Index
58 Berg- und EnergierechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung der Individualanträge auf Aufhebung von Bestimmungen des ElWOG sowie von Teilen der Systemnutzungstarifgrundsatzverordnung und zweier Systemnutzungstarifverordnungen betreffend die Entgelte für Systemdienstleistungen; Anrufung der durch das Energieliberalisierungsgesetz geschaffenen Energie-Control Kommission und nach deren Entscheidung Anrufung der Gerichte zumutbarer Rechtsmittelweg hinsichtlich der den antragstellenden Betreibern von Kleinwasserkraftwerken in Rechnung gestellten SystemdienstleistungsentgelteSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Die Antragsteller betreiben Kleinwasserkraftwerke (gemäß §41 Abs1 ElWOG sind das Wasserkraftanlagen mit einer Engpassleistung bis 10 MW - lediglich die Salzburger Aluminium AG, Antragstellerin zu G178-180/01, V57/01, betreibt auch größere Kraftwerke) - somit Elektrizitätserzeugungsanlagen, und zwar mit einer Engpassleistung von mehr als einem MW. Die vier Antragsteller zu G171-173/01, V52/01 sind überdies "vertikal integrierte Elektrizitätsunternehmen", da sie auch ein Verteilernetz mit Mittelspannung betreiben, in das sie ua. die von ihren Kraftwerken erzeugte Elektrizität einspeisen; allfällige Mengen an Überschussstrom liefern sie in das vorgelagerte Netz der jeweiligen Landesgesellschaft; um die Spannungsqualität ihres eigenen Netzes konstant auszurichten, betreiben sie eigene Regelumspanner.
Je nach ihrer geographischen Lage in der jeweiligen Regelzone stellen den Antragstellern seit 2. Dezember 2000 entweder die Verbund Austrian Power Grid (in der Folge: Verbund APG) bzw. die Tiroler Wasserkraftwerke AG (in der Folge: TIWAG) zur Abdeckung ihrer Sekundärregelkosten ein Systemdienstleistungsentgelt auf Grund folgender Rechtsvorschriften in Rechnung:
* §25 ElWOG idF BGBl. I Nr. 121/2000
* §3 lita bzw. b und §4 Abs2 der Verordnung des
Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, verlautbart im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 22.9.1999, auf Gesetzesstufe gehoben durch §66a Abs6 ElWOG idF BGBl. I Nr. 121/2000
* §3 lita bzw. b und §4 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Zl. 551.360/26-VIII/1/00, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, verlautbart im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 28.12.2000.
2. Sämtliche Antragsteller begehren gemäß Art140 B-VG,
"§25 Abs10 ElWOG idF BGBl I 121/2000 im Hinblick auf die Wortfolge 'Das Entgelt für die Systemdienstleistung ist Erzeugern getrennt von allfälligen anderen Entgelten in Rechnung zu stellen oder auf Rechnungen getrennt auszuweisen.' als verfassungswidrig aufzuheben;
sowie
§6 Abs2 der Verordnung über die Festlegung der Grundsätze, die bei der Bestimmung des Systemnutzungstarifs angewendet werden, BGBl II 51/1999, als Gesetz idF BGBl I 121/2000" - in der Folge:
SNTGV-G - "im Hinblick auf die Wortfolge 'Die Tarifgestaltung gemäß Abs1 hat so zu erfolgen, daß die mit der Sekundärregelung verbundenen Kosten auf alle Betreiber von Elektrizitätserzeugungsanlagen (einschließlich Eigenanlagen) mit einer Engpaßleistung von mehr als einem MW umgelegt werden, wobei bei mehreren zusammengehörigen Kraftwerken (Kraftwerkspark) die Anschlußleistung des Kraftwerksparks maßgeblich ist.' als verfassungswidrig aufzuheben und
§25 Abs2 [SNTGV-G] als verfassungswidrig aufzuheben,
sowie
§3 lita [je nach geographischer Lage des Antragstellers tlw.: litb] sowie §4 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, Zl. 551.352/140-VIII/1/99, verlautbart im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 22.9.1999, als Gesetz idF BGBl. I 121/2000" - in der Folge: SNTV-G - "als verfassungswidrig festzustellen".
