TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/4 2005/13/0041

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Veröffentlicht am 04.06.2008
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §183 Abs4;
BAO §232 Abs1;
BAO §232;
BAO §288 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der K in W, vertreten durch Petsch, Frosch & Klein, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Platz 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 24. Jänner 2005, Zl. RV/1346- W/04, betreffend Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Sicherstellung des Abgabenanspruches Einkommensteuer 1996 und hinsichtlich des gemäß § 232 Abs. 2 lit. d BAO festgesetzten Betrages wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im Übrigen, also hinsichtlich der Sicherstellung der Abgabenansprüche Einkommensteuer 1997 bis 2001, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 23. Jänner 2004 erließ das Finanzamt gegenüber der Beschwerdeführerin - zum Teil unter Wiederaufnahme früherer Verfahren - Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1999, wobei die Bescheide für die Jahre 1996 und 1999 mit Bescheiden vom 26. Jänner 2004 gemäß § 293 BAO berichtigt wurden.

Hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 und 2001 sowie hinsichtlich der Umsatzsteuer für diese beiden Jahre war bei der belangten Behörde ein Berufungsverfahren anhängig, in dem sich ein neuer - auch die früheren Jahre betreffender - Sachverhalt ergeben hatte.

Am 27. Jänner 2004 erließ das Finanzamt einen Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 BAO, der sich in unterschiedlichem Ausmaß (mit insgesamt EUR 9.026,87) auf diese acht Abgabenansprüche bezog. Zur Begründung wurde ausgeführt, im erwähnten Berufungsverfahren sei hervorgekommen, dass "die Einnahmen für den als Jahrbuch erscheinenden Mondkalender bisher steuerlich nicht erfasst worden" seien. Die Einbringung der Abgaben sei gefährdet, weil "der dringende Verdacht der Abgabenhinterziehung" bestehe und auch schwer wiegende Mängel in Büchern und Aufzeichnungen bestünden, die die Annahme begründeten, die Beschwerdeführerin werde sich "der Vollstreckung der festzusetzenden Abgaben voraussichtlich zu entziehen trachten".

Mit acht getrennten Schriftsätzen vom 2. bis 10. Februar 2004 erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen den Sicherstellungsbescheid. Sie brachte jeweils vor, die im Sicherstellungsauftrag genannte (voraussichtliche) Höhe des Abgabenanspruches lasse sich "nicht nachvollziehen", und machte darüber hinaus in Bezug auf den Abgabenanspruch auch geltend, sie sei (1996 bis 1998) nicht Unternehmer gewesen und Steuerabsetzbeträge seien "nicht berücksichtigt und/oder falsch berechnet" worden bzw. (1999 bis 2001) die Abgabenbehörde weigere sich, die Beschwerdeführerin als Unternehmerin anzuerkennen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen, soweit sie sich auf die Umsatzsteuer 2000 und 2001 bezogen, zur Gänze statt. Hinsichtlich der Einkommensteuer 1996 bis 1999 wies sie die Berufungen zur Gänze ab. Hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 und 2001 gab sie den Berufungen insoweit Folge, als sie die voraussichtliche Höhe des Abgabenanspruches jeweils - mit einem etwas niedrigeren Betrag - neu festsetzte.

Begründend verwies die belangte Behörde hinsichtlich der im Sicherstellungsauftrag angeführten voraussichtlichen Höhe der Einkommensteuer 1996 bis 1999 auf die kurz vor Erlassung des Sicherstellungsauftrages an die Beschwerdeführerin gerichteten Abgabenbescheide, mit denen ihr die "Feststellungsergebnisse der Finanzbehörde unzweifelhaft dargetan worden" seien.

Hinsichtlich der Einkommensteuer 2000 und 2001 sei das Finanzamt im Sicherstellungsauftrag von den Berechnungsgrundlagen ausgegangen, die seitens der Berufungsbehörde nicht nur dem Finanzamt mitgeteilt, sondern mit Schreiben vom 19. Jänner 2004 auch der Beschwerdeführerin vorgehalten worden seien. Die Reduktion zugunsten der Beschwerdeführerin trage - bezogen auf die objektive Sachlage im Zeitpunkt der Erlassung des Sicherstellungsauftrages - den Ergebnissen des inzwischen abgeschlossenen Berufungsverfahrens Rechnung. Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Verluste und Steuerabsetzbeträge beziehe, sei sie darauf zu verweisen, dass die Ermittlung des genauen Ausmaßes der Abgabennachforderung dem Abgabenverfahren vorbehalten bleibe.

Darüber hinaus führte die belangte Behörde noch näher aus, weshalb der Sicherstellungsauftrag erforderlich gewesen sei, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung der Abgaben zu begegnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 232 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschriften die Abgabepflicht knüpfen, selbst bevor die Abgabenschuld dem Ausmaß nach feststeht, bis zum Eintritt der Vollstreckbarkeit (§ 226) an den Abgabepflichtigen einen Sicherstellungsauftrag erlassen, um einer Gefährdung oder wesentlichen Erschwerung der Einbringung zu begegnen. Der Abgabepflichtige kann durch Erlag eines von der Abgabenbehörde zu bestimmenden Betrages erwirken, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden. Nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung hat der Sicherstellungsauftrag zu enthalten:

a)

die voraussichtliche Höhe der Abgabenschuld;

b)

die Gründe, aus denen sich die Gefährdung oder Erschwerung der Einbringung der Abgabe ergibt;

              c)              den Vermerk, dass die Anordnung der Sicherstellung sofort in Vollzug gesetzt werden kann;

              d)              die Bestimmung des Betrages, durch dessen Hinterlegung der Abgabepflichtige erwirken kann, dass Maßnahmen zur Vollziehung des Sicherstellungsauftrages unterbleiben und bereits vollzogene Maßnahmen aufgehoben werden.

