TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/4 2004/08/0130

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Veröffentlicht am 04.06.2008
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs2;
HBG §2 Z1;
HBG §3;
HBG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und durch Senatspräsident Dr. Müller sowie die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke und Dr. Wolfgang Broesigke, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 14, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 23. Juni 2004, Zl. 120.341/8-3/03, betreffend Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. Abs. 2 ASVG (mitbeteiligte Parteien:

1. Y in W; 2. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner Promenade 14-16;

3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist Straße 1; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifter Straße 65-67), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte dieses Beschwerdefalls ist dem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 2003, Zl. 99/08/0146, zu entnehmen. Daraus ist für das vorliegende Beschwerdeverfahren noch Folgendes von Bedeutung:

Die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin legten der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse eine nicht unterfertigte Kopie eines von ihnen an den Erstmitbeteiligten, der seit 1982 Mieter einer Wohnung im Hause der Beschwerdeführerin in Wr. Neustadt ist, gerichteten, mit 31. Oktober 1989 datierten Schreibens folgenden wesentlichen Inhalts vor:

"(...) Bezugnehmend auf Ihre Gespräche mit der Hauseigentümerin teile ich in Auftrag und Vollmacht von Frau S. (Beschwerdeführerin) mit, dass sie Ihnen ab 1. November 1989 die Reinigungsarbeiten im Hause überträgt.

Ich halte somit fest, dass wir vereinbaren, dass Sie werkvertraglich die Reinigung der allgemeinen Teile des Hauses einschließlich des Hofs, des Gehsteigs (insbesondere Räumung von Schnee und Eis bzw. Streuung im Winter) übernehmen und S 2.000,-- monatlich als Werkvertragsentgelt von mir bezahlt erhalten. Dies wird mit dem Mietzins gegenverrechnet.

Das Werkvertragsverhältnis kann jederzeit zum Monatsletzten gekündigt werden. (...)"

Mit Bescheid vom 27. März 1997 stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass der Erstmitbeteiligte seit 1. November 1989 auf Grund seiner Tätigkeit als Hausbesorger für die Beschwerdeführerin der "Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung)" unterliege und dass die für ihn per 1. Jänner 1994 erstattete Anmeldung zur Teilversicherung in der Unfallversicherung storniert werde.

In der Begründung führte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse aus, der Erstmitbeteiligte habe in Beantwortung ihres Schreibens vom 29. Dezember 1994 schriftlich mitgeteilt, dass er alle zur Reinigung des Hauses erforderlichen Arbeiten verrichte (z.B. Abkehren, Feuchtwischen, Fenster putzen etc.). Er habe den Hof, den Gang und das Stiegenhaus zu reinigen sowie vor dem Gebäude Schnee zu schaufeln. Darüber hinaus obliege ihm auch die Meldung von Schäden an Haus- und Wohnungsbestandteilen und er warte, soweit dies ohne besondere Fachkenntnis möglich sei, die Beleuchtung des Hauses und die Wasserleitung. In einer Niederschrift vor der Behörde am 8. Juli 1996 habe der Erstmitbeteiligte seine "Zuständigkeit" für Gartenarbeiten bekannt gegeben und mitgeteilt, dass sich die Mieter des Hauses bei Auftreten diverser Mängel an ihn wenden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Einspruch. Sie berief sich darin auf den "klaren Inhalt des Vertrages" (das an den Erstmitbeteiligten gerichtete Schreiben vom 31. Oktober 1989) und brachte vor, dass die Mieter im Falle des Auftretens von Mängeln oder aktuellen Fragen die Verwaltung oder die Eigentümerin telefonisch zu kontaktieren hätten. Der Erstmitbeteiligte spreche kaum Deutsch. Darüber hinaus wandte die Beschwerdeführerin Verjährung ein.

