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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Pallitsch, Dr. Handstanger, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der
T Immobilien GmbH in Waidhofen/Thaya, vertreten durch Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. September 2007, Zl. RU1-BR-372/004-2006, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. S, 2. GZ, 3. MZ, 4. GK,
5. BK, 6. F, 7. Sch, 8. T und 9. B, alle in Waidhofen/Thaya, vertreten durch Spohn/Richter & Partner Rechtsanwälte OEG in 1010 Wien, Salztorgasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 17. September 2004 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der bau- und gewerberechtlichen Genehmigung für ein "Einkaufszentrum auf den ehemaligen Ebenseer Gründen" ("EKZ Einkaufs-/Entertainment-Center-Thayapark") auf Grundstücken der KG Waidhofen/Thaya.
Die mitbeteiligten Parteien erhoben als Nachbarn gegen das Bauvorhaben Einwendungen.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 15. Mai 2005 wurde der Beschwerdeführerin die beantragte baubehördliche Bewilligung unter Vorschreibung von Nebenbedingungen erteilt.
Die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Parteien wurde mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Oktober 2005 als unbegründet abgewiesen.
Mit hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0221, wurde dieser Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. Oktober 2005 infolge Beschwerde der mitbeteiligten Parteien wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof erblickte eine Rechtswidrigkeit des damals angefochtenen Bescheides darin, dass die Baubehörden trotz entsprechender Unzuständigkeitseinrede der mitbeteiligten Nachbarn nicht geprüft haben, ob für das von der Beschwerdeführerin eingereichte Bauvorhaben allenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Die belangte Behörde wäre auch von Amts wegen verpflichtet gewesen, ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des von der Beschwerdeführerin eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen in ihrem Bescheid darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgegangen ist. Für den Fall, dass sich die Unzuständigkeitseinrede der mitbeteiligten Parteien als unbegründet erweisen sollte, hat der Verwaltungsgerichtshof es für notwendig erachtet, dass im fortgesetzten Verfahren auch der Einwand der Beschwerdeführerin, den viert- und fünftmitbeteiligten Parteien käme im Verwaltungsverfahren mangels entsprechenden Naheverhältnisses zum Bauvorhaben keine Parteistellung zu, geprüft wird. Auch die Behauptung der Nachbarn, die projektierten Werbepylonen würden unzulässigerweise durch Schattenwurf die ausreichende Belichtung nicht näher bezeichneter Nachbargrundstücke beeinträchtigen, sei näher zu behandeln.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Parteien gegen den Bewilligungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 15. Mai 2005 Folge gegeben, den bekämpften erstinstanzlichen Bewilligungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya zurückverwiesen. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf § 66 Abs. 2 AVG. Begründend führte sie hiezu aus, sie sei im Hinblick auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0221, verpflichtet, über die Berufung der mitbeteiligten Parteien neuerlich zu entscheiden, wobei sie gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes dargelegte Rechtsansicht gebunden sei. Ausgehend von den im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Rechtsausführungen sei sie der Auffassung, dass es die Baubehörde erster Instanz unterlassen habe, ihr Antragsrecht auf Durchführung eines Feststellungsverfahrens im Sinne des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 auszuüben und einen entsprechenden Antrag einzubringen. Ein solches Feststellungsverfahren diene der Klarstellung, ob ein bestimmtes Projekt unter einen der Tatbestände des Anhanges 1 des UVP-G 2000 zu subsumieren sei. Auf Grund der Einwendungen der mitbeteiligten Parteien hätte die Baubehörde erster Instanz eine solche Prüfung von Amts wegen einzuleiten gehabt. Die Baubehörde erster Instanz habe also im fortgesetzten Verfahren von Amts wegen die Durchführung eines Feststellungsverfahrens im Sinne des § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 bei der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung Umweltrecht, zu beantragen. Sollte dieses Feststellungsverfahren ergeben, dass keine UVP-Pflicht vorliege, wären allenfalls unter Durchführung einer neuerlichen Bauverhandlung die vom Verwaltungsgerichtshof aufgezeigten Mängel des Ermittlungsverfahrens zu beheben. Es wäre einerseits die Parteistellung der (nunmehr) viert- und fünftmitbeteiligten Parteien zu überprüfen sowie andererseits der Beschwerdebehauptung, die Werbepylonen würden unzulässigerweise durch Schattenwurf die ausreichende Belichtung nicht näher bezeichneter Nachbargrundstücke beeinträchtigen, nachzugehen. Nach Klärung der Zuständigkeit und der Ergänzung des Ermittlungsverfahrens wäre daher neuerlich zu entscheiden. Da die Baubehörde erster Instanz ohne Durchführung eines UVP-Feststellungsverfahrens von ihrer eigenen Zuständigkeit ausgegangen sei und berechtigte Einwände der Nachbarn keiner ordentlichen Prüfung unterzogen habe, seien die mitbeteiligten Parteien in ihren Rechten verletzt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Unterbleiben der Aufhebung eines sie begünstigenden Bescheides durch die Berufungsbehörde und der Zurückverweisung der Angelegenheit an die Erstbehörde zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuerlichen Bescheides bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß § 66 Abs. 2 AVG verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 oder 131a B-VG stattgegeben hat, verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Im Hinblick auf das aufhebende hg. Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0221, hatte daher die belangte Behörde als Berufungsbehörde neuerlich über die Berufung der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 15. Mai 2005 gemäß § 66 AVG zu entscheiden.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann zwar die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen.
Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen hat die Berufungsbehörde jedoch außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Die Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens berechtigt die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 2 AVG nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich dieser Mangel nicht anders als mit Durchführung einer mündlichen Verhandlung beheben lässt. In allen anderen Fällen hat die Berufungsbehörde immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat somit die Berufungsbehörde zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des ihr vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unvermeidlich erscheint (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2001/05/0019). Für die Ermessensübung in Form der Zurückverweisung erweist sich insbesondere der Umstand als ausschlaggebend, dass mit einer mündlichen Verhandlung und einer unmittelbaren Beweisaufnahme durch die Berufungsbehörde selbst keine Ersparnis an Zeit und Kosten im Sinne des Tatbestandes des § 66 Abs. 3 AVG verbunden wäre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. September 1998, Zl. 97/05/0104). Jedenfalls bedarf es einer Begründung, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden kann (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1996, Zl. 95/05/0163; unter welchen Voraussetzungen die Durchführung einer Verhandlung als unvermeidlich erscheint siehe beispielsweise die im hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2002/05/1468, genannten Gründe).
Ungeachtet des Umstandes, dass es einer Begründung bedarf, warum die Fortsetzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden kann, ist - worauf die Beschwerdeführerin zutreffend verweist - im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, warum die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG vorliegen sollen und der belangten Behörde eine Entscheidung in der Sache selbst im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG nicht möglich war.
Im aufhebenden Erkenntnis vom 31. Juli 2007, Zl. 2006/05/0221, hat der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der die Aufhebung begründenden Unzuständigkeitseinrede festgehalten, dass "die Baubehörden zu beurteilen" gehabt hätten, "ob für das von der Beschwerdeführerin eingereichte Bauvorhaben allenfalls eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist". Die belangte Behörde wäre "von Amts wegen verpflichtet gewesen", ihre Zuständigkeit unter Berücksichtigung einer allfälligen UVP-Pflicht des von der mitbeteiligten Partei eingereichten Vorhabens zu prüfen und auf Grund nachvollziehbarer Feststellungen im angefochtenen Bescheid darzulegen, warum sie vom Fehlen einer UVP-Pflicht und damit von ihrer Zuständigkeit ausgeht.
Die belangte Behörde geht offenbar selbst davon aus, dass eine mündliche Verhandlung nicht unvermeidlich ist (siehe die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Behörde erster Instanz "allenfalls eine neuerliche Bauverhandlung durchführen wird müssen").
Für den Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht erkennbar, dass es für die Entscheidung über die Berufung der mitbeteiligten Parteien im Falle des Vorliegens der Zuständigkeit der Baubehörden einer mündlichen Verhandlung bedürfte, die die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides im Grunde des § 66 Abs. 2 AVG gerechtfertigt hätte.
Der angefochtene Bescheid leidet daher an einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 23. Juni 2008
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Ermessen Verfahrensbestimmungen Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007050256.X00Im RIS seit
18.07.2008Zuletzt aktualisiert am
11.08.2008