Index
L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
SHG NÖ 2000 §47;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des Dr. MA in H, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 10. Jänner 2005, Zl. Senat-WB-04-2014, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 4. Dezember 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig gesprochen, er habe in der Zeit 1994 bis 19. November 2001 an einer näher umschriebenen Adresse acht namentlich bezeichnete Personen untergebracht und gepflegt, somit eine Sozialhilfeeinrichtung betrieben, obwohl er eine rechtskräftige Bewilligung gemäß § 50 ff Sozialhilfegesetz 2000 nicht besessen habe.
Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung nach § 74 Abs. 1 lit. a, § 50 Abs. 1 und § 51 Abs. 1 NÖ Sozialhilfegesetz 2000 (in der Folge: NÖ SHG), LGBl. Nr. 9200-0, begangen, weshalb über ihn gemäß § 74 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 74 Abs. 2 lit. a NÖ SHG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 2.180,-- verhängt wurde.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers mit der Maßgabe ab, dass der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses hinsichtlich des Tatzeitraumes zu lauten habe: "von 12. 12. 1994 bis 19. 11. 2001" und vor der namentlichen Nennung der pflegebedürftigen Personen der Ausdruck "insbesondere" eingefügt werde.
Soweit der Beschwerdeführer zunächst darauf hinweise, dass die Betreuung im Familienverband erfolgt sei, stehe dies der Annahme einer sozialen Einrichtung im Sinne des NÖ SHG nicht entgegen. Vielmehr sei nicht zu übersehen, dass - sehe man von den Anfängen der Einrichtung ab - jeweils völlig fremde Personen in das Haus des Beschwerdeführers aufgenommen worden seien (dies werde vor allem durch die Angaben der Zeugen H und S bestätigt).
Weiters bringe der Beschwerdeführer vor, dass insoweit keine soziale Einrichtung vorgelegen sei, als es sich lediglich um eine Wohngemeinschaft gehandelt hätte und die Versorgung durch die Bewohner selbst beziehungsweise deren Angehörige sichergestellt worden sei. Dem stünden freilich die Ergebnisse des Beweisverfahrens gegenüber, wobei insbesondere aus den Angaben der Zeugen H und S deutlich werde, dass die betreuten Personen zum Teil nicht mehr in der Lage gewesen seien, selbständig einen Haushalt zu führen, aber auch keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen seien, dass die Betreuung dieser von den genannten Zeugen untergebrachten Personen ausschließlich durch Angehörige anderer Personen beziehungsweise andere "Pflegebefohlene" erfolgt sei. Noch deutlicher ergebe sich dies aus den Angaben der Zeugin Sch, die gegenüber dem Finanzamt angegeben habe, nicht zu wissen, wer ihren Gatten pflege, doch würden Leistungen erbracht, die sie selbst nicht bewerkstelligen könnte, wie etwa das Wechseln der Windeln. Nicht übersehen werden könne aber auch, dass der Beschwerdeführer selbst und seine Gattin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor der Berufungsbehörde angegeben hätten, nötigenfalls selbst etwa durch Kochen oder durch die Durchführung von Besorgungen für die Bewohner tätig geworden zu sein. An der Annahme einer sozialen Einrichtung ändere es aber im Übrigen auch nichts, wenn die Bewohner - soweit es ihnen möglich sei - die eine oder andere Arbeit selbst verrichteten beziehungsweise eine durchgehende Betreuung nicht erforderlich gewesen sei. Ausschlaggebend sei vielmehr, dass eine solche Betreuung im Wesentlichen unverzüglich sichergestellt werden könne, wenn die betagte Person zur Verrichtung der einen oder anderen Arbeit nicht mehr in der Lage sei.
Schließlich sei zu betonen, dass der Annahme einer sozialen Einrichtung auch die Tatsache nicht entgegen stünde, dass die Dienste unentgeltlich angeboten würden, zumal die Entgeltlichkeit kein Wesensmerkmal der sozialen Einrichtung darstelle. Ob dies im konkreten Fall vorgelegen sei oder nicht, habe auf Grund der Tatsache, dass hinsichtlich der vom Beschwerdeführer verwalteten Gemeinschaftskassa keinerlei Aufzeichnungen vorlägen, nicht festgestellt werden können.
