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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AuslBG §4 Abs3 Z7 idF 2005/I/101;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der F HandelsgesmbH & Co KG in K, vertreten durch Dr. Farhad Paya, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herrengasse 12/1, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Kärnten des Arbeitsmarktservice vom 24. April 2006, Zl. LGS/SfU/08114/2006, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Klagenfurt vom 20. Oktober 2005 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 4 Abs. 6, 4 Abs. 3 Z. 7 und § 5 AuslBG der am 5. Oktober 2005 gestellte Antrag, für eine namentlich bezeichnete rumänische Staatsangehörige eine Beschäftigungsbewilligung zum Zwecke der Ausübung einer unselbständigen Dauerbeschäftigung als Köchin und Kellnerin in ihrem Betrieb zu erteilen, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die beantragte Ausländerin habe im Zeitpunkt der Antragstellung über ein Aufenthaltsrecht für "befristet Beschäftigte" nach § 12 Abs. 2 FrG verfügt, das diese auf Grund einer für den Zeitraum 11. Mai 2005 bis 31. Oktober 2005 im Rahmen einer Verordnung nach § 5 AuslBG für den Sommertourismus 2005 erteilten Beschäftigungsbewilligung erhalten habe. Diese Verordnung sei mit Ablauf des 30. September 2005 außer Kraft getreten. Eine weitere Verordnung nach § 5 AuslBG sei bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht wieder erlassen worden.
Mit der Landeshöchstzahlenverordnung 2005 sei die Landeshöchstzahl für Kärnten mit 7.000 festgesetzt worden; im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides sei diese mit 11.322 weit überschritten gewesen. Daher sei § 4 Abs. 6 AuslBG anzuwenden gewesen, wonach Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden dürften, wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 bis 3 leg. cit. erfüllt seien. Nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG dürfe eine Beschäftigungsbewilligung nur erteilt werden, wenn der Ausländer über eine Niederlassungsbewilligung oder eine Aufenthaltserlaubnis verfüge, die die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gestatte. Die beantragte Ausländerin verfüge über keine derartige Aufenthaltserlaubnis. Bei dieser Sachlage seien die weiteren Voraussetzungen für eine Erteilung nicht mehr zu prüfen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde aus den Beschwerdegründen einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides sowie einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte, und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 4 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 101/2005, lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 4. (1) Die Beschäftigungsbewilligung ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
(2) ...
(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn
1. der Arbeitgeber den Ausländer auf einem Arbeitsplatz seines Betriebes beschäftigen wird, wobei eine Zurverfügungstellung des Ausländers an Dritte unbeschadet des § 6 Abs. 2 nicht als Beschäftigung im eigenen Betrieb gilt;
2.
- 6. .....
7.
der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder über den Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 verfügt oder einen Asylantrag eingebracht hat, über den seit drei Monaten nicht rechtskräftig abgesprochen wurde, und das Verfahren nicht eingestellt wurde (§ 24 AsylG 2005) oder auf Grund einer Verordnung gemäß § 76 NAG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt;
8. -16. ....
(4) (5) ....
(6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß § 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und
1. der Regionalbeirat die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder
2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder
3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß § 5 ausgeübt werden soll oder
4. der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 erfüllt oder 4a. der Ausländer Ehegatte oder unverheiratetes minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers ist oder
5. die Beschäftigung auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder
6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).
(7) bis (11) ...."
In Ausführung der Beschwerde macht die beschwerdeführende Partei zunächst geltend, die belangte Behörde habe ihrer Entscheidung eine Statistik beigelegt, wonach im September 2005 die Landeshöchstzahl für Kärnten mit 11.322 Ausländern weit überschritten gewesen sei. Diese Statistik sei der beschwerdeführenden Partei das erste Mal mit dem angefochtenen Bescheid zur Kenntnis gebracht worden, was eine Verletzung ihres Parteiengehörs darstelle, abgesehen davon, dass der angefochtene Bescheid erst im April 2006 erlassen worden sei. Die Feststellung der Überschreitung der Landeshöchstzahl beruhe daher auf einem mangelhaften Verfahren.
Mit diesem Vorbringen ist die beschwerdeführende Partei im Recht.
