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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AlVG 1977 §56 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der A in Wien, vertreten durch Dr. Bernhard Brehm, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Schönbrunner Schloßstraße 46/19, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Oktober 2007, Zl. 2007-0566-9-001434, betreffend 1. Nichtigerklärung eines Bescheides und 2. Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Spruchpunktes 1 wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der belangten Behörde vom 29. August 2007 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Huttengasse, mit welchem der Verlust des Bezuges von Notstandshilfe für die Zeit vom 22. Mai bis zum 16. Juli 2007 ausgesprochen worden war, keine Folge gegeben.
In der Folge erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"1) Der Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 29.08.2007 mit dem Ihrer Berufung vom 29.05.2007 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Huttengasse betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe für die Zeit vom 22.05.2007 bis 16.07.2007 ausgesprochen wurde keine Folge gegeben wurde wird gemäß § 68 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz in geltender Fassung
für nichtig erklärt
2.) Über Ihre Berufung vom 01.06.2007 gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Huttengasse vom 29.05.2007 betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für die Zeit vom 22.05.2007 bis 16.07.2007 gemäß § 10 in Verbindung mit § 38 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (BGBl. Nr. 609/1977 - AlVG) in geltender Fassung hat die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien durch den gemäß § 56 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit § 58 AlVG zuständigen Ausschuss mit Beschluss entschieden:
Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Nachsicht gem. § 10 Abs. 3 AlVG wird nicht gewährt."
In der Begründung dieses Bescheides wird ausgeführt, dass sich die Begründung des aufgehobenen Bescheides "fälschlicherweise auf die Vereitelung ...bei der Firma S" beziehe, hinsichtlich derer schon mit Bescheid vom 24. April 2007 ein Leistungsverlust nach § 10 AlVG ausgesprochen worden sei. Da die Begründung des aufgehobenen Bescheides "mit dem Spruch in Widerspruch" stehe, sei dieser Bescheid "rechtswidrig" und werde "daher gem. § 68 AlVG für nichtig erklärt". Der Leistungsverlust sei von der regionalen Geschäftsstelle wegen der Nichtannahme einer Beschäftigung bei einem anderen, näher genannten Unternehmen verhängt worden, wogegen sich die Berufung der Beschwerdeführerin richte, die jedoch - aus näher genannten Gründen - nicht berechtigt sei.
Der Bescheid ist "Für die Landesgeschäftsführerin" von einem stellvertretenden Abteilungsleiter gefertigt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
I. Zu Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides:
§ 68 Abs. 2 und 4 AVG lauten:
"(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde oder vom unabhängigen Verwaltungssenat, die oder der den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2.
einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3.
tatsächlich undurchführbar ist oder
4.
an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet."
Die belangte Behörde hat sich nicht auf einen Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG (hinsichtlich dessen Z. 4 iVm § 57 AlVG) gestützt, sondern auf eine ihr unterlaufene sonstige Rechtswidrigkeit des Bescheides, nämlich auf einen Widerspruch zwischen Bescheidspruch und Bescheidbegründung. Der Sache nach kommt somit nur eine Aufhebung des Bescheides unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 AVG in Betracht, welche die belangte Behörde offensichtlich als erfüllt angesehen hat.
Jedoch ist auch im Zusammenhang mit einer Entscheidung gemäß § 68 Abs. 2 AVG Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 56 Abs. 1 AlVG ist gegen Bescheide der regionalen Geschäftsstelle die Berufung an die Landesgeschäftsstelle zulässig. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung trifft die Landesgeschäftsstelle die Entscheidung in einem Ausschuss des Landesdirektoriums. Gemäß Abs. 4 hat das Landesdirektorium bei jeder Landesgeschäftsstelle einen Ausschuss zur Behandlung von Berufungen gemäß Abs. 1 einzurichten (Ausschuss für Leistungsangelegenheiten).
