TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2008/21/0378

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §55 Abs3;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs6;
FrPolG 2005 §61 Z4;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner,

Spruch

1. über den Antrag des A, vertreten durch Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Markus-Sittikus-Straße 9/2/7, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 30. Oktober 2007, Zl. Fr-214/1/07, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluss gefasst:

Dem Antrag wird stattgegeben.

2. Über die genannte Beschwerde zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der 1985 geborene Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, befindet sich seit seinem 11. Lebensjahr durchgehend in Österreich. Er besuchte hier die Schule und begann in der Folge eine Lehre, die er jedoch abgebrochen hat. Er lebt bei seinen Eltern und wird von ihnen finanziell unterstützt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. August 2006 wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1 und 143 2. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren verurteilt, die er zurzeit in der Justizanstalt Suben verbüßt. Im Hinblick auf diese Verurteilung erließ die belangte Behörde mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Aufenthaltsverbot.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. März 2008, B 2377/07-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Mit Berichterverfügung vom 12. März 2008 forderte der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer zur Verbesserung von der Beschwerde anhaftenden Mängeln auf. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer innerhalb der gesetzten Frist nur teilweise nach, weshalb das verwaltungsgerichtliche Verfahren mit Beschluss vom 29. April 2008, Zl. 2008/21/0182, eingestellt wurde.

Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 19. Mai 2008 zugestellt.

Mit Antrag vom 26. Mai 2008 begehrt der Beschwerdeführer - unter Nachholung der (teilweise) versäumten Verbesserung - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der der Beschwerde ursprünglich anhaftenden Mängel.

1. Im besagten Wiedereinsetzungsantrag wird vorgebracht, dass die fristgerechte vollständige Erfüllung des erteilten Mängelbehebungsauftrages lediglich infolge des Versehens einer Kanzleikraft der Vertreterin des Beschwerdeführers unterblieben sei; diese habe entgegen der ausdrücklichen Anweisung der Vertreterin irrtümlich davon abgesehen, den zur Mängelbehebung hergestellten Schriftsatz vollständig (samt Beilagen) zu kuvertieren.

Mit diesem, durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung bescheinigten Vorbringen hat der Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes Ereignis dargetan, durch das er an der fristgerechten vollständigen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages gehindert war. Seinem Wiedereinsetzungsantrag war daher - ein entgegenstehendes Verschulden seiner Vertreterin, das ihm zuzurechnen wäre, ist nicht hervorgekommen - stattzugeben.

2. Über die gegen den angefochtenen Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Angesichts der unbestrittenen Verurteilung des Beschwerdeführers steht fest, dass der von der belangten Behörde herangezogene Aufenthaltsverbotstatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht ist. Gemäß den gleichfalls nicht bestrittenen Bescheidfeststellungen lag der Verurteilung zu Grunde, dass der Beschwerdeführer am 23. Mai 2006 in Salzburg einen Taxilenker unter Verwendung einer Gaspistole und der Androhung, sofort "abzudrücken", beraubte, wobei er eine Kellnerbrieftasche mit ca. EUR 170,-- erbeutete. Wie die belangte Behörde weiter festhielt - auch dagegen wendet sich die Beschwerde nicht -, war der Beschwerdeführer bereits vor dieser Verurteilung mehrfach (u.a. wegen Körperverletzung, schwerem Einbruchsdiebstahl und Freiheitsentziehung) strafgerichtlich in Erscheinung getreten, weshalb ihm am 7. März 2006 von der Bundespolizeidirektion Salzburg die Absicht zur Kenntnis gebracht wurde, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Dieses Verfahren ist nach Erstattung einer Stellungnahme am 3. April 2006 eingestellt worden.

