TE Vwgh Erkenntnis 2008/5/27 2005/05/0322

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Veröffentlicht am 27.05.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
VVG §4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des A, vertreten durch den Sachwalter T, dieser vertreten durch Mag. Josef Koller-Mitterweissacher, Rechtsanwalt in 4320 Perg, Herrenstraße 9, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 23. Juni 2005, Zl. BauR- 012842/10-2005-See/Ein, betreffend Kostenvorschreibung nach § 11 VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seinem in der Sache ergangenen Vorerkenntnis vom 14. Dezember 2004, Zl. 2002/05/0244, ging der Verwaltungsgerichtshof von folgendem Sachverhalt aus:

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Grundstücke Nr. 98, KG Sonnberg, mit einem darauf befindlichen Mühlengebäude, und Nr. 99, KG Sonnberg, mit einem Wohn- und Wirtschaftsgebäude (Sonnberg, Sturmweg 17).

Mit Bescheid vom 5. Oktober 2000 trug der Bürgermeister der Gemeinde Sonnberg i.M. dem Beschwerdeführer (zu Handen seines Sachwalters) auf (Spruchpunkt I.), das Mühlengebäude bis 30. November 2000 zur Gänze bis zur Erdgleiche abzutragen und (Spruchpunkt IV.; neben anderen Aufträgen) das Wohn- und Wirtschaftsgebäude sowie die nähere Umgebung von jeglichem Unrat zu reinigen bzw. zu räumen und die Abfälle auf geeigneten und genehmigten Deponien zu entsorgen.

Mangels Erfüllung des Auftrages drohte die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung (BH) mit Schreiben vom 16. Jänner 2001 die Ersatzvornahme an. Über Anfrage der BH legte der Bauunternehmer P. bezüglich des Abbruchs des Mühlengebäudes ein Anbot, lautend auf S 210.324,--brutto.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2001 ordnete die BH in Anwendung des § 4 VVG die Ersatzvornahme an. Im Spruch dieses Bescheides sind als auferlegte Verpflichtungen die Abtragung des Mühlengebäudes, die Instandsetzung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes und die Reinigung und Räumung des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes genannt. Dieser Bescheid wurde am 15. Mai 2001 vom Sachwalter übernommen. Auf der Urschrift des Bescheides findet sich eine handschriftliche Notiz (offenbar des Sachbearbeiters der BH), wonach die Abbruch- und Räumungsarbeiten am 28. Mai 2001 begonnen und im Juni 2001 beendet worden seien.

Das Bauunternehmen P. legte dazu zwei Rechnungen vom 23. Juni 2001 vor. Die den Abbruch betreffende Rechnung nennt als Leistungszeitraum 28. Mai bis 8. Juni 2001, verweist ohne weitere Detaillierung auf das Anbot und lautet auf S 210.324,--. Bei der zweiten Rechnung mit einer Bruttosumme von S 127.248,-- wird auf einen Leistungszeitraum vom 5. bis 8. Juni 2001 verwiesen; die dortigen Positionen beinhalten Containerentleerungen, Sperrmüllentsorgungsgebühr, 35 Vorarbeiterstunden a S 460,-- und 70 Facharbeiterstunden a S 430,-- sowie jeweils 10 % Schmutzzulage. Bezüglich der Containerentleerungen wurden 4 Wiegezettel mit einer Summe von 16.800 kg vorgelegt. Unter Bezugnahme auf diese beiden Rechnungen richtete die BH ihren Kostenbescheid vom 8. September 2000 (richtig wohl: 2001) an den Sachwalter mit einer Gesamtforderung von S 337.572,--.

Die belangte Behörde wies die dagegen erstattete Berufung des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 3 September 2001 als unbegründet ab. Sie sah die vorgeschriebenen Kosten nicht als unverhältnismäßig hoch an. Es lägen im Akt zwei detaillierte Rechnungen der Bauunternehmung P.; die die Räumung des Wohngebäudes betreffende Rechnung sei mit Wägescheinen sowie einem genauen Arbeitsstundenbericht für einen Vorarbeiter und zwei Facharbeiter versehen, wobei der Stundenbericht vom Sachwalter unterfertigt und damit genehmigt worden sei. Das vom Sachwalter eingeholte Anbot des Unternehmens K., welches der Vollstreckungsbehörde erst "später" vorgelegt worden sei, laute unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer auf S 368.100,-- und liege damit höher als der vorgeschriebene Betrag.