Im Ergebnis sei daher auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitraum eine soziale Einrichtung betrieben habe, ohne eine entsprechende behördliche Bewilligung zu besitzen.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
1.4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des NÖ Sozialhilfegesetzes 2000 - NÖ SHG, LGBl. Nr. 9200-0, lauteten auszugsweise:
"§ 47
Stationäre Dienste
(1) Stationäre Dienste sind Einrichtungen zur dauernden Unterbringung, Versorgung, aktivierenden Betreuung und Pflege überwiegend betagter Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie Menschen in außerordentlichen Notsituationen, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen und denen die notwendige Hilfe weder im familiären Bereich noch durch teilstationäre oder ambulante Dienste ausreichend oder zufrieden stellend geboten wird (werden kann).
(2) Stationäre Dienste umfassen:
1. Pensionisten- und Pflegeheime,
2. Pflegeeinheiten (für 5 bis 12 pflegebedürftige
Menschen) und Pflegeplätze (für 1 bis 5 pflegebedürftige Menschen),
3. Wohnhäuser und Wohnformen für Menschen mit
besonderen Bedürfnissen (§ 24),
4. Rehabilitationseinrichtungen für Menschen mit
besonderen Bedürfnissen (§ 24),
5. Wohnhäuser für Menschen in außerordentlichen
Notsituationen.
...
§ 50
Errichtungsbewilligung
(1) Die Bewilligung zur Errichtung einer teilstationären oder stationären Einrichtung ist über Antrag des Bewilligungswerbers zu erteilen, wenn
1. die bauliche und ausstattungsmäßige Planung der Anlage des Gebäudes, allenfalls unter Auflagen (bezogen auf die jeweiligen besonderen Erfordernisse und die Anzahl der zu betreuenden Personen), die Durchführung einer fachgerechten Sozialhilfe zulässt,
2. ...
§ 51
Betriebsbewilligung
(1) Die Bewilligung zum Betrieb einer teilstationären oder stationären Einrichtung ist über Antrag des Bewilligungswerbers zu erteilen, wenn
...
§ 74
Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht,
a) wer eine Sozialhilfeeinrichtung ohne rechtskräftige Bewilligung gemäß §§ 50ff betreibt
...
(2) Verwaltungsübertretungen sind mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu ahnden, wenn das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
§ 74 Abs. 2 NÖ SHG idF LGBl. Nr. 9200-1 lautet:
"Verwaltungsübertretungen
a) nach Abs. 1 lit. a, b und d sind mit einer Geldstrafe bis zu EUR 20.000,-,
...
wenn das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
Die maßgeblichen Vorgängerbestimmungen des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes - NÖ SHG (in der Folge NÖ SHG 1974), LGBl. Nr. 9200-0, ausgegeben am 21. Mai 1974 (§ 49 idF LGBl. Nr. 9200-8, § 66 idF LGBl. Nr. 9200-5), lauteten:
"§ 49
Bewilligung von Sozialhilfeeinrichtungen
(1) Sozialhilfeeinrichtungen mit Ausnahme der landeseigenen Sozialhilfeeinrichtungen und der sozialen Dienste gemäß § 45 Abs. 3 bedürfen zu ihrem Betrieb einer Bewilligung.
...
§ 66
Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht,
a) wer eine Sozialhilfeeinrichtung ohne rechtskräftige Bewilligung gemäß § 49 betreibt.
...
(2) Verwaltungsübertretungen sind mit einer Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu ahnden, wenn das Verhalten nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."
2.2. Zu dem Beschwerdevorbringen ist zunächst Folgendes auszuführen:
Soweit in der Beschwerde auf die §§ 2, 25 und 44 NÖ SHG Bezug genommen wird, genügt es darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen in keinem Zusammenhang mit der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung stehen.