Die genannten Bestimmungen des Artikels III des AlVG sind gemäß § 58 AlVG auf das Verfahren in Angelegenheiten der Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
Nach den gemäß Art. II Abs. 2 lit. D Z. 41 EGVG auch auf das Verfahren der Landesgeschäftsstellen des Arbeitsmarktservice und der regionalen Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice anzuwendenden Bestimmungen des § 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 AVG muss jede Ausfertigung eines Bescheides unter anderem die Bezeichnung der Behörde, die die Entscheidung getroffen hat, enthalten. Ist diese Behörde eine Kollegialbehörde, so ist diesem Erfordernis auch dann durch ihre Bezeichnung im Bescheid Rechnung zu tragen, wenn der auf einem Beschluss der Kollegialbehörde beruhende Bescheid durch eine andere Behörde mitgeteilt (intimiert) wird. Fehlt im Bescheid jeder Hinweis darauf, dass er auf einem Beschluss eines Kollegialorgans beruht, so ist die Frage der Zurechnung dieses Bescheides auf der Grundlage des äußeren Tatbestandes zu beantworten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 91/08/0109, mwN).
Aus dem Spruchpunkt 1 des angefochtenen Bescheides geht im Gegensatz zum Spruchpunkt 2 - hier hat nach dessen Wortlaut die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien durch den gemäß § 56 Abs. 3 und 4 in Verbindung mit § 58 AlVG zuständigen Ausschuss mit Beschluss entschieden - nicht hervor, dass der zuständige Ausschuss für Leistungsangelegenheiten über die Sache entschieden hat. Ganz im Gegenteil deutet der äußere Anschein eher darauf hin, dass über den Spruchpunkt 1 gerade nicht vom zuständigen Ausschuss entschieden worden ist. Gefertigt ist der angefochtene Bescheid "Für die Landesgeschäftsführerin". Spruchpunkt 1 ist daher mangels Hinweises auf eine Entscheidung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten der Geschäftsführerin der Landesgeschäftsstelle als monokratischer Behörde zuzurechnen, auch wenn sich aus der vorgelegten Kopie eines Protokollauszugs der Sitzung des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten vom 17. Oktober 2007 zu ergeben scheint, dass er auf einem Beschluss des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten beruht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006, Zl. 2005/08/0161; im Übrigen ist ebendort hinsichtlich der Nichtigerklärung ein als Minuszeichen deutbarer Strich (" - ") vermerkt, was eine positive Beschlussfassung zumindest zweifelhaft erscheinen lässt).
Nun wäre zwar die Zusammenfassung von Bescheiden mehrerer Behörden in einer Ausfertigung (auch verfassungsrechtlich) unbedenklich, wenn der Spruch deutlich erkennen lässt, welcher Teil welcher Behörde zuzurechen ist (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 962 ff unter E 26 ff zu § 58 AVG wiedergegebene Rechtsprechung). Der Bescheid vom 29. August 2007 wurde jedoch von der belangten Behörde auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten - in Entsprechung der §§ 56 Abs. 3 und 4 iVm 58 AlVG - ausgefertigt. Da gemäß § 68 Abs. 2 AVG - abgesehen von der Oberbehörde - nur jene Behörde den Bescheid aufheben darf, die ihn erlassen hat, und der Landesgeschäftsführer auch nicht Oberbehörde des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ist, hätte die Aufhebung ebenfalls eines Beschlusses dieses Gremiums bedurft.
Da sich der Spruchpunkt 1 nach dem Gesagten aber als ein Bescheid der Geschäftsführerin der Landesgeschäftsstelle als monokratischer Behörde darstellt, war der angefochtene Bescheid hinsichtlich dieses Spruchpunktes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben (vgl. das zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2006).
II. Zu Spruchpunkt 2 des angefochtenen Bescheides
Wird durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes der angefochtene Bescheid aufgehoben, so tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des Bescheides befunden hat. Diese ex-tunc Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses bewirkt, dass die Rechtslage zwischen Erlassung des angefochtenen Bescheides und seiner Aufhebung so zu betrachten ist, als sei der Bescheid nie erlassen worden. Insbesondere treten solche Bescheide, die durch den nunmehr aufgehobenen Bescheid beseitigt wurden, wieder in Kraft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2001, Zl. 2000/16/0051, mwN).
Durch das Wiederaufleben des Bescheides vom 29. August 2007 war die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid schon erledigt und hat die belangte Behörde mit Spruchpunkt 2 somit über eine schon entschiedene Sache abgesprochen.
Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich seines Spruchpunktes 2 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0015, mwN).
III. Zu den Kosten:
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. Juni 2008
Schlagworte
Intimation Zurechnung von BescheidenZuständigkeit InstanzenzugBehördenbezeichnung BehördenorganisationZurechnung von OrganhandlungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008080019.X00Im RIS seit
02.07.2008Zuletzt aktualisiert am
01.02.2013