Mit dem eingangs genannten Erkenntnis hob der Verwaltungsgerichtshof den vom Beschwerdeführer angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Dem Verwaltungsgerichtshof erschien die Feststellung, die Kosten seien nicht unangemessen hoch, auf Grund der tatsächlich herangezogenen Beweismittel nicht ohne Weiteres nachvollziehbar. Aufklärungsbedürftig erschien, warum nur vier Wägescheine für Containertransporte vorgelegt wurden, die allesamt der zweiten Rechnung bezüglich des Wohngebäudes zugeordnet wurden; auch bezüglich der den Abbruch betreffenden Rechnung müssten solche Wägescheine vorhanden sein, wenn nicht die vorgelegten vier Wägescheine auch Leistungen enthielten, die dem Abbruch laut Anbot vom 12. März 2001 zuzuordnen waren. Abgesehen von der vom Beschwerdeführer in nicht unschlüssiger Weise aufgeworfenen Frage, ob für derartige Räumungsarbeiten ausschließlich Vor- und Facharbeiter eingesetzt würden, ließ sich nicht eindeutig entnehmen, dass die dort aufgelisteten 35 bzw. 70 Stunden zwischen dem 5. und dem 8. Juni 2001 ausschließlich der Rechnung über die Gebäuderäumung zuzuordnen wären. Beim Stundenbericht fiel auf, dass nur bei den Stunden des Vorarbeiters die Anmerkung "Ausräumen des Hauses" enthalten war. Gerade weil ein Teil der Arbeitsleistungen auf Grund einer Pauschalvereinbarung, der andere aber auf Grund tatsächlich erbrachter Einzelleistungen verrechnet wurde, wäre es unerlässlich gewesen, zumindest durch eine Einvernahme des Bauunternehmers P. eine klare Zuordnung herbei zu führen.

Dementsprechend wurde im 2. Rechtsgang das Ermittlungsverfahren ergänzt. Baumeister P. wurde einvernommen, er legte eine Kostenaufstellung bezüglich des pauschal verrechneten Abbruchs des Mühlengebäudes vor. Sie enthält andere Stundenberichte (vom 28. Mai bis 1. Juni und vom 5. Juni 2001) sowie Fremdrechnungen unter anderem für Containerentleerungen, die dem Verwaltungsgerichtshof anlässlich des Vorerkenntnisses nicht vorgelegt worden waren. Nach Vorhalt des Beweisergebnisses an den Beschwerdeführer wurde Baumeister P. neuerlich befragt; er gab an, dass er diese Personen für die durchgeführten Arbeiten ständig beschäftigt habe, und diese mitunter auch nicht fachmännische Arbeiten verrichten mussten. Er könne es sich nicht leisten, weitere Arbeiter einzustellen, die jeweils nur die ihrer Befähigung entsprechenden Arbeiten verrichteten. Für die betreffenden Arbeiten seien sowohl fachmännische als auch einfache Arbeiten erforderlich gewesen. Eine detaillierte Einteilung und Beiziehung von zusätzlichen Arbeitern nach jeweils erforderlichem fachlichen Können sei für die Größe seines Betriebes jedenfalls unwirtschaftlich und daher auch nicht zumutbar. Auch in anderen Betrieben seiner Größe sei das nicht üblich. Die für die betreffenden Arbeiten beigezogenen Personen hätten aber jedenfalls die in der Kostenzusammenstellung bezeichneten Qualifikationen und seien insofern die für sie verrechneten Stundensätze auch nicht überhöht.

Dazu äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass ein Sachverständiger zur Notwendigkeit des Einsatzes von Fach- und Vorarbeitern bei Abbrucharbeiten- und Ausräumarbeiten Stellung nehmen müsse.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung neuerlich als unbegründet ab.

Es sei mit der ergänzenden Vorlage der Kostenzusammenstellung für die Abtragung des Mühlengebäudes sowie die dazu beigefügten Einzelrechnungen und den dazu abgegebenen Äußerungen von Baumeister P. für die belangte Behörde nunmehr als ausreichend nachgewiesen, dass die betreffenden Kosten tatsächlich entstanden seien. Es stehe außer Zweifel, dass die durchgeführten Arbeiten von den in der Kostenaufstellung genannten Personen auch verrichtet worden seien. Diese hätten die angegebene fachliche Qualifikation und wären entsprechend dieser entlohnt worden. Auf Grund der Größe des herangezogenen Unternehmens müssten nichtfachmännische Tätigkeiten auch von Facharbeitern erfüllt werden. Eine weitere Abklärung sei somit entbehrlich gewesen.