Weiters stellen sie gemäß Art139 Abs1 B-VG die Anträge,
"§3 lita [je nach geographischer Lage des Antragstellers tlw.: litb] sowie §4 Abs2 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Zl. 551.360/26-VIII/1/00, mit der die Systemnutzungstarife bestimmt werden, verlautbart im Amtsblatt der Wiener Zeitung vom 28.12.2000" - in der Folge: SNTV - "als gesetz- und verfassungswidrig aufzuheben",
sowie jeweils "die Republik Österreich in den Kostenersatz zu verfällen."
3. Zur Begründung ihrer Antragslegitimation führen die Antragsteller übereinstimmend aus:
"Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 5.12.2000, V42-44/00-9, V49/00-9 und V52-53/00-9, zur gleichlautenden Vorgängerrege1ung der hier angefochtenen Verordnungsbestimmungen bereits festgestellt hat, sind Betreiber von Elektrizitätserzeugungsanlagen mit einer Engpaßleistung von mehr als einem MW unmittelbar aufgrund von §3 lita bzw litb SNTV-G bzw SNTV verpflichtet, dem Netzbetreiber der Netzebenen gemäß §20 Abs1 Z1, Z2 oder Z3 sowie Abs2 Z1, Z2 oder Z3 SNTGV-G für die Nutzung dieser Anlagen den für den vom Verordnungsgeber gebildeten Netzbereich festgesetzten Preis, nämlich das Systemdienstleistungsentgelt, zu bezahlen. Die spezifische Zahlungsverpflichtung gerade der Elektrizitätserzeuger mit einer Engpaßleistung von mehr als einem MW folgt unmittelbar aus §25 Abs10 ElWOG idF BGBl I 121/2000 und §25 Abs2 SNTGV-G iVm §6 Abs2 1. Satz SNTGV-G. Der Netzbetreiber ist verpflichtet, von jedem Erzeuger mit mehr als einem MW ein Systemdienstleistungsentgelt zu fordern. Das Entgelt für die Systemdienstleistung ist gemäß §25 Abs10 ElWOG idF BGBl I 121/2000 sowie §25 Abs2 SNTGV-G und §4 Abs2 SNTV-G bzw SNTV Erzeugern getrennt von allfälligen anderen Entgelten in Rechnung zu stellen oder auf Rechnungen getrennt auszuweisen.
Durch die verbindliche Festsetzung des Preises und die Verpflichtung zur Zahlung dieses Preises greifen §25 Abs10 2. Satz ElWOG idF BGBl I 121/2000, §25 Abs2 SNTGV-G, §6 Abs2 1. Satz SNTGV-G und die angefochtenen Bestimmungen des SNTV-G und der SNTV in unsere Vertragsfreiheit sowie in unser Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz ein. Dieser Eingriff erfolgt unmittelbar durch die angefochtenen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen der konkreten Entgeltfestsetzung und der Rechnungsstellung (vgl VfGH v 5.12.2000, V42-44/00-9, V49/00-9 und V52-53/00-9). Die angefochtenen Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen greifen demnach unmittelbar und aktuell in unsere Rechtssphäre ein.
Entsprechend den Sachverhaltsausführungen greifen §3 lita [bzw. litb] SNTV-G und §3 lita [bzw. litb] SNTV in die Rechtssphäre der [...] Antragsteller ein.
