TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/23 2005/05/0377

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Veröffentlicht am 23.06.2008
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Index

L10016 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Steiermark;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/01 Sicherheitsrecht;
80/02 Forstrecht;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z7;
B-VG Art118 Abs3;
B-VG Art118 Abs6;
B-VG Art119a;
B-VG Art15 Abs1;
B-VG Art15 Abs2;
ForstG 1975 §30;
GdO Stmk 1967 §40 Abs2 Z5;
GdO Stmk 1967 §47 Abs1;
GdO Stmk 1967 §47 Abs2;
SPG 1991 §16;
SPG 1991 §19;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl sowie den Senatspräsidenten Dr. Kail und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde des Ing. B in Köflach, vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt in 8580 Köflach, Judenburger Straße 1, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 7. November 2005, Zl. FA7A-501-839/05-1, betreffend unaufschiebbare Verfügungen nach § 47 Abs. 1 Stmk. Gemeindeordnung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Voitsberg), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Vom Hanggrundstück des Beschwerdeführers (Osthang des Schlossberges von Voitsberg) kam es in der Vergangenheit schon mehrfach zu Steinschlag- bzw. Felssturzereignissen auf die darunter befindlichen, mit Wohngebäuden bebauten Liegenschaften. Hier gegenständlich ist der Vorfall vom 8. Juli 2005, worüber die Polizeiinspektion Voitsberg, die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg (BH) und die Vizebürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde Amtsvermerke aufgenommen haben. Vermutlich durch die starken vorangegangenen Regenfälle sei aus der ca. 40 m hohen Felswand ein Felsbrocken von ca. 1,5 m Durchmesser, der sich aus der Wand gelöst hatte, auf das Dach eines Holzschuppens und in weiterer Folge gegen die Hausmauer des Hauses Burggasse 25b gefallen. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde (im Folgenden: Bürgermeister) erließ am 11. Juli 2005, gestützt auf § 47 der Stmk Gemeindeordnung, als einstweilige und unaufschiebbare Sofortmaßnahme ein Benützungsverbot für das Objekt Burggasse 25b.

Über Auftrag der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstatteten die Zivilingenieure G. und D. am 27. Juli 2005 und 4. August 2005 Gutachten zur Beurteilung der möglichen Sanierungs- bzw. Sicherungsmaßnahmen. Darin forderten sie Sofortmaßnahmen für die Verringerung der allergrößten Steinschlag- und Felssturzgefahr, wobei sie anmerkten, dass auf längere Sicht weiter gehende Sanierungs- und Sicherungsmaßnahmen erforderlich sein würden. Im Einzelnen forderten sie das Ausräumen des auf sowie unmittelbar hinter der bergseitigen Stützmauer vorhandenen Materials und die Errichtung eines 3 m hohen Fangzaunes.

Mit Bescheid vom 8. August 2005 trug der Bürgermeister, gegründet auf § 47 Abs. 1 Stmk Gemeindeordnung, dem Beschwerdeführer auf, zum Schutz der Sicherheit von Personen und des Eigentums folgende Maßnahmen zu setzen, um einen weiteren Felssturz oder eine Hangrutschung auf das darunter liegende Gebäude Burggasse 25b und Burggasse 25c zu verhindern:

"1. Ausräumen des auf sowie unmittelbar hinter der bergseitigen Stützmauer vorhandenen Materials zumindest bis auf Höhe der Oberkante der Mauer. Im Zuge dieser Arbeiten sind auch die im Innenhof vorhandenen Gesteinsbrocken zu entfernen.

2. Errichtung eines Fangzaunes mit einer Situierung rund ein bis 2 Meter hinter der Stützmauer. Der Fangzaun hat +/- parallel zur Stützmauer eine Länge von größer/gleich 16 m aufweisen (Aufteilung: ca. 2 m im Grundstück 429/3 und 14 m im Grundstück Nr. 429/1, beide KG Voitsberg Vorstadt). Die Höhe des Zaunes hat zumindest 3 m, die Stützenabstände maximal 4 bis 5 m zu betragen. Der Zaun muss eine Energieaufnahme von zumindest 1500 kJ zulassen, wobei die Steinschlagverbauung mit bergseitig verankertem Rückhalteseil zu errichten ist. (Zur Situierung des Fangzaunes wird weiters auf den beiliegenden - einen integrierenden Bescheidbestandteil bildenden - Lageplan verwiesen).

