Index
60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des KB in W, vertreten durch Prochaska Heine Havranek, Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Julius Raab Platz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Dezember 2006, Zl. UVS- 07/A/32/6365/2004/17, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 4. Dezember 2006 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Obmann und somit als zur Vertretung nach außen Berufener des Vereines S mit Sitz in W zu verantworten, dass dieser Verein als Arbeitgeber am 5. Dezember 2003 um 10.35 Uhr vor dem Gebäude St 7 den slowakischen Staatsbürger I als Straßenverkäufer mit dem Verkauf der Zeitschrift A beschäftigt habe, obwohl für diesen keine näher ausgeführte arbeitsmarktrechtliche Berechtigung ausgestellt gewesen sei, wobei I zur Tatzeit einen vom genannten Verein ausgestellten Ausweis mit der Aufschrift (Name der Zeitschrift) an seine Kleidung angeheftet getragen habe, ein Exemplar der Zeitschrift in der Hand und einen weiteren Packen Zeitungen in einer mitgeführten Tasche bereit gehalten habe und die Zeitschriften, für die er dem Verein pro Exemplar einen Euro bezahlt gehabt hat, an Passanten zum Preis von zwei Euro zum Verkauf feilgeboten habe.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) begangen. Es wurde in Anwendung des § 20 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 500,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) verhängt.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides stellte die belangte Behörde die Beweismittel dar, unter anderem die "Verkaufsbedingungen des Vereins S". Sie lauten:
"1. Die Zeitung wird um EUR 2 verkauft. EUR 1 bleiben dem/der VerkäuferIn. EUR 1 erhält der Verein S für die Herausgabe der Zeitung.
2.
Die Zeitung kann um EUR 1 pro Stück angekauft werden.
3.
Nicht verkaufte Zeitungen können zurückgegeben werden. Der Ankaufspreis der unverkauften Exemplare wird bei Rückgabe retourniert.
4. Die Ausgabe der Zeitung und die Rückgabe von nicht verkauften Exemplaren erfolgt im A-Büro (S-Gasse, W). Mo-Fr 11- 16:00, Sa 10-12:00.
5. Der Verein S weist darauf hin, dass SozialhilfeempfängerInnen nicht mehr als EUR 109,--/Monat (sozialtherapeutisches Taschengeld), Notstandshilfe- und ArbeitslosengeldbezieherInnen nicht mehr als EUR 296,--/Monat (geringfügiges Einkommen) dazuverdienen dürfen.
6. Die Versteuerung der Einkünfte ist die persönliche Angelegenheit des/der VerkäuferIn.
7. Der/die VerkäuferIn bekommt einen Lichtbildausweis, durch den er/sie vom Verein S legitimiert wird, die Zeitung A zu verkaufen.
8. Der/die VerkäuferIn kann sich den Ort und die Zeit des Verkaufes selbst frei wählen.
9. Der/die VerkäuferIn ist nicht verpflichtet, die übernommenen Zeitungen zu verkaufen. Sie/er ist auch nicht verpflichtet, die gekauften Zeitungen zum Verkauf anzubieten. Punkt 1. der Verkaufsbedingungen ist dahingehend zu verstehen, dass wenn sich der/die VerkäuferIn zum Verkauf entschließt, sie nicht unter EUR 2 verkaufen darf.
10. Der/die VerkäuferIn verpflichtet sich im nüchternen Zustand, ohne Einwirkung von Drogen und ohne jegliche Art von Nötigung die Zeitung zu verkaufen. Bei Zuwiderhandeln kann ihm/ihr sofort die Berechtigung zum Verkauf der Zeitung A vom Verein S entzogen werden.
11. Es ist dem/der VerkäuferIn vom Verein S ausdrücklich untersagt, andere Zeitungen, insbesondere kommerzielle Zeitungen zu verkaufen."
Aus der Satzung des Vereins S gab die belangte Behörde folgende Stellen wieder:
"§ 2 der Satzungen des Vereins 'S', der den Zweck des Vereins beschreibt, lautet wortwörtlich wie folgt (Bl. 16 des UVS-Aktes):
'2.1 Förderung und Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt. Die Ermöglichung von Eigeninitiative, damit Hebung des Selbstwertgefühles und Anerkennung des Bemühens. Das Problem der Obdachlosigkeit bzw. Probleme anderer Randgruppen in die Öffentlichkeit zu bringen.
2.2. Die Tätigkeit des Vereins ist gemeinnützig und nicht auf Gewinn gerichtet.'
In § 3 der Satzungen des Vereins 'S', der die Tätigkeiten umschreibt 'die zur Verwirklichung des Vereinszwecks vorgesehen sind', findet sich folgender Punkt (Bl. 16 des UVS-Aktes):
'2) Direkte Auseinandersetzung der Betroffenen selbst mit der Öffentlichkeit als Verkäufer, bzw. als Autoren dieser Zeitung.'"
