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16 MedienrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags eines Medienunternehmens auf Aufhebung einer Werbebeschränkung für Printmedien im Österreichischen Rundfunk mangels Legitimation; offenkundiger Irrtum bei Formulierung des Antragsbegehrens kein Zurückweisungsgrund; inhaltlich gleichgerichtete Beschwerde jedoch bereits anhängig; keine Doppelgleisigkeit des RechtsschutzesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1.1. Mit ihrem auf Art140 B-VG gestützten Antrag begehrt die Antragstellerin, "§13 Abs8 erster und/oder zweiter Satz Rundfunkgesetz in der Fassung BGBl. I 2001/32 als verfassungswidrig aufzuheben".
1.2. Die Antragstellerin ist eine österreichische GmbH, die als Medieninhaberin periodische Druckwerke vertreibt und diese - wie im Antrag vorgebracht wird - im Österreichischen Rundfunk (im folgenden: ORF) bewirbt.
Am 15. Jänner 2002 richtete sie an den ORF, zu Handen des kaufmännischen Direktors, nachstehendes Schreiben:
"Wir haben das beiliegende Schreiben der ORF ENTERPRISE GmbH&CoKG vom 6.12.2001 betreffend der Werbebuchungen für unsere Printmedien für das Jahr 2002 erhalten.
Abweichend von dem in diesem Schreiben angeführten Vorschlag ersuchen wir ausdrücklich, die Zuteilung von Werbezeiten an uns zu nachfolgend angeführten Bedingungen vorzunehmen:
a) Werbung im Fernsehen für periodische Druckwerke wird auch auf die Inhalte der Printmedien und nicht nur auf den Titel und die Blattlinie hinweisen dürfen.
b) Wie in unserem Schreiben vom 25. Oktober 2001 bereits angeführt, begehren wir für das Jahr 2002 für die beiden Verlagsmedien 'News' und 'Woman' eine Sendezeit, welche pro Medium 624 Spots zu je 10 Sekunden, sohin insgesamt 1248 Spots für diese beiden Produkte, umfaßt - auch soweit sie mehr als zwei Minuten der gesamten wöchentlichen Printwerbezeit des ORF beträgt (innerhalb der 42-Minuten-Gesamtwerbezeit pro Tag finden unsere Wünsche, wie Sie uns wissen ließen, jedenfalls Deckung). Die konkreten Details unserer Buchungswünsche konnten Sie bereits den übermittelten Buchungsunterlagen vom 25.10.2001 entnehmen. Sollten Sie diesen beiden Verlangen aufgrund der Gesetzeslage nicht Rechnung tragen können, ersuchen wir höflich um Nachricht ..."
Der ORF antwortete mit Schreiben vom 21. Jänner 2002:
"Wir kommen zurück auf Ihr Schreiben vom 15.1.2002 und müssen Ihnen dazu leider mitteilen, dass Fernsehwerbung für periodische Druckwerke in den Programmen des ORF gemäß §13 Abs8 Satz 1 ORF-G nur auf den Titel (Namen des Druckwerks) und die Blattlinie, nicht aber auf deren Inhalt hinweisen darf. Der von Ihnen gewünschten Bewerbung der Inhalte Ihrer Printmedien steht der klare Wortlaut des ORF-G entgegen, diese kann daher vom ORF nicht vorgenommen werden. Das Inhaltswerbeverbot ist nach dem Wortsinn und dem Zweck der Norm auch dahin zu verstehen, dass die Einblendung von Schlagzeilen auf der Titelseite, die Inhalte des jeweiligen Druckwerks in Kurzform beschreiben, verboten ist.
In Bezug auf das Werbevolumen können wir Ihnen auf Grund der quantitativen Beschränkung der Printtitel-Werbezeit auf 2 Minuten pro Woche und der Verpflichtung zur Vergabe dieser Sendezeiten zu gleichen nichtdiskriminierenden Bedingungen (§13 Abs8 Satz 2 und 3 ORF-G) lediglich einen aliquoten Anteil der gewünschten Sendezeit zur Verfügung stellen; das genaue Ausmaß dieser aliquoten Zuteilung, die sich aus der Berücksichtigung aller Werbeaufträge von Printmedien ergab, wurde Ihnen am 6.12.2001 von der ORF-Enterprise bekannt gegeben. Die gewünschte vollumfängliche Einbuchung ist uns auf Grund der genannten gesetzlichen Vorgaben jedenfalls nicht gestattet."
1.3. Zur Antragslegitimation wird - auf das Wesentliche zusammengefaßt - vorgebracht:
Die Entscheidungen des ORF bzw. jene der von ihm beauftragten ORF Enterprise GmbH & Co KG über die Vergabe von Werbezeiten stellten "privatwirtschaftliche Akte privatwirtschaftlicher Rechtssubjekte" dar. Da mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet, sei der ORF nicht Teil der Staatsverwaltung. Seine Organe seien nicht Organe des Bundes; soweit ihnen nicht (ausnahmsweise) hoheitliche Aufgaben übertragen seien, handelten sie im Bereich der Privatautonomie derart, daß das Gesetz nicht Voraussetzung, sondern Schranke ihres Handelns sei. Die oben wiedergegebenen Schreiben zeigten, daß die angefochtene Gesetzesbestimmung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für die Antragstellerin konkret, aktuell und nicht bloß potentiell wirksam geworden sei. Ihr komme daher das Antragsrecht nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG zu.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sei ein Individualantrag auch dann zulässig, wenn nicht bloß eine verfassungswidrige Handhabe des Gesetzes, sondern überhaupt die Verfassungswidrigkeit des ohne Erlassung eines Bescheides und ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung wirksam gewordenen Gesetzes geltend gemacht werde. Die Antragstellerin brauche sich daher nicht auf die Beschwerdemöglichkeit durch Anrufung des Bundeskommunikationssenates nach §36 ORF-G verweisen zu lassen. Eine Beschwerde an den Bundeskommunikationssenat könne nämlich nur zur Feststellung führen, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses Bundesgesetzes verletzt worden sei (§37 Abs1 ORF-G). Eine Gesetzesverletzung könne dem ORF aber nicht vorgeworfen werden. Dem Bundeskommunikationssenat obliege auch nicht die Wahrnehmung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen.