3. Die Arbeiten sind von einer für derartige Steinschlagsysteme spezialisierten Fachfirma durchzuführen.

4. Vor Beginn der Bauarbeiten sind der Behörde Nachweise für die ausreichende Dimensionierung des Steinschlagschutzsystems (Berechnungsunterlagen) vorzulegen.

5. Die Ausführung der Arbeiten ist durch eine geotechnische Baubetreuung beaufsichtigen zu lassen."

Begründend führte der Bürgermeister aus, Maßnahmen, die aus der unmittelbaren Gefahr eines Felssturzes oder einer Hangrutschung resultierten, lägen im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde und seien dem Kompetenztatbestand der Sicherheitspolizei zuzuordnen. Die gegenständliche Gefahr zähle zu den Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei. Da nach dem Gutachten der beigezogenen Sachverständigen aus geologischer Sicht eine Gefahr für die Gesundheit und das Eigentum von Personen bestehe, seien gemäß § 47 Gemeindeordnung diese Maßnahmen vorzuschreiben gewesen, die im Hinblick auf die für eine Gesamtsanierung erforderlichen Maßnahmen noch als gelindestes mögliches Mittel einer zumindest kurzfristig erzielbaren Sicherung erschienen.

In seiner dagegen erstatteten Berufung rügte der Beschwerdeführer, der Bürgermeister sei für die Erlassung des gegenständlichen Bescheides nicht zuständig gewesen; da die Gefahr von Forstflächen ausging, hätte die Forstbehörde eine Verfügung treffen müssen. Auch lasse sich aus der herangezogenen Gesetzesstelle diese Sofortmaßnahme nicht begründen, weil nur in Katastrophenfällen sowie bei außerordentlicher Gefahr der Bürgermeister verpflichtet wäre, Gemeindebewohner zur unentgeltlichen Hilfeleistung aufzubieten bzw. Privateigentum gegen Schadloshaltung in Anspruch zu nehmen. Nun werde dem Beschwerdeführer ein erheblicher finanzieller Aufwand aufgebürdet, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage bestehe, zumal weder eine Katastrophe noch eine außerordentliche Gefahr vorliege. Die aufgetragene Maßnahme komme einer Enteignung und einer Inanspruchnahme des Privateigentums gleich. Allenfalls hätte dem Beschwerdeführer aufgetragen werden dürfen, die Schutzmaßnahmen gegen Entschädigung zu dulden.

Diese Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 21. September 2005 ab. Es habe sich hier um eine allgemeine drohende Gefahr gehandelt, die keiner konkreten Verwaltungsmaterie zugeordnet werden konnte. Im Forstrecht seien keine Regelungen über die allgemeine Sicherung eines Grundstückes enthalten. Der Bescheid des Bürgermeisters habe sich ja auf § 47 Abs. 1 Stmk Gemeindeordnung und nicht, wie vom Beschwerdeführer vermutet, auf den Abs. 3 dieser Bestimmung, der die allgemeine Hilfeleistung in Katastrophenfällen regle, gestützt. Das im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Grundstück stelle eine konkrete Gefahr für die darunter liegenden Gebäude und die darin wohnenden Personen dar, sodass bei Abwägung aller beteiligten Rechtsgüter die vorgeschriebene Sofortmaßnahme das gelindeste Mittel zur Gefahrenabwehr gewesen sei.

In seiner dagegen erstatteten Vorstellung behauptete der Beschwerdeführer, der Hang, der in seinem Eigentum stehe, sei Wald im Sinne des § 1a Forstgesetz. Nach § 27 Abs. 2 Forstgesetz handle es sich bei Objektschutzwäldern, die der direkten Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen dienten, um Bannwälder, die durch Bescheid in Bann zu legen seien, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Forstbehörde wäre im Rahmen einer Bannlegung verpflichtet gewesen, Maßnahmen zu setzen, die eine Gefährdung hintanhalten. Daraus ergebe sich allerdings, dass der Bürgermeister für die hier erteilten Maßnahmen unzuständig gewesen sei.