In seiner dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht darauf verletzt, nicht entgegen den Bestimmungen des VVG zur Bezahlung von Ersatzvornahmekosten verpflichtet zu werden. Dazu brachte er vor, der Verpflichtete müsse nur angemessene, mit der Ersatzvornahme verbundene Kosten tragen. Auf Grund des Umstandes, dass nunmehr eine Zuordnung der Kosten erfolgt sei und nach Ansicht der belangten Behörde diese auch tatsächlich entstanden seien bzw. ausreichend aufgeschlüsselt und nachgewiesen seien, sei die belangte Behörde nicht von einer Angemessenheitsprüfung entbunden. Auch dann, wenn der Verpflichtete das Risiko erhöhter Aufwendungen tragen müsse, müsse er nicht Kosten in jeder Höhe übernehmen. Da die belangte Behörde auf die Sacheinwendungen des Beschwerdeführers nicht reagiert habe und die beantragten Beweise, insbesondere ein Sachverständigengutachten, nicht aufgenommen habe, habe sie den Beschwerdeführer um die Möglichkeit des Nachweises der Unangemessenheit der Ersatzvornahmekosten gebracht. Insbesondere hätte geprüft werden müssen, ob der Einsatz von Vor- und Facharbeitern für reine Ausräum-, Abbruch- und Schuttabtransportarbeiten angemessen gewesen sei, zumal es sich dabei um Tätigkeiten gehandelt habe, die durch Hilfsarbeiter erledigt werden könnten. Mangels Fachwissens der Behörde hätte dazu ein Sachverständigenbeweis geführt werden müssen.

Der Beschwerdeführer beantragt daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bezüglich der Voraussetzungen der hier erfolgten Auferlegung von Vollstreckungskosten sowie des Umfanges der diesbezüglichen Prüfpflicht der Behörde wie auch der Mitwirkungspflicht des Verpflichteten sei unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die entsprechenden Darlegungen im Vorerkenntnis verwiesen. Im zweiten Rechtsgang wurde bezüglich der behaupteten Unangemessenheit insbesondere die geforderte Zuordnung zu den beiden vom Werkunternehmer gelegten Rechnungen nachvollziehbar vorgenommen.

Aufklärungsbedürftig hielt der Verwaltungsgerichtshof auch die Frage, ob bezüglich der Räumungsarbeiten der Einsatz eines Vorarbeiters und von zwei Fachkräften, ohne Beiziehung von Hilfskräften, nicht unangemessen hohe Kosten verursachen kann.

Im fortgesetzten Ermittlungsverfahren hat sich nun nicht etwa ergeben, dass besondere technische Schwierigkeiten den Einsatz ausschließlich von Fachkräften erforderlich gemacht hätten. Dieser Einsatz war vielmehr durch Umstände bedingt, die ausschließlich der Sphäre des Werkunternehmers zuzuordnen sind: Als Kleinunternehmer beschäftigt er keine Hilfs-, sondern nur Vor- und Facharbeiter. Damit ist aber weder die (objektive) Erforderlichkeit der Beiziehung derartig qualifizierter Kräfte, noch die Frage geklärt, ob durch deren Beiziehung unangemessen hohe Kosten entstanden sind.

Im Vorerkenntnis wurde für das fortgesetzte Verfahren "zumindest" die Einvernahme des Werkunternehmers gefordert; diese Einvernahme hat aber eine Klärung der Notwendigkeit der Beiziehung von Fachkräften nicht erbracht. Sind Fachfragen zu beantworten, sind die Organwalter der Behörde verpflichtet Sachverständige beizuziehen, wenn sie nicht selbst über das erforderliche Fachwissen verfügen; dies ergibt sich schon aus dem Grundsatz der materiellen Wahrheit (Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 570). Da sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass die belangte Behörde über das nötige Fachwissen zur Beurteilung der Unangemessenheit der Kosten der Ersatzvornahme verfügt, hätte sie zur Klärung dieser Frage ein Sachverständigengutachten einholen müssen.

Jedenfalls hat die belangte Behörde durch die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens Verfahrenvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung ein anderer Bescheid nicht auszuschließen gewesen wäre. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Mai 2008

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitVerfahrensbestimmungen Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005050322.X00

Im RIS seit

10.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

16.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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