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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer, die Hofrätin Mag. Merl und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des B P, geboren am 5. März 1963, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 12. Oktober 2006, Zl. SD 611/05, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien (der belangten Behörde) vom 12. Oktober 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen mazedonischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 2 Z. 9 und § 63 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei mit einem von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten und vom 12. Juni bis 11. Juli 2004 gültigen Reisevisum in das Bundesgebiet eingereist und habe nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Sichtvermerkes seinen Aufenthalt in Österreich unrechtmäßig fortgesetzt. Am 27. Juli 2004 habe er die österreichische Staatsbürgerin B. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" bei der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) eingebracht.
Am 2. Dezember 2004 sei die Ehegattin des Beschwerdeführers vernommen worden und habe angegeben, dass ein Bekannter zu ihr gekommen wäre und gesagt hätte, er würde jemand kennen, der ihr Geldzuwendungen geben könnte, wenn sie ihn heiraten würde. Da ihr damaliger Freund sehr viele Schulden gehabt hätte, hätte sie zugesagt, weil sie ihm hätte helfen wollen. Nach der Trauung hätte sie von diesem Bekannten EUR 2.000,-- und danach noch einmal EUR 500,-- sowie am 1. Dezember 2004 vom Beschwerdeführer weitere EUR 500,-- erhalten.
In seiner Stellungnahme vom 25. Jänner 2005 habe der Beschwerdeführer bestritten, eine Scheinehe eingegangen zu sein, und angegeben, mit seiner Ehegattin in ehelicher Lebensgemeinschaft zu leben. Auch in seiner weiteren Stellungnahme vom 31. Jänner 2005 habe er ausgeführt, es wäre nicht richtig, dass seine Ehe vermittelt worden wäre, und er hätte seiner Ehegattin auch kein Geld bezahlt. Im Bundesgebiet lebten zwei Brüder, seine Schwägerinnen und deren Kinder sowie drei Cousins, und er stünde hier in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis.
Mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 25. August 2005 sei die Ehe des Beschwerdeführers rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Aus der Urteilsbegründung ergebe sich, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft sei vom Beschwerdeführer und seiner österreichischen Ehegattin nie beabsichtigt worden und auch nicht erfolgt, weshalb die Ehe gemäß § 23 Ehegesetz nichtig sei.
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf die Feststellungen des Gerichtes als Schutzbehauptung zu werten sei. Für die belangte Behörde bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussage der (früheren) österreichischen Ehegattin des Beschwerdeführers zu zweifeln. Angesichts der nachvollziehbaren und glaubwürdigen Aussagen seiner ehemaligen Gattin und im Hinblick darauf, dass ihre Aussagen auch im Gerichtsverfahren zur Nichtigerklärung der Ehe ihre Deckung fänden, stehe fest, dass er die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit seiner Ehegattin ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben. Damit seien die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt.
Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 60 Abs. 1 FPG rechtfertige.
Zwar sei in Anbetracht aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers auszugehen, dieser Eingriff sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - somit zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - dringend geboten. Wer, wie der Beschwerdeführer, rechtsmissbräuchlich insofern vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen.
Die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes sei auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG gebotenen Interessenabwägung zu bejahen. Nur auf Grund der durch seine Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz habe der Beschwerdeführer eine unselbstständige Beschäftigung eingehen können. Die durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die bewirkte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens auf Grund seines Eingehens einer Scheinehe wesentlich gemindert. Die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung dieser Maßnahme.
Da sonst keine besonderen, zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
Der Gesetzgeber habe wegen des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und der Verhinderung des Eingehens von Aufenthaltsehen ("Scheinehen") u. a. die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht mehr, wie im Fremdengesetz 1997 geregelt, mit fünf Jahren, sondern mit zehn Jahren limitiert. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne - selbst unter Bedachtnahme auf dessen private Situation - ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, nicht vor Verstreichen des nunmehr festgesetzten Zeitraumes erwartet werden.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde bestreitet nicht, dass die vom Beschwerdeführer mit der österreichischen Staatsbürgerin B. geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 25. August 2005 gemäß § 23 Ehegesetz mit der (tragenden) Begründung rechtskräftig für nichtig erklärt worden ist, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, wobei die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft von ihm und seiner österreichischen Ehegattin nie beabsichtigt worden und auch nicht erfolgt sei. Auf Grund dieses Urteils steht in bindender Weise fest, dass er die Ehe ausschließlich zu den genannten Zwecken geschlossen hat, ohne dass eine eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen oder diese begründet wurde (vgl. zur genannten Bindungswirkung etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2008/18/0078, mwN).
Im Hinblick darauf begegnet die - unbekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Das Eingehen einer Ehe zum ausschließlichen Zweck, fremdenrechtlich oder ausländerbeschäftigungsrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2007/18/0509), weshalb auch gegen die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass angesichts des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, kein Einwand besteht.
2. Bei der Interessenabwägung nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG hat die belangte Behörde den inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers seit 2004 und seine Berufstätigkeit berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in seine persönlichen Interessen angenommen. Das Gewicht dieser Interessen auf Grund seines bisherigen inländischen Aufenthaltes und seiner Berufstätigkeit wird jedoch dadurch entscheidend relativiert, dass die Berechtigungen dafür nur auf die rechtsmissbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen sind.
Diesen Interessen steht das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen kann die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG), selbst dann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn man dieser Abwägung das Beschwerdevorbringen zugrunde legte, dass in Österreich auch zwei Brüder, die Schwägerin und deren Sohn sowie zwei Cousins des Beschwerdeführers lebten und seine Eltern beabsichtigten, in Kürze nach Österreich zu übersiedeln.
3. Auch mit dem gegen die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gerichteten Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Gemäß § 63 Abs. 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z. 1, 5 und 12 bis 14 leg. cit. unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Nach der hg. Judikatur ist ein Aufenthaltsverbot, das nicht unbefristet erlassen werden kann, für jenen Zeitraum zu erlassen, nach dessen Ablauf vorhersehbarerweise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. April 2008, Zl. 2008/18/0240, mwN).
Der Beschwerdeführer hat sich in seinem Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf die von ihm geschlossene Scheinehe berufen und rechtsmissbräuchlich eine Niederlassungsbewilligung und den Zugang zum Arbeitsmarkt erlangt. In Anbetracht dieses Fehlverhaltens kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertreten hat, dass ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen der mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Gültigkeitsdauer erwartet werden könne.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, ergeben sich doch weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid besondere Umstände, die eine Ermessensübung nach § 60 Abs. 1 FPG zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 19. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006180470.X00Im RIS seit
03.08.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009