Im Hinblick auf diese "Vorgeschichte" einerseits und auf das beschriebene, zur letzten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers führende Fehlverhalten andererseits kann der Auffassung der belangten Behörde, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Anders als die Beschwerde meint, vermögen insbesondere angesichts seiner wiederholten Delinquenz weder der Umstand, dass der Beschwerdeführer bei Bescheiderlassung erst 22 Jahre alt war noch jener, dass er nunmehr erstmals das Haftübel verspürt, an der anzustellenden Gefährdungsprognose etwas zu ändern. Es ist weiter nicht einsichtig, welche näheren Tatumstände (in Bezug auf die der Verurteilung vom 8. August 2006 zu Grunde liegende Tat) die Persönlichkeit des Beschwerdeführers in einem günstigeren Licht erscheinen lassen könnten. Auch welche "ergänzenden Ermittlungen" aus "sicherheits- und fremdenpolizeilicher Sicht" unbedingt notwendig gewesen wären bzw. welches Ergebnis sie erbracht hätten, wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich in der Haft wohl verhalte und die Gelegenheit wahrnehme, seinen Lehrabschluss nachzuholen, ist jedenfalls nicht ausreichend, um die behördliche Prognose in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die Ausführungen, Jugendliche mit Migrationshintergrund seien sozial und gesellschaftlich benachteiligt; selbst wenn dies zuträfe, käme dem für die hier allein maßgebliche - und zu bejahende - Frage, ob bezüglich des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG genannte Annahme gerechtfertigt ist, keine Bedeutung zu.

Was die Beurteilung nach § 66 (iVm § 60 Abs. 6) FPG anlangt, so ging die belangte Behörde ohnehin davon aus, dass mit dem gegenständlichen Aufenthaltsverbot ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei. Dabei berücksichtigte sie insbesondere, dass sich der Beschwerdeführer seit seinem 11. Lebensjahr in Österreich aufhält und hier - nach wie vor - bei seinen Eltern wohnt. Wenn sie ungeachtet dessen zum Ergebnis gelangte, dass der mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (insbesondere zur Verhinderung von strafbaren Handlungen) dringend geboten sei, so begegnet dies angesichts des mehrfachen strafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, das zuletzt in einem schweren Raub gipfelte, keinen Bedenken. Zu Recht berücksichtigte die belangte Behörde dabei auch, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, sich am inländischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Dem in der Beschwerde ins Treffen geführten Umstand, dass der Beschwerdeführer, der die Hälfte seines Lebens in Österreich verbrachte, zu seinem Heimatland Serbien "keinerlei Bindungen" aufzuweisen habe, kommt demgegenüber fallbezogen keine wesentliche Bedeutung zu. Soweit der Beschwerdeführer auch in diesem Zusammenhang Ermittlungsmängel behauptet, gelingt es ihm wiederum nicht, zielführende Ergebnisse allenfalls anzustellender zusätzlicher Ermittlungen darzutun.

Auch die Abwägung nach § 66 Abs. 2 FPG ist frei von Rechtsirrtum. Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Situation des Beschwerdeführers und auf die seiner Eltern müssen angesichts der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährlichkeit, die sich nicht nur durch die Schwere des zuletzt begangenen Delikts, sondern auch darin manifestiert, dass den Beschwerdeführer auch ein eingeleitetes und in der Folge eingestelltes Aufenthaltsverbotsverfahren nicht daran hinderte, unmittelbar danach einen schweren Raub zu begehen, in Kauf genommen werden. Dem weiteren Beschwerdehinweis auf das bei Erlassung eines Aufenthaltsverbotes offen stehende Ermessen ist zu erwidern, dass wegen der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers mit Blick auf § 55 Abs. 3 FPG eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten mit dem Gesetz nicht im Einklang gestanden wäre (vgl. aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2008/21/0229). Auch auf § 61 Z 4 FPG kann sich der Beschwerdeführer schon im Hinblick auf die Verurteilung zu einer dreijährigen unbedingten Freiheitsstrafe nicht mit Erfolg berufen. Insgesamt ergibt sich daher, dass schon der Beschwerdeinhalt keine Rechtsverletzung erkennen lässt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 19. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210378.X00

Im RIS seit

25.11.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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