TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/19 2008/21/0120

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Veröffentlicht am 19.06.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
FrPolG 2005 §60;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. Elisabeth Geymüller, Rechtsanwalt in 3506 Krems-Hollenburg, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 21. September 2007, Zl. 2/4033/39/07, betreffend Zurückweisung einer Berufung i.A. des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerdebehauptungen und dem in Kopie vorliegenden angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 13. August 2007 wurde dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck mitgeteilt, dass gegen ihn ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeleitet wurde. Gleichzeitig wurde ihm die Möglichkeit gegeben, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Daraufhin übermittelte der Beschwerdeführer der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ein (undatiertes) Schreiben, welches bei dieser am 30. August 2007 einlangte und als "Berufung gegen das Aufenthaltsverbot" bezeichnet war.

Bereits am 29. August 2007 hatte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck einen Aufenthaltsverbotsbescheid ausgefertigt, der dem Beschwerdeführer am 3. September 2007 zugestellt wurde.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die am 30. August 2007 eingelangte "Berufung" als unzulässig zurück und führte begründend aus, dass der Aufenthaltsverbotsbescheid dem Beschwerdeführer am 3. September 2007 zugestellt und somit erst zu dieser Zeit erlassen worden sei. Die am 28. August 2007 zur Post gegebene und am 30. August 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck eingelangte Berufung sei "zu früh eingebracht worden" und somit unzulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 62 Abs. 1 AVG können Bescheide, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, sowohl schriftlich als auch mündlich erlassen werden.

Wie sich aus § 63 AVG ergibt, kann sich eine Berufung nur gegen einen Bescheid richten, d.h. der Bescheid ist Anfechtungsgegenstand der Berufung. Liegt kein Bescheid vor, so kann die gegen eine Erledigung eingebrachte "Berufung" einer meritorischen Behandlung nicht zugeführt werden. Sie muss vielmehr als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie nicht als Rechtsmittel im Sinn des § 63 Abs. 1 AVG gelten kann. Die Zuständigkeit der Berufungsbehörde reicht in derartigen Fällen nur soweit, eine solcherart unzulässige Berufung zurückzuweisen (vgl. zu all dem die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 63 AVG, S. 1160 f, dargestellte hg. Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer gesteht in seiner Beschwerde selbst zu, dass im Zeitpunkt der Berufungserhebung kein Bescheid vorlag. Der unter der Bezeichnung "Berufung gegen das Aufenthaltsverbot" eingebrachte Schriftsatz konnte aber auch nicht als "bloße" Stellungnahme im Aufenthaltsverbotsverfahren gewertet werden; führt doch der Beschwerdeführer selbst aus, der Meinung gewesen zu sein, der das Aufenthaltsverbot betreffende Bescheid sei mit der an ihn gerichteten Mitteilung bereits erlassen gewesen, weshalb er dagegen Berufung habe erheben wollen.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, dass der Verwaltungsgerichtshof im Mehrparteienverfahren auch die Zulässigkeit einer Berufung vor Erlassung des Bescheides (unter Verzicht auf die Zustellung desselben) bejaht hat, so ist einerseits darauf hinzuweisen, dass es sich beim Aufenthaltsverbotsverfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gerade nicht um ein Mehrparteienverfahren, sondern um ein Einparteienverfahren handelte. Andererseits setzt auch im Mehrparteienverfahren die Zulässigkeit einer Berufung vor Zustellung des Bescheides an eine Partei voraus, dass der anzufechtende Bescheid zumindest gegenüber einer einzigen Verfahrenspartei erlassen wurde und dadurch rechtliche Existenz erlangte (vgl. Walter/Thienel, aaO., S. 1203). Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass dann, wenn im Einparteienverfahren der Bescheidadressat gegen einen (etwa wegen eines Zustellmangels) noch nicht wirksam erlassenen Bescheid, dessen Inhalt er kennt, Berufung erhoben hat, die vorzeitig erhobene Berufung nicht zurückgewiesen werden darf, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung darüber die Zustellung des Bescheides (etwa durch Heilung des Zustellmangels) wirksam vollzogen war (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, S. 840, mit Hinweis auf die hg. Rechtsprechung). Jedoch lag ein solcher Fall hier nicht vor, weil sich die vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung - trotz Bezeichnung als "Berufung gegen das Aufenthaltsverbot" - nicht gegen den am 29. August 2007 ausgefertigten Aufenthaltsverbotsbescheid, sondern gegen die Mitteilung über die Einleitung des Aufenthaltsverbotsverfahrens richtete. Dass dem Beschwerdeführer der Bescheid vom 29. August 2007 und dessen Inhalt im Zeitpunkt der Berufungserhebung bekannt gewesen wäre, hat er weder behauptet noch lagen dafür Anhaltspunkte vor.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde - der damit im Zusammenhang erhobene, "Wiedereinsetzungsantrag" geht am Thema vorbei - erkennen ließ, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorlag, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. Juni 2008

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungBescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive BescheideVoraussetzungen des Berufungsrechtes Bescheidcharakter der bekämpften Erledigung Vorhandensein eines bekämpfbaren BescheidesIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2008210120.X00

Im RIS seit

23.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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