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L37167 Kanalabgabe Tirol;Norm
BauO Tir 2001 §2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde der Gemeinde Volders gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 18. September 2007, Zl. Ib-17445/3-2007, betreffend Kanalanschluss- und Wasseranschlussgebühr (mitbeteiligte Partei: FH in Volders), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde schrieb mit Bescheiden vom 18. Jänner 2007 der mitbeteiligten Partei für die Errichtung einer am 28. November 2006 bewilligten Doppelgarage und von Lagerräumen auf einem näher bezeichneten Grundstück Wasser- und Kanalanschlussgebühr vor. Die mitbeteiligte Partei erhob Berufung gegen beide Bescheide. Nach Abweisung der Berufung durch den Gemeindevorstand und Erhebung einer Vorstellung durch die mitbeteiligte Partei erging der angefochtene Bescheid, mit dem der Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge gegeben und der letztinstanzliche Gemeindebescheid aufgehoben wurde. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, dass § 1 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde diese zur Einhebung einer Anschlussgebühr ermächtige, wenn eine Anlage an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen werde. Der Abgabenanspruch entstehe mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses. Die Bemessungsgrundlage und Höhe der Anschlussgebühr ergebe sich aus § 1 Abs. 3 der Verordnung. In § 1 Abs. 3 lit. e leg. cit. sei normiert, dass die Anschlussgebühr entfalle, wenn auf einem Bauplatz einzelne bauliche Anlagen errichtet würden, bei denen kein Wasser eingeleitet werde. Auch § 1 Abs. 1 der Wasserleitungsgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde ermächtige diese zur Einhebung einer Anschlussgebühr zur Deckung des Aufwandes für die Gemeindewasserleitungsanlage. Eine Bestimmung betreffend die Befreiung freistehender Gebäude wie § 1 Abs. 3 der Kanalgebührenordnung finde sich in der Wasserleitungsgebührenordnung nicht.
Für die belangte Behörde ergebe sich, dass die mitbeteiligte Partei ein Gebäude im Sinne der Bestimmung des § 2 Abs. 2 Tiroler Bauordnung 2001 (im Folgenden: TBO 2001), nämlich eine Doppelgarage mit Lagerräumen, errichtet habe. Somit sei sowohl nach der Kanalgebührenordnung als auch nach der Wasserleitungsgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde grundsätzlich ein Abgabenanspruch betreffend die Entrichtung von Anschlussgebühren entstanden. Unstrittig sei aber ebenso, dass in dieses Gebäude kein Wasser eingeleitet werde. Dieser Umstand gewinne vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 3 lit. e der Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde Bedeutung, wonach für "einzelne bauliche Anlagen", bei denen kein Wasser eingeleitet wird, die Anschlussgebühr entfalle.
Im Hinblick auf die Behauptung der mitbeteiligten Partei, das neu errichtete Garagengebäude sei eine "einzelne bauliche Anlage", sei ein Rechtsgutachten der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht beim Amt der Tiroler Landesregierung eingeholt worden. Dieses sei sowohl der beschwerdeführenden Gemeinde als auch der mitbeteiligten Partei zur Kenntnis gebracht worden, sodass auf eine vollständige Wiedergabe verzichtet werden könne.
Zusammengefasst ergebe sich aus dem Gutachten, dass die Doppelgarage in keinem baulichen Zusammenhang mit dem bereits bestehenden Gebäude stehe. Die Garage schließe zwar unmittelbar an das bestehende Wohnhaus an, doch wiesen beide Gebäude keine konstruktiv-statisch wirksame Verbindung auf. Nach Rechtsmeinung der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht sei deshalb von einem unabhängig vom Gebäudebestand errichteten Neubau auszugehen, der einem Neubau gleichzustellen sei. Auch das Baugesuch vom 27. September 2006 bzw. der Bewilligungsbescheid des Bürgermeisters vom 28. November 2006 verstärke die Argumentation, dass es sich bei der Doppelgarage um keinen Zubau handle.
