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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §167 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Waldviertel in 3910 Zwettl, Hamerlingstraße 2a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. Mai 2006, GZ. RV/2182-W/05, betreffend Einkommensteuer 2004 (mitbeteiligte Partei: A H in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte, ein Sparkassenangestellter, machte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2004 Aufwendungen für den Besuch eines "NLP Practitioner" Kurses in Höhe von insgesamt 3.132,24 EUR als Werbungskosten geltend.
Das beschwerdeführende Finanzamt qualifizierte die Aufwendungen als nicht abziehbare Mischaufwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 und versagte den Werbungskostenabzug mit der Begründung, dass Aufwendungen für Bildungsmaßnahmen, die auch bei nicht berufstätigen Personen von allgemeinem Interesse seien oder die grundsätzlich der privaten Lebensführung dienten, nicht absetzbar seien, und zwar auch dann nicht, wenn derartige Kenntnisse für die ausgeübte Tätigkeit verwendet werden könnten oder von Nutzen seien.
In der dagegen erhobenen Berufung entgegnete der nunmehr Mitbeteiligte, dass er täglich von ca. 7:30 bis 18:00 Uhr (ohne An- und Abreise) im Dienste der Sparkasse unterwegs sei. Da seine Aufgabe unter anderem mit der Betreuung eines eigenen Kundenstocks verbunden sei, müsse er für diese Kunden kontinuierlich - auch außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten der Sparkasse - erreichbar sein. Seit einigen Jahren falle auch das Coaching junger Mitarbeiter in seinen Arbeitsbereich. Dem Mitbeteiligten verbleibe daher nur ein unwesentlicher Teil an Zeitressourcen, die er tatsächlich der "privaten Lebensführung" widmen könne. Auch habe er sich im Jahr 2003 um eine Führungsposition beworben, sei aber auf Grund mangelnder Führungserfahrung bzw. -kommunikation abgelehnt worden. Die gegenständliche NLP Practitioner- sowie die (nach dem Beschwerdezeitraum erfolgte, darauf aufbauende) NLP Master-Ausbildung stelle für den Mitbeteiligten eine "Motivation" dar, um künftig bessere Aufstiegs- und Karrierechancen zu haben, was ihm "die beiden neuen Vorstände bereits mündlich zuerkannt" hätten.
Nach weiteren Sachverhaltserhebungen durch die belangte Behörde in Form zweier Vorhalte, welche die Veranlassungsursache der gegenständlichen Bildungsmaßnahme zum Gegenstand hatten, kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass kein Mischaufwand im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 vorliege, sondern die beantragten Werbungskosten als abziehbare Fortbildungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 zu qualifizieren seien. Wie aus der Beschreibung der "NLP Practitioner Diplomausbildung" hervorginge, liege der Nutzen der Bildungsmaßnahme darin, durch bewusste Kommunikation mit geringerem Aufwand die persönlichen Lebensziele zu erreichen. Die gegenständliche Bildungsmaßnahme sei von ihrem Inhalt her daher weder unbedingt privat noch unbedingt beruflich veranlasst. Da beide beruflichen Tätigkeitsfelder des Mitbeteiligten (Kundenbetreuung, Schulung der Nachwuchskräfte) den Umgang mit Menschen enthielten, sei die gegenständliche Bildungsmaßnahme als Fortbildung einzustufen, wobei "die (auf NLP bezogene) Bezeichnung als Ausbildung" steuerlich nicht maßgeblich sei. Der Mitbeteiligte habe glaubwürdig dargelegt, dass er die mit der gegenständlichen Bildungsmaßnahme erworbenen Kenntnisse in einem wesentlichen Umfang in seiner beruflichen Tätigkeit verwerten könne. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass private Kommunikationsdefizite den Mitbeteiligten zu der gegenständlichen Bildungsmaßnahme veranlasst hätten. Daher sei von einem untergeordneten Ausmaß der Effekte der erworbenen Kenntnisse im Privatbereich auszugehen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde mit dem Vorbringen, die belangte Behörde gehe selbst davon aus, dass die gegenständliche Bildungsmaßnahme mit Schwerpunkt Kommunikation von ihrem Inhalt her weder unbedingt der privaten, noch unbedingt der beruflichen Sphäre zugeordnet werden könne. Sie begründe die Anerkennung der Aufwendungen aber damit, der Mitbeteiligte habe glaubhaft gemacht, dass er die dabei erworbenen Kenntnisse in einem wesentlichen Umfang in seiner beruflichen Tätigkeit verwerten könne. Das beschwerdeführende Finanzamt könne nicht nachvollziehen, wie die belangte Behörde zur Feststellung gelangt sei, dass im privaten Bereich des Mitbeteiligten kein Verbesserungsbedarf auf dem Gebiet der Kommunikation gegeben sei, dieser Verbesserungsbedarf aber im beruflichen Bereich bestanden habe und deshalb das Abzugsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 nicht zur Anwendung gelange.
Nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie durch die mitbeteiligte Partei hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004, sind Werbungskosten auch:
"Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen."
Demgegenüber dürfen gemäß § 20 Abs. 1 Z. 2 lit. a EStG 1988 bei den einzelnen Einkünften Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass bei Aufwendungen, die in gleicher Weise mit der Einkunftserzielung wie mit der privaten Lebensführung zusammenhängen können, bei denen die Behörde aber nicht in der Lage ist zu prüfen, ob die Aufwendungen durch die Einkunftserzielung oder durch die private Lebensführung veranlasst worden sind, die Behörde diese nicht schon deshalb als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anerkennen darf, weil die im konkreten Fall gegebene Veranlassung nicht feststellbar ist. In Fällen von Aufwendungen, die ihrer Art nach eine private Veranlassung nahe legen, darf die Veranlassung durch die Einkunftserzielung vielmehr nur dann angenommen werden, wenn sich die Aufwendungen als für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit notwendig erweisen. Die Notwendigkeit bietet in derartigen Fällen das verlässliche Indiz der betrieblichen oder beruflichen Veranlassung im Gegensatz zur privaten Veranlassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2000, 2000/14/0096, mit weiteren Hinweisen).
Dass der Besuch von Kursen für neurolinguistisches Programmieren (NLP) im Regelfall Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die auch für den Bereich der privaten Lebensführung von Bedeutung sind, hat der Verwaltungsgerichtshof - worauf im angefochtenen Bescheid zutreffend hingewiesen wurde - wiederholt bejaht (vgl. neben dem schon angeführten Erkenntnis 2000/14/0096 das hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, 92/14/0173, sowie insbesondere das gleichfalls einen Bankangestellten betreffende hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2004, 2000/15/0009).
Im Beschwerdefall ist die belangte Behörde zum Ergebnis gelangt, dass die private Mitveranlassung der strittigen Aufwendungen "von einem untergeordneten Ausmaß" sei, weil es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass private Kommunikationsdefizite den Mitbeteiligten zur gegenständlichen Bildungsmaßnahme veranlasst hätten. Vielmehr könne der Mitbeteiligte die erworbenen Kenntnisse "in einem wesentlichen Umfang" in seiner beruflichen Tätigkeit verwerten.
Die Frage der beruflichen oder privaten Bedingtheit einer Bildungsmaßnahme ist eine auf der Sachverhaltsebene zu behandelnde Tatfrage und daher auf Grund entsprechender Erhebungen in freier Beweiswürdigung zu beantworten. Die Beweiswürdigung ist nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also ob sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Sinne der Erfahrungen des täglichen Lebens entsprechen (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, 96/14/0055).
Die belangte Behörde gründet ihre Beurteilung, eine private Mitveranlassung des Seminarbesuchs sei nur in untergeordnetem Ausmaß gegeben, auf das Fehlen privater Kommunikationsdefizite. Abgesehen von der Frage, welche Ermittlungsmöglichkeiten den Abgabenbehörden zur Feststellung derartiger "Defizite" überhaupt zur Verfügung stünden, erweist sich diese Erwägung schon deshalb als nicht schlüssig, weil das gegenständliche Seminar nach der im angefochtenen Bescheid teilweise wiedergegebenen Beschreibung nicht die Behebung von Kommunikationsdefiziten zum Ziele hatte, sondern der in Aussicht gestellte Nutzen darin bestand, durch "bewusste Kommunikation mit geringerem Aufwand die persönlichen Lebensziele zu erreichen." Im Übrigen unterlässt es die belangte Behörde aber auch, in nachvollziehbarer Weise jene Sachverhaltselemente aufzuzeigen, auf die sich ihre Beurteilung stützt, dass der Mitbeteiligte die in den Kursen vermittelten Kenntnisse "in einem wesentlichen Umfang in seiner beruflichen Tätigkeit verwerten" könne.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mangelhaft begründet und war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 28. Mai 2008
Schlagworte
Sachverhalt BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150237.X00Im RIS seit
25.06.2008Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008