Nach der Darstellung des weiteren Verfahrensganges und weiterer Beweisergebnisse führte die belangte Behörde Folgendes aus:
"2.1. Dem Antrag auf Einvernahme von Herrn I, Herrn H und Frau R war nicht stattzugeben, zumal der zugrunde liegende Sachverhalt (Verkauf der Zeitschrift 'A' durch I am 5.12.2003 in Wien 1., Stephansplatz 7 um zwei Euro pro Zeitung) nicht nur durch die Einvernahme des Herrn I im erstinstanzlichen Verfahren (Bl. 4/5 des erstinstanzlichen Strafaktes) als erwiesen anzusehen ist, sondern vom BW im gesamten Verfahren auch gar nicht bestritten wurde.
Dass Herr H und Frau R sich zum Tatzeitpunkt, also bei der Betretung des Herrn I, am Stephansplatz aufgehalten und die Amtshandlung wahrgenommen hätten, wurde im Übrigen im gesamten Verfahren nicht einmal behauptet.
2.2. Ob Herr I bei diesem Verkauf als Selbständiger auftrat, wie der anwaltschaftlich vertretene BW vermeint, oder ob er die Zeitschrift 'A' in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis verkauft hatte, ist im Rahmen der rechtlichen Beurteilung durch den UVS Wien zu klären und nicht durch Zeugenaussagen von Herrn H und Frau R oder von Herrn I selbst.
2.3. Dazu kommt noch, dass laut der Berufungsschrift, in der die subjektive Auslegung des BW hinsichtlich der 'Verkaufsbedingungen' detailliert dargelegt wurde, Herr H nur für den Fall als Zeuge nominiert wurde, dass sich der UVS Wien dieser Auslegung nicht anschließt (siehe die Berufung z.B. auf Bl. 3, zweiter Absatz: 'Sollte dies aus Punkt 9) ... nicht eindeutig hervorgehen, ... beantragt der BW die Einvernahme von H ...'; siehe ebenso Bl. 3 letzter Absatz: 'Sollte dies aus den getroffenen Feststellungen ... nicht hervorgehen, beantragt der BW die Einvernahme von H ...'; ganz ähnlich z.B. auch Seite 4, Punkt 2.3. und 2.4. etc.).
In der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2005, in der der Beweisantrag auf Einvernahme von Herrn H wiederholt wurde, wurden keine Gründe für seine Einvernahme genannt, sodass davon auszugehen ist, dass es sich um dieselben Gründe handelt, wie in der Berufung angeführt. Herr H sollte also zur Untermauerung der Interpretation des BW bezüglich der 'Verkaufsbedingungen' befragt werden.
Dazu ist aber zu bemerken, dass auch die von jedem 'A'- Verkäufer zu unterschreibenden Verkaufsbedingungen der freien Beweiswürdigung und rechtlichen Würdigung durch den UVS Wien unterliegen, sodass eine Interpretation dieser 'Verkaufsbedingungen' durch Zeugen zur Klärung des Falles nicht maßgeblich und daher entbehrlich ist.
2.4. Der Antrag auf Einvernahme der Sozialarbeiterin R, der erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2005 gestellt wurde, blieb überhaupt ohne Angabe darüber, zu welchem Beweisthema Frau R hätte befragt werden sollen.
2.5. Dass die vom BW im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.12.2005 gemachten Äußerungen in einem Punkt oder in mehreren Punkten falsch gewesen wären und daher von den Zeugen richtig gestellt werden hätten müssen, wurde weder in der mündlichen Verhandlung vor dem UVS Wien noch in den Schlussausführungen des BW vorgebracht. Auch aus diesem Grund war die Einvernahme der beantragten Zeugen nicht erforderlich.
3. Zur Beweiswürdigung
3.1. Bemerkt wird, dass der BW vor dem UVS Wien einen äußerst glaubwürdigen, ehrlichen und sehr um Wahrheit bemühten Eindruck hinterlassen hat.
Der UVS Wien konnte daher von den im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 16.12.2005 niederschriftlich getätigten Angaben des BW ausgehen.
3.2. Der UVS Wien bezweifelt auch nicht die Echtheit der vom BW erst nach Aufforderung des UVS Wien mit Schreiben vom 27.12.2006 vorgelegten und von Herrn I am 27.11.2001 unterfertigten 'Verkaufsbedingungen' (Bl. 42 des UVS-Aktes).
4. In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt
4.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG in der sowohl zum Tatzeitpunkt (5.12.2003) als auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses (20.7.2004) geltenden Fassung BGBl. I Nr. 126/2002 darf ein Arbeitgeber einen Ausländer nur bei Vorliegen der dort zitierten Voraussetzungen (Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung, einer Zulassung als Schlüsselkraft, einer Entsendebewilligung, einer Anzeigebestätigung, einer Arbeitserlaubnis, eines Befreiungsscheines oder eines Niederlassungsnachweises) beschäftigen.
Dass Herr I, geboren am 11.3.1965, zum Tatzeitpunkt slowakischer Staatsangehöriger war, blieb unbestritten.
Ebenso blieb unbestritten, dass Herr I zur Tatzeit nicht die erforderlichen Arbeitspapiere aufwies. Da der Tatzeitpunkt zudem noch vor dem EU-Beitritt der Slowakei lag, brauchte auch nicht auf die siebenjährigen Übergangsbestimmungen betreffend Beschäftigung von Arbeitnehmern aus der Slowakei in Österreich hingewiesen zu werden.