Zu dieser Stellungnahme habe die beschwerdeführende Gemeinde eine Replik eingebracht. Die beschwerdeführende Gemeinde stehe auf dem Standpunkt, dass es sich beim gegenständlichen Garagenbau um einen Zubau im Sinne des § 2 Abs. 8 TBO 2001 handle und dies eine Vergrößerung der Baumasse darstelle. Es komme nicht darauf an, ob die Garage selbst an die Wasserversorgungsanlage angeschlossen sei oder ein solcher Anschluss notwendig und vorgeschrieben sei.
Seitens der belangten Behörde werde den fachlichen Ausführungen der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht näher getreten, wonach es sich bei der neu gebauten Doppelgarage nicht um einen Zubau handle. Unstrittig werde in das Gebäude kein Wasser eingeleitet, womit hiefür nach § 3 Abs. 1 lit. e der Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde die Anschlussgebühr entfalle. Der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid des Gemeindevorstandes verletze daher die mitbeteiligte Partei in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Kanalanschlussgebühr.
Weil die Berufungsentscheidung des Gemeindevorstandes die Berufungen gegen die Vorschreibung der Kanalanschlussgebühr und der Wasseranschlussgebühr in einem Spruchteil erledigt habe, sei der Bescheid zur Gänze aufzuheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Verordnung über die Einhebung von Kanalgebühren - Kanalgebührenordnung der beschwerdeführenden Gemeinde vom 11. Dezember 2003 lautet auszugsweise:
"§ 1
Anschlussgebühr
(1) Wenn eine Anlage an eine öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen wird, erhebt die Gemeinde Volders zur Deckung der Kosten für die Errichtung oder Erweiterung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage eine Anschlussgebühr.
(2) Der Abgabenanspruch entsteht mit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses.
(3) Bemessungsgrundlage und Höhe der Anschlussgebühr:
a) Bemessungsgrundlage für die Anschlussgebühr ist die
Baumasse.
b) Die Berechnung der Baumasse ...
...
d) Wird ein Gebäude vergrößert, so ist die
Vergrößerung der Baumasse die Bemessungsgrundlage für die
Anschlussgebühr.
e) Werden auf dem Bauplatz einzelne bauliche Anlagen
errichtet, bei denen kein Wasser eingeleitet wird, so entfällt
eine Anschlussgebühr.
f) Die Anschlussgebühr beträgt pro Kubikmeter Baumasse
EUR 3,42 inkl. Umsatzsteuer (netto EUR 3,11). Die Anschlussgebühr beträgt außer bei An- und Aufbauten mindestens EUR 400,-- inkl. Umsatzsteuer (netto EUR 363,64). Die Anschlussgebühr ist durch Bescheid vorzuschreiben."
Die beschwerdeführende Gemeinde wendet sich insbesondere gegen die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die mit Bescheid vom 28. November 2006 bewilligte Doppelgarage und die Lagerräume stellten keinen Zubau zum Bestand auf dem Grundstück der mitbeteiligten Partei dar, sondern ein eigenständiges (neues) Gebäude.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid mit der oben wiedergegebenen knappen Begründung auf Grund des Gutachtens der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht des Amtes der Tiroler Landesregierung angenommen, dass ein selbstständiges Gebäude vorliege. Eigene Feststellungen, die eine Überprüfung dieser Rechtsauffassung ermöglichen würden, hat die belangte Behörde nicht getroffen. Abgesehen davon, dass auch der Umstand, dass ein Gutachten den Verfahrensparteien zur Kenntnis gebracht wurde, die Behörde nicht der Aufgabe enthebt, die für die Entscheidung der Verwaltungssache maßgeblichen Feststellungen zu treffen, wäre die belangte Behörde im vorliegenden Zusammenhang schon allein deswegen zu einer näheren Begründung ihrer Auffassung verpflichtet gewesen, weil die beschwerdeführende Gemeinde in einer detaillierten Stellungnahme die Rechtsauffassung der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht bekämpft hat. Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort auf die Einwände der beschwerdeführenden Gemeinde eingegangen, sondern hat ohne nähere Erläuterung die Auffassung vertreten, dass sie sich den Ausführungen der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht anschließe. Aus welchen Gründen im Beschwerdefall vom Vorliegen zweier getrennter Gebäude auszugehen ist, wurde im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt. Abgesehen davon, dass die beschwerdeführende Gemeinde auch die Feststellung bekämpft, dass in das Gebäude kein Wasser eingeleitet werde, leidet der angefochtene Bescheid somit schon im Hinblick auf die durch die Sachverhaltsfeststellungen nicht gedeckte und vom Verwaltungsgerichtshof nicht überprüfbare Annahme, die Doppelgarage und die Lagerräume seien ein eigenständiges Gebäude, an einem Verfahrensmangel. Insbesondere wird im angefochtenen Bescheid nicht begründet, worauf sich die in der Stellungnahme der Abteilung Bau- und Raumordnungsrecht vom 20. August 2007, auf die sich die belangte Behörde stützte, nicht näher erläuterte Annahme gründet, es liege kein baulicher Zusammenhang mit dem bestehenden Gebäude vor.