Die Erlassung eines Sicherstellungsauftrages setzt somit zunächst die Verwirklichung jenes Tatbestandes voraus, an den die Abgabepflicht geknüpft ist. Die Verwirklichung dieses Tatbestandes muss im Hinblick auf die auch für Sicherstellungsaufträge geltende Begründungspflicht im Sinne des § 93 Abs. 3 lit. a BAO in der Begründung des Sicherstellungsauftrages oder in der diesen bestätigenden Berufungsentscheidung dargetan werden. Die Begründung muss in diesem Zusammenhang jedenfalls erkennen lassen, welcher konkrete Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde und welche Erwägungen im Rahmen der Beweiswürdigung dafür maßgebend waren. Ein Sicherstellungsauftrag ist aber kein abschließender Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme, die dazu dient, selbst vor Feststellung des Ausmaßes der Abgabenschuld Einbringungsmaßnahmen setzen zu können, wenn Grund zur Annahme besteht, dass die spätere Einbringung der Abgabe gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Es liegt in der Natur einer solchen Maßnahme, dass sie nicht erst nach Erhebung sämtlicher Beweise, sohin nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens, gesetzt werden kann, sondern es genügt, dass die Abgabenschuld dem Grunde nach mit der Verwirklichung des abgabenrechtlich relevanten Tatbestandes entstanden ist und gewichtige Anhaltspunkte für ihre Höhe sowie für die Gefährdung oder wesentliche Erschwerung ihrer Einbringung gegeben sind. Ob der Abgabenanspruch tatsächlich entstanden ist, ist in einem Sicherstellungsverfahren nicht zu entscheiden (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, Zl. 2007/15/0131).

Die Beschwerdeführerin macht vor allem geltend, die Sicherstellung der Abgabenansprüche für die Jahre 1996 bis 1998 sei schon deshalb unzulässig gewesen, weil diese Ansprüche verjährt gewesen seien. Damit übersieht die Beschwerdeführerin zunächst, dass den Bescheiden vom 23. Jänner 2004 für die Jahre 1997 und 1998, die jeweils mit einer Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden waren, verjährungsunterbrechende Erstbescheide vorausgegangen waren.

Auf den Einkommensteuerbescheid 1996 trifft dies jedoch nicht zu. Eine Begründung dafür, warum dessen ungeachtet mit Bescheid des Finanzamtes vom 23. Jänner 2004 und Berichtigungsbescheid vom 26. Jänner 2004, lang nach Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 erster Satz BAO, Einkommensteuer für das Jahr 1996 festgesetzt werden durfte, war weder im diesbezüglichen Abgaben- oder Berichtigungsbescheid noch im Sicherstellungsbescheid vom 27. Jänner 2004 enthalten und unterblieb auch im angefochtenen Bescheid. Wenn die belangte Behörde nun in der Gegenschrift ausführt, es habe sich um hinterzogene Abgaben gehandelt, so ist dem entgegen zu halten, dass keine diesbezüglichen Tatsachenfeststellungen (vgl. dazu die Judikaturnachweise bei Ritz, BAO3, § 207, Tz 15) getroffen wurden und dies in der Gegenschrift nicht nachgeholt werden kann. Die (bloße) Behauptung eines "dringenden Verdachts der Abgabenhinterziehung" in den in der Begründung des Sicherstellungsauftrages enthaltenen Ausführungen dazu, weshalb die Einbringung der Abgabe gefährdet sei, ist kein Ersatz für solche Feststellungen. Die gleichfalls erst in der Gegenschrift erhobene, nicht näher ausgeführte und anhand der vorgelegten Aktenteile nicht hinreichend überprüfbare Behauptung, der Abgabenbescheid sei (gemeint offenbar: vor der Entscheidung über die Berufung gegen den Sicherstellungsauftrag) unbekämpft in Rechtskraft erwachsen, was die Beschwerdeführerin in ihrer Replik auf die Gegenschrift als "aktenwidrig" bezeichnet, ist ebenfalls nicht geeignet, das Fehlen einer Begründung dafür, weshalb der Abgabenanspruch nicht verjährt sei, im angefochtenen Bescheid auszugleichen.

Das weitere Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe ungeachtet dessen, dass sie den auf die Sicherstellung von Umsatzsteuer bezogenen Berufungen stattgab, "über beide Abgabenarten abgesprochen" und damit gegen § 201 Abs. 4 BAO verstoßen, beruht jedoch auf einer Verkennung sowohl des Inhaltes der Entscheidung der belangten Behörde als auch des Anwendungsbereiches der zitierten Norm.

Auch die verbleibenden Beschwerdeargumente, die Voraussetzungen für eine Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung seien nicht gegeben gewesen und die belangte Behörde hätte ein amtsbekanntes Gespräch, in dem ein Teil der an die Beschwerdeführerin geleisteten Zahlungen als "Gelegenheitsgeschenke" bezeichnet worden sei, nicht berücksichtigt, nehmen in der vorgetragenen Form nicht darauf Bedacht, dass es sich beim Sicherstellungsauftrag nicht um einen abschließenden Sachbescheid im Sinne des § 183 Abs. 4 BAO, sondern um eine dem Bereich der Abgabeneinbringung zuzuordnende Sofortmaßnahme handelt.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit, als er den Sicherstellungsauftrag hinsichtlich der Einkommensteuer 1996 bestätigte - und als Folge dessen auch hinsichtlich des Betrages gemäß § 232 Abs. 2 lit. d BAO (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. März 2006, Zl. 2004/14/0045) - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 4. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005130041.X00

Im RIS seit

09.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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