4.2. Der BW verantwortete sich damit, dass Herr I die Zeitschrift 'A' nicht als Arbeitnehmer des Vereins 'S' verkauft hatte, sondern als Selbständiger. Hierbei verwies der BW auf die sogenannten 'Verkaufsbedingungen', die jeder 'A'-Verkäufer beim ersten Ankauf der Zeitung zur Kenntnisnahme erhält und unter Anführung des Datums und seines Namens unterschreibt.
Dass auch Herr I solche 'Verkaufsbedingungen' unterschrieben hat (nämlich am 27.11.2001, also schon rund zwei Jahre vor der gegenständlichen Tatzeit) sieht der UVS Wien auf Grund der Vorlage einer entsprechenden Kopie durch den BW als erwiesen an. Dieser Kopie ist zu entnehmen, dass Herr I eine Ausfertigung der 'Verkaufsbedingungen' in slowakischer Sprache erhalten und unterfertigt hat. Dazu hat auch der BW bei seiner Einvernahme vor dem UVS Wien dargelegt, dass die 'A'-Verkäufer diese 'Verkaufsbedingungen' in einer ihnen verständlichen Sprache vorgelegt bekommen.
Insbesondere in seiner Berufungsschrift hat der BW die einzelnen Punkte der 'Verkaufsbedingungen' erörtert und ausgeführt, warum er auf Grund dieser 'Verkaufsbedingungen' die Tätigkeit des Herrn I als eine selbständige Tätigkeit einstuft.
4.3. Der UVS Wien vermag sich der Ansicht des BW, dass ein 'A'-Verkäufer eine selbständige Tätigkeit ausübe, auf Grund der folgenden Überlegungen nicht anzuschließen:
Der Zweck des Vereins 'S' ist laut § 2 seiner Satzungen 'die Förderung und Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt, die Ermöglichung von Eigeninitiative, damit Hebung des Selbstwertgefühls und Anerkennung des Bemühens', das 'Problem der Obdachlosigkeit bzw. Probleme anderer Randgruppen in die Öffentlichkeit zu bringen'.
Den Ausführungen des BW vor dem UVS Wien am 16.12.2005 musste entnommen werden, dass die Angaben der 'A'-Verkäufer, die sie gegenüber dem Verein 'S' machen, über ihren Namen und über den Umstand, ob sie tatsächlich obdachlos sind oder ihnen wirklich Obdachlosigkeit droht, von den Sozialarbeitern des Vereins 'S' überhaupt nicht überprüft werden. Dazu wird bemerkt, dass dies dem Missbrauch Tür und Tor öffnen kann. Trotzdem muss bei der Beurteilung der Tätigkeit der 'A'-Verkäufer als selbständig oder als unselbständig auch immer der Vereinszweck (also die Förderung und Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt) als Maßstab herangezogen werden.
Aus den Punkten 1. bis 3. der 'Verkaufsbedingungen' ergibt sich, dass ein 'A'-Verkäufer mit einem Verdienst von einem Euro pro verkaufter Zeitung rechnen und nicht verkaufte Zeitungen zum Ankaufspreis an den Verein 'S' retournieren kann. Diesbezüglich hat ein 'A'-Verkäufer gar keinen Gestaltungsspielraum. Er hat daher auch kein Unternehmerrisiko zu tragen und daher auch keinen Verlust zu befürchten. Auch der zweite Satz in Punkt 9. der 'Verkaufsbedingungen', wonach ein 'A'-Verkäufer die Zeitung 'A' nicht unter zwei Euro verkaufen darf, stellt in der Praxis keinen Gestaltungsspielraum dar. Würde nämlich ein Verkäufer für den 'A' drei Euro statt zwei Euro verlangen, würde er auf seinen Zeitungen sitzen bleiben (es sei denn, alle 'A'-Verkäufer würden sich auf diesen höheren Verkaufspreis von drei Euro einigen).
Punkt 5. der 'Verkaufsbedingungen' zeigt, dass sich ein hoher Prozentsatz der 'A'-Verkäufer aus dem Bereich der Sozialhilfeempfänger bzw. Notstandshilfe- und Arbeitslosengeldbezieher rekrutiert.
Sowohl dieser Umstand als auch der Umstand, dass es den Erfahrungen des täglichen Lebens entspricht, dass ein großer Prozentsatz von Obdachlosen auch alkoholkrank und/oder drogenabhängig ist, muss ebenfalls bei der Beurteilung der Tätigkeit der 'A'-Verkäufer als selbständig oder unselbständig berücksichtigt werden.
Zu Punkt 6. der 'Verkaufsbedingungen', wonach die Versteuerung der Einkünfte die persönliche Angelegenheit des Verkäufers sei, wird bemerkt, dass dieser Satz - gerade im Hinblick auf den Personenkreis, dem die meisten 'A'-Verkäufer entstammen (Obdachlose, Alkoholkranke, Drogenabhängige) - für sich allein nicht bewirken kann, dass die Tätigkeit eines 'A'- Verkäufers tatsächlich zu einer selbständigen wird.
