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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §305 zweiter Halbsatz;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des E L in P, vertreten durch DI Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 18. Jänner 2005, Zl WA 338/2002, betreffend Entschädigung gemäß § 12 Abs 4 Waffengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde als im Devolutionsweg gemäß § 73 Abs 2 AVG zuständig gewordene Oberbehörde dem Beschwerdeführer für aufgrund des Waffenverbotsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 13. Dezember 2002 (rechtskräftig seit 2. Jänner 2003) verfallene Waffen eine Entschädigung gemäß § 12 Abs 4 Waffengesetz 1996 (WaffG) zuerkannt. Die mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzte Entschädigung beträgt für ein näher bezeichnetes Repetiergewehr der Marke Steyr EUR 1.020,-- und für ein näher bezeichnetes Repetiergewehr der Marke Sauer EUR 1.260,--, insgesamt somit EUR 2.280,--.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag auf Entschädigung sei mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2003 bei der Bezirkshauptmannschaft Weiz gestellt worden. Da die Bezirkshauptmannschaft über diesen am 19. Dezember 2003 eingelangten Antrag nicht innerhalb der Frist des § 73 Abs 1 AVG entschieden habe, habe der Beschwerdeführer einen Devolutionsantrag eingebracht. Die Waffen seien bei der Bundespolizeidirektion Wien "genauestens untersucht, der Zustand überprüft und (...) geschätzt" worden. Der Schätzwert sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden, der dazu eine Stellungnahme abgegeben habe. Die Entschädigung sei entsprechend der im Schätzgutachten festgelegten Höhe festgesetzt worden. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers, der u.a. eine Bestätigung über den Neuwert der Waffen vorgelegt habe, habe daran nichts zu ändern vermocht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 12 Abs 3 Z 1 WaffG gelten mit dem Eintritt der Rechtskraft eines Waffenverbotes die sichergestellten Waffen und Munition als verfallen. Gemäß § 12 Abs 4 leg cit hat die Behörde "dem Betroffenen auf Antrag für die verfallenen Waffen, soweit er deren rechtmäßigen Erwerb glaubhaft macht, mittels Bescheides eine angemessene Entschädigung zuzuerkennen". Ein solcher Antrag ist binnen einem Jahr ab Eintritt der Rechtskraft des gemäß § 12 Abs 1 WaffG verhängten Waffenverbotes zu stellen.
Gemäß § 12 Abs 5 WaffG gelten sichergestellte Waffen und Munition trotz eines rechtmäßig verhängten Waffenverbotes nicht als verfallen, wenn das Gericht, dem sie anlässlich eines Strafverfahrens vorgelegt worden sind, ihre Ausfolgung an deren Eigentümer verfügt (Z 1) oder wenn jemand anderer als der Betroffene binnen sechs Monaten, vom Zeitpunkt der Sicherstellung an gerechnet, der Behörde das Eigentum an diesen Gegenständen glaubhaft macht und dieser Eigentümer die Gegenstände besitzen darf (Z 2).
Die Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung ist erforderlich, um durch den Verfall, der mit Rechtskraft des Waffenverbotes ex lege eintritt (vgl das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juli 2003, Zl 2000/20/0010), nicht unverhältnismäßig in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht des Betroffenen einzugreifen. Vom Verfall "betroffen" ist eine Person, wenn die Waffen vorher ihr Eigentum waren (vgl Czeppan/Grosinger/Szirba/Szymanski, Das österreichische Waffenrecht2 (1998) 138). Bereits nach Erlassung des Waffenverbotes und Sicherstellung der Waffen durch die Behörde kann eine Eigentumsübertragung, wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 26. April 2005, Zl 2005/03/0043, ausgesprochen hat, nicht mehr wirksam vorgenommen werden; umso weniger ist eine Eigentumsübertragung nach Rechtskraft des Waffenverbotsbescheides möglich (vgl schon das Erkenntnis vom 23. November 1988, Zl 88/01/0214).
Die angemessene Entschädigung für verfallene Waffen ist nach dem objektiven Verkehrswert festzusetzen, sodass der ortