Index
E3L E13309900;Norm
31991L0477 Waffen-RL Anh1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der HG in W, vertreten durch Prof. Dipl.-Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. Juni 2006, Zl. BMI-VA 1900/0091-III/3/06, betreffend Erweiterung der Waffenbesitzkarte, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die im Devolutionsweg zuständig gewordene belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 25. August 2005, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung für eine näher bezeichnete verbotene Waffe gemäß § 17 Abs 3 Waffengesetz 1996 als unbegründet abgewiesen wurde, nicht stattgegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 28. April 2005 bei der erstinstanzlichen Behörde die Erweiterung ihrer Waffenbesitzkarte auf 3 Stück genehmigungspflichtige Schusswaffen und zum Besitz einer verbotenen Waffe, nämlich einer Vorderschaftrepetierflinte, beantragt und dabei ausgeführt, dass sie von ihrem Ehemann zwei Revolver und eine Vorderschaftrepetierflinte geerbt habe.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin rechtmäßiger Eigentümer von drei näher bezeichneten Schusswaffen gewesen sei, darunter einer verbotenen Waffe, nämlich einer Vorderschaftrepetierflinte (Pumpgun) Remington Model 870, 12 Mag. Die Beschwerdeführerin sei Erbin der gegenständlichen Schusswaffen. Über ihren Antrag sei ihr eine Waffenbesitzkarte für drei genehmigungspflichtige Schusswaffen ausgestellt worden. Der Antrag auf Erweiterung der Waffenbesitzkarte für den Besitz einer verbotenen Waffe (Pumpgun) sei abgewiesen worden.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 43 Abs 4 Waffengesetz 1996 (WaffG) der Antrag eines Erben oder Vermächtnisnehmers auf Erteilung der Berechtigung oder auf Erweiterung einer bestehenden Berechtigung, die für den Besitz eines gemäß § 43 Abs 1 WaffG sichergestellten Gegenstandes erforderlich sei, keiner weiteren Rechtfertigung bedürfe, sofern der Verstorbene den Gegenstand besitzen durfte. Die belangte Behörde teile die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht, wonach sie auf Grund dieser Bestimmung keinen "spezifischen Bedarf" für den Besitz der Vorderschaftrepetierflinte benötige.
§ 43 Abs 4 WaffG spreche ausdrücklich nur von "Rechtfertigung". Das bedeute, dass der Erbe oder Vermächtnisnehmer nur dort keine Rechtfertigung benötige, wo die gesetzlichen Bestimmungen auf das Vorliegen einer Rechtfertigung abstellten. In der Begriffsbestimmung für den Begriff "Rechtfertigung" in § 22 Abs 1 WaffG werde ausschließlich auf genehmigungspflichtige Schusswaffen Bezug genommen. Lediglich für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte für genehmigungspflichtige Schusswaffen sei das Erfordernis einer Rechtfertigung vorgesehen. Dem gegenüber stelle
§ 17 Abs 3 WaffG auf das überwiegende berechtigte Interesse an Erwerb, Einfuhr, Besitz oder Führen von verbotenen Waffen und § 18 Abs 2 WaffG auf ein berechtigtes Interesse für den Erwerb, Besitz oder das Führen von Kriegsmaterial ab. Die in § 43 Abs 4 WaffG vorgesehene Privilegierung des Erben oder Vermächtnisnehmers hinsichtlich des Nichterfordernisses einer Rechtfertigung beziehe sich nur auf genehmigungspflichtige Schusswaffen. Diese Differenzierung lasse sich weiters aus den §§ 17 und 18 WaffG im Verhältnis zu § 21 WaffG ableiten, wonach - im Vergleich zum Besitz von genehmigungspflichtigen Schusswaffen - höhere (strengere) Zugangsvoraussetzungen für den Besitz von verbotenen Waffen bzw Kriegsmaterial vorgesehen sind. Anhaltspunkte dafür, dass vom Gesetzgeber für den Erbfall ein gleiches Zugangsniveau gewollt gewesen sei, würden sich weder aus dem Wortsinn ("Rechtfertigung") noch aus den Materialien zum WaffG ergeben. Für die Beschwerdeführerin könne somit die Privilegierung des § 43 Abs 4 WaffG nicht zur Anwendung kommen.
Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Besitz der verbotenen Waffe gemäß § 17 Abs 3 WaffG sei - zusätzlich zu den Erfordernissen der Verlässlichkeit und der Vollendung des 21. Lebensjahres - der Nachweis eines überwiegenden berechtigten Interesses. Die Beschwerdeführerin habe im Antrag und in ihren weiteren Schriftsätzen vorgebracht, dass sie beabsichtige, mit der Vorderschaftrepetierflinte sportlich zu schießen. Überdies habe sie vorgebracht, dass die Waffe von ihrem verstorbenen Ehemann angeschafft worden sei und dieser auch den Wunsch angeführt habe, dass sie die Waffe übernehmen solle.
Die vorgebrachten Gründe würden weder für sich allein noch in ihrer Gesamtheit ein überwiegendes berechtigtes Interesse im Sinne des § 17 Abs 3 WaffG begründen. So habe die Beschwerdeführerin nicht vorgebracht, aus welchem Grund sie gerade mit der verbotenen Waffe den Schießsport ausüben wolle und aus welchem Grund nicht mit einer (nicht verbotenen) Flinte das Auslangen gefunden werden könne. Es seien auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass die gegenständliche Vorderschaftrepetierflinte aus waffentechnischer oder waffenhistorischer Sicht ein besonderes "sammlerisches Interesse" aufweise. Auch der Umstand, dass die Waffe vom Ehemann der Beschwerdeführerin erworben worden sei und die Beschwerdeführerin nach dessen Wunsch die Waffe übernehmen solle, stelle kein überwiegendes berechtigtes Interesse dar.
Auch unter dem Gesichtspunkt der Ermessensbestimmung des § 10 WaffG sei die Berufung der Beschwerdeführerin abzuweisen gewesen. Die vorgebrachten privaten Interessen seien nicht so berücksichtigungswürdig, dass eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen in Kauf genommen werden könne. Dabei sei auch zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei der Vorderschaftrepetierflinte um eine vom Gesetzgeber verbotene Waffe handle, die nach der Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich nicht im Besitz von Privatpersonen sein solle, weil von diesen Waffen eine gegenüber anderen Schusswaffen höhere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausgehe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. § 43 Waffengesetz 1996 (WaffG) lautet auszugsweise wie folgt:
"Erbschaft oder Vermächtnis
§ 43. (1) Befinden sich im Nachlaß eines Verstorbenen genehmigungspflichtige Schußwaffen, Kriegsmaterial oder verbotene Waffen, so hat derjenige, in dessen Obhut sich die Gegenstände im Erbfall befinden, dies unverzüglich der Behörde oder - sofern es sich um Kriegsmaterial handelt - der nächsten Militär- oder Sicherheitsdienststelle anzuzeigen. Die Behörde hat gegebenenfalls die Sicherstellung oder vorläufige Beschlagnahme dieser Gegenstände zu veranlassen oder die zur sicheren Verwahrung erforderlichen Anordnungen zu treffen.
(2) Gemäß Abs. 1 sichergestellte oder beschlagnahmte Gegenstände sind
1. an den Erben oder Vermächtnisnehmer, wenn dieser innerhalb von sechs Monaten, gerechnet ab dem Erwerb des Eigentums, die erforderliche Berechtigung zum Besitz dieser Gegenstände nachzuweisen vermag oder
2. an eine andere vom Erben oder Vermächtnisnehmer namhaft gemachte Person, wenn diese zum Besitz dieser Gegenstände berechtigt ist, auszufolgen. Anzeige- und Meldepflichten gemäß § 28 treffen in diesen Fällen die ausfolgende Behörde.
(3) Sind genehmigungspflichtige Schußwaffen, Kriegsmaterial oder verbotene Waffen keinem Berechtigten auszufolgen oder war die Vernichtung des Kriegsmaterials erforderlich, geht das Eigentum daran auf den Bund über. Dem Erben oder Vermächtnisnehmer ist eine angemessene Entschädigung zu gewähren, wenn es dieser binnen sechs Monaten ab Eigentumsübergang verlangt und der Erblasser zum Besitz dieser Gegenstände befugt war. Für Kriegsmaterial leistet diese Entschädigung der Bundesminister für Landesverteidigung.