Dass der 'A'-Verkäufer gemäß Punkt 7. der 'Verkaufsbedingungen' einen Ausweis erhält, der ihn zum Verkauf der Zeitung 'A' legitimiert, wurde vom BW in der mündlichen Verhandlung vor dem UVS Wien dahingehend erklärt, dass eine Sondervereinbarung des Vereins mit den Wiener Linien bestehe, da der Verkauf von Zeitungen in den U-Bahn-Stationen sonst (ohne Genehmigung der Wiener Linien) verboten wäre (Bl. 33 des UVS-Aktes, fünfter Absatz). Nach Ansicht des UVS Wien müssten sich die 'A'-Verkäufer, wenn sie selbständig tätig wären, wohl selbst um derartige Bewilligungen kümmern, was aber nicht der Fall ist.
Zu Punkt 8. der 'Verkaufsbedingungen' ist zu bemerken, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil jener Personen, die als 'A'- Verkäufer wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, durch die Vorschreibung einer geregelten Arbeitszeit von dieser Tätigkeit gänzlich abgehalten werden würde. Auch die Vorschreibung eines genauen Arbeitsortes würde für manche potenziellen 'A'- Verkäufer kontraproduktiv sein. Dass den 'A'-Verkäufern Arbeitszeit und Arbeitsort nicht vorgeschrieben werden, ist im vorliegenden Fall daher kein Merkmal einer selbständigen Tätigkeit.
Dass laut Punkt 9. der 'Verkaufsbedingungen' 'A'-Verkäufer keine 'Verkaufsverpflichtung' haben, wird vom UVS Wien zwar nicht bezweifelt, ist aber ebenfalls im Lichte des Vereinszwecks zur Resozialisierung und Reintegration in den Arbeitsmarkt zu sehen und im Hinblick darauf, dass der Verein 'S' nicht auf Gewinn ausgerichtet ist. Zur Erreichung des Vereinszweckes muss der Klientel des Vereins ein 'sanfter' Einstieg angeboten werden, bei dem eben keine Mindestverkaufsmengen vorgeschrieben werden können. Eine Mindestverkaufszahl würde den anzusprechenden Personenkreis ja eher abschrecken und vom Versuch, als 'A'-Verkäufer tätig zu sein und sich auf diese Weise wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern, abhalten.
Punkt 10. der 'Verkaufsbedingungen' stellt entgegen der Auslegung des BW in der Berufung gerade im Hinblick auf den hohen Prozentsatz Alkoholkranker bzw. Drogenabhängiger unter der Klientel des Vereines 'S' eine Vorschreibung persönlicher Verhaltensweisen dar. Dem entsprechend hat der BW bei seiner Einvernahme vor dem UVS Wien selbst erklärt, dass dieser Punkt 10. der 'Verkaufsbedingungen' 'zumindest ein Versuch, etwa schwere Alkoholiker durch einen strukturierten Tagesablauf ... von ihrer Alkoholsucht ein wenig wegzubringen', sei (Bl. 33, fünftletzter Absatz des UVS-Aktes).
Punkt 11. der 'Verkaufsbedingungen' wird vom BW in der Berufung dahingehend ausgelegt, dass dem 'A'-Verkäufer 'lediglich der parallele Verkauf' (anderer Zeitungen) 'untersagt' sei (Bl. 63 des erstinstanzlichen Aktes, Punkt 2.11.). Eine derartige Einschränkung der 'Konkurrenzklausel' auf die Zeiten des tatsächlichen Verkaufs der Zeitung 'A' kann nach Ansicht des UVS Wien dem Wortlaut der 'Verkaufsbedingungen' aber nicht entnommen werden. Auch geht aus der Aussage des BW vor dem UVS Wien eindeutig hervor, dass ein Verkauf anderer Zeitungen (mit Ausnahme eventuell der Zeitung 'U') durch einen 'A'-Verkäufer überhaupt nicht erwünscht sei; dies hat der BW vor dem UVS Wien auch plausibel damit begründet, dass jemand, der 'die Möglichkeit hat, kommerzielle Zeitungen zu verkaufen, ohnehin ein Einkommen aus einer anderen Quelle' habe (Bl. 33 des UVS-Aktes, dritter Absatz).
4.4. Insgesamt betrachtet, ergibt sich aus den 'Verkaufsbedingungen des Vereines S' in Verbindung mit der Aussage des BW vor dem UVS Wien daher folgendes Bild:
Schon aufgrund des Vereinszwecks (Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt) und der Tatsache, dass ein hoher Anteil der Obdachlosen oder von Obdachlosigkeit Gefährdeten alkoholkrank und/oder drogenabhängig ist, widerspricht es den Erfahrungen des täglichen Lebens und erscheint daher völlig unrealistisch, dem in Frage kommenden Personenkreis generell eine andere Tätigkeit als eine unselbständige anzubieten.
Auch dass für den Verkauf der Zeitschrift 'A', die schon auf Grund ihres geringen Preises von zwei Euro bestimmt nicht als 'Luxusgut' angesehen werden kann, überhaupt derartige 'Verkaufsbedingungen' unterschrieben werden müssen, zeigt, dass ein Personenkreis angesprochen wird, der erst langsam (wieder) auf die Arbeitswelt eingewöhnt und hierbei in der Praxis richtiggehend angeleitet werden muss. Dies spricht für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit.