1.4. Die Antragstellerin hat gleichzeitig mit dem Antrag eine inhaltlich gleichgerichtete Beschwerde beim Bundeskommunikationssenat eingebracht, die mit Bescheid vom 22. April 2002 abgewiesen wurde.
Dagegen hat sie eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde eingebracht, die beim Verfassungsgerichtshof zu B829/02 protokolliert wurde. Darin wird die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf freie Meinungsäußerung, Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, Freiheit von Zensur und freie Erwerbsausübung sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des als verfassungswidrig erachteten §13 Abs8 ORF-G behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
2. Die Bundesregierung begehrt mit näherer Begründung, den Antrag mangels Legitimation der Antragstellerin zurückzuweisen, in eventu die angefochtene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Antrages nach Art140 Abs1 B-VG erwogen:
1. §13 Abs8 ORF-G, BGBl. Nr. 397/1984 idF BGBl. I Nr. 83/2001, lautet:
"Werbung im Fernsehen für periodische Druckwerke darf auf den Titel (Namen des Druckwerks) und die Blattlinie, nicht aber auf deren Inhalte hinweisen. Die dafür eingeräumte Sendezeit darf nicht mehr als zwei Minuten der gesamten wöchentlichen Werbezeit betragen. Die Vergabe dieser Sendezeiten und der Tarife hat gegenüber allen Medieninhabern dieser Druckwerke zu gleichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu erfolgen. Näheres regelt das Tarifwerk des Werbefunks (§21 Abs1 Z7)."
2. Zum Aufhebungsbegehren der Antragstellerin ist zunächst auszuführen:
Die Antragstellerin begehrt, "§13 Abs8 erster und/oder zweiter Satz Rundfunkgesetz in der Fassung BGBl. I 2001/32 als verfassungswidrig aufzuheben". Unter Punkt III. gibt sie jedoch §13 Abs8 ORF-G idF BGBl. I Nr. 83/2001 wörtlich wieder.
Es ist offenkundig, daß der Antragstellerin bei Formulierung des Antragsbegehrens ein Irrtum unterlaufen ist. Entgegen der Auffassung der Bundesregierung führen die unrichtige Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesstelle und die unrichtige Angabe der Nummer des Bundesgesetzblattes für sich allein jedoch nicht zur Unzulässigkeit des Antrages (vgl. VfSlg. 15322/1998, 15880/2000): Daß sich die Antragstellerin bei der Bezeichnung der angefochtenen Gesetzesbestimmung offenkundig bloß im Ausdruck vergriffen hat, ergibt sich nicht zuletzt aus der wörtlichen Wiedergabe der angefochtenen Wendung im Antrag und aus der Antragsbegründung. Die Fehlbezeichnung im Antrag führt auch sonst weder zu Zweifel am Inhalt des Antrages noch zu einer Mehrdeutigkeit.
Der Antrag war daher vom Verfassungsgerichtshof als Antrag auf Aufhebung der Bestimmung des §13 Abs8 ORF-Gesetz, BGBl. I Nr. 83/2001, zu verstehen.
3. Der Antrag ist jedoch aus einem anderen Grund unzulässig.
3.1. Gemäß Art140 Abs1 letzter Satz B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die "Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist; ...".
3.2. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die als verfassungswidrig angefochtene Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides, wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation bildet dabei der Umstand, daß das angefochtene Gesetz die Rechtssphäre des Antragstellers berührt und diese - im Falle der Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Darüber hinaus ist erforderlich, daß unmittelbar durch das Gesetz selbst - tatsächlich - in die Rechtssphäre des Antragstellers eingegriffen wird. Ein solcher Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - verfassungswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg. 11726/1988, 13765/1994, 14339/1995).
3.3. Die Antragstellerin hat gleichzeitig mit dem Antrag auch "eine inhaltlich gleichgerichtete Beschwerde" beim Bundeskommunikationssenat eingebracht. Gegen den in diesem Verfahren ergangenen Bescheid des Bundeskommunikationssenates vom 22. April 2002 hat die Antragstellerin eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG erhoben.
Die Antragstellerin hat damit die Möglichkeit ergriffen, ihre Bedenken gegen die hier angefochtene Gesetzesbestimmung im Wege einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde an den Gerichtshof heranzutragen. Da ihr damit ein anderer zumutbarer Weg für die Geltendmachung ihrer Bedenken zur Verfügung stand (den sie auch beschritten hat), fehlt es ihr an der zur Antragstellung erforderlichen Legitimation.
Der Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs2 lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, Rundfunk, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Individualantrag, WerbungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G19.2002Dokumentnummer
JFT_09969375_02G00019_00