(4) Der Antrag eines Erben oder Vermächtnisnehmers auf Erteilung der Berechtigung oder auf Erweiterung einer bestehenden Berechtigung, die für den Besitz eines gemäß Abs. 1 sichergestellten Gegenstandes erforderlich ist, bedarf keiner weiteren Rechtfertigung, sofern der Verstorbene den Gegenstand besitzen durfte. Die Frist des Abs. 2 Z 1 läuft jedenfalls bis zur Entscheidung über diesen Antrag.
(5) Wurden die Gegenstände nicht sichergestellt oder vernichtet und dem Erben oder Vermächtnisnehmer keine Bewilligung zum Besitz erteilt, hat er die noch in seiner Obhut befindlichen Gegenstände der Behörde binnen zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der behördlichen Entscheidung spätestens binnen sechs Monaten abzuliefern oder einem zum Erwerb solcher Waffen Befugten zu überlassen. Bis zum Ablauf dieser Frist ist der Besitz der Gegenstände in diesen Fällen erlaubt.
..."
Der 3. Abschnitt des Waffengesetzes 1996 (§§ 17 und 18 WaffG)
steht unter der Überschrift "Verbotene Waffen und Kriegsmaterial".
Die Bestimmungen lauten auszugsweise wie folgt:
"Verbotene Waffen
§ 17. (1) Verboten sind der Erwerb, die Einfuhr, der Besitz, und das Führen
...
4. von Flinten (Schrotgewehren) mit Vorderschaftrepetiersystem ("Pumpguns'');
...
(3) Die Behörde kann verläßlichen Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und überwiegendes berechtigtes Interesse an Erwerb, Einfuhr, Besitz oder Führen nachweisen, Ausnahmen von Verboten der Abs. 1 und 2 bewilligen. Diese Bewilligung kann befristet und an Auflagen gebunden werden. Die Bewilligung zum Besitz ist durch Ausstellung einer Waffenbesitzkarte nach dem Muster der Anlage 2, die Bewilligung zum Führen durch Ausstellung eines Waffenpasses nach dem Muster der Anlage 1 zu erteilen. Im übrigen gelten für den Besitz und das Führen solcher Waffen oder Vorrichtungen die §§ 21 Abs. 4 sowie 25 bis 27.
...
Kriegsmaterial
§ 18. (1) Der Erwerb, der Besitz und das Führen von Kriegsmaterial sind verboten.
(2) Der Bundesminister für Landesverteidigung kann verläßlichen Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und ein berechtigtes Interesse für den Erwerb, Besitz oder das Führen von Kriegsmaterial glaubhaft machen, Ausnahmen von den Verboten des Abs. 1 bewilligen. Solche Ausnahmebewilligungen bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesminister für Inneres. Sie sind zu versagen, wenn gegen ihre Erteilung gewichtige Interessen, insbesondere militärischer oder sicherheitspolizeilicher Art sprechen.
(3) Eine Ausnahmebewilligung kann aus den in Abs. 2 genannten gewichtigen Interessen befristet und an Auflagen gebunden werden. Sie kann widerrufen werden, wenn eine Voraussetzung für ihre Erteilung weggefallen ist.
..."
Der Erwerb, der Besitz und das Führen der im 4. Abschnitt des Waffengesetzes 1996 geregelten genehmigungspflichtigen Schusswaffen ist gemäß § 20 Abs 1 WaffG nur auf Grund einer behördlichen Bewilligung zulässig. Die Bewilligung zum Erwerb und zum Besitz dieser Waffen ist von der Behörde durch die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zu erteilen.
§ 21 Abs 1 WaffG lautet:
"§ 21. (1) Die Behörde hat verläßlichen EWR-Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer genehmigungspflichtigen Schußwaffe eine Rechtfertigung anführen können, auf Antrag eine Waffenbesitzkarte auszustellen. Die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte an andere verläßliche Menschen, die das 21. Lebensjahr vollendet haben und für den Besitz einer solchen Waffe eine Rechtfertigung anführen können, liegt im Ermessen der Behörde; ebenso die Ausstellung an Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sofern sie den Nachweis erbringen, daß der Besitz einer solchen Waffe für die Ausübung ihres Berufes erforderlich ist."
§ 22 Abs 1 WaffG enthält eine Begriffsbestimmung der "Rechtfertigung" im Sinne des § 21 Abs 1 WaffG:
"§ 22. (1) Eine Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs. 1 ist jedenfalls als gegeben anzunehmen, wenn der Betroffene glaubhaft macht, daß er die genehmigungspflichtige Schußwaffe innerhalb von Wohn- oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften zur Selbstverteidigung bereithalten will."