Aufgrund des Vereinszwecks und der davon betroffenen Klientel ist es auch mehr als gerechtfertigt, dass die 'A'-Verkäufer einen fixen Ankaufspreis von einem Euro, einen festgesetzten (Mindest)Verkaufspreis von zwei Euro und eine Rückgabegarantie für die von ihnen nicht verkauften Zeitungen erhalten. Dies führt dazu, dass für den 'A'-Verkäufer auch kein Erfordernis einer Preisgestaltung, kein Verlustrisiko und insgesamt gesehen keinerlei unternehmerisches Risiko besteht. Vielmehr wird dem 'A'-Verkäufer durch die Differenz zwischen fixem Ankaufspreis und fixem Verkaufspreis ein Euro Verdienst pro verkaufter Zeitung garantiert. Der 'A'-Verkäufer erhält somit eine Art garantierten 'Stücklohn'. Dies spricht für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis.
Auch die Erforderlichkeit des Hinweises auf Zuverdienstgrenzen für Arbeitslosengeldbezieher und Notstandshilfeempfänger etc. zeigt, dass der Verein 'S' erkannt hat, dass die 'A'-Verkäufer schon bei Aufnahme ihrer Tätigkeit (bei welcher sie die 'Verkaufsbedingungen' unterschreiben müssen) angeleitet werden müssen, um nicht Gefahr zu laufen, ihre Sozialleistungen zu verlieren oder deren Kürzung hinnehmen zu müssen. Diese Anleitung des Vereins 'S' geht weit über die Pflichten eines bloßen Lieferanten hinaus und stellt vielmehr einen Teil der vom Verein 'S' wahrgenommenen Obsorgepflicht eines Arbeitgebers dar. Dies unterstreicht das Vorliegen einer arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit.
Der Hinweis, dass die 'A'-Verkäufer ihre Einkünfte selbst versteuern müssen, soll zwar der Absicherung des Vereins 'S' dienen, damit sich dieser das Überprüfen des Vor- und Zunamens und des Geburtsdatums der 'A'-Verkäufer, weiters die Anmeldung der 'A'- Verkäufer bei der Wiener Gebietskrankenkasse sowie den hohen Aufwand der Berechnung und Abführung der Einkommenssteuer (Lohnsteuer) der zahlreichen 'A'-Verkäufer ersparen kann. Im Hinblick auf den angesprochenen Personenkreis (Obdachlose, Arbeitslose, Alkoholkranke, Drogenabhängige - oft auch in mehrfacher Kombination) bleibt die den 'A'-Verkäufern überantwortete Versteuerung ihrer Einkünfte aber inhaltsleer. Diese 'Verkaufsbedingung' kann daher die Tätigkeit der 'A'- Verkäufer jedenfalls nicht in eine selbständige 'verwandeln'.
Auch der Umstand, dass der Verein 'S' seinen 'A'-Verkäufern einen Ausweis ausstellt, mit dem sie sich als diesem Verein zugehörig ausweisen können und der ihnen die Möglichkeit gibt, die Zeitung 'A' auch in U-Bahn-Stationen zu verkaufen, zeigt eindeutig, dass der Verein 'S' kein bloßer Lieferant ist, sondern wie ein Arbeitgeber agiert, der für seine Verkäufer auch Sondervereinbarungen mit den Wiener Linien abgeschlossen hat. Auch das spricht für die arbeitnehmerähnliche Tätigkeit der 'A'-Verkäufer.
Im Lichte des Hintergrundes der 'A'-Verkäufer (Obdachlose, Arbeitslose, Alkoholkranke, Drogenabhängige ...) ist auch die freie Wahl des Verkaufsortes und der Verkaufszeit zu sehen. Bemerkt wird hierzu, dass die 'Lieferanten' sonst bei Personen, die sich ihre Ware vom Lieferanten selbst abholen (wie z.B. bei einem Greißler, der seine Waren vom Großmarkt oder von einem Abholmarkt bezieht), meist überhaupt nicht wissen, wo der Kunde seinen Verkaufsplatz/sein Geschäft hat und wie er heißt. Dem Verein 'S' ist aber der Name der 'A'-Verkäufer immer bekannt (auch wenn der angegebene Name nicht überprüft wird). Auch der Standort jener 'A'-Verkäufer, die ihren Verkauf nicht ambulant im Umherziehen ausüben, ist dem Verein 'S' meist sehr wohl bekannt, zumal die vom BW erwähnten Stichproben sonst gar nicht möglich wären. Auch dies spricht für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit der 'A'-Verkäufer.
Schließlich hat der BW vor dem UVS Wien auch ausgeführt, dass der Verein mit dem betroffenen Personenkreis eher persönliche Kontakte halten will und dass jene Personen, die überhaupt über keine Postadresse verfügen, sogar die Adresse des Vereines als Postadresse angeben dürfen (Bl. 31, fünfter Absatz des UVS-Aktes). Auch dieser sehr enge persönliche Kontakt, der jedenfalls weit über das Geschäftliche hinausgeht (was aber absolut im Sinne des Vereinszwecks ist!) lässt eindeutig auf eine arbeitnehmerähnliche Stellung der 'A'-Verkäufer schließen.