Selbst wenn seine Zuständigkeit gegeben gewesen wäre, hätte er nur eine einstweilige unaufschiebbare Verfügung treffen dürfen, zumal kein Katastrophenfall im Sinne des § 47 Stmk Gemeindeordnung vorliege. Keinesfalls hätte dem Beschwerdeführer durch eine unaufschiebbare Verfügung aufgetragen werden dürfen, im Sinne der ortspolizeilichen Maßnahmen eigene Finanzmittel in die Errichtung von Schutzbauten zu investieren. Das gelindeste Mittel wäre darin gelegen, ihn zur Duldung bestimmter Maßnahmen anzuhalten. Hingegen müsse der Begünstigte für die Kosten der angeordneten Maßnahmen aufkommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung keine Folge. Sie stellte fest, dass am 8. Juli 2005 durch den Abgang von Gestein vom Grundstück des Beschwerdeführers eine akute Gefährdung von Liegenschaften bis hin zur Einsturzgefahr eingetreten sei und Sofortmaßnahmen zum Schutz von Personen und Sachen unverzüglich erforderlich geworden seien. Bloße Duldungsmaßnahmen, wie der Beschwerdeführer meine, wären untauglich gewesen.

Nach § 40 Abs. 2 Z. 5 Stmk Gemeindeordnung sei der Gemeinde im Rahmen des eigenen Wirkungsbereiches die örtliche Sicherheitspolizei zugewiesen. Dazu gehörten Maßnahmen zur Abwehr von allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit. Zu der Erlassung von unaufschiebbaren Verfügungen bei Gefahr im Verzug sei gemäß § 47 Abs. 1 leg. cit. der Bürgermeister zuständig bzw. verpflichtet, unverzüglich tätig zu werden. Der Einwand, die Forstbehörde sei im Sinne des § 27 Forstgesetz zuständig gewesen, gehe schon deshalb ins Leere, weil eine Bannlegung von Waldgrundstücken ein antragsbedürftiges behördliches Verfahren voraussetze und diese Maßnahme bei Gefahr im Verzug untauglich sei. Bei Untätigkeit und Eintritt weiterer Schäden wären haftungsrechtliche Fragen zum Tragen gekommen.

Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Unverletzlichkeit seines Eigentums ohne Durchführung eines Enteignungsverfahrens und in seinem Recht auf ein Verfahren vor der gesetzlich vorgesehenen Behörde verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall wurde der Bürgermeister im Rahmen der "örtlichen Sicherheitspolizei" tätig. Die vom Kompetenztatbestand des Art. 15 Abs. 2 B-VG erfasste örtliche Sicherheitspolizei hat die Abwehr allgemeiner Gefahren für die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung zum Inhalt. Sie ist jener Teil der Sicherheitspolizei, der das Interesse der Gemeinde berührt und der von der Gemeinde innerhalb ihrer Grenze durch eigene Kräfte besorgt werden kann (Mayer, B-VG4, 110). Zur Sicherheitspolizei gehört die Abwehr der Gefahren, die nicht typischerweise in Bezug auf ein bestimmtes Verwaltungsrechtsgut auftreten, sondern losgelöst von einem solchen entstehen; sie umfasst die Maßnahmen (Angelegenheiten), die in erster Linie der Abwehr und der Unterdrückung der allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung des Inneren dienen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10, Rz 725). Nach Hundegger, Die Gemeinde und ihre Wirkungsbereiche, 80, handelt es sich bei der örtlichen Sicherheitspolizei um den Schutz vor solchen Gefahren und Missständen, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören, aber keinem bestimmten Verwaltungszweig zugehören, und zu deren Abwehr oder Beseitigung unter den Voraussetzungen des Art. 118 Abs. 6 B-VG die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich einzuschreiten hat.

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass die gegenständliche Angelegenheit keinem "bestimmten Verwaltungszweig" zugehöre; es handle sich vielmehr um eine Angelegenheit des Forstrechtes.

Die für die Klärung dieser Frage heranzuziehenden Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 in der Fassung BGBl. I Nr. 59/2002 (ForstG) lauten auszugsweise:

" Begriffsbestimmungen

§ 1a. (1) Wald im Sinne dieses Bundesgesetzes sind mit Holzgewächsen der im Anhang angeführten Arten (forstlicher Bewuchs) bestockte Grundflächen, soweit die Bestockung mindestens eine Fläche von 1 000 m2 und eine durchschnittliche Breite von 10 m erreicht. ...

Bannwald

§ 27. (1) Objektschutzwälder, die der direkten Abwehr bestimmter Gefahren von Menschen, menschlichen Siedlungen oder Anlagen oder kultiviertem Boden dienen, sowie Wälder, deren Wohlfahrtswirkung gegenüber der Nutzwirkung ein Vorrang zukommt, sind durch Bescheid in Bann zu legen, sofern das zu schützende volkswirtschaftliche oder sonstige öffentliche Interesse (Bannzweck) sich als wichtiger erweist als die mit der Einschränkung der Waldbewirtschaftung infolge der Bannlegung verbundenen Nachteile (Bannwald).