2. Die Richtlinie 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen, ABl Nr L 256 vom 13. September 1991, S 51 (im Folgenden: RL 91/477/EWG), dient der Harmonisierung des Feuerwaffenrechts. Artikel 5 und 6 der RL 91/477/EWG lauten:
"Artikel 5
Unbeschadet des Artikels 3 gestatten die Mitgliedstaaten den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen der Kategorie B nur Personen, die dafür eine Rechtfertigung anführen können und außerdem
a) 18 Jahre alt sind, außer bei Vorliegen einer Sondergenehmigung für Jäger und Sportschützen;
b) sich selbst, die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit aller Voraussicht nach nicht gefährden.
Unbeschadet des Artikels 3 gestatten die Mitgliedstaaten den Besitz von Feuerwaffen der Kategorien C und D nur Personen, welche die unter dem Buchstaben a) genannten Voraussetzungen erfüllen. Die Mitgliedstaaten können die Genehmigung für den Besitz der Waffen entziehen, wenn eine der in Buchstabe b) genannten Voraussetzungen nicht mehr erfüllt ist. Die Mitgliedstaaten dürfen den in ihrem Gebiet ansässigen Personen den Besitz einer in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen Waffe nur dann verbieten, wenn sie den Erwerb der gleichen Waffe im eigenen Gebiet untersagen.
Artikel 6
Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um den Erwerb und den Besitz von Feuerwaffen und Munitionsarten der Kategorie A zu verbieten. Die zuständigen Behörden können in Sonderfällen Genehmigungen für die genannten Feuerwaffen und Munitionsarten erteilen, sofern die öffentliche Ordnung und Sicherheit dem nicht entgegenstehen."
Gemäß Artikel 3 der RL 91/477/EWG können die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer waffenrechtlichen Regelungen strengere Vorschriften erlassen, als in dieser Richtlinie vorgesehen.
3. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin als Erbin einer Vorderschaftrepetierflinte ("Pumpgun") beantragt, ihr gemäß § 43 Abs 4 WaffG die Berechtigung für den Besitz dieser Waffe zu erteilen. Bei dieser Waffe handelt es sich nach § 17 Abs 1 Z 4 WaffG um eine verbotene Waffe ("Kategorie A" im Sinne des § 2 Abs 1 WaffG).
Unstrittig ist, dass der verstorbene Ehemann der Beschwerdeführerin die verbotene Waffe besitzen durfte; nach der Aktenlage liegt auch kein Befristung der Bewilligung vor und dem Erblasser wurden für den Besitz der Waffe auch keine Auflagen im Sinne des § 17 Abs 3 WaffG vorgeschrieben.
4. Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass sich § 43 Abs 4 WaffG ausdrücklich auf gemäß § 43 Abs 1 sichergestellte Gegenstände - somit auf genehmigungspflichtige Schusswaffen, Kriegsmaterial oder verbotene Waffen - beziehe. Auch der Antrag eines Erben auf Erteilung oder Erweiterung einer Berechtigung, die für den Besitz einer verbotenen Waffe erforderlich ist, bedürfe daher keiner weiteren Rechtfertigung. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass § 43 Abs 4 WaffG lediglich auf genehmigungspflichtige Schusswaffen anzuwenden sei, würde dem Gesetzgeber die Schaffung einer unsinnigen Bestimmung unterstellen. Für die Erteilung einer Berechtigung zum Besitz einer verbotenen Waffe sei nämlich keine Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs 1 WaffG notwendig. Es sei daher nahe liegend, dass der Zweck der Bestimmung des § 43 Abs 4 WaffG ein anderer sein müsse, als dass bloß keine Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs 1 WaffG für verbotene Waffen (und für Kriegsmaterial) notwendig sei. Die Bestimmung des § 43 Abs 4 WaffG würde sohin - unter Zugrundelegung der Auffassung der belangten Behörde - hinsichtlich verbotener Waffen völlig ins Leere gehen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass § 43 Abs 4 WaffG ausdrücklich von "Gegenständen" spreche, die gemäß § 43 Abs 1 WaffG sichergestellt wurden. § 20 WaffG spreche von genehmigungspflichtigen Schusswaffen und regle ausschließlich Schusswaffen. Demgegenüber erfasse § 17 WaffG neben Waffen auch "Vorrichtungen" (§ 17 Abs 1 Z 5 WaffG) und die Kriegsmaterialverordnung betreffe neben Waffen ua auch Munition und Geräte, Fahrzeuge, Maschinen und Anlagen. Würde sich § 43 Abs 4 WaffG nur auf genehmigungspflichtige Schusswaffen beziehen, müsse nicht auf "Gegenstände" abgestellt werden.
5. Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, dass es einen Wertungswiderspruch darstellen würde, für den sich in der Systematik des WaffG auch kein Anhaltspunkt finde, wenn der Erwerb und Besitz von Kriegsmaterial und verbotenen Waffen zwar grundsätzlich verboten sei, jedoch im Erbfall (abgesehen vom Mindestalter und der Verlässlichkeit) "ohne weiteres" zulässig wäre. Für diese Rechtsansicht finde sich weder im Gesetz noch in den Materialien ein hinreichender Anhaltspunkt, sondern es sei der Begriff Rechtfertigung in dem Sinne zu verstehen, wie er im Waffengesetz verwendet werde, nämlich als "Voraussetzungserfordernis" für die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte zum Erwerb und Besitz genehmigungspflichtiger Schusswaffen. Die Wortfolge "keiner weiteren Rechtfertigung" im § 43 Abs 4 WaffG sei so zu verstehen, dass nur für die Ausstellung oder Erweiterung einer Waffenbesitzkarte für genehmigungspflichtige Schusswaffen im Anwendungsbereich des § 43 WaffG eine Rechtfertigung nicht vorgebracht werden müsse.
Die belangte Behörde stützt ihre Rechtsansicht, die Privilegierung des § 43 Abs 4 WaffG beziehe sich nur auf genehmigungspflichtige Schusswaffen, aus der Verwendung des Begriffs "Rechtfertigung", der sonst im WaffG ausschließlich im Zusammenhang mit genehmigungspflichtigen Schusswaffen, insbesondere im Hinblick auf die Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 21 WaffG, verwendet wird.
Nach der von der belangten Behörde vertretenen Rechtsansicht wäre zwar den Erben einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe eine Waffenbesitzkarte für diese Waffe auch ohne ("weitere") Rechtfertigung iSd § 21 Abs 1 WaffG auszustellen (oder eine bestehende Waffenbesitzkarte zu erweitern), für die Erben einer verbotenen, aber vom Verstorbenen rechtmäßig besessenen Waffe würde die Bestimmung des § 43 Abs 4 WaffG jedoch keine Änderung gegenüber jener Rechtslage bewirken, wie sie ohne diese Bestimmung gegeben wäre. Der Erbe solcher Waffen (bzw Gegenstände) müsste daher ein "überwiegendes berechtigtes Interesse" im Sinne des § 17 Abs 3 WaffG nachweisen, um das Erbe antreten zu können. Diese Ansicht wird auch von Grosinger/Zirba/Szymanski (Das österreichische Waffenrecht, 3. Auflage (2005), S. 222) und Hickisch (Österreichisches Waffenrecht (1999), S. 152) vertreten; demgegenüber gehen Hauer/Keplinger (Waffengesetz 1996 (2007),
S. 242) davon aus, dass der Umstand der Erbschaft oder des Vermächtnisses kraft Gesetzes bereits als "ausreichende Rechtfertigung" für die Ausstellung oder Erweiterung "von Besitzberechtigungen nach § 17, § 18 oder §§ 20f WaffG" gilt.
6. Der Beschwerdeführerin ist einzuräumen, dass sich die in § 43 Abs 4 WaffG vorgesehene "Privilegierung des Erben oder Vermächtnisnehmers" (so wörtlich der Runderlass der belangten Behörde, abgedruckt zB bei Hauer/Keplinger, Waffengesetz 1996, (2007)) nach ihrem Wortlaut auf den Besitz "eines gemäß Abs. 1 sichergestellten Gegenstandes" und damit sowohl auf genehmigungspflichtige Schusswaffen als auch auf Kriegsmaterial oder verbotene Waffen bezieht; dies immer unter der weiteren Voraussetzung, dass der Verstorbene den Gegenstand besitzen durfte.