Die in Punkt 10. der 'Verkaufsbedingungen' enthaltenen Ausführungen stellen, wie schon erwähnt, im Hinblick auf die Klientel des Vereins 'S', aus der sich die 'A'-Verkäufer rekrutieren, besonders erforderliche persönliche Verhaltensanweisungen dar. Dass ein Lieferant seinem selbständigen Abnehmer vorschreibt, seine Ware nüchtern und ohne Einwirkung von Drogen zu verkaufen, wäre in höchstem Maße ungewöhnlich und widerspricht den Erfahrungen des täglichen Lebens. Solche Verhaltensweisen werden vielmehr üblicherweise Arbeitnehmern vorgeschrieben. Diese vorgeschriebenen Verhaltensweisen sprechen daher wiederum für eine arbeitnehmerähnliche Stellung der 'A'-Verkäufer.
Der BW hat dazu vor dem UVS Wien auch ausgeführt, dass der Verein 'S' üblicherweise durch Dritte (die sich gestört fühlen), aber auch durch Stichproben seiner Sozialarbeiter, welche die jeweiligen Standorte der 'A'-Verkäufer aufsuchen, von einem derartigen störenden Verhalten der 'A'-Verkäufer erfährt (Bl. 33, viertletzter Absatz des UVS-Aktes). Dass Arbeitnehmer eines Lieferanten einen selbständigen Kunden stichprobenartig bezüglich seines Verhaltens kontrollieren, ist unüblich. Dass die Sozialarbeiter des Vereins 'S' die 'A'-Verkäufer stichprobenartig überprüfen, spricht daher ebenfalls für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit der 'A'-Verkäufer.
Der BW hat auch dargelegt, dass ein 'A'-Verkäufer, der sich massiv rufschädigend verhält, zur Rede gestellt wird und auch mit Sanktionen zu rechnen hat, z.B. würden ihm eine bestimmte Zeit lang oder überhaupt nicht mehr Zeitungen verkauft werden (Bl. 34, letzter Absatz des UVS-Aktes).
Die Vorschreibung der persönlichen Verhaltensweisen gemäß Punkt 10. der 'Verkaufsbedingungen', die Stichproben der Sozialarbeiter und die möglichen Konsequenzen sprechen jedenfalls für eine arbeitnehmerähnliche Stellung der 'A'-Verkäufer.
Durch das in Punkt 11. der 'Verkaufsbedingungen' festgeschriebene Konkurrenzverbot (das der BW vor dem UVS Wien noch näher erläutert hat, indem er das Verbot für die 'A'- Verkäufer, kommerzielle Zeitungen zu verkaufen, wiederholte und angab, bei nicht kommerziellen Zeitungen wie dem 'U' würde ein Auge zugedrückt werden) ist der 'A'-Verkäufer vom Verein 'S' sehr stark abhängig. Auch das spricht für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis.
Auch dass ein 'A'-Verkäufer beim Verein 'S' nur maximal bis zu 50 Zeitungen auf einmal erwerben kann, wie der BW vor dem UVS Wien ausgesagt hat (Bl. 31, vorletzter Abs. und Bl. 35, 5. Abs. des UVS-Aktes), zeigt, dass ein 'A'-Verkäufer auch hinsichtlich der 'Ankaufsmenge' der Zeitungen keine freie Entscheidungsmöglichkeit hat, sondern vom Verein abhängig ist.
4.4. Ergebnis: Aus all diesen Erwägungen heraus sieht der UVS Wien die Tätigkeit eines 'A'-Verkäufers nicht als Tätigkeit eines Selbständigen, sondern als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit an.
Die dem BW im Straferkenntnis angelastete Tat war daher als erwiesen anzusehen, weswegen das Straferkenntnis in der Schuldfrage zu bestätigen war."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 2 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der zur Tatzeit geltenden
Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, lautet auszugsweise:
"...
(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung
a)
in einem Arbeitsverhältnis,
b)
in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird,
c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,
d)
nach den Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988."
1) Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausführt, ist der Begriff der Beschäftigung - soweit dies im Beschwerdefall in Betracht kommt - durch § 2 Abs. 2 AuslBG unter anderem in der Weise bestimmt, dass die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis oder in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis als Beschäftigung gilt. Maßgebend für diese Einordnung in den genannten Beschäftigungsbegriff ist, dass die festgestellte Tätigkeit in persönlicher bzw. wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeübt wird. Als (der Bewilligungspflicht unterworfenes) Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. ist unter anderem auch eine kurzfristige oder aushilfsweise Beschäftigung anzusehen. Das Tatbestandselement der Beschäftigung ist ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit zu beurteilen. Liegt eine Verwendung (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG) in einem Abhängigkeitsverhältnis vor, das typischerweise den Inhalt eines Arbeitsverhältnisses oder arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses bildet, ist von einer der Bewilligungspflicht nach dem AuslBG unterworfenen Beschäftigung auszugehen. Auf eine zivilrechtliche Betrachtung, ob überhaupt ein Arbeitsvertrag zustande kam, ob diesem (etwa im Hinblick auf § 879 ABGB oder mangels einer rechtsgeschäftlichen Willensübereinstimmung) Mängel anhaften, oder welche vertragliche Bezeichnung die Vertragsparteien der Tätigkeit gegeben haben, kommt es hingegen nicht an (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2000/09/0190, mwN.).