Der Landeshauptmann von Niederösterreich hat das Beweisverfahren durch Einvernahmen der Mieter Mag. Susanne C. und Mag. Wilhelm R. und Einholung einer schriftlichen Auskunft des Dipl. Ing. Erich C. (ebenfalls Mieter) ergänzt und am 18. Dezember 1997 den Erstmitbeteiligten erneut befragt.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1998 gab der Landeshauptmann von Niederösterreich dem Einspruch keine Folge und bestätigte den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse. Es sei festgestellt worden, dass der tatsächliche Ablauf der Beschäftigung des Erstmitbeteiligten, anders als im schriftlichen Vertrag festgelegt, auch Wartungs- und Überwachungspflichten beinhalte und dass die Verrichtung dieser Arbeiten von der Dienstgeberin auch anstandslos entgegengenommen worden seien. Eine Verjährung könne zufolge § 68 ASVG nicht eingewendet werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie erneut auf den "schriftlichen Vertrag vom 20. November 1989" verwies, den der Erstmitbeteiligte auch unterschrieben habe und durch welchen ihm außer Reinigungsarbeiten keine anderen Arbeiten übertragen worden seien. Andere Arbeiten seien auch weder entgegengenommen noch bezahlt worden. Der Erstmitbeteiligte verrichte auch keine Gartenarbeiten: Es gebe bloß einen Hof. Genauso wenig behebe er Mängel und wechsle Glühbirnen aus. Der streitgegenständliche Zeitraum reiche bis in das Jahr 1989 zurück, weshalb die Aussagen der erst 1995 eingezogenen Mieterin Mag. Susanne C. nicht herangezogen werden könnten. Zudem werde bestritten, dass die niederschriftlich festgehaltenen Aussagen des Erstmitbeteiligten seine Worte wiedergeben können, da dieser zu wenig Deutsch spreche, weshalb eine Vernehmung unter Beiziehung eines gerichtlich beeideten Dolmetschers in Anwesenheit des Vertreters der Hauseigentümerin beantragt werde.

Mit Bescheid vom 2. September 1999 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. Es ergebe sich auf Grund der übereinstimmenden und widerspruchsfreien Aussagen der einvernommenen Zeugen zweifelsfrei, dass der Erstmitbeteiligte Arbeiten sowohl aus dem Bereich der "Reinigung" als auch aus den Bereichen "Wartung und Beaufsichtigung" im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführt habe.

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe Wartungs- und Beaufsichtigungsarbeiten des Erstmitbeteiligten weder entgegengenommen noch bezahlt, überzeuge dagegen nicht. Hätte die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht gewollt, dass der Erstmitbeteiligte diese Arbeiten ausführe, so wäre es an ihr gelegen gewesen, dies klarzustellen und im Rahmen ihrer Aufsichtsbefugnisse als Dienstgeberin und Hauseigentümerin zu überwachen. Angesichts der vorliegenden Feststellungen erscheine es jedoch nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin solche Akte gesetzt habe; sie habe auch keinerlei Beweismittel genannt oder vorgelegt, mit denen sie eine solche Klarstellung hätte belegen können. Der Vertrag allein sei angesichts der klaren Feststellungen über den tatsächlichen Ablauf der Beschäftigung kein geeignetes Mittel, um diese Behauptung zu belegen.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem im ersten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis vom 19. Februar 2003, Zl. 99/08/0146, diesen Bescheid - soweit in diesem Verfahren noch von Bedeutung - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Er hat dabei den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin beurteilt, dass es sich bei den vom Erstmitbeteiligten verrichteten Tätigkeiten um solche handelte, die ein Hausbesorgerdienstverhältnis konstituieren würden; er hat jedoch das Beweisverfahren insofern als ergänzungsbedürftig erachtet, als nicht feststand, ob der Erstmitbeteiligte die festgestellten Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung und der Wartung des Hauses bloß aus Gründen der Gefälligkeit gegenüber den Mietern oder auf Grund einer - allenfalls konkludent zu Stande gekommenen - rechtlichen Verpflichtung gegenüber der Beschwerdeführerin verrichtet hat; in diesem Zusammenhang hielt der Verwaltungsgerichtshof die Unterlassung der Beiziehung eines Dolmetschers bei der Vernehmung des Erstmitbeteiligten vor dem Hintergrund des § 39a AVG für rechtswidrig.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde im Rechtshilfeweg den Erstmitbeteiligten unter Beiziehung eines Dolmetschers einvernehmen lassen, wobei dieser - bezogen auf die Tätigkeiten des Auswechselns von Glühbirnen und der Meldung von Gebrechen - angegeben hat, dass er z.B. Schäden an Haus- und Wohnungsbestandteilen dem Büro eines der Beschwerdevertreter (dem nach der Aktenlage die Hausverwaltung oblegen ist) gemeldet habe, nachdem er von der Tochter der Beschwerdeführerin dazu angewiesen worden sei. Er habe auch für die Wartung des Hauses, wie z.B. Glühbirnen auswechseln, Sorge zu tragen gehabt. Kleinere Reparaturen seien nicht von ihm selbst durchzuführen gewesen. Er habe sich zu diesen Tätigkeiten gegenüber dem Beschwerdevertreter verpflichtet; es habe sich um eine mündliche Vereinbarung zwischen ihm und dem Beschwerdevertreter gehandelt. Während er die Glühbirnen niemandem in Rechnung gestellt habe, seien die Rechnungen für Reinigungsmittel der Hausverwaltung in Rechnung gestellt worden und diese habe ihm das Geld per Postanweisung zukommen lassen.