Die belangte Behörde hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich beim Begriff der "Rechtfertigung" um einen Fachbegriff handelt, der im WaffG ausschließlich im Zusammenhang mit genehmigungspflichtigen Schusswaffen Verwendung findet, für deren Erwerb und Besitz nach § 21 Abs 1 WaffG eine Rechtfertigung anzuführen ist. Demgegenüber erfordert der rechtmäßige Erwerb und Besitz verbotener Waffen keine bloße "Rechtfertigung", sondern eine Ausnahmebewilligung nach § 17 Abs 3 WaffG, die nur bei Vorliegen weitergehender Anforderungen erteilt werden darf. Der Entfall des Erfordernisses einer "weiteren" Rechtfertigung nach § 43 Abs 4 WaffG kann sich daher nur auf jene Waffen beziehen, für deren Erwerb und Besitz eine Rechtfertigung iSd § 21 Abs 1 WaffG erforderlich ist. Für verbotene Waffen und Kriegsmaterial ändert sich daher auch im Erbfall nichts an der Rechtslage, wonach der Besitz nur nach Maßgabe einer Ausnahmebewilligung gemäß § 17 Abs 3 bzw § 18 Abs 2 WaffG zulässig ist.
7. Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Waffengesetzes 1996, insbesondere vor dem Hintergrund der damit bezweckten Richtlinienumsetzung, gestützt. Zur Umsetzung der RL 91/477/EWG war auch das Erfordernis einer Rechtfertigung für den Erwerb und Besitz genehmigungspflichtiger Waffen gemäß Art 5 der RL 91/477/EWG vorzusehen. Punkt 2 des allgemeinen Teils der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (457 BlgNR 20. GP, S 40) hält fest, dass für die Rechtfertigung "eine ausdrückliche Regelung (§ 21 Abs 1 und § 22 Abs 1) vorgeschlagen" werde.
Für den Erbfall wurde jedoch - in Anlehnung an die bis dahin in Kraft stehende Bestimmung des § 25 Waffengesetz 1986, die für den Fall des Erwerbs einer Faustfeuerwaffe im Erbweg eine bloße Anzeigepflicht festlegte - davon abgesehen, eine ("weitere") Rechtfertigung für den Erwerb im Sinne des § 21 Abs 1 bzw § 22 Abs 1 WaffG zu verlangen. Nach den Erläuterungen (S 58) sollte im Erbfall bei der Erteilung der Berechtigung "der Wille, das Erbe oder Vermächtnis antreten zu wollen, als Rechtfertigung im Sinne des § 23 Abs 1 (richtig: § 21 Abs 1) anzusehen" sein. Auch die Materialien zu § 43 Abs 4 WaffG stellen damit ausschließlich auf die für den Besitz genehmigungspflichtiger Schusswaffen erforderliche Rechtfertigung im Sinne des § 21 Abs 1 WaffG ab.
Zwar hat der österreichische Gesetzgeber im Hinblick auf Vorderschaftrepetierflinten von der Ermächtigung des Art 3 der RL 91/477/EWG zur Erlassung strengerer Vorschriften Gebrauch gemacht und diese abweichend von der in Anhang I der RL 91/477/EWG erfolgten Kategorisierung als verbotene Waffe klassifiziert. Er hat diese Waffen jedoch dem allgemeinen Regime unterworfen, das auch für die schon nach der RL 91/477/EWG als verboten klassifizierten Waffen gilt. Auch für die verfahrensgegenständliche Vorderschaftrepetierflinte kommt daher das Erfordernis einer Ausnahmebewilligung zum Tragen, wie sie in Umsetzung des Art 6 der RL 91/477/EWG allgemein für im Sinne der Richtlinie verbotene Waffen vorgesehen ist.
Die Gesetzesmaterialien lassen auch keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass im Erbfall nicht nur das Erfordernis einer ("weiteren") Rechtfertigung für den Besitz genehmigungspflichtiger Schusswaffen, sondern auch die Prüfung der Voraussetzungen für die nach Art 6 der RL 91/477/EWG nur in Sonderfällen zu erteilenden (Ausnahme-)Genehmigungen hätte wegfallen sollen.