Wie belangte Behörde und Beschwerdeführer übereinstimmend erkennen, müssen bei der Beurteilung, ob ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis vorliegt, grundsätzlich nicht alle Kriterien, welche möglicherweise zur Bestimmung der wirtschaftlichen Unselbständigkeit relevant sein könnten, verwirklicht sein; sie müssen in einer Gesamtbetrachtung nach Zahl, Stärke und Gewicht bewertet werden, wobei die Bewertung nach den Regeln des "beweglichen Systems" erfolgt, in dem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Tatbestandsmerkmale zueinander derart in eine Beziehung zu setzen ist, dass man berücksichtigt, dass eine Art von wechselseitiger Kompensation der einzelnen Gewichte vorgenommen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. August 2001, Zl. 2001/09/0053).
2) Zu den Verfahrensrügen: Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe die Zeugen I, H und R nicht einvernommen. Wie die belangte Behörde richtig ausführt, sind die Umstände der Betretung des I unbestritten, sodass sich diesbezüglich eine Einvernahme der Zeugen erübrigt. Insoweit die Einvernahme des Zeugen H zu der vom Beschwerdeführer vorgebrachten subjektiven Auslegung der von ihm im Verfahren vorgelegten "Verkaufsbedingungen des Vereins S ", mit denen sich ein potentieller Verkäufer der Zeitschrift A einverstanden erklären musste, gefordert wird, übersieht er, dass die belangte Behörde ohnehin von der Glaubwürdigkeit der u.a. auch zur "Auslegung" der Verkaufsbedingungen erstatteten niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, der als Obmann und zur Vertretung nach außen Berufener des Vereins jene Person ist, die über den Vereinswillen am ehesten Auskunft zu erteilen imstande ist, ausgegangen ist und der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, dass der Zeuge H entgegen den Aussagen des Beschwerdeführers eine andere Auslegung darstellen würde. Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers darauf, dass der jeweilige Sozialarbeiter (zu denen die Zeugen H und R zählen) die einzelnen Punkte der Verkaufsbedingungen mit dem potentiellen Verkäufer "bespricht", lässt sich nicht ableiten, dass entgegen dem Wortlaut (und der eigenen Aussage des Beschwerdeführers) anderes gewollt war als in den Verkaufsbedingungen geschrieben stand, es sich somit um einen "Scheinvertrag" handeln könnte. Außerdem zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, welche konkreten Sachverhalte, die nicht dem von der belangten Behörde festgestellten entsprächen, die Zeugen hätten aussagen sollen.
3) Zur rechtlichen Qualifikation:
Gemäß Punkt 9. der Verkaufsbedingungen ist der Verkäufer gar nicht verpflichtet, die übernommenen Zeitungen zu verkaufen oder zum Verkauf anzubieten. Dass dieser Punkt tatsächlich anders gelebt worden wäre, kommt aus keinem Beweisergebnis hervor und wird von der belangten Behörde auch nicht "bezweifelt". Die belangte Behörde argumentiert mit dem Vereinszweck, der Klientel solle ein "sanfter" Einstieg angeboten werden, bei dem "eben keine Mindestverkaufsmengen vorgeschrieben werden können". Eine Mindestverkaufsmenge würde den anzusprechenden Personenkreis "eher abschrecken" und vom Versuch, als Verkäufer der Zeitschrift A tätig zu sein und sich auf diese Weise wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern, abhalten.
An dieser Stelle bricht die belangte Behörde aber ab, so dass nicht klar wird, ob sie mit ihren Ausführungen meint, es läge entgegen Punkt 9. doch eine (versteckte) Arbeitspflicht vor. Die Satzung spricht in ihrem Punkt 2.1 von der "Ermöglichung von Eigeninitiative" im Zusammenhang mit der "Förderung und Reintegration von Obdachlosen in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt". Den Gedanken der belangten Behörde zu Ende führend bedeutet dies aber, dass den Verkaufsbedingungen möglichst jeder Zwang zu einer Arbeitsleistung fremd sein soll, um einen Wiedereinstieg von Obdachlosen in den Arbeitsmarkt durch deren eigeninitiatives Handeln zu fördern. Es soll damit tatsächlich im alleinigen Entschluss der potentiellen Verkäufer liegen, ob sie die erworbenen Zeitschriftenexemplare etwa überhaupt zum Verkauf anbieten oder allenfalls gegen Retournierung des Ankaufspreises an den Verein zurückgeben. Der einzige Anreiz zum Weiterverkauf liegt darin, jenen Betrag, den sie für den Ankauf der Zeitschriften beim Verein investiert haben, gewinnbringend zu vermehren.
Fehlt es aber an einer Verpflichtung, dem Verein S Arbeitsleistungen zu erbringen, so ist dies ein besonders schwer wiegendes, gegen die von der belangten Behörde angenommene Arbeitnehmerähnlichkeit sprechendes Indiz. Im gegenständlichen Fall kann schon deshalb kein arbeitnehmerähnliches Verhältnis angenommen werden. Im Falle, dass der potentielle Verkäufer die von ihm beim Verein angekauften Zeitschriften nicht weiterverkauft und auch nicht zurückbringt (sondern verschenkt, anderweitig verwendet, etc.), läge ein Kauf vor.