Die beschwerdeführende Gemeinde hat in der Beschwerde an sich zutreffend auf das hg. Erkenntnis vom 25. April 2005, Zl. 2004/17/0193, hingewiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof zur Rechtslage nach dem oberösterreichischen Bautechnikgesetz im Anschluss an die auch von den Verfahrensparteien genannte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff des "Zubaus" in verschiedenen Bauordnungen ausgeführt, dass die (im oberösterreichischen Bautechnikgesetz verankerte) Voraussetzung einer entsprechenden baulichen Gestaltung dann vorliege, wenn eine Verbindung des Gebäudes mit dem Zubau, sei es durch eine Verbindungstüre, sei es in Form einer baulichen Integration, wie etwa bei Vorliegen eines abgeschleppten Daches, das über den Zubau reiche, sodass zumindest optisch der Eindruck eines Gesamtbauwerks entstehe, gegeben sei (es wird in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 2000/05/0245, verwiesen). Der nach dem oberösterreichischen Bautechnikgesetz geforderte funktionelle Zusammenhang wurde vom Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis nicht nur in dem Umstand der funktionellen Zuordnung der Garage zum Wohnhaus sondern auch darin erblickt, dass das Dach der Garage als Terrasse des Wohnhauses ausgebildet sei, die vom Obergeschoß des Wohnhauses aus betreten werden konnte. Diese Rechtsprechung kann auch auf die Rechtslage nach der TBO 2001 übertragen werden, da §§ 2 Abs. 2, 7 und 8 TBO 2001 die Begriffe "Gebäude", "Neubau" und "Zubau" im Wesentlichen gleich wie in den übrigen Bauordnungen, zu denen die zitierte Rechtsprechung ergangen ist, umschreiben. Die hg. Rechtsprechung zur Frage, wann ein einheitliches Gebäude vorliegt und wann ein selbstständiges Nebengebäude (vgl. dazu zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2004/05/0189, mit Besprechung von Klaushofer, bbl. 2007/71) ist daher auch im Beschwerdefall maßgeblich.
Auch im vorliegenden Fall beruft sich die beschwerdeführende Gemeinde darauf, dass ein direkter Zugang auf das Dach der Garage gegeben sei, die insofern als Terrasse ausgebildet sei. Die im Akt erliegenden Bilder und die vorgelegten Einreichpläne lassen das Zutreffen dieser Behauptung auch als wahrscheinlich erkennen. In den im Akt erliegenden Einreichplänen vom 27. September 2006 (außen mit 26. September 2006 datiert) sind (zwar) die Bezeichnungen "EG" und "OG" auf den Plänen mit den Nummern 1 und 2 vertauscht; ausgehend von der Annahme, dass Plan Nr. 2 nicht das Erdgeschoß, sondern das Obergeschoß zeigt, ergäbe sich jedenfalls die Begehbarkeit der Holzlege vom Haupthaus aus (auf dem Dach der Garage), sodass insofern die funktionelle Einheit, die zum Vorliegen eines einzigen Gebäudes führen würde, gegeben sein könnte.
Damit ergibt sich jedoch, dass der Feststellungs- und Begründungsmangel auch wesentlich ist, weil die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können.
Aus den vorstehenden Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den angesprochenen Kostenersatz für Überweisungsspesen betreffend die Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG.
Wien, am 24. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007170198.X00Im RIS seit
05.08.2008Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009