TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2006/21/0241

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
FrPolG 2005 §21 Abs1 Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. Alfred Windhager, Rechtsanwalt in 4040 Linz-Urfahr, Flußgasse 15, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Tunis vom 12. Juli 2006, Zl. 415.00/48.2006, betreffend Versagung eines Visums, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 900,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Tunesien, stellte am 3. Juli 2006 bei der österreichischen Botschaft in Tunis den formularmäßigen Antrag auf Erteilung eines "Schengen-Visums" mit 90-tägiger Aufenthaltsdauer zum Zweck des Besuchs ihrer in Österreich lebenden Schwester und deren Ehegatten K. K., ein österreichischer Staatsangehöriger, verpflichtete sich mit Erklärung vom 19. Juni 2006, für den Unterhalt und die Unterkunft seiner von ihm eingeladenen Schwägerin, der Beschwerdeführerin, aufzukommen. Er verpflichtete sich weiters, der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgehe - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstünden, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen.

K. war seit 1. September 2005 als Kellner in einem ungekündigten Dienstverhältnis gestanden. Seine monatlichen Nettobezüge betrugen im März 2006 EUR 935,22, im April 2006 EUR 839,80, im Mai 2006 EUR 919,14 und im Juni 2006 - unter Berücksichtigung anteiliger Sonderzahlungen - EUR 1.869,82. K. war seit 20. Oktober 1999 Mieter einer 84,83 m2 großen Wohnung, für die er damals einen nach den Bestimmungen des § 14 WGG gebildeten (wertgesicherten) Mietzins von monatlich S 6.780,77 zu zahlen hatte.

Die 1980 geborene Beschwerdeführerin war im Jahr 2006 nicht berufstätig, bezog keinerlei Einkünfte und lebte im Haushalt ihrer Eltern. Sie hatte in Tunesien, damals im ersten Jahr, ein Universitätsstudium begonnen.

Mit dem angefochtenen - nach Einräumung einer Gelegenheit zur Stellungnahme an die Beschwerdeführerin ergangenen - Bescheid vom 12. Juli 2006 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung des begehrten Visums unter Verwendung eines formularmäßigen Vordrucks ab. Dabei wurde durch Ankreuzen der dafür vorgesehenen Felder zum Ausdruck gebracht, dass die belangte Behörde davon ausgehe, dass die Wiederausreise der Beschwerdeführerin nicht gesichert erscheine (§ 21 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) und dass ihr Aufenthalt in Österreich zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte (§ 21 Abs. 5 Z 3 FPG).

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Wie dargestellt hat die belangte Behörde ihre Entscheidung lediglich durch Hinweise auf die eben genannten Gesetzesstellen begründet. Dies allein stellt freilich vor dem Hintergrund der besonderen Regeln für das Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden noch keinen Begründungsmangel dar, genügt es demnach doch (vgl. § 11 Abs. 2 iVm Abs. 6 letzter Satz FPG), dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt zumindest im Akt nachvollziehbar ist (vgl. zuletzt etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104, mwN).

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Visa finden sich in § 21 FPG. Diese Bestimmung lautet samt Überschrift - auszugsweise -

wie folgt:

"Erteilung von Visa

§ 21. (1) Visa dürfen einem Fremden auf Antrag erteilt werden, wenn

1.

dieser ein gültiges Reisedokument besitzt;

2.

die Wiederausreise des Fremden gesichert erscheint;

3.

öffentliche Interessen der Erteilung des Visums nicht entgegenstehen, es sei denn, die Interessen des Fremden an der Erteilung des Visums wiegen schwerer, als die öffentlichen Interessen, das Visum nicht zu erteilen und

              4.              kein Versagungsgrund (Abs. 7) wirksam wird.

...