Im Übrigen würde - unter Betrachtung der für den Fall, dass die Erwerber der Zeitschriften diese weiter verkaufen wollten, in den Verkaufsbedingungen enthaltenen Bedingungen, denen die tatsächlichen Gegebenheiten nicht widersprechen - die Gestaltungsfreiheit des Verkäufers nicht so weit eingeengt, dass von einem Überwiegen der für die Annahme eines arbeitnehmerähnlichen Verhältnisses sprechenden Merkmale ausgegangen werden müsste.
Nach Punkt 8. der Verkaufsbedingungen darf der Verkäufer Ort und Zeit des Verkaufs frei wählen, es besteht damit keine Einschränkung der Gestaltung der eigentlichen Verkaufstätigkeiten. Die "Empfehlung" von Standplätzen widerspricht dem schon deshalb nicht, weil vom Verein keine "Standplatzlisten" geführt werden.
Eine zwischen dem Verein und dem potentiellen Verkauf vereinbarte Regelmäßigkeit und längere Dauer der Tätigkeit ist nicht hervorgekommen, es steht im Belieben des potentiellen Verkäufers, wie oft er Zeitschriften beim Verein ankauft und zum Weiterverkauf anbietet. Es existiert auch keine Berichterstattungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Verein.
Hinsichtlich der in Punkt 6. der Verkaufsbedingungen angesprochenen Versteuerung der Einkünfte als persönliche Angelegenheit des Verkäufers ist im Verwaltungsverfahren nicht hervorgekommen, dass es sich dabei um eine Scheinbestimmung handle. Zwar ist mit der belangten Behörde bei der Zielgruppe der Obdachlosen (die Verkaufsbedingungen enthalten aber keine Bestimmung, nach der "Nicht-Obdachlose" keine Zeitschrift beim Verein ankaufen dürften) eine gewisse Skepsis angebracht, ob diese Personen tatsächlich eine Selbstversteuerung vornehmen würden, allerdings ist daraus entgegen der Ansicht der belangten Behörde kein Indiz für eine Arbeitnehmerähnlichkeit zu gewinnen.
Eine (Mindest-)Verkaufsmenge ist nicht vorgeschrieben, nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens existiert eine Beschränkung der Höchstbezugsmenge (50 Stück auf einmal). Dies ist in Verbindung mit dem Hinweis in Punkt 5. der Verkaufsbedingungen auf Höchstzuverdienstgrenzen für Sozialhilfe-, Notstandshilfe- und Arbeitslosengeldbezieher und vor dem Vereinszweck dahingehend zu verstehen, dass lediglich ein geringfügiger Zuverdienst erzielt werden und so eine wirtschaftliche Abhängigkeit durch den Verkauf der Zeitschrift A gerade vermieden werden soll. Der empfohlene Mindestverkaufspreis ist dem gegenüber lediglich eine geringfügige Einschränkung der inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeit.
Die Verpflichtung, die Zeitungen "im nüchternen Zustand, ohne Einwirkung von Drogen und ohne jegliche Art von Nötigung" zu verkaufen, ist eine gesellschaftlich selbstverständliche Anordnung ohne relevante Einschränkung des Gestaltungsspielraumes des Verkäufers.
Das in Punkt 11. der Verkaufsbedingungen enthaltene Konkurrenzverbot ist im Hinblick auf die im Regelfall geringfügigen Verkaufsmengen und den Reintegrationszweck der Tätigkeit nahezu bedeutungslos. Zudem ist zu differenzieren, ob ein "echtes" Konkurrenzverbot, d.h. Verbot, gleichartige Tätigkeiten für in unmittelbarem Wettbewerb stehende Fremdunternehmer desselben Geschäftszweiges zu leisten, oder ein generelles Verbot von Nebentätigkeiten auch nicht konkurrenzierender Art vereinbart wurde. Im ersten Fall ist auf Grund der immanenten Interessenwahrungspflicht (= Treuepflicht) kein Indiz zur Abgrenzung zu gewinnen, denn diese Pflicht trifft den in persönlicher Abhängigkeit stehenden Arbeitnehmer genauso wie etwa den selbständig Gewerbetreibenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. August 2001, Zl. 2001/09/0053). Ein über ein "echtes" Konkurrenzverbot hinausgehendes Verbot liegt aber im gegenständlichen Fall nicht vor.
Die Verkäufer der Zeitschrift A sind (im Gegensatz zu dem im hg. Erkenntnis vom 13. Jänner 1995, Zl. 92/08/0213, behandelten Zeitungskolporteur) auch nicht mit einer werbewirksamen "Dienstkleidung" ausgerüstet.
Der vom Verein für den Verkäufer ausgestellte Lichtbildausweis, der den Verkäufer zum Verkauf der Zeitschrift A "legitimiert" (nach den Ausführungen des Beschwerdeführers dient er dazu, dass die Zeitschrift A mit Zustimmung der "Wiener Linien" auch in deren Bereichen, wie U-Bahn-Stationen angeboten werden dürfe), schließt zwar de facto die Möglichkeit aus, dass sich der Verkäufer durch eine nicht derart legitimierte Person vertreten lassen dürfte, und der Verkäufer trägt durch die Rückgabemöglichkeit kein Unternehmerrisiko, diese für Arbeitnehmerähnlichkeit sprechenden Merkmale sind aber in der Gesamtbetrachtung nicht entscheidend.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 15. Mai 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007090331.X00Im RIS seit
10.07.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013