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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der EB in Aistersheim, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Bräuergasse 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Dezember 2005, Zl. Gem-524491/2-2005-Wa/Pl, betreffend Kanalanschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Aistersheim in 4676 Aistersheim 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut "Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag" vom 2. Juni 1967 verkauften die damaligen Grundeigentümer des Gutes "Schloß und Gut Aistersheim" der mitbeteiligten Gemeinde zur Errichtung einer zentralen Kläranlage eine Fläche von "höchstens 3.500 m2" auf näher genannten Parzellen. Weiters verpflichteten sich die Verkäufer, die Vornahme näher bezeichneter Handlungen auf diesen Parzellen durch die Gemeinde zu dulden und nach grundbücherlicher Einverleibung des Eigentumsrechts einer Einverleibung der Dienstbarkeiten zuzustimmen. Punkt VII. dieses Vertrages lautet:
"Als Gegenleistung für den Kauf bzw. für die Einräumung der Dienstbarkeiten nach diesem Vertrage verpflichtet sich die Gemeinde, zur Begleichung sämtlicher Gebühren und Abgaben, Anschlussbeiträge und sonstiger Leistungen, die den Grundeigentümern aus dem Rechtstitel der Errichtung der Ortskanalisation sowie des Anschlusses der Gebäude des Schlosses und Gutes Aistersheim an dieselbe vorgeschrieben wurden oder noch vorgeschrieben werden. ..."
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2004 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin als nunmehrigen Eigentümerin des Gutes Schloß Aistersheim für den Anschluss des "Mairhof samt Gärtner-Wohnung" an das öffentliche Kanalnetz Kanalanschlussgebühr in Höhe von EUR 5.967,84 zur Bezahlung vor.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung verwies die Beschwerdeführerin auf Punkt VII. des Vertrages vom 2. Juni 1967. Dieser enthalte auch eine Befreiung von künftigen Vorschreibungen.
Mit Bescheid vom 5. Juli 2005 wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung ab und bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, das Wohnobjekt (Mairhof des Schlosses) sei von der gegenständlichen Vereinbarung nie umfasst gewesen. Nach Durchführung des Kanalanschlusses für das gegenständliche Gebäude im Oktober 2004 seien die Anschlussgebühren unabhängig von dem Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag vom 2. Juni 1967 vorzuschreiben gewesen.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung brachte die Beschwerdeführerin u. a. vor, mit der Berufungsentscheidung verletze die Gemeinde deren "Verpflichtung zur Tragung der Kanalanschlussgebühr in der Vergangenheit und in der Zukunft".
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der rechtlichen Grundlagen ausgeführt, es verbiete sich, die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte privatrechtliche Vereinbarung als öffentlich-rechtlichen Vertrag zu verstehen, weil öffentlich-rechtliche Verträge nur zulässig seien, wenn eine gesetzliche Ermächtigung solches ausdrücklich vorsehe. Weder das Interessentenbeiträge-Gesetz noch die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde oder die Oö Landesabgabenordnung sähen eine derartige Vereinbarung vor. Auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei eine privatrechtliche Vereinbarung für die (hoheitliche) Abgabenvorschreibung irrelevant. Da die Voraussetzungen der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde für die Vorschreibung einer Kanalanschlussgebühr erfüllt seien, sei die Beschwerdeführerin durch die Vorschreibung einer Kanalanschlussgebühr nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 15. März 2006, B 184/06-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene - Beschwerde.
In ihrer vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Gemeinden werden gemäß § 1 Abs. 1 Oö Interessentenbeiträge-Gesetz, LGBl. Nr. 28/1958, ermächtigt, auf Grund eines Beschlusses der Gemeindevertretung von Grundstückseigentümern und Anrainern den Beitrag zu den Kosten der Errichtung einer gemeindeeigenen Kanalisationsanlage (Kanal-Anschlussgebühr) zu erheben. Die näheren Bestimmungen hat nach § 2 leg. cit. die Gemeindevertretung in einer Beitragsordnung zu regeln, die gleichzeitig mit dem Beschluss gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. zu erlassen ist.
Die Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. Dezember 2003, mit der die Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde erlassen wurde (in der Folge: Kanalgebührenordnung), lautet (auszugsweise):
"§ 1
Anschlussgebühr
Für den Anschluss von Grundstücken bzw. Objekten an das
gemeindeeigene, öffentliche Kanalnetz wird eine Kanalanschlussgebühr erhoben.
…
§ 5
Privatrechtliche Vereinbarungen
Durch diese Gebührenordnung werden privatrechtliche
Vereinbarungen nicht ausgeschlossen."
Die Beschwerdeführerin rügt in ihrer Beschwerde ausschließlich, die belangte Behörde habe nicht beachtet, dass sie auf Grund der Vereinbarung vom 2. Juni 1967, einer privatrechtlichen Vereinbarung iSd § 5 der Kanalgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde, von der Entrichtung der Kanalanschlussgebühr befreit sei.
Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - sind ohne abgabenrechtliche Bedeutung. Zulässig sind solche Vereinbarungen nur dann, wenn die Gesetze sie ausdrücklich vorsehen, wobei sich diese gesetzlichen Ermächtigungen nur dann als verfassungskonform erweisen, wenn die öffentlich-rechtlichen Verträge lediglich die Modalitäten der Abgabenerhebung (Berechnung der Bemessungsgrundlage, Fälligkeit etc.) und nicht die Steuerpflicht selbst betreffen, wenn im Gesetz Voraussetzungen und Inhalt hinreichend bestimmt sind und wenn in Streitfällen eine bescheidförmige Erledigung vorgesehen ist, sodass eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit möglich ist. Insbesondere kann die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten. Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld stehen - soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind - im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. März 2007, Zl. 2006/17/0384, mwN).
Daraus ergibt sich, dass die abgabenrechtliche Bedeutung des Punktes VII. des Vertrages vom 2. Juni 1967 von der gesetzlichen Ermächtigung zum Abschluss eines solchen Vertrages abhängig ist. Das Oö Interessentenbeiträge-Gesetz enthält keine solche Ermächtigung. Eine solche ergibt sich auch nicht aus § 5 der Kanalgebührenordnung, sagt diese Bestimmung doch lediglich aus, dass privatrechtliche Vereinbarungen durch die Kanalgebührenordnung nicht ausgeschlossen werden. Um welche privatrechtlichen Verträge es sich dabei handelt, zwischen welchen Personen und zu welchen Zwecken diese abgeschlossen werden können, ist dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht zu entnehmen. Da auch Voraussetzungen und Inhalt dieser Verträge nicht näher bestimmt sind, kann jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um Verträge handelt, die einen Verzicht auf die Abgabenerhebung zum Inhalt haben, zumal dafür grundsätzlich eine bescheidmäßige Erledigung vorzusehen wäre (vgl. zum Ganzen - und zu einer gleich lautenden Bestimmung - wieder das hg. Erkenntnis vom 20. März 2007, Zl. 2006/17/0384). Im Beschwerdefall kommt dem genannten Übereinkommen daher keine abgabenrechtliche Bedeutung zu.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Juni 2008
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006170056.X00Im RIS seit
05.08.2008Zuletzt aktualisiert am
03.07.2018