Der Beschwerdevertreter nahm dazu nur in der Weise Stellung, dass er sich - wie schon im Verwaltungsverfahren - darauf beschränkt hat, auf die "vertragliche Vereinbarung mit Schreiben vom 31.10.1989" zu verweisen und zu betonen, dass mit dem Erstmitbeteiligten "darüber hinausgehende Pflichten ...nicht vereinbart" worden seien. "Hiefür" machte sich der Beschwerdevertreter Dr. Wolfgang B. selbst als Zeuge namhaft und gab "überdies auch hiemit unter Wahrheitspflicht" die Erklärung ab, dass "außer dem Vertrag laut Schreiben vom 31.10.1989 keine sonstigen oder weitergehende Pflichten umfassende Vereinbarungen mit (dem Erstmitbeteiligten) getroffen worden" seien. Die Verwaltung des Hauses sei durchgehend seit 1989 von seiner Kanzlei geführt worden.

Mit dem (nunmehr) in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin erneut als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung ging die belangte Behörde - beweiswürdigend den Angaben des Erstmitbeteiligten, nicht aber dem Vorbringen der Beschwerdeführerin folgend - davon aus, dass der Erstmitbeteiligte mit dem Beschwerdevertreter über den schriftlichen Vertrag hinaus eine mündliche Vereinbarung über die Verrichtung weiterer Tätigkeiten, wie das Auswechseln von Glühbirnen und die Meldung von Mängeln und Schäden, abgeschlossen habe. Es liege daher ein Hausbesorgerdienstverhältnis vor. Die belangte Behörde hat von der beantragten Einvernahme des Beschwerdevertreters mit der Begründung Abstand genommen, seine Einvernahme unter Wahrheitspflicht würde nicht den Regeln eines fairen Verfahrens entsprechen und er habe hinreichend Gelegenheit gehabt, seinen Rechtsstandpunkt in seinen schriftlichen Eingaben darzulegen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - erklärt, keine Gegenschrift zu erstatten, jedoch - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift - die Abweisung der Beschwerde und überdies den Ersatz des mit der Vorlage der Verwaltungsakten verbundenen Aufwandes beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Bestehen einer Vollversicherung des stets geringfügig entlohnten Erstmitbeteiligten im strittigen Zeitraum vom 1. November 1989 bis 18. Jänner 1998 auf Grund seines Beschäftigungsverhältnisses zur Beschwerdeführerin hängt entscheidend davon ab, ob die Tätigkeit des Erstmitbeteiligten eine Hausbesorgertätigkeit im Sinne des § 2 Z. 1 i.V.m. § 3 HBG gewesen ist, zumal diesfalls die Beschäftigung im Sinne des § 5 Abs. 2 ASVG nicht als geringfügig (und damit von der Vollversicherung ausgenommen) gelten würde.