Die (von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid so bezeichnete) "Privilegierung des Erben oder Vermächtnisnehmers hinsichtlich des Nichterfordernisses einer Rechtfertigung" für genehmigungspflichtige Schusswaffen, deren Vereinbarkeit mit Art 5 der RL 91/477/EWG hier dahingestellt bleiben kann, erstreckt sich damit jedenfalls nicht auf die für den Besitz verbotener Waffen erforderliche Ausnahmebewilligung gemäß § 17 Abs 3 WaffG.
8. Die belangte Behörde hat den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Erweiterung ihrer Waffenbesitzkarte auch als Antrag gewertet, ihr die Berechtigung zum Besitz der verbotenen Waffe durch eine Ausnahmebewilligung gemäß § 17 Abs 3 WaffG zu erteilen.
Zutreffend gehen die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass es sich dabei um eine Ermessensentscheidung der belangten Behörde handelt.
Gemäß § 10 WaffG sind bei der Anwendung der in diesem Bundesgesetz enthaltenen Ermessensbestimmungen private Rechte und Interessen nur insoweit zu berücksichtigen, als dies ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses, das an der Abwehr der mit dem Gebrauch von Waffen verbundenen Gefahr besteht, möglich ist.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass an der gegenständlichen Waffe aus waffentechnischer oder waffenhistorischer Sicht kein besonderes sammlerisches Interesse besteht; die besondere Geschichte des Waffe sei vielmehr der Umstand, dass die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrem Ehemann mit dieser Flinte oftmalig schießen gewesen sei und es sich eben um ein Erinnerungsstück handle. Der belangten Behörde seien Verfahrensmängel unterlaufen, da sie keine Parteienvernehmung durchgeführt und auch kein Gutachten eingeholt habe, wonach die Beschwerdeführerin die Waffe zum Schießsport verwendet habe. Schließlich sei die Entscheidung der belangten Behörde insoweit fehlerhaft, als zur Feststellung einer höheren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, wie sie die belangte Behörde auf Grund der Einstufung der gegenständlichen Vorderschaftrepetierflinte als verbotene Waffe annehme, die notwendigen waffentechnischen Parameter fehlen würden. Die belangte Behörde habe hinsichtlich der tatsächlichen Gefährlichkeit der gegenständlichen Waffe keine Erhebungen durchgeführt und der Beschwerdeführerin auch keine Gelegenheit gegeben sich, zur Gefährlichkeit der Waffe zu äußern.
Dieses Vorbringen vermag die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Rahmen des von ihr zu übenden Ermessens die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten, sehr allgemein gehaltenen privaten Interessen als nicht ausreichend für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung beurteilt hat. Der Wunsch, eine verbotene Waffe zum sportlichen Schießen zu verwenden, vermag auch dann kein berechtigtes Interesse am Besitz einer verbotenen Waffe zu vermitteln, wenn die Beschwerdeführerin - wie sie in der Beschwerde behauptet - bereits zu Lebzeiten des Erblassers mit diesem gemeinsam mit dieser Waffe den Schießsport ausgeübt hat. Auch wenn die belangte Behörde den Umstand, dass die Beschwerdeführerin die Waffe als "besonderes Erinnerungsstück" aufbewahren möchte, als nicht ausreichend angesehen hat, um ein überwiegendes berechtigtes Interesse anzunehmen, kann darin keine fehlerhafte Ermessensübung durch die belangte Behörde gesehen werden, zumal vergleichbare Interessenlagen geradezu typisch im Erbfall vorliegen. Schließlich war die belangte Behörde im vorliegenden Fall auch nicht gehalten, sich näher mit der Frage zu befassen, ob die konkrete verbotene Waffe im Hinblick auf ihr Gefährdungspotenzial allenfalls mit bloß genehmigungspflichtigen Schusswaffen vergleichbar ist, da das öffentliche Interesse, den Privatbesitz verbotener Waffen nur in Ausnahmefällen - also insbesondere auch nicht routinemäßig im Erbfall - zuzulassen, schon durch die Entscheidung des Gesetzgebers feststeht und berechtigte private Interessen, die das allgemeine öffentliche Interesse an der Verhinderung des Privatbesitzes verbotener Waffen überwiegen hätten können, nicht nachgewiesen wurden. Die diesbezüglichen Verfahrensrügen gehen damit ins Leere.
9. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 28. Mai 2008
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006030114.X00Im RIS seit
25.06.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013