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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrPolG 2005 §65 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über den Antrag des A S H in Wien, geboren am 15. Juli 1966, vertreten durch Mag. Andreas Reichenbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 31. Jänner 2008, Zl. SD 739/06, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien (der belangten Behörde) vom 31. Jänner 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom 1. März 2006 auf Aufhebung des gegen ihn mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom 11. September 2000 erlassenen Aufenthaltsverbotes in der Dauer von zehn Jahren gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer die mit 14. März 2008 datierte, am 25. März 2008 zur Post gegebene und zur hg. Zl. 2008/18/0311 protokollierte Beschwerde, in der u. a. vorgebracht wurde, dass ihm der Bescheid am 1. Februar 2008 zugestellt worden sei.
3. Mit hg. Verfügung vom 2. April 2008 (zugestellt am 9. April 2008) wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass auf Grund des Beschwerdevorbringens die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde angenommen werde und ihm Gelegenheit geboten werde, zu dieser Annahme binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.
4. Mit dem vorliegenden, am 23. April 2008 zur Post gegebenen Schriftsatz vom selben Tag stellte der Beschwerdeführer den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zu bewilligen, und brachte dazu vor, dass die Beschwerde am 14. März 2008 vom Beschwerdevertreter verfasst und durch die damalige Angestellte dessen Kanzlei, S., abgefertigt worden sei, wobei dieser der Auftrag erteilt worden sei, das genannte Schriftstück auch zur Post zu bringen. Dies stelle einen üblichen Vorgang dar, weil Schriftstücke an Gerichte oder Verwaltungsbehörden vom Beschwerdevertreter unterfertigt, dann kuvertiert und jeweils der anwesenden Kanzleiangestellten mit dem Auftrag übergeben würden, dieses Schriftstück eingeschrieben bei der Post aufzugeben. Der Beschwerdevertreter habe daher davon ausgehen können und müssen, dass die Beschwerde vom 14. März 2008 fristgerecht am selben Tag zur Post gegeben werde. Auf Grund der hg. Verfügung vom 2. April 2008 habe sich ergeben, dass S. die Beschwerde erst am 25. März 2008 zur Post gebracht habe und diesen Umstand ihm (dem Beschwerdevertreter) verschwiegen habe. Nach Überprüfung des Sachverhaltes habe sich herausgestellt, dass S. vom 17. März 2008 bis 21. März 2008 beim Kanzleikollegen des Beschwerdevertreters Urlaub genommen habe. Am ersten Arbeitstag nach dem Urlaub, am 25. März 2008, sei ihr offensichtlich aufgefallen, dass sie das vorliegende Schriftstück nicht bei der Post abgegeben habe, obwohl sie am selben Tag zur Post gegangen sei und auch ein anderes Schriftstück abgegeben habe. Der Postaufgabeschein selbst sei von ihr zwar dem Akt zugeordnet, jedoch dem Beschwerdevertreter nicht vorgelegt, sondern einfach abgelegt worden. Es habe für diesen keine Möglichkeit bestanden, das Missgeschick der S. zu erkennen, zumal auch einige Tage nach der tatsächlichen Postaufgabe deren Dienstverhältnis geendet habe, weil sie dieses zum 31. März 2008 gekündigt habe. Bei S. handle es sich um eine sehr erfahrene Kanzleikraft, welche ihrem Lebenslauf nach bereits seit 1985 für zahlreiche Rechtsanwälte gearbeitet habe und laut ihren Dienstzeugnissen über ausgezeichnete Referenzen verfüge. Die vorliegende Fristversäumnis sei für den Beschwerdevertreter in keiner Weise vorhersehbar gewesen, zumal S. ihr Versehen verschwiegen habe und von ihr der Akt ohne weitere Bemerkung abgelegt worden sei, weshalb die Fristversäumnis auch nicht abwendbar gewesen sei. Die Kanzlei des Beschwerdevertreters sei im allgemeinen besonders gut organisiert, und es würden nicht nur sämtliche Termine pünktlich eingetragen und wahrgenommen, sondern insbesondere auch Schriftstücke, welche zur Post gegeben werden müssten, insofern kontrolliert, dass sie auch tatsächlich von der jeweiligen Kanzleikraft mitgenommen würden mit dem Auftrag, sie an das Postamt eingeschrieben zu übergeben. Beim vorliegenden Sachverhalt handle es sich um eine Ausnahmesituation, welche in den Jahren der Tätigkeit des Beschwerdevertreters noch nie vorgekommen sei. Da es sich bei S. um eine besonders geschulte Sekretärin handle, welche darüber hinaus auf Grund ihrer über 20- jährigen Tätigkeit in Rechtsanwaltskanzleien über sehr große Erfahrung verfüge, sei ihr Versehen nicht nur völlig unvorhersehbar, sondern auch für ihn subjektiv unverschuldet gewesen.
II.
1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehen handelt.
2. Nach der ständigen hg. Judikatur trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Versehen eines Angestellten eines Rechtsanwaltes ist Letzterem (und damit auch der Partei) nur dann als Verschulden anzulasten, wenn der Rechtsanwalt die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle über den Angestellten unterlassen hat. Unterläuft einem sonst immer zuverlässig arbeitenden Angestellten erst im Zuge der Kuvertierung oder Postaufgabe ein Fehler, so stellt dies ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Allerdings ist die Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft diese rein manipulativen Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zumutbar, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Ein Rechtsanwalt kann vielmehr rein technische Vorgänge beim Abfertigen von Schriftstücken ohne nähere Beaufsichtigung einer verlässlichen Kanzleikraft überlassen (vgl. zum Ganzen etwa den Beschluss vom 15. März 2006, Zl. 2006/18/0045, mwN; ferner etwa das Erkenntnis vom 25. April 2006, Zl. 2005/21/0017, mwN).
3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund erweist sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als zielführend.
Zunächst deutet im vorliegenden Fall nichts auf ein Verschulden des Beschwerdevertreters bei der Auswahl der Kanzleikraft S. hin, zumal auch die vom Beschwerdevertreter zur Bescheinigung seines Vorbringens (u.a.) in Kopie vorgelegten Dienstzeugnisse seiner früheren Angestellten S., die von deren früheren (anderen) Dienstgebern ausgestellt wurden, keinen Anhaltspunkt für eine mangelnde Verlässlichkeit bieten. Aus dem nicht als unglaubwürdig zu beurteilenden Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich, dass die für den Beschwerdevertreter auf Grund seiner bisherigen Erfahrung als verlässlich einzustufende S. den Beschwerdeschriftsatz am 14. März 2008 - dem hier letzten Tag der Beschwerdefrist - entgegen dem ihr erteilten Auftrag nicht zur Post gegeben hat. Die Versäumung der Beschwerdefrist ist daher lediglich auf einen Fehler der Kanzleiangestellten S. bei der rein manipulativen Tätigkeit der Postaufgabe zurückzuführen.
4. Im Hinblick darauf war - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG zusammengesetzten Senat - gemäß § 46 Abs. 1 und 4 leg. cit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 19. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008180448.Y00Im RIS seit
15.10.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009