(2) Bannzwecke im Sinne des Abs. 1 sind insbesondere

a) der Schutz vor Lawinen, Felssturz, Steinschlag,

Schneeabsitzung, Erdabrutschung, Hochwasser, Wind oder ähnlichen Gefährdungen, ...

Inhalt der Bannlegung

§ 28. (1) Die Bannlegung besteht in der Vorschreibung der nach dem Bannzweck und den örtlichen Verhältnissen erforderlichen Maßnahmen und Unterlassungen sowie in der bestmöglichen Gewährleistung der Durchführung der Maßnahmen.

(2) Soweit es zur Erfüllung der im Abs. 1 umschriebenen Aufgaben erforderlich ist, hat die Behörde insbesondere

...

e) auf Antrag des Begünstigten den Eigentümer des

Bannwaldes zu verpflichten, besondere Maßnahmen (wie die Errichtung und Erhaltung von Anlagen zum Schutze vor Steinschlag, Vermurungen und Lawinen, die Durchführung von Anpflanzungen u. dgl.) im erforderlichen Ausmaß zu dulden.

...

(4) Auf Verlangen des Eigentümers des Bannwaldes hat die Behörde die Durchführung der gemäß Abs. 2 und 3 vorgesehenen und für den Bannzweck erforderlichen Maßnahmen dem durch den Bannwald Begünstigten aufzutragen.

Bannlegungsverfahren

§ 30. (1) Das Bannlegungsverfahren ist von Amts wegen oder auf Antrag einzuleiten.

(2) Zur Antragstellung sind berechtigt:

a) der Waldeigentümer, ...

Forstaufsicht

§ 172. (1) Sämtliche Wälder unterliegen der behördlichen Überwachung (Forstaufsicht). ...

     (6) Wenn Waldeigentümer, Einforstungsberechtigte oder andere

Personen bei Behandlung des Waldes oder in seinem

Gefährdungsbereich (§ 40 Abs. 1) die forstrechtlichen Vorschriften

außer Acht lassen, hat die Behörde, unbeschadet der allfälligen

Einleitung eines Strafverfahrens, die zur umgehenden Herstellung

des den Vorschriften entsprechenden Zustandes möglichen

Vorkehrungen einschließlich der erforderlichen

Sicherungsmaßnahmen, wie insbesondere

     a)        die rechtzeitige und sachgemäße Wiederbewaldung,

     b)        die Verhinderung und die Abstandnahme von

Waldverwüstungen,

     c)        die Räumung des Waldes von Schadhölzern und

sonstigen die Walderhaltung gefährdenden Bestandsresten, sowie die

Wildbachräumung,

     d)        die Verhinderung und tunlichste Beseitigung der

durch die Fällung oder Bringung verursachten Schäden an Waldboden

oder Bewuchs oder

     e)        die Einstellung gesetzwidriger Fällungen oder

Nebennutzungen, dem Verpflichteten durch Bescheid aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und nötigenfalls gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten durchführen zu lassen. ..."

Wenn auch aus dem Akt keine Anhaltspunkte vorliegen, so ist doch im Sinne der Behauptung des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass seine Grundfläche ein Wald im Sinne des § 1a ForstG ist. Beim hier gesetzten Eingriff des Bürgermeisters handelt es sich um eine Sofortmaßnahme, um Gefahren für Personen und Sachen auf den darunter liegenden Grundstücken abzuwehren. Für eine derartige Sofortmaßnahme eignet sich aber das Verfahren nach § 30 ForstG schon deshalb nicht, weil im Zusammenhang mit der Bannlegung jedenfalls keine Sofortmaßnahmen im Gesetz vorgesehen sind. Abgesehen davon, dass die hier aufgetragenen Maßnahmen, deren Erforderlichkeit durch das Sachverständigengutachten feststeht, "sofort" zu setzen waren, wären vergleichbare Maßnahmen nur im Rahmen des § 28 Abs. 3 lit. e ForstG in Betracht gekommen. Es ist aus dem Akteninhalt aber nicht erkennbar, dass die "Begünstigten" einen derartigen Antrag gestellt haben, noch, dass der Beschwerdeführer im Sinne des § 28 Abs. 4 ForstG ein entsprechendes Verlangen an die Forstbehörde gerichtet hat.

Theoretisch denkbar wären Maßnahmen der Forstaufsicht im Sinne des § 172 Abs. 6 ForstG. Dies würde aber voraussetzen, dass der Beschwerdeführer forstrechtliche Vorschriften außer Acht gelassen hätte, wofür gleichfalls Anhaltspunkte fehlen.

