TE Vfgh Erkenntnis 2003/6/27 B725/01

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Veröffentlicht am 27.06.2003
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Index

58 Berg- und Energierecht
58/01 Bergrecht

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird daher aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.143,68 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist Eigentümerin der Bergwerksberechtigungen für die Grubenmaße "Gustav-Bau" und "Leopoldine-Bau", eingetragen im Bergbuch beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz unter der EZ 29 "Braunkohlenbergbau in Klein-Kainach", innerhalb derer auch das Grundstück der mitbeteiligten Partei liegt. Dieses Grundstück war mit Bescheid der Berghauptmannschaft Graz vom 8. Jänner 1957 zum Bruchgebiet erklärt worden. Mit Antrag vom 14. Mai 1996 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Berghauptmannschaft Graz die Bewilligung zur Errichtung eines "Altenteilwohnhauses mit angebauter Doppelgarage" auf besagtem Grundstück. Mit Bescheid des - über Devolutionsantrag zuständig gewordenen - Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 16. April 1998, Z63.225/1-VII/A/4/98, wurde der mitbeteiligten Partei die begehrte Bewilligung erteilt. Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2000, Z98/04/0105, wurde dieser Bewilligungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, Z63.150/72-III/B/13/01, wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf behördliche Bewilligung zur Errichtung des in Rede stehenden Einfamilienhauses als unzulässig zurückgewiesen und dies damit begründet, dass gemäß §211 MinroG für nicht als Bergbauanlagen geltende Bauten und andere Anlagen, die vor dem 31. Dezember 1998 u.a. in Bergbaugebieten errichtet worden seien, die Bewilligung nach §153 Abs2 MinroG als erteilt gelte. §211 MinroG stelle - so die belangte Behörde - auf das Faktum ab, dass am 1. Jänner 1999 ein bereits errichtetes Bauwerk vorgelegen sei. Wann ein Bauwerk als "errichtet" im Sinne des §211 MinroG anzusehen sei, ergebe sich unter Berücksichtigung des Zweckes der Bestimmungen über Bergbaugebiete: Ein Bau gelte in deren Sinne als "errichtet", wenn er soweit hergestellt sei, dass er eine Bergbautätigkeit erschweren könnte bzw. eine Beeinträchtigung des Bauwerkes durch diese nicht mehr ausgeschlossen werden könne, weil etwa die hiefür notwendigen Maßnahmen im Nachhinein nicht mehr hergestellt werden könnten. Letzteres wäre dann anzunehmen, wenn der Rohbau und der Innendachausbau fertig gestellt worden seien. Aufgrund des konstatierten Baufortschrittes gelte gemäß §211 MinroG im vorliegenden Fall die Bewilligung nach §153 Abs2 ex lege als erteilt, weshalb der Antrag der mitbeteiligten Partei zurückzuweisen gewesen sei.

2. a) Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der bergwerksberechtigten Gesellschaft an den Verfassungsgerichtshof, in der ihre Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie ihre Verletzung in sonstigen Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes - in concreto des §211 MinroG - behauptet sowie die kostenpflichtige Behebung des Bescheides begehrt wird.

b) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der er beantragt, die Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation zurückzuweisen, in eventu die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

c) Auf die Gegenschrift der belangten Behörde hat die beschwerdeführende Gesellschaft repliziert.

d) Auch die - im Verwaltungsverfahren um Errichtungsbewilligung ansuchende - mitbeteiligte Partei hat eine Äußerung erstattet, in der sie der Sache nach dem Beschwerdevorbringen entgegentritt. Während ihrer gesamten Bautätigkeit einschließlich des Zeitpunktes der Erstellung der Benützungsbewilligung wäre für ihr Bauvorhaben eine rechtsgültige bergrechtliche Genehmigung vorgelegen, die erst durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes beseitigt worden sei.

II. 1. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. Dezember 2002 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §211 des ArtI des Bundesgesetzes über mineralische Rohstoffe, über die Änderung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes und des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 (Mineralrohstoffgesetz - MinroG), BGBl. I 38/1999, ein.

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 2003, G11/03, hat der Verfassungsgerichtshof die erste Wortfolge "Bauten und andere" in §211 MinroG als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Da es sich im vorliegenden Fall um die Bewilligung eines neu errichteten Wohnhauses samt angebauter Doppelgarage - also um einen "Bau", nicht eine "Anlage", und um dessen Neuerrichtung, nicht um seine Erweiterung oder Veränderung - in einem im ersten Satz des §211 MinroG bezogenen Bergbaugebiet handelt (vgl. eben jenes Erkenntnis G11/03), hat die belangte Behörde die erste Wortfolge "Bauten und andere" im ersten Satz des §211 - und sohin eine verfassungswidrige Wortfolge - angewandt. Nach Lage des Falles ist es nicht ausgeschlossen, dass dies für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft nachteilig war.

Da die beschwerdeführende Gesellschaft, deren Beschwerde zulässig ist (vgl. G11/03), durch den angefochtenen Bescheid sohin infolge Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt wurde (vgl. zB VfSlg. 15.769/2000), war der Bescheid aufzuheben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist USt in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 181,68 enthalten.

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B725.2001

Dokumentnummer

JFT_09969373_01B00725_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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