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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §250 Abs1 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des J S in S, vertreten durch Mag. Dr. Susanne Fürst, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Bauernstraße 9/WDZ III, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 5. März 2007, RV/1109-L/06, RV/1110-L/06, RV/1111-L/06 und RV/1162-L/06, betreffend Erklärung einer Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beim Beschwerdeführer, der keine Steuererklärungen eingereicht hatte, führte das Finanzamt eine abgabenbehördliche Prüfung durch. Aus Anlass von Feststellungen des Zollamtes über den Schmuggel von Zigaretten schätzte das Finanzamt Umsätze und Gewinne aus dem Handel mit Zigaretten.
Im Anschluss an diese Prüfung erließ das Finanzamt Bescheide betreffend betreffend Umsatzsteuer für 2003 und 2004, Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für den Zeitraum Jänner bis März 2005, Einkommensteuer für 2003 und 2004, Anspruchszinsen in Bezug auf Einkommensteuer für 2003 und 2004 sowie Verspätungszuschlag in Bezug auf Einkommensteuer 2004.
Der Beschwerdeführer brachte mit Eingabe vom 15. Februar 2006 Berufung gegen alle vorgenannten Bescheide ein. In dieser Eingabe wird nach der Bezeichnung der angefochtenen Bescheide ausgeführt:
"Begründung: Die Begründung kann derzeit noch nicht angegeben werden, da noch umfangreiche Recherchen notwendig sind und das Einholen von Beweismaterial einige Zeit dauert.
Antrag: Es wird höflich beantragt, die Mängelbehebungsfrist zur Nachreichung der entsprechenden Begründung bis 30. Juni 2006 zu bewilligen."
Das Finanzamt trug dem Beschwerdeführer mit dem Mängelbehebungsauftrag vom 1. März 2006 gemäß § 275 BAO auf, die der Berufung anhaftenden Mängel des Fehlens der Berufungsbegründung, der Erklärung, in welchem Punkten die Bescheide angefochten würden, und der Erklärung, welche Änderungen beantragt würden, bis 5. Mai 2006 nachzuholen. Es wurde darauf hingewiesen, dass bei Versäumnis dieser Frist die Berufung als zurückgenommen gelte.
Mit Eingabe vom 4. Mai 2006 brachte der Beschwerdeführer vor:
"Die angefochtenen Bescheide werden jeweils zur Gänze angefochten (Rechtswidrigkeit des Inhaltes) beantragt wird jeweils eine Nullfestsetzung. Zur Begründung ist festzuhalten, dass die jeweiligen Vorschreibungen völlig aus der Luft gegriffen sind und auf reiner Willkür basieren. Am 15.03.2005 wurden sämtliche Belege und Beweismittel durch Beamte der PAST beschlagnahmt. Aus diesen Unterlagen ist zweifelsfrei die Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung erweisbar. Trotz unzähliger Urgenzen wurden die Originalunterlagen bis dato nicht wieder ausgefolgt; es wird daher noch einmal die Ausfolgung der Unterlagen beantragt, in eventu beantragt die Unterlagen im Berufungsverfahren beizuschaffen."
Das Finanzamt wies die Berufungen mit Berufungsvorentscheidung vom 12. Juni 2006 ab und führte zur Begründung aus, dass der Beschwerdeführer die dreimonatige Frist, die ihm auf Grund des Mängelbehebungsauftrages eingeräumt worden sei, ungenützt habe verstreichen lassen. Er habe weder schriftlich noch mündlich mit dem zuständigen Finanzamt Kontakt aufgenommen. Er habe auch nicht um Einsichtnahme in Unterlagen ersucht. Aus der Niederschrift über die Schlussbesprechung ergebe sich, dass der Sachverhalt eindeutig sei. Die Besteuerungsgrundlagen seien wegen des Mangels an Aufzeichnungen im Hinblick auf die tatsächlich gegebenen Geldbewegungen im Schätzungswege zu ermitteln gewesen.
Im Vorlageantrag vom 12. Juli 2006 nahm der Beschwerdeführer zu den Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung Stellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid erklärte die belangte Behörde die Berufung unter Bezugnahme auf § 275 BAO als zurückgenommen. Entspreche eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz BAO umschriebenen Erfordernissen, so habe die Abgabenbehörde nach § 275 BAO der Partei die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gelte. Nach § 279 Abs. 1 BAO kämen im Berufungsverfahren der Abgabenbehörde zweiter Instanz die Obliegenheiten und Befugnisse zu, die den Abgabenbehörden erster Instanz auferlegt und eingeräumt seien. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz dürfe auch dann einen Zurücknahmebescheid erlassen, wenn den Mängelbehebungsauftrag die Abgabenbehörde erster Instanz erlassen habe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, 90/14/0241).