Da auch sonst aus Bestimmungen des Forstgesetzes eine Rechtsgrundlage für die hier von den Sachverständigen als unverzüglich zu setzende Maßnahme nicht gefunden werden kann, muss die eingangs genannte Voraussetzung des Einschreitens des Bürgermeisters, dass hier losgelöst von einem bestimmten Verwaltungsrechtsgut eine Maßnahme der Gefahrenabwehr erforderlich war, als vorliegend angenommen werden.

Festzuhalten ist schließlich, dass hier der Bürgermeister im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei und nicht etwa im Rahmen der allgemeinen Sicherheitspolizei eingeschritten ist; letzteres wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Hier lag ja keine "allgemeine Gefahr" im Sinne des § 16 Sicherheitspolizeigesetz vor; die in § 19 Sicherheitspolizeigesetz geregelte erste allgemeine Hilfeleistungspflicht macht es den Sicherheitsbehörden nur zur Aufgabe, subsidiär im Rahmen verwaltungspolizeilicher Gefahrenabwehr einzuschreiten (siehe die Wiedergabe aus dem Ausschussbericht bei Pürstl/Zirnsack, SPG, 88).

In Art. 15 Abs. 2 B-VG ist eine besondere Aufsichtsbefugnis des Bundes verankert. Da die örtliche Sicherheitspolizei infolge der Ausnahme in Art. 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG unter Art. 15 Abs. 1 B-VG fällt, ist die Ausübung der allgemeinen Gemeindeaufsicht jedoch Sache der Länder. Es ist auf die bei Wiederin, Art. 15/2 B-VG, in: Korinek/Holoubek (Hrsg.), Bundesverfassungsrecht, Randzahl 8, wiedergegebene einhellige Auffassung zu verweisen, dass Art. 15 Abs. 2 B-VG das allgemeine Regime des Art. 119a B-VG unberührt lässt. Somit war die belangte Behörde zur Erlassung des hier ergangenen Vorstellungsbescheides zuständig.

Entsprechend Art. 118 Abs. 3 B-VG zählt § 40 Abs. 2 Z. 5 Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 (zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 49/2004; GemO) die örtliche Sicherheitspolizei einschließlich der örtlichen Katastrophenpolizei zu den Aufgaben, die die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zu besorgen hat. In § 47 GemO sind die Befugnisse des Bürgermeisters bei Gefahr im Verzug und Notstand geregelt; die Abs. 1 bis 3 dieser Bestimmung lauten:

"(1) Bei Gefahr im Verzug, insbesondere zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums, ist der Bürgermeister berechtigt, einstweilige unaufschiebbare Verfügungen zu treffen. Er hat hievon unverzüglich dem zuständigen Kollegialorgan zu berichten.

(2) In Fällen, in welchen zum Schutz des öffentlichen Wohles die ortspolizeilichen Vorkehrungen der Gemeinde nicht ausreichen oder zur Abwendung von Gefahren die Kräfte der Gemeinde nicht auslangen, hat der Bürgermeister der Bezirksverwaltungsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten.

(3) In Katastrophenfällen, sowie bei außerordentlicher Gefahr (§ 40 Abs. 2 Z. 5) ist der Bürgermeister, soweit nicht andere gesetzliche Bestimmungen bestehen, verpflichtet, jeden tauglichen Gemeindeeinwohner zur unentgeltlichen Hilfeleistung aufzubieten und, soweit nötig, Privateigentum gegen Schadloshaltung im Sinne des § 1323 ABGB. in Anspruch zu nehmen. Solche Verfügungen sind unmittelbar vollstreckbar."

Der Bürgermeister ist hier in Anwendung des § 47 Abs. 1 GemO mit Bescheid vorgegangen. Auch die Gemeinde ist ein Verwaltungskörper; ihren Organen steht im Bereich der Hoheitsverwaltung jede Rechtsform des Verwaltungshandelns (VO, Bescheid) zu (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, aaO, Rz 875).

Unstrittig bedarf der Bescheid einer gesetzlichen Grundlage. Ein Fall des Steiermärkischen Landes-Sicherheitsgesetzes (Lärmerregung etc.) liegt hier nicht vor. Wie alle anderen Gemeindeordnungen und Stadtstatute kennt auch die Stmk GemO Notkompetenzen und Verfügungen in dringenden Fällen (siehe das entsprechende Kapitel bei Steiner, Gemeindeorgane, in:

Klug-Oberndorfer-Fröhler, Gemeinderecht, 9. Teil, Rz 98 ff). Danach kommt diese Notkompetenz in den meisten Bundesländern dem Bürgermeister zu; Maßnahmen des Bürgermeisters in Ausübung seines Notanordnungsrechtes werden, je nachdem, ob es sich um generelle oder individuelle Anordnungen handelt, entweder in Form einer Verordnung oder eines Bescheides getroffen (Rz 102).