(4) Die Behörde hat bei der Beurteilung der nach Abs. 1 Z 3 zu treffenden Interessensabwägung jeweils vom Zweck sowie von der Dauer des geplanten Aufenthalts des Fremden ausgehend

1. auf seine persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine familiären Bindungen, seine finanzielle Situation und gegebenenfalls die Dauer seines bisherigen Aufenthalts im Bundesgebiet und

2. auf öffentliche Interessen, insbesondere die sicherheitspolizeilichen und wirtschaftlichen Belange und die Volksgesundheit

Bedacht zu nehmen.

(5) Öffentliche Interessen stehen der Erteilung eines Visums insbesondere dann entgegen, wenn

...

3. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines vor der Einreise bestehenden gesetzlichen Anspruchs;

...

(6) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens von Tatsachen gemäß Abs. 5 Z 1, 2 oder 3 ein Visum erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten.

..."

Aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen ist ersichtlich, dass ihr (als einladende Person fungierender) Schwager K. rund EUR 900,-- netto monatlich (zuzüglich Sonderzahlungen) verdient. Seine Ehefrau bezog für ein am 26. Mai 2004 geborenes Kind Kinderbetreuungsgeld von damals EUR 14,53 samt einem Zuschuss von EUR 6,06 (zusammen also EUR 20,59) täglich. K. hatte für die Beschwerdeführerin eine Reisekrankenversicherung abgeschlossen.

Dem standen zwar die Wohnungsmiete von rund EUR 500,-- netto monatlich sowie der Unterhaltsbedarf des K., seiner Ehefrau und des gemeinsamen Kindes gegenüber. Die Beschwerdeführerin sollte aber im Familienverband mitverpflegt werden und die Möglichkeit haben, die genannte - ausreichend große - Wohnung mitzubenützen. Angesichts dieser Umstände ist nicht ersichtlich, warum die Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts für die beabsichtigte Aufenthaltsdauer von 90 Tagen und für die Wiederausreise nicht reichen sollten oder inwieweit es realistisch betrachtet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft kommen könnte (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2007/21/0389).

Ebenso fehlt jeder taugliche Anhaltspunkt dafür, dass die Wiederausreise der Beschwerdeführerin nicht gesichert erscheine (so der im angefochtenen Bescheid weiters herangezogene Versagungsgrund des § 21 Abs. 1 Z 2 FPG). Die belangte Behörde hat sich nach dem Inhalt der von ihr vorgelegten Verwaltungsakten darauf gestützt, dass die 1980 geborene Beschwerdeführerin unverheiratet sei, bei ihren Eltern lebe und in Tunesien im ersten Studienjahr ein Universitätsstudium begonnen habe. Daraus lässt sich erschließen, dass sie aus diesen Umständen von einer mangelnden Verankerung der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland ausgegangen ist und angesichts dessen zu dem Ergebnis gelangte, ihre Wiederausreise aus Österreich erscheine nicht gesichert.

Dem ist jedoch zu entgegnen, dass nicht ohne weiteres (generell) unterstellt werden darf, dass Fremde - mag es auch einzelne Gesichtspunkte geben, die auf ein Naheverhältnis zu Österreich oder auf eine bloß "lockere" Verbindung zum Herkunftsland hinweisen - unter Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften im Anschluss an die Gültigkeitsdauer eines Visums weiterhin in Österreich (unrechtmäßig) aufhältig bleiben werden. Es bedarf vielmehr konkreter Anhaltspunkte in dieser Richtung; andernfalls ist davon auszugehen, dass die Wiederausreise eines Fremden gesichert erscheint (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0104, und vom 7. Februar 2008, Zl. 2007/21/0207).

Dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine unverheiratete bei den Eltern lebende Studentin handelt, die während der Sommerferien Angehörige in Österreich zu besuchen beabsichtigt, stellt nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes kein ausreichend konkretes Indiz dafür dar, sie werde nach Ablauf der Gültigkeitsdauer eines Visums in Österreich verbleiben. Weitere hierfür sprechende Anhaltspunkte konnten aus dem Akteninhalt nicht abgeleitet werden.

Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht - im Umfang des ziffernmäßigen Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 19. Juni 2008

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBesondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210241.X00

Im RIS seit

28.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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