Der Beschwerdeführer sei in seiner Berufung selbst davon ausgegangen, dass diese inhaltlich mangelhaft sei. Das Finanzamt habe diese Mängel im Mängelbehebungsauftrag vom 1. März 2006 dargestellt. Es fehlten die Begründung und die Erklärungen nach § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO.
Das Finanzamt habe im Mängelbehebungsauftrag eine angemessene Frist gesetzt. Die Frist nach § 275 BAO müsse den besonderen Verhältnissen Rechnung tragen. Sie müsse ausreichend lang sei, damit der Berufungswerber in der Lage sei, dem Auftrag ordnungsgemäß nachzukommen.
Das Finanzamt habe die Bescheide auf Grund einer abgabenbehördlichen Prüfung und nach Amtshandlungen der Prüfungsabteilung Strafsachen erlassen. Wenn nun aus den Ausführungen des Beschwerdeführers hervorgehe, dass Unterlagen beschlagnahmt worden seien und er daher keine Möglichkeit zur Rechtfertigung gehabt habe, werde dem entgegen gehalten, dass weder aus den Akten noch aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers hervorgehe, dass er einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt habe. Der Berufungswerber behaupte nicht, dass ihm seitens der Finanzverwaltung die Einsichtnahme in beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege oder deren Abschriftnahme verweigert worden sei; solches sei auch aus den Akten nicht ersichtlich. Es sei kein Grund gegen die Möglichkeit einer Akteneinsicht nach § 92 FinStrG ersichtlich. Es wäre dem Beschwerdeführer zuzumuten gewesen, sich ab Zustellung der bekämpften Bescheide bis zum Ablauf der vom Finanzamt festgesetzten Mängelbehebungsfrist, also innerhalb von mehr als drei Monaten, um die Einsichtnahme in die beschlagnahmten Unterlagen zu bemühen. Zudem sei dem Beschwerdeführer ohnehin der Bericht der Betriebsprüfung zur Verfügung gestanden, sodass eine Auseinandersetzung mit den Feststellungen der Betriebsprüfung innerhalb der Frist von mehr als drei Monaten möglich gewesen wäre. Somit erweise sich die vom Finanzamt festgesetzte Mängelbehebungsfrist als angemessen.
Gemäß § 250 Abs. 1 lit. d BAO müsse die Berufung auch eine Begründung enthalten. Als Begründung könne nicht schon jede nicht näher begründete Behauptung angesehen werden. So stellten die Behauptungen, dass der Bescheid unrichtig und ungesetzlich oder die vorgeschriebene Abgabe zu hoch sei, keine Begründung dar. Die Behauptung, eine Schätzung entspreche nicht den tatsächlichen Erfordernissen, genüge auch nicht als Begründung, was auch für den lapidaren Hinweis, die Schätzung der Bemessungsgrundlagen entspreche nicht der Buchhaltung und den (noch nicht abgegebenen) Steuererklärungen, gelte (Hinweis auf Ritz, Mängelbehebungsverfahren gemäß § 275 BAO, ÖStZ 1987, 86).
In Hinblick auf diese Rechtslage könne das Vorbringen des Beschwerdeführers in der "Mängelbehebung" vom 4. Mai 2006, dass die jeweiligen Vorschreibungen "völlig aus der Luft gegriffen" seien und "auf reiner Willkür" basierten, keine Begründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO darstellen. Gleiches gelte auch für die in diesem Anbringen aufgestellte Behauptung, die Unrichtigkeit der Abgabenfestsetzung sei aus den beschlagnahmten Unterlagen erweisbar. Auch der Hinweis auf die Nichtausfolgung der beschlagnahmten Unterlagen sei keine Begründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO, zumal dadurch der Berufungsbehörde nicht ermöglicht werde, zu erkennen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die Berufung für Erfolg versprechend halte. Insbesondere sei zu beachten, dass sich die gegenständliche Berufung gegen zehn inhaltlich völlig unterschiedliche Bescheide richte, sodass die bloß pauschale Behauptung der Rechtswidrigkeit und Willkür die Berufungsbehörde keinesfalls in die Lage versetzt habe, sich inhaltlich mit der Berufung auseinander zu setzen.
Der Umstand, dass nunmehr im Vorlageantrag vom 12. Juli 2006 zu den einzelnen Feststellungen der Betriebsprüfung eine inhaltliche Stellungnahme abgegeben worden sei, ändere nichts daran, dass bis zum Ablauf der Mängelbehebungsfrist am 5. Mai 2006 keine Begründung der gegenständlichen Berufung vorgebracht worden sei.