Gallent, Notanordnungsbefugnisse des Bürgermeisters, ÖGZ 1980, 238 ff, insbesondere 256, unterscheidet zwischen so genannten "Eilverfügungen" und den echten Notanordnungsrechten. Dabei geht es einerseits um eine Zuständigkeitsverschiebung zugunsten des Bürgermeisters, weil wegen der gebotenen Eile, um Schäden und Nachteile von der Gemeinde abzuwenden, ein vorheriger Beschluss des Gemeinderates, des Gemeindevorstandes oder eines Ausschusses nicht eingeholt werden kann. Der andere Befugnistypus aber dient dazu, dem Bürgermeister die Erlassung einstweiliger unaufschiebbarer Verfügungen zu ermöglichen. Betrachtet man die §§ 40 ff GemO, kann von einer bloßen Zuständigkeitsverschiebung keine Rede sein. Diese besondere Notanordnungskompetenz ist nur in § 47 GemO genannt.

Schließlich gelangt auch Gallent zum Ergebnis, dass dann, wenn dem Bürgermeister das in Rede stehende Notanordnungsrecht eingeräumt ist, er entweder mit Verordnung oder mit Bescheid vorzugehen hat. In diesem Zusammenhang verweist er auf die mögliche Vorgangsweise nach § 57 Abs. 1 AVG.

Es besteht nach den getroffenen Feststellungen kein Zweifel daran und wird vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten, dass hier Gefahr im Verzug bestand und dass Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit von Personen oder des Eigentums erforderlich waren. Der Beschwerdeführer meint aber, der Bürgermeister wäre lediglich ermächtigt gewesen, ortspolizeiliche Verfügungen zu treffen; eine Verpflichtung (der Gemeindebürger) hätte nur in dem hier nicht gegebenen Katastrophenfall (§ 47 Abs. 3 GemO) bestanden. Nur in jenem Fall wäre die Inanspruchnahme von enteignungsähnlichen Mitteln und die Inanspruchnahme von Privateigentum vorgesehen. Dies ergebe sich auch aus § 47 Abs. 2 GemO, wonach vorgesehen sei, dass dann, wenn die Vorkehrungen der Gemeinde nicht ausreichen, der Bürgermeister die Bezirksverwaltungsbehörde in Kenntnis setzen müsse.

Nach § 47 Abs. 1 GemO darf der Bürgermeister bei Gefahr im Verzug eine "Verfügung" treffen. Worin eine solche Verfügung bestehen kann, lässt das Gesetz offen; gefordert ist allein, dass die Maßnahme der Gefahrenabwehr dient und unaufschiebbar ist.

Der Wortlaut dieser Bestimmung sieht nur vor, dass der Bürgermeister (durch geeignete Hilfskräfte) solche Maßnahmen setzt, oder, wenn er dazu nicht in der Lage ist, die BH verständigt (§ 47 Abs. 2 GemO). Für eine Verfügung, die bloß darin besteht, einen Dritten zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen zu verpflichten, bietet das Gesetz aber keinen Anhaltspunkt.

Eine effektive Ausübung der eingeräumten Verfügung setzt wohl voraus, dass Dritte verpflichtet sind, zur Gefahrenabwehr unerlässliche Eingriffe zu dulden; eine darüber hinausgehende Leistungsverpflichtung kann jedenfalls dann, wenn, wie hier, die geforderten Leistungen vertretbar sind, aus dem Gesetz nicht abgeleitet werden. Die hier geforderte unverzügliche Errichtung eines Fangzaunes dient zweifelsohne der Gefahrenabwehr; zur Gefahrenabwehr ist es aber nicht erforderlich, dass der Beschwerdeführer zur Kostentragung verpflichtet wird.

Da somit die belangte Behörde die Gesetzesbefugnis im aufgezeigten Sinn überspannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 23. Juni 2008

Schlagworte

Besondere RechtsgebieteOrganisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4Organisationsrecht Körperschaften des öffentlichen Rechtes Selbstverwaltung VwRallg5/2Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005050377.X00

Im RIS seit

11.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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