Ein anderer zumutbarer Weg, um die durch die angefochtenen Rechtsvorschriften bewirkte Rechtswidrigkeit abzuwehren, besteht für uns nicht. Insbesondere ist es uns nicht zumutbar, den Gerichtsweg gemäß §21 Abs2 ElWOG idF BGBl I 143/1998 zu beschreiten. Ein zivilgerichtliches Verfahren nach §21 Abs2 ElWOG idF BGBl I 143/1998 könnte von uns selbst nämlich nicht eingeleitet, sondern nur dadurch bewirkt werden, dass wir die Bezahlung des uns in Rechnung gestellten Systemdienstleistungsentgelts verweigern und dadurch eine Klage provozieren; eine derartige 'Einleitung' eines Gerichtsverfahrens ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht zumutbar (vgl VfGH v 5.12.2000, V42-44/00-9, V49/00-9 und V52-53/00-9, unter Hinweis auf VfSlg 13.659)."
4. Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit und die Bundesregierung erstatteten Äußerungen, in denen sie die Abweisung der Anträge beantragen.
5. Die Antragsteller erstatteten eine Replik, der sie die "Studie Verursachung von Sekundärregelungsbedarf durch Klein-Wasserkraftwerke" von ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. M S und Prof. Dr.-Ing. E W beilegten.
II. Die (in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen) Anträge sind unzulässig.
1. Zu den Anträgen auf Aufhebung von Teilen der SNTGV-G:
Die SNTGV-G legt selbst keine Systemnutzungstarife fest, sondern war die Rechtsgrundlage für die Bestimmung der Systemnutzungstarife durch Verordnung. Die Antragsteller bringen vor, mit der Verpflichtung zur Entrichtung des Systemdienstleistungsentgelts werde ihnen eine Rechtspflicht auferlegt. Sie legen aber nicht dar, inwieweit bereits die angefochtenen Bestimmungen unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre eingreifen (vgl. VfSlg. 16.042/2000) und bekämpfen auch nicht in einer zulässigen Weise die auf der Grundlage der angefochtenen Bestimmungen ergangenen Ausführungsregelungen (vgl. unten 2.).
Die Anträge waren daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.
2. Zu den Anträgen, einen Teil von §25 Abs10 ElWOG idF BGBl. I Nr. 121/2000 aufzuheben, den Anträgen, Teile des SNTV-G als verfassungswidrig festzustellen, und den Anträgen auf Aufhebung von Teilen der SNTV:
2.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung bzw. das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit bzw. dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung bzw. das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung bzw. das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit bzw. seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung bzw. das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung bzw. das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (vgl. VfSlg. 11.726/1988, 13.944/1994).
2.2. Der Verfassungsgerichtshof muss nicht näher untersuchen, ob die angefochtenen Rechtsvorschriften unmittelbar in die Rechtssphäre der Antragsteller als Betreiber von Elektrizitätserzeugungsanlagen eingreifen, weil - wie die folgenden Ausführungen zeigen - den Antragstellern ein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung steht, die Bedenken gegen die angefochtenen Rechtsvorschriften an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.
Der Verfassungsgerichtshof hat diese Frage in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 2000, V42-44/00 ua., VfSlg. 16.042/2000, welches dieselben Parteien wie das vorliegende Verfahren und die Verpflichtung zur Leistung des "Systemdienstleistungsentgelts" aufgrund einer früheren Rechtslage betraf, verneint. Er führte aus:
"Insbesondere ist es den Antragstellern nicht zumutbar, den Gerichtsweg gemäß §21 Abs2 ElWOG zu beschreiten. Ein zivilgerichtliches Verfahren nach §21 Abs2 ElWOG könnte nur dadurch bewirkt werden, dass die Antragsteller die Bezahlung des ihnen in Rechnung gestellten Systemdienstleistungsentgelts verweigern und dadurch eine Klage provozieren; es ist den Antragstellern aber nicht zumutbar, ein zivilgerichtliches Verfahren dadurch zu provozieren, dass sie sich rechtswidrig verhalten (vgl. VfSlg. 13.659/1993)."
Damit bezog sich der Verfassungsgerichtshof auf §21 Abs2 ElWOG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 121/2000 ("Energieliberalisierungsgesetz"). §21 ElWOG lautete in dieser Fassung:
"Streitbeilegungsverfahren
§21. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht)
(1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet ausschließlich der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, entscheiden die örtlich zuständigen Handelsgerichte (§51 JN).
(3) Eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, kann erst nach Rechtskraft der Entscheidung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten zu unterbrechen."
Das Energieliberalisierungsgesetz, BGBl. I Nr. 121/2000, schuf folgende Regelungen über ein "Streitbeilegungsverfahren":
§21 ElWOG, der gemäß §66a Abs2 ElWOG in dieser Fassung am 1. Oktober 2001 in Kraft trat, lautet:
"Streitbeilegungsverfahren
§21. (unmittelbar anwendbares Bundesrecht)
(1) In Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges entscheidet - sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes (§43 Kartellgesetz 1988, BGBl. Nr. 600) vorliegt - die Elektrizitäts-Control Kommission.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife, entscheiden die Gerichte. Eine Klage kann erst nach Zustellung des Bescheides der Elektrizitäts-Control Kommission im Streitschlichtungsverfahren gemäß Artikel 8 §7 Abs2 [Redaktionsversehen; gemeint §16 Abs1 Z5 BG Regulierungsbehörden] oder nach Verstreichen der im Artikel 8 §7 Abs3 [Redaktionsversehen, gemeint §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden] vorgesehenen Frist eingebracht werden.
(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen."
§16 Bundesgesetz über die Aufgaben der Regulierungsbehörden im Elektrizitätsbereich und die Errichtung der Elektrizitäts-Control GmbH und der Elektrizitäts-Control Kommission, BGBl. I Nr. 121/2000 (in der Folge: BG Regulierungsbehörden), lautete:
"Aufgaben der Elektrizitäts-Control Kommission
§16. (1) (Verfassungsbestimmung) Der Elektrizitäts-Control Kommission sind folgende Aufgaben zugewiesen:
1.
[...]
5.
die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Marktteilnehmern (§21 ElWOG);
6.
[...]
(3) Die Elektrizitäts-Control Kommission hat in den Fällen des Abs1 [...] bescheidmäßig zu entscheiden. Die Partei, die sich mit Entscheidungen gemäß Abs1 Z [...] 5 [...] nicht zufrieden gibt, kann die Sache innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig machen. Durch die Anrufung des Gerichts tritt die Entscheidung der Elektrizitäts-Control Kommission außer Kraft. Sie tritt jedoch wieder in Kraft, wenn der Antrag auf Entscheidung des Gerichts zurückgezogen wird. Die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen den Ablauf der Anrufungsfrist obliegt dem Gericht; der Wiedereinsetzungsantrag ist unmittelbar bei Gericht einzubringen.
[...]"
Das "Energieliberalisierungsgesetz" schuf also mit der Elektrizitäts-Control Kommission eine Schlichtungsstelle und erleichterte bzw. erweiterte im Ergebnis den Zugang zu den Gerichten:
Im Gegensatz zur früheren Rechtslage hat auch die Partei, die sich unberechtigter Weise zur Leistung eines Systemnutzungstarifs - wie des Systemdienstleistungsentgelts - in Anspruch genommen fühlt, zunächst die Möglichkeit, ein Streitbeilegungsverfahren zu beantragen, und sodann - sollte die Streitschlichtungsstelle sie mit Bescheid zur Leistung verpflichtet haben - die Sache bei Gericht anhängig zu machen.
Durch BGBl. I Nr. 148/2002 wurden die zitierten Bestimmungen des BG Regulierungsbehörden mit Wirkung vom 24. August 2002 dahingehend geändert, dass die Bezeichnung "Elektrizitäts-Control Kommission" durch "Energie-Control Kommission" ersetzt wurde.
Wenn wie im vorliegenden Fall die Verbund APG bzw. die TIWAG den Antragstellern das "Systemdienstleistungsentgelt" in Rechnung stellen, die Antragsteller dieses aber nicht bezahlen, so handelt es sich um "Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen, insbesondere die anzuwendenden Bedingungen und Systemnutzungstarife". Gemäß §16 Abs1 Z5 iVm §21 Abs2 ElWOG obliegt der Energie-Control Kommission die Schlichtung einer solchen Streitigkeit zwischen Marktteilnehmern. Auch die Antragsteller - als diejenigen, denen das "Systemdienstleistungsentgelt" in Rechnung gestellt wurde - können die Energie-Control Kommission anrufen (vgl. VfSlg. 14.355/1995 zur vergleichbaren Rechtslage betreffend mietrechtliche Streitigkeiten). Nach der Entscheidung der Energie-Control Kommission steht es den Antragstellern (arg. "die Partei") frei, sich mit der Entscheidung "nicht zufrieden zu geben" und "die Sache" innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides bei Gericht anhängig zu machen (vgl. §16 Abs3 BG Regulierungsbehörden). Das gilt im Übrigen auch für den Fall, dass die Energie-Control Kommission den Antrag auf Streitschlichtung mangels Zuständigkeit zurückweist (vgl. VfGH vom 1. Oktober 2002, B633,703/02). Die Gerichte sind zur Stellung von Anträgen auf Normenprüfung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art89 Abs2 iVm. Art139 bzw. Art140 B-VG verpflichtet, wenn sie Bedenken gegen die anzuwendenden Rechtsvorschriften haben.
Die Antragsteller können nunmehr somit ein zivilgerichtliches Verfahren nicht nur dadurch bewirken, dass sie "die Bezahlung des ihnen in Rechnung gestellten Systemdienstleistungsentgelts verweigern und dadurch eine Klage provozieren"; sie haben nicht mehr bloß die Möglichkeit, "ein zivilgerichtliches Verfahren dadurch zu provozieren, dass sie sich rechtswidrig verhalten", was der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 16.042/2000) als unzumutbar qualifiziert hat. Die Antragsteller können nach nunmehriger Rechtslage vielmehr auch durch die Anrufung zuerst der Energie-Control Kommission bzw. nach deren Entscheidung der Gerichte - im Gegensatz zur Beklagtenrolle in einem Zivilprozess - einen Rechtsmittelweg aktiv in Anspruch nehmen, dessen Fortgang die Antragsteller bis zum entscheidenden Stadium in der Hand haben. Es steht also den Antragstellern ein zumutbarer Weg zur Verfügung, die Normbedenken gegen die im Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften an den Verfassungsgerichthof heranzutragen, weshalb die Individualanträge mangels Legitimation unzulässig sind (vgl. VfSlg. 14.355/1995).
Daran ändert auch der Umstand nichts, dass von den in Rede stehenden Individualanträgen zwei am 4. Mai 2001 und je einer am 18. Mai 2001, 22. Mai 2001 und 22. August 2001 - somit vor Inkrafttreten des §21 ElWOG in der Fassung des EnergieliberalisierungsG am 1. Oktober 2001 - beim Verfassungsgerichtshof einlangten.
Denn die die Zulässigkeit eines Individualantrages gemäß Art139 bzw. 140 B-VG begründenden Prozessvoraussetzungen - darunter die Voraussetzung, dass dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht - müssen sowohl zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages beim Verfassungsgerichtshof als auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (noch) vorliegen (zB VfSlg. 13.912/1994, 14.074/1995).
Die Anträge waren daher zurückzuweisen.
Angesichts dieses Ergebnisses war auf die Frage eventueller Auswirkungen der Verfassungsbestimmung des §66b ElWOG idF BGBl. I Nr. 149/2002 auf die vorliegenden Verfahren und auf das Problem dieser Norm als lex fugitiva zu Art139 B-VG nicht einzugehen.
3. Diese Beschlüsse konnten in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst werden.
Schlagworte
Energierecht, Elektrizitätswesen, Gericht Zuständigkeit - Abgrenzung von Verwaltung, Kompetenz sukzessive, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:G168.2001Dokumentnummer
JFT_09969374_01G00168_00