mit Fällung des Einleitungsbeschlusses im Mai 2005 war damit diesbezüglich bereits Verjährung eingetreten.
Die Verurteilung aufgrund der Beweismittelunterdrückung ist nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens, da dieser Vorfall keinerlei Berühungspunkte mit der Drogenszene hat. Hinsichtlich dieses Sachverhaltes ist daher ebenfalls Verjährung eingetreten.
...
Es ist nicht Zweck des Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten Sanktionen zu verhängen, um ihn für begangenes Unrecht zu strafen, oder ihn Unrecht sühnen zu lassen. Es ist vielmehr die einzige Möglichkeit des Dienstgebers, das sonst durch den Dienstgeber nicht mehr lösbare Beamtendienstverhältnis einseitig zu beenden, wenn der Beamte durch seine Schuld für den Dienst nicht mehr tragbar geworden ist. Somit ist auch die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die z.B. der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme, die der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes dient.
Dabei ist aber die Disziplinarmaßnahme der Entlassung doch eine Strafe und daher auf der Grundlage der Schwere der Dienstpflichtverletzungen zu bemessen.
SOL H. S. hat seine Dienstpflicht, das Vertrauen der Allgemeinheit in seine sachliche Wahrnehmung der Dienstpflichten zu erhalten, schuldhaft zerstört. Ein mit den rechtlichen Werten verbundener Landeslehrer würde alles unternehmen, um einen bestehenden Verdacht auf Drogenbeeinträchtigung auszuräumen und würde keinesfalls eine Blutabnahme, wie sie bei SOL H. S. durch Frau Dr. M. am 8. 9. 2003 durchgeführt werden sollte, ablehnen.
Dies umso mehr, als SOL H. S. aufgrund des Fundes von Hanfpflanzen auf seinem Anwesen bereits sehr in das Umfeld einer Drogenszene gerutscht ist, die jedenfalls das Ansehen eines Lehrers in der Öffentlichkeit und deren Vertrauen in ihn auf das Schwerste erschüttert.
Gerade bei Drogen besteht im Zusammenhang mit Jugendlichen eine besonders hohe Sensibilität in der Öffentlichkeit. In so einer Situation hätte SOL H. S. jede Gelegenheit nützen müssen, um sich von einem Verdacht auf eine Nähe zu Drogen zu distanzieren. Als Lehrer und Pädagoge hat er eine besondere Vorbildfunktion für die ihm anvertrauten Schüler im Hinblick auf derartige Substanzen.
Indem er es unterlassen hat, in dieser belastenden Situation durch die Blutabnahme sofort den Beweis anzutreten, dass er nicht drogenbeeinträchtigt war, hat er seine Dienstpflicht gem. § 29
(2) LDG auf das Schwerste verletzt. Ein derart sorgloser Umgang mit der ernsten Frage einer Drogenbeeinträchtigung eines Lehrers macht SOL H. S. für den Dienst als Sonderschullehrer untragbar. Eine andere Disziplinarstrafe als die Entlassung kommt daher nicht mehr in Betracht.
Ist das Vertrauensverhältnis einmal zerstört und muss daher die Disziplinarmaßnahme der Entlassung gesetzt werden, können Milderungsgründe wie wirtschaftliche Verhältnisse oder Obsorgepflichten dahingestellt bleiben.
Die Disziplinaroberkommission für Landeslehrer für allgemein bildende Pflichtschulen beim Landesschulrat für Oberösterreich (Senat für Landeslehrer an Volksschulen und Sonderschulen) hat daher einstimmig den Beschluss gefasst, die Disziplinarstrafe der Entlassung zu verhängen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 15. März 2006, B- 402/06-4, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene und ergänzte Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 29 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes - LDG 1984, BGBl. Nr. 302/1984, ist der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung hat der Landeslehrer in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen dieses Abschnittes (das ist der 7. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.
§ 70 Abs. 1 LDG 1984 sieht als Disziplinarstrafen 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluss der Kinderzulage, 3. die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluss der Kinderzulage, und 4. die Entlassung vor.
§ 71 LDG 1984 regelt die Strafbemessung. Nach Abs. 1 dieser - dem § 93 BDG 1979 nachgebildeten - Bestimmung ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landeslehrers Bedacht zu nehmen.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist, wenn der Landeslehrer durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt wird, nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
Gemäß § 73 Abs. 1 LDG 1984 ist von der Verfolgung abzusehen, wenn der Landeslehrer wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurde, sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft und anzunehmen ist, dass die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung ist, wenn von der Verfolgung nicht abgesehen wird und sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Im Spruch eines Disziplinarerkenntnisses obliegt es den Disziplinarbehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Entscheidungszuständigkeit, unter Zugrundelegung der im Anschuldigungspunkt enthaltenen, die Tat bestimmenden Sachverhaltselemente bei einem Schuldspruch - im Ergebnis nicht anders als dies § 44a Z. 1 VStG für den Bereich des Verwaltungsstrafverfahrens anordnet - die vom beschuldigten Beamten begangene Tat bestimmt zu umschreiben, wobei - mangels eines Typenstrafrechtes - im Einzelnen die Anführung des konkreten Verhaltens und der dadurch bewirkten Folgen sowie weiters des die Pflichtverletzung darstellenden Disziplinar(straf)tatbestandes erforderlich ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 9. April 1986, Zl. 85/09/0173, vom 18 Oktober 1989, Zlen. 87/09/0071, 87/09/0128, und die dort zitierte Rechtsprechung). Denn der Beschuldigte hat ein subjektives Recht darauf, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat und die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift richtig und vollständig vorgehalten wird (vgl. etwa die in Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 3. Auflg. 2003, S 453 f, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).
Diesen Anforderungen wird weder das erstinstanzliche Disziplinarerkenntnis noch der dieses bestätigende Berufungsbescheid der belangten Behörde gerecht. Im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Disziplinarerkenntnis wird der Beschwerdeführer lediglich "schuldig erkannt". Wessen er schuldig erkannt wurde, geht aus dem Spruch nicht hervor. Schon deshalb erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig.
Im Übrigen findet sich auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich der Vorwurf, der Beschwerdeführer habe, obwohl er durch seinen "sorglosen Umgang" mit seinem, offenbar der Drogenszene zugehörigen Mieter R. Sch. "in den Dunstkreis der Drogenszene" geraten sei, der Aufforderung zur Blutabnahme wegen Verdachtes des Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand keine Folge geleistet und dadurch den auf ihm lastenden Verdacht nicht ausgeräumt. Weitere Feststellungen trafen die Disziplinarbehörden zu diesem Faktum nicht. Zu Unrecht ging die belangte Behörde offenbar davon aus, sie sei an den Spruch des verurteilenden Strafbescheides der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. Februar 2003 gebunden.
Gemäß § 73 Abs. 2 LDG 1984 sind die Disziplinarbehörden aber lediglich an den Spruch eines rechtskräftigen Urteiles eines Strafgerichtes oder Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates gebunden, nicht aber an Strafbescheide der Bezirksverwaltungsbehörde. Die belangte Behörde hätte daher alle Umstände, die mit der Verweigerung der Blutabnahme in Zusammenhang stehen, aus eigenem zu prüfen und festzustellen gehabt. Insbesondere hätte sie sich zur disziplinären Beurteilung des dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 5. Februar 2003 zu Grunde liegenden Verhaltens des Beschwerdeführers mit der subjektiven Tatseite, das heißt mit dem dem Beschwerdeführer zur Last zu legenden Verschulden auseinandersetzen müssen. Erst bei Vorliegen dieser Sachverhaltselemente, die die belangte Behörde im Übrigen auch nicht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte ermitteln und feststellen können, kann beurteilt werden, ob ein dem Beschwerdeführer zurechenbares schuldhaftes Verhalten im Sinne des § 69 LDG 1984 vorlag. Käme die Disziplinarbehörde zum Ergebnis, ein solches sei anzunehmen, hätte sie ferner zu den spezialpräventiven Aspekten des § 73 Abs. 1 und 3 leg. cit. Stellung nehmen müssen, inwieweit nämlich die Verhängung einer zusätzlichen Strafe erforderlich wäre, um den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Sie hätte im Falle der Annahme der Erforderlichkeit einer zusätzlichen Disziplinarstrafe des Weiteren im Rahmen ihrer Strafbemessung auf die Kriterien des § 71 Abs. 1 LDG 1984 Bedacht zu nehmen gehabt. In diesem Zusammenhang ist auch auf das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 14. November 2007, Zl. 2005/09/0115, zu verweisen, welches zu den vergleichbaren Normen des BDG 1979 ausführlich Stellung genommen und die Entscheidungswesentlichkeit der genau zu erhebenden spezialpräventiven Kriterien sowie jene der Strafbemessung insbesondere in Fällen der Entlassung in den Vordergrund gerückt hat. Die belangte Behörde hat sich aber im vorliegenden Fall in keiner Weise mit den Kriterien der Strafbemessung auseinandergesetzt. Dazu hätte es auch der persönlichen Einvernahme des Beschuldigten bedurft, weshalb die belangte Behörde auch in diesem Punkt zu Unrecht davon ausgegangen ist, der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei bereits geklärt. Das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erweist sich somit jedenfalls als rechtswidrig. Auch reicht die bloße Wiederholung von Rechtssätzen als Begründung ohne jegliche Bezugnahme auf den konkreten Fall für den Ausspruch einer Entlassung, die einem erhöhten Begründungserfordernis unterliegt, jedenfalls nicht hin.
Aus den genannten Gründen belastete die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Mai 2008
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)Inhalt des Spruches DiversesMängel im Spruch unvollständige Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild)Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der TatIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090078.X00Im RIS seit
10.07.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013