2.3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde der Tatzeitraum von der belangten Behörde (allerdings ohne nähere Begründung) präzise mit "12. 12. 1994 bis 19. 11. 2001" eingegrenzt. Gegen diese Eingrenzung erstattete der Beschwerdeführer auch kein substanziiertes Vorbringen, sondern beschränkt sich die Beschwerde auf den Hinweis, dass anfänglich nur Familienmitglieder aufgenommen worden seien. Dem steht jedoch die Aussage des in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vernommen Zeugen H entgegen, wonach seine Tante, die mit dem Beschwerdeführer und seiner Familie in keinerlei Verwandtschaftsverhältnis stehe, seit 1993 im Haus des Beschwerdeführers Aufnahme gefunden habe. Es wurde somit durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls erst ein Tatzeitraum erfasst, zu dem familienfremde Personen in der in Rede stehenden Einrichtung untergebracht wurden.
2.4. Bezüglich des vom Beschwerdeführer gerügten Unterbleibens von Zeugeneinvernahmen ist festzuhalten, dass bis zur Anberaumung der mündlichen Verhandlung keine ladungsfähigen Adressen der ausländischen Zeugen bekannt gegeben wurden. Der Beschwerdeführer war von der belangten Behörde aufgefordert worden, diese Zeugen stellig zu machen, ist dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen.
Im Übrigen zeigt der Beschwerdeführer aber auch nicht auf, inwieweit die unterbliebene Einvernahme der von ihm angegebenen Zeugen für das Ergebnis des angefochtenen Bescheides relevant sein könnte (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2001/09/0075), zumal die Feststellungen der belangten Behörde, dass eine Sozialeinrichtung vorliege, nicht auf dem Umstand der Betreuung dieser Zeugen beruhen. Die vom Beschwerdeführer angegebenen Beweisthemen (Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit der Unterbringung beziehungsweise nähere Umstände der "Unterbringung" dieser Zeugen) sind somit für den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens insofern unerheblich, als die näheren Umstände der Unterbringung dieser Zeugen nicht streitentscheidend sind.
Die Einvernahme des Zeugen Martin G schließlich wurde erst in der mündlichen Verhandlung und dort nur zu dem - unerheblichen - Beweisthema der Unentgeltlichkeit/Entgeltlichkeit der Unterbringung der betreuten Personen beantragt.
2.5. Auch die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch die Verwendung der Aussage der nicht in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugin Sch kann nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen, da die belangte Behörde in Anbetracht der übrigen Ermittlungsergebnisse zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis kommen hätte können. Selbst bei Nichtberücksichtigung der Aussage der Zeugin Sch. hätte sich auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse ergeben, dass es sich bei der gegenständlichen Einrichtung nicht lediglich um eine Wohngemeinschaft gehandelt hat und die Versorgung nicht durch die Bewohner selbst beziehungsweise deren Angehörige sichergestellt wurde (vgl. zur erforderlichen Relevanz bei Verfahrensmängeln hinsichtlich der Unmittelbarkeit des Verfahrens das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 15. September 2004, Zl. 2001/09/0075).
2.6. Inwiefern eine allfällige Befangenheit eines bestimmten Mitarbeiters der Strafbehörde erster Instanz für die Beurteilung des rechtmäßigen Zustandekommens des angefochtenen Bescheides von Bedeutung sein könnte, legt die Beschwerde nicht dar und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, inwiefern in diesem Zusammenhang der angefochtene Bescheid an einem Verfahrensmangel leiden sollte.
2.7. Auf die Ausführungen in der Beschwerde, es hätte dem Beschwerdeführer bezüglich eines Formfehlers der von ihm eingebrachten Berufung ein Verbesserungsauftrag erteilt werden müssen, ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil sich an den angesprochenen Formfehler keinerlei Rechtsfolgen knüpften.
2.8. Es kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie auf der Grundlage der von ihr erhobenen umfangreichen Beweise feststellte, dass im Beschwerdefall eine nach § 47 in Verbindung mit § 51 NÖ SHG bewilligungspflichtige Sozialhilfeeinrichtung pflegebedürftiger Personen und keine (bloße) "familiäre Wohngemeinschaft" einander gegenseitig helfender Personen vorlag. Die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 74 Abs. 1 lit. a NÖ SHG begegnet insofern keinen Bedenken.
2.9. Die Beschwerde zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
2.10. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 21. Mai 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005100040.X00Im RIS seit
03.08.2008Zuletzt aktualisiert am
11.08.2008