Somit sei die Abgabenbehörde verpflichtet, einen Zurücknahmebescheid zu erlassen, zumal dem berechtigten Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes nicht zeitgerecht - also innerhalb der Frist - Rechnung getragen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung enthalten: a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung.
§ 275 BAO lautet:
"Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 oder Abs. 2 erster Satz umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Berufungswerber die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt."
In einer Berufungsbegründung muss erkennbar sein, was die Partei anstrebt und "womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt" (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2575, mwN). Die im § 250 Abs. 1 lit. d BAO geforderte Angabe soll die Berufungsbehörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, aus welchen Gründen der Berufungswerber die Berufung für Erfolg versprechend hält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 2004, 99/13/0120). Von einem gänzlichen Fehlen einer Begründung ist erst dann auszugehen, wenn eine Berufung keine Ansatzpunkte dafür erkennen lässt, worin die Unrichtigkeiten des bekämpften Bescheides gelegen sein sollen (Stoll, aaO, 2576). Dem Fehlen einer Begründung ist nicht gleichzuhalten, dass eine Begründung allenfalls unschlüssig oder inhaltlich unzutreffend ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 2001, 99/14/0104).
Gemäß § 92 FinStrG sind beschlagnahmte Geschäftsbücher, Aufzeichnungen und Belege dem Eigentümer oder einer von diesem hiezu bevollmächtigten Person auf Verlangen zur Einsicht zugänglich zu machen, sofern hiedurch die Tatbestandsermittlung nicht beeinträchtigt und das Verfahren nicht ungebührlich verzögert wird. Der angefochtene Bescheid geht davon aus, dass der Beschwerdeführer einen entsprechenden Antrag auf Einsichtnahme an die Finanzstrafbehörden nicht gestellt hat, einer Einsichtnahme aber nichts entgegen gestanden wäre. Dem tritt die Beschwerde nicht entgegen.
In diesem Zusammenhang rügt die Beschwerde allerdings, es sei gänzlich unerheblich, ob der Beschwerdeführer von seinem Recht auf Akteneinsicht Gebrauch gemacht habe oder nicht.
Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerde, dass die belangte Behöre auf die (nicht wahrgenommene) Möglichkeit der Akteneinsicht bloß in Zusammenhang mit der Frage der Angemessenheit der für die Mängelbehebung gesetzten Frist eingeht. Dies vor dem Hintergrund, dass die Unterlagen allenfalls für die Formulierung der Berufungsbegründung hätten erforderlich sein können. Die belangte Behörde ist sodann zum Ergebnis gelangt, das der Beschwerdeführer nicht gehindert gewesen wäre, eine Berufungsbegründung zu formulieren.
Wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, die belangten Behörde hätte die beschlagnahmten Unterlagen beischaffen müssen, wird damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht dargetan, zeigt dieses Vorbringen doch nicht auf, in welcher Weise die Behörde durch die Einsichtnahme in Unterlagen darüber informiert worden wäre, worin der Beschwerdeführer die Unrichtigkeit der bekämpften Bescheide des Finanzamtes erblickt. Im Übrigen wird in der Beschwerde auch nicht dargetan, welche konkreten Unterlagen beschlagnahmt worden und welche Informationen den beschlagnahmten Unterlagen zu entnehmen sind.
Dem Vorbringen, im Vorlageantrag vom 12. Juli 2006 habe der Beschwerdeführer umfangreiches Vorbringen zur Begründung seiner Berufung erstattet, ist entgegen zu halten, dass bei Einbringung des Vorlageantrages die Mängelbehebungsfrist bereits verstrichen gewesen ist.
Der Beurteilung der belangten Behörde, weder die Berufung vom 15. Februar 2006 noch der Mängelbehebungsschriftsatz vom 4. Mai 2006 enthielten eine Begründung im Sinne eines Vorbringens, welches der Behörde zu erkennen ermöglicht hätte, aus welchen Gründen die Partei den jeweils bekämpften Bescheid für unrichtig und die Berufung für Erfolg versprechend hielt, ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen enthielten die bis zum Ablauf der Mängelbehebungsfrist eingereichten Eingaben "substantielle Einwendungen" nicht.
Solcherart entspricht es dem Gesetz, dass die belangten Behörde, weil die Beschwerdeführerin dem nach § 275 BAO ergangenen Mängelbehebungsauftrag nicht entsprochen hat, die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als zurückgenommen erklärt hat.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 2003/333.
Wien, am 28. Mai 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007150247.X00Im RIS seit
25.06.2008Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008