Für das Zustandekommen eines Hausbesorgerdienstverhältnisses ist nicht die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Übernahme von Reinigungsarbeiten maßgeblich, sondern ob nach dem Vertragszweck und den sonstigen Vereinbarungen die vom Arbeitnehmer wahrzunehmenden Pflichten kumulativ die Essenzialia eines Hausbesorgervertrages enthalten, nämlich die Beaufsichtigung, Wartung und Reinigung. Dabei ist der Inhalt der die Hausbesorgerpflichten umschreibenden Bestimmungen der § 3 und 4 HBG im Sinne einer zeitgemäßen Ausgestaltung und Anpassung an den jeweils erforderlichen Umfang dieser Hausbesorgerpflichten zu verstehen, sodass das Fehlen einer im Gesetz im Einzelnen unter dem Titel Beaufsichtigung, Reinhaltung und Wartung angeführten Verpflichtung nicht schon dazu führt, dass kein Hausbesorgerdienstvertrag vorliegt (vgl. dazu u.a. OGH 13. November 1996, 9 ObA 2228/96d, betreffend Tausch von Glühlampen, Meldung von Mängeln und Schäden sowie Reinigungsarbeiten, sowie das bereits erwähnte, im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Februar 2003, Zl. 99/08/0146, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

In der Beschwerde werden vor allem die Feststellungen der belangten Behörde über mündliche Vereinbarungen des Erstmitbeteiligten mit der Beschwerdeführerin betreffend die Wartung und die Beaufsichtigung des Hauses bekämpft.

Nach der ständigen Rechtsprechung darf der Verwaltungsgerichtshof zwar die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht in dem Sinn einer Kontrolle unterziehen, dass er sie an der Beweiswürdigung misst, die er selbst vorgenommen hätte, wäre er erkennende Behörde gewesen. Er darf vielmehr die Beweiswürdigung nur auf ihre Schlüssigkeit, gemessen an Denkgesetzen und an menschlichem Erfahrungsgut, überprüfen. Die behördliche Beweiswürdigung ist der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur dahin unterworfen, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die hiebei angestellten Erwägungen schlüssig sind, was dann der Fall ist, wenn sie den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut nicht widersprechen, ohne dass es dem Gerichtshof zukäme, die vorgenommene Beweiswürdigung der belangten Behörde darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Rechtskontrolle berufen und keine Tatsacheninstanz. Dass die von der Behörde getroffenen Feststellungen mit einigen Beweisergebnissen im Widerspruch stehen können, liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, die dann unbedenklich im Sinne der Schlüssigkeit ist, wenn sich die Behörde mit den widersprechenden Beweisergebnissen in der oben dargestellten Weise auseinander gesetzt hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2005/05/0311).

Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, einer Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre. Die belangte Behörde ist zwar gehalten, in der Begründung ihres Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (§ 60 AVG), sie ist aber nicht verpflichtet, allen sonst noch denkbaren schlüssig begründbaren Sachverhaltsvarianten im Einzelnen nachzugehen, wenn sie sich nur mit allen Umständen schlüssig und nachvollziehbar auseinander gesetzt hat, die für und wider die von ihr tatsächlich getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sprechen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2006, Zl. 2004/08/0110).

Selbst vor diesem rechtlichen Hintergrund sind weder die Tatsachenfeststellungen ausreichend, noch ist die Beweiswürdigung der belangten Behörde fehlerfrei:

Die belangte Behörde hat die Angaben des Erstmitbeteiligten bei seiner Einvernahme, er habe eine mündliche Vereinbarung mit dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin über die Wartung und die Beaufsichtigung des Hauses getroffen, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt, ohne zumindest den Versuch einer näheren Ermittlung der Umstände dieser Vereinbarung vorgenommen zu haben, insbesondere zu den wesentlichen Fragen, wann, bei welcher Gelegenheit und auf welche Weise eine solche Vereinbarung zu Stande gekommen sein soll bzw. auf Grund welcher Aussagen des Rechtsvertreters der Erstmitbeteiligte auf das Zustandekommen einer solchen Vereinbarung geschlossen hat. Die eine bloße rechtliche Würdigung eines nicht näher bekannten Sachverhalts darstellende Behauptung, es sei eine derartige Vereinbarung abgeschlossen worden, reicht auf der Sachverhaltsebene schon deshalb nicht aus, weil nicht feststeht, ab welchem Zeitpunkt vom Vorliegen eines Hausbesorgerdienstverhältnisses auszugehen wäre. Auch wäre - mangels eines gesetzlichen Ausschlusses - dem der beschwerdeführenden Partei zuzurechnenden Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme des Beschwerdevertreters Dr. Wolfgang B. - allerdings erst nach vorheriger ausdrücklicher Klarstellung der Entbindung des Zeugen von der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht durch die Beschwerdeführerin - stattzugeben gewesen.

