TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/17 2008/22/0036

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Veröffentlicht am 17.06.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §8 Abs2;
ZustG §9 Abs1 idF 1998/I/158;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Robl und Mag. Eder sowie die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Dott. Marco Boldrer, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Aichholzgasse 6/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 18. März 2005, Zl. 306.339/3- III/4/03, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf neuerliche Zustellung eines Ladungsbescheides in Angelegenheiten des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien (dazumal Bundesrepublik Jugoslawien), brachte am 7. Dezember 1998 beim Landeshauptmann von Wien einen Antrag auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "unselbständige Erwerbstätigkeit" ein. In diesem Antrag führte er (u.a.) aus, in 1200 Wien, Universumstraße 54/19, wohnhaft zu sein. Da der Beschwerdeführer einer am 5. Jänner 1999 an diese Adresse versendeten Ladung keine Folge leistete, fertigte die erstinstanzliche Behörde am 3. März 1999 eine weitere Ladung an die Adresse in 1020 Wien, Darwingasse 9/1, wo der Beschwerdeführer ab 15. Februar 1999 gemeldet war, ab. Dieser Ladung leistete der Beschwerdeführer ebenfalls keine Folge.

Am 16. April 1999 fertigte die erstinstanzliche Behörde einen an den Beschwerdeführer gerichteten Ladungsbescheid aus. Als Zustelladresse wurde die Wohnung des Beschwerdeführers in 1020 Wien, Darwingasse 9/1, festgelegt. Mit diesem Ladungsbescheid wurde angeordnet, dass der Beschwerdeführer unter Mitnahme diverser Urkunden vor der erstinstanzlichen Behörde vorsprechen sollte, widrigenfalls sein Antrag gemäß § 14 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 zurückgewiesen werde.

Dieser Ladungsbescheid wurde dem Beschwerdeführer allerdings nicht an der Adresse 1020 Wien, Darwingasse 9/1, zugestellt. Dem im Akt vorhandenen RSa-Rückschein ist zu entnehmen, dass der Ladungsbescheid an die Adresse 2153 Patzmannsdorf 73 weitergesendet wurde. Am Rückschein wurde vom Zusteller vermerkt, dass der Ladungsbescheid dem Empfänger (also dem Beschwerdeführer) am 23. April 1999 übergeben worden wäre. Weiters enthält der Rückschein im Feld "Übernahmsbestätigung" eine Unterschrift.

Da der Beschwerdeführer dem Ladungsbescheid keine Folge leistete, fertigte die erstinstanzliche Behörde am 2. Juni 1999 einen Bescheid aus, womit sein Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung gemäß § 14 Abs. 3 FrG 1997 zurückgewiesen wurde und ordnete die Zustellung dieses Bescheides an die Adresse 1020 Wien, Darwingasse 9/1, an. Dieser Bescheid, der nach erfolglosen Zustellversuchen letztlich am 18. Juni 1999 beim Postamt 1020 Wien hinterlegt und ab 19. Juni 1999 zur Abholung bereitgehalten wurde, wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben.

Mit Schreiben vom 9. September 1999, das am selben Tag bei der erstinstanzlichen Behörde per Telefax einlangte, ersuchte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin um Übermittlung der Aufenthaltstitelvignette an die Österreichische Botschaft in Belgrad, weil er sich seit einiger Zeit aus familiären Gründen in Jugoslawien aufhalten würde und dort einen neuen Pass erhalten hätte. Dem Schreiben war eine auch die Zustellung von Schriftstücken umfassende Vollmacht angeschlossen.

Am 17. September 1999 stellte die erstinstanzliche Behörde anhand einer Melderegisterauskunft fest, dass der Beschwerdeführer seit 23. August 1999 meldebehördlich "unbekannt abgemeldet" war. Daraufhin veranlasste sie die Zustellung des den Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung zurückweisenden Bescheides gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) an die Adresse 1020 Wien, Darwingasse 9/1. Die diesbezügliche Hinterlegung beim Postamt 1020 Wien fand am 29. September 1999 statt. Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben. Die Zustellung einer Ausfertigung dieses Bescheides an die Vertreterin des Beschwerdeführers wurde nicht vorgenommen.