Das Arbeitsmarktservice ist gemäß § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet, den antragstellenden Arbeitgeber von der im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgeblichen Überschreitung der Landeshöchstzahl in Kenntnis zu setzen und ihm damit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. März 1997, Zl. 94/09/0148, u.v.a.). Die Behörde erster Instanz hatte in Verkennung des Umfanges des gestellten Antrages die Erteilung einer (§ 5-Kontingent-)Bewilligung lediglich mit dem Hinweis auf das Fehlen einer aktuellen § 5 Kontingentverordnung abgewiesen. Daher hatte der (im Oktober 2005 erlassene) erstinstanzliche Bescheid eine einschlägige Feststellung naturgemäß noch nicht enthalten. Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde der beschwerdeführenden Partei zwar mit Schreiben der belangten Behörde vom 20. Dezember 2005 die Überschreitung der Landeshöchstzahl sowohl zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 20. Oktober 2005 (unter Beifügung eines Ausdrucks der Statistik per Ende September 2005) als auch im Zeitpunkt dieses Schreibens (Dezember 2005, allerdings ohne Beifügung eines Ausdrucks der Statistik) mit der Aufforderung zur Kenntnis gebracht, hierzu Stellung zu nehmen.
In ihrer Stellungnahme vom 29. Dezember 2005 verwies die beschwerdeführende Partei darauf, dass ihr die Überschreitung der Landeshöchstzahl und jene Statistik, aus der sich eine solche ergäbe, nicht bekannt sei, und beantragte die Übermittlung der Statistik, aus der die Überschreitung der Landeshöchstzahl hervorgehen solle, sowie die Bekanntgabe, aus welchen Kriterien diese gespeist und auf welche Weise diese auf dem laufenden gehalten werde. Diesem Ersuchen kam die belangte Behörde nicht nach, sondern erließ den angefochtenen Bescheid.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. Januar 2001, Zl. 98/09/0142, mwN) ist bei Prüfung der Frage, ob die (Bundesoder)Landeshöchstzahl überschritten ist, auf das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorhandene statistische Material zurückzugreifen. Im Beschwerdefall wäre das ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt 24. April 2006 die Zahl per Ende März 2006 gewesen. Die von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Auffassung, für sie sei die (Sach- und) Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides erster Instanz maßgeblich, wird angesichts des § 66 Abs. 4 AVG, wonach die Berufungsbehörde in der Sache selbst zu entscheiden hat, nicht geteilt. Tatsächlich vorgehalten wurde der beschwerdeführenden Partei im Rahmen des Parteiengehörs aber die statistische Zahl per Ende September 2005, also fast ein halbes Jahr vor der Bescheiderlassung. Angesichts der von der belangten Behörde selbst mitgeteilten - leicht fallenden - Überschreitung der mit 7000 für das Jahr 2005 festgesetzten Landeshöchstzahl per Ende September mit 11322 Ausländern und per Dezember 2005 mit 10972 Ausländern, hätte sie ihre diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse offen legen und dem Antrag auf Übermittlung der ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Statistik entsprechen müssen. Denn die Überschreitung der Landeshöchstzahl ist weder offenkundig noch besteht für ihr Vorhandensein eine gesetzliche Vermutung. Sie ist daher von der Behörde in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach den Grundsätzen des § 37, § 45 Abs. 2 und 3 sowie § 46 AVG zu ermitteln und festzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1995, Zl. 94/09/0315, mwN). Insofern ist auch der dem hg. Erkenntnis vom 31. Januar 2001, Zl. 98/09/0142, zugrunde liegende Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil es sich dort um die statistischen Zahlen jeweils der Vormonate gehandelt hatte und der belangten Behörde nicht als Verfahrensmangel angelastet werden konnte, dass sie dem Verlangen, nachdem die Überschreitungszahl des Vormonates (Ende Mai 1997) zur Stellungnahme vorgehalten worden war, neuerlich die nachfolgende Überschreitungszahl per Ende Juni 1997 vorzuhalten, nicht mehr nachgekommen war, weil dies einem Begehren nach einem "perpetuum mobile" (also einer niemals zu einem Ende führenden Anhörung der Partei zum Ergebnis von Ermittlungsergebnissen) gleich gekommen wäre, welches eine Bescheiderlassung auf Dauer unmöglich machen würde.
Der aufgezeigte Verfahrensmangel erweist sich aber auch als entscheidungswesentlich, weil erst auf Grund der in einem einwandfreien Verfahren festgestellten Überschreitung der Landeshöchstzahl das "erschwerte Verfahren" nach § 4 Abs. 6 AuslBG zum Tragen kommen kann, auf dessen fehlende Voraussetzungen die belangte Behörde die Abweisung der Berufung (und des Antrages auf Erteilung einer - im Übrigen unbefristeten - Beschäftigungsbewilligung) gestützt hat.
Auch zum Abweisungsgrund des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG hätte sich die belangte Behörde mit der im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidung geltenden Sach- und Rechtslage befassen müssen, weshalb das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides zu prüfen gewesen wäre.
Aus diesem Grunde war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003, und § 41 AMSG.
Wien, am 28. Mai 2008
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090101.X00Im RIS seit
04.07.2008Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008