Abgesehen davon, dass sich somit die Feststellung des Zustandekommens eines mündlichen Vertrages als nicht ausreichend erweist, beruht sie auch auf einer unvollständigen Beweiswürdigung: Die belangte Behörde hätte in ihre Beweiswürdigung den Umstand einbeziehen müssen, von dem sie offenbar selbst ausgeht, nämlich dass der Erstmitbeteiligte die Spesen aus der einzigen Wartungstätigkeit, die nach der Aktenlage - neben der Beaufsichtigung durch Meldung von Schäden oder Mängeln -

für die Qualifikation als ein Hausbesorgerdienstverhältnis entscheidend in Betracht kommt, nämlich die Anschaffungskosten aus dem Auswechseln der Glühbirnen, anders als die Kosten der Reinigungsmittel seinem angeblichen Auftraggeber nicht verrechnet hat (vgl. zu einem insoweit anderen Sachverhalt den Beschluss des OGH vom 13. November 1996, 9 ObA 2228/96d = SZ 69/253). Aus welchem Grund der Erstmitbeteiligte diese unterschiedliche Vorgangsweise gewählt hat, obgleich nach seinem Vorbringen auch eine (mündliche) vertragliche Vereinbarung über die Wartung des Hauses vorlag, blieb - worauf in der Beschwerde zu Recht verwiesen wird - unaufgeklärt. Da aus dem unterschiedlichen Verhalten des Erstmitbeteiligten durchaus auch auf eine unterschiedliche bzw. allenfalls auch auf das Fehlen einer rechtlichen Grundlage für diese Tätigkeit geschlossen werden könnte, durfte die belangte Behörde diesen Umstand nicht zur Gänze aus ihrer Beweiswürdigung ausblenden.

Auch kam insoweit das konkludente Zustandekommen einer Vertragsergänzung schon deshalb nicht in Betracht, da die genannte Tätigkeit der Beschwerdeführerin mangels Verrechnung offenkundig auch nicht zur Kenntnis gelangt ist (zu konkludenten Erweiterungen eines zunächst auf Reinigungsarbeiten eingeschränkten Vertrages vgl. z.B. OGH 29. Oktober 1993, 9 ObA 178/93; zur Verneinung konkludenter Vertragsergänzung mangels Kenntnis des Hauseigentümers vgl. OGH 16. März 1994, 9 ObA 35/94). Der Umstand allein, dass der Erstmitbeteiligte durch sein Verhalten erkennen ließ, dass er sich auch für Wartungsarbeiten der genannten Art verantwortlich fühlte, könnte für sich noch nicht zur Annahme eines diesbezüglichen Rechtsgeschäftes zwischen ihm und der Beschwerdeführerin führen (vgl. EvBl.1972/41).

Auf der anderen Seite fehlen im angefochtenen Bescheid ausreichende Feststellungen darüber, ob und wann überhaupt vertragliche Vereinbarungen zwischen der Beschwerdeführerin und dem Erstmitbeteiligten zu Stande gekommen sind. Dieser Begründungsmangel ist deshalb von Bedeutung, da im zweiten Rechtsgang anlässlich der Einvernahme des Erstmitbeteiligten hervorgekommen ist, dass sich dieser an eine schriftliche Vereinbarung nicht erinnere, gleichzeitig jedoch mündliche Vereinbarungen von der beschwerdeführenden Partei entschieden in Abrede gestellt worden sind:

Dazu hat die Beschwerdeführerin der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse auf deren Aufforderung vom 27. September 1994 u. a. zur Vorlage schriftlicher Verträge mit Schreiben vom 10. Oktober 1994 eine Abschrift oder Kopie eines - oben im wesentlichen Wortlaut wiedergegebenen - jedoch nicht unterfertigten Schreibens vom 31. Oktober 1989 übermittelt, das seinem Inhalt nach von den Beschwerdevertretern an den Erstmitbeteiligten gerichtet gewesen ist und in welchem er mit näher bezeichneten Reinigungsarbeiten beauftragt wird. Es ist weder aktenkundig, dass dieses Schreiben jemals an den Erstmitbeteiligten abgesendet worden wäre, noch dass dieser es zum Zeichen seines Einverständnisses gegengezeichnet hätte. Dieses Schriftstück wird dessen ungeachtet im Begleitschreiben - trotz Fehlens der Unterschriften - als "Kopie der Vereinbarung mit (dem Erstmitbeteiligten) aus dem Jahr 1989" bezeichnet. Auf Nachfrage der Gebietskrankenkasse vom 20. April 1995 wiederholten die Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 10. Juli 1995 die Behauptung, "die Kopie der getroffenen Vereinbarung vom 31.10.1989" schon übermittelt zu haben, mit dem weiteren Bemerken, es habe "darüber hinaus ... keine Pflichten" des Erstmitbeteiligten gegeben. Auch bei neuerlicher Nachfrage der Gebietskrankenkasse wurde mit Schreiben vom 23. Oktober 1995 in gleicher Weise auf die "schriftliche Vereinbarung, die wir ihnen übermittelt haben" verwiesen. Im Einspruch ist dann erstmals von einer "vorgelegten Urkunde vom 20.11.1989" die Rede, die vom Erstmitbeteiligten unterschrieben worden sei. In einer Stellungnahme vom 20. Mai 1998 beziehen sich die Beschwerdevertreter jedoch wieder auf die "werkvertragliche Vereinbarung vom 31.10.1989, die wir als Vertreter der Hauseigentümerin mit (dem Mitbeteiligten) über die Reinigungsleistungen getroffen haben", um in der Berufung sogar von einer "vorgelegten Urkunde vom 20.11.1989, die vom (Erstmitbeteiligten) unterschrieben worden ist" auszugehen. In der Beschwerdeschrift wird schließlich behauptet, "gemäß ausdrücklicher schriftlicher Vereinbarung vom 31.10./20.11.1989 ... (dem Mitbeteiligten) ausschließlich die Reinigungsarbeit im Hause übertragen" worden seien.

Ausweislich der Verwaltungsakten ist eine vom Erstmitbeteiligten unterfertigte schriftliche Vertragsurkunde vom "31.10./20.11.1989" von den Beschwerdevertretern im bisherigen Verfahren nicht vorgelegt worden. Dieser konnte sich an eine solche Urkunde auch nicht erinnern. Dennoch geht die belangte Behörde ohne nähere Begründung weiterhin vom Vorliegen eines schriftlichen Vertrages vom 31. Oktober 1989 (und nicht etwa im Sinne eines Teils der jüngeren Behauptungen der Beschwerdeführerin vom 20. November 1989) aus. Das Fehlen näher begründeter Feststellungen in der Bescheidbegründung darüber, ob ein solcher schriftlicher Vertrag - wie von der beschwerdeführenden Partei behauptet - tatsächlich zu Stande gekommen ist, ist aber wesentlich, da davon die Beantwortung der Frage abhängt, ob und unter welchen weiteren Voraussetzungen, insbesondere auf Grund welchen Verhaltens der Beschwerdeführerin, sich der Erstmitbeteiligte als mit "Hausbesorgerarbeiten" in dem von ihm behaupteten - weiteren - Sinne angesichts einer solchen Vereinbarung beauftragt sehen durfte: Im Falle des Fehlens des von der Beschwerdeführerin behaupteten schriftlichen Vertrages und, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, auch einer mündlichen Vereinbarung, wäre nämlich von der belangten Behörde zu prüfen, ob und gegebenenfalls welches der Beschwerdeführerin zuzurechnende Verhalten ihrer Rechtsvertreter beim Erstmitbeteiligten allenfalls den Eindruck einer Beauftragung auch mit Arbeiten zur Wartung und Beaufsichtigung des Hauses hervorrufen konnte oder musste.

Da die dargelegten Ermittlungs- und Begründungsmängel von Bedeutung für das Ergebnis des Verfahren sein können, war der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. Juni 2008

Schlagworte

Dienstnehmer Begriff Hausbesorger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2004080130.X00

Im RIS seit

02.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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