Mit Schriftsatz vom 22. August 2002 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf "Aufhebung des ablehnenden Bescheids, die allfällige neuerliche Zustellung einer Ladung an seine Bevollmächtigte und Fortsetzung der Bearbeitung" seines Antrages auf Verlängerung seiner Niederlassungsbewilligung und führte aus, dass weder die Ladung vom 16. April 1999 noch der Bescheid vom 2. Juni 1999 rechtswirksam zugestellt worden seien, weil er zu den Zustellzeiten ortsabwesend gewesen wäre. Er habe sich ab Anfang Mai 1999 im Ausland aufgehalten und befinde sich erst seit kurzer Zeit wieder in Österreich.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 wies die erstinstanzliche Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf "neuerliche Zustellung des Ladungsbescheides und Fortsetzung der Bearbeitung Ihres Antrages auf Verlängerung der Niederlassungsbewilligung" gemäß "§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 ZustG" zurück. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde zusammengefasst aus, dass der Ladungsbescheid vom Beschwerdeführer am 23. April 1999 eigenhändig übernommen worden wäre.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, den Ladungsbescheid nicht selbst entgegen genommen und auch nicht erhalten zu haben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß "§ 66 Abs. 4 AVG iVm §§ 8 Abs. 1 und Abs. 2 ZustellG" ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass dem Schriftsatz vom 22. August 2002 ein Antrag auf neuerliche Zustellung des Ladungsbescheides vom 16. April 1999 nicht zu entnehmen war. Der Beschwerdeführer beantragte die "Aufhebung des ablehnenden Bescheides, die allfällige neuerliche Zustellung einer Ladung an meine Bevollmächtigte und Fortsetzung der Bearbeitung meines Antrages auf Verlängerung meiner Niederlassungsbewilligung". Mit seinen im Antrag enthaltenen Ausführungen brachte der Beschwerdeführer zum Ausdruck, davon auszugehen, dass die von der erstinstanzlichen Behörde im Verfahren ausgefertigten Bescheide nicht rechtswirksam zugestellt worden wären und begehrte - mit welchen Verfahrensschritten auch immer - die Weiterführung und den Abschluss des Verfahrens über seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Durch die Wortwahl, er beantrage die allfällige neuerliche Zustellung einer Ladung geht deutlich hervor, dass er nicht die Zustellung des Ladungsbescheides vom 16. April 1999 beantragte. Mangels Vorliegens eines solchen Antrages war weder die erstinstanzliche Behörde berechtigt, über einen derartigen Antrag abzusprechen noch die belangte Behörde berechtigt, eine dagegen gerichtete Berufung abzuweisen und derart einer inhaltlichen Behandlung zuzuführen. Vielmehr hätte sie den die neuerliche Zustellung des Ladungsbescheides zurückweisenden Bescheid ersatzlos zu beheben gehabt (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, § 66 AVG, E 227, wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Somit kommt der Beschwerde - im Ergebnis - Berechtigung zu, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.

Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass sich die Behörde im Hinblick auf die den Verwaltungsakten zu entnehmenden Angaben des Beschwerdeführers von Amts wegen mit der Gültigkeit der bisherigen Bescheidzustellungen auseinander zu setzen haben wird. Dabei wird allenfalls auch darauf Bedacht zu nehmen sein, dass der erstinstanzlichen Behörde im Zeitpunkt der Vornahme der Zustellung nach § 8 Abs. 2 ZustG bereits die Bekanntgabe einer bevollmächtigten Vertreterin vorlag, was zur Folge hatte, dass Zustellungen an diese vorzunehmen gewesen wären (§ 9 Abs. 1 ZustG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 158/1998).

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 17. Juni 2008

Schlagworte

Voraussetzungen des Berufungsrechtes Diverses Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im Berufungsverfahren Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008220036.X00

Im RIS seit

03.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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