TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2005/18/0544

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §10 Abs1 Z2;
FrG 1997 §14 Abs2;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §56 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §6 Abs1 Z3;
FrG 1997 §6 Abs5;
FrG 1997 §7;
FrG 1997 §75;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des D J in W, geboren am 15. November 1986, vertreten durch Dr. Christian Willmann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 1. April 2005, SD 515/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 1. April 2005 wurde der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 8. Dezember 2003 mit einem bis 4. Februar 2004 gültigen Visum C in Österreich eingereist und nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes nicht ausgereist, sondern habe seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt. Zwar habe er einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung eingebracht, dieser werde jedoch auf Grund der zwingenden Bestimmung des § 14 Abs. 2 FrG abzuweisen sein. Er sei bisher nicht in Besitz eines Aufenthaltstitels, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich des § 37 Abs. 1 leg. cit. - im Grunde des § 33 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien.

Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen bestünden zu einer Tante, bei der er lebe. Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses große öffentliche Interesse verstoße der nicht bloß kurzfristige unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Anschluss an einen Sichtvermerk gravierend. Unter den gegebenen Umständen sei der Beschwerdeführer auch rechtens nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren. Die Erlassung der Ausweisung sei daher dringend geboten und im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig.

Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe keine Veranlassung bestanden, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des der belangten Behörde zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen, insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer am 8. Dezember 2003 mit einem bis 4. Februar 2004 gültigen Visum C in Österreich eingereist ist und über keinen Aufenthaltstitel verfügt, begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass sein Aufenthalt unrechtmäßig sei und die Tatbestandsvoraussetzung gemäß § 33 Abs. 1 (zweiter Halbsatz) FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.

2.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Blickwinkel der Interessenabwägung nach § 37 Abs. 1 FrG und rügt als Verfahrensmangel, dass die Erstbehörde, obwohl der Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht mächtig sei, seiner Vernehmung entgegen § 39a AVG keinen Amtsdolmetscher beigezogen habe, weshalb er den Eindruck vermittelt bekommen habe, dass von einer Ausweisung abgesehen würde. Es sei weder die Zeugin M. nochmals geladen worden, noch habe er Gelegenheit gehabt, die privaten, familiären und humanitären Gründe näher darzulegen, welche eine Ausweisung unzumutbar machten. Die Vernehmung der für den 15. Februar 2005 (somit im erstinstanzlichen Verfahren) geladenen Zeugin M., die sich krankheitsbedingt habe entschuldigen müssen, wäre deshalb von besonderer Bedeutung gewesen, weil es sich bei ihr um seine Tante handle, bei der er lebe, die für ihn obsorgeberechtigt sei und die die einzige Person für ihn sei, zu der er eine familiäre Bindung habe. Auf Grund deren Vernehmung hätte die Behörde feststellen müssen, dass eine Ausweisung auf Grund des damit verbundenen Eingriffs in sein Privat- und Familienleben unzulässig wäre. Auch sei er im Berufungsverfahren nicht neuerlich vernommen worden, obwohl er in seiner Berufung ein umfassendes Vorbringen betreffend humanitäre und familiäre Gründe erstattet habe. Ferner sei unzutreffenderweise protokolliert worden, dass er hinsichtlich einer Verfolgung iS des § 57 FrG "keine Probleme" hätte.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Ausweisung im Grund des § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Dauer von rund 17 Monaten (seit seiner Einreise am 8. Dezember 2003) und seine verwandtschaftliche Bindung zu seiner Tante, bei der er lebt, berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff im Sinn der genannten Bestimmung angenommen. Die aus der Dauer des inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers ableitbare Integration ist jedoch von geringem Gewicht, weil dieser Aufenthalt - sieht man von der kurzen Gültigkeitsdauer des Visums C bis 4. Februar 2004 ab - darüber hinaus zur Gänze unrechtmäßig war. Da das Reisevisum (Visum C) nur zu einem kurzfristigen Aufenthalt berechtigt (vgl. § 6 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 5 FrG), ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels (vgl. dazu § 7 FrG) gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz leg. cit grundsätzlich vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen ist und gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 leg. cit die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen ist, wenn der Aufenthaltstitel zeitlich an einen durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll, konnte der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass er über die Gültigkeitsdauer des genannten Visums hinaus bei seiner Tante im Bundesgebiet werde bleiben dürfen. Diesen nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass sein Verhalten, unrechtmäßig im Bundesgebiet zu bleiben, eine erhebliche Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, darstellt.

Wenn der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde rügt, dass bei seiner Vernehmung am 15. Februar 2005 nur ein begleitender Bekannter und kein Amtsdolmetscher als Übersetzer fungiert habe, so zeigt er mit diesem Vorbringen schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil er in der Beschwerde - sieht man von dem Vorbringen ab, es sei unzutreffenderweise protokolliert worden, dass er hinsichtlich einer Verfolgung iS des § 57 FrG "keine Probleme" habe - nicht darlegt, ob und gegebenenfalls welche seiner sonstigen Angaben bei seiner Vernehmung unrichtig in die deutsche Sprache übersetzt und protokolliert worden seien. Was im Übrigen die Behauptung des Vorliegens von Gründen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG anlangt, so ist darüber nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren - so nach § 75 leg. cit oder § 56 Abs. 2 leg. cit bzw. von der Asylbehörde gemäß § 8 AsylG - zu entscheiden (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 13. November 2007, Zl. 2004/18/0163), sodass auch diesem Vorbringen keine Relevanz zukommt.

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde weiters vorbringt, dass seine in Wien lebende Tante seine einzige Familienangehörige sei, zu der eine Kontaktmöglichkeit überhaupt bestehe und bei der er Unterkunft nehmen könne, und seine Eltern seit Jahren verschollen seien bzw. wahrscheinlich nicht mehr am Leben seien, weshalb die Vernehmung seiner Tante nicht hätte unterbleiben dürfen, so ist auch mit diesem Vorbringen nichts für den Beschwerdestandpunkt gewonnen. Denn daraus ergeben sich noch keine besonderen Umstände, die es dem - im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides 19 Jahre alten - Beschwerdeführer mit Blick auf Art. 8 EMRK unzumutbar machen, auch nur für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsbewilligungsverfahrens in sein Heimatland zurückzukehren. Von daher ist die in der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge, dass seine Tante - und er selbst nochmals - hätten vernommen werden müssen, nicht zielführend.

Die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten und gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Im Hinblick darauf erweist sich die Beschwerde als unberechtigt, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 19. Juni 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005180544.X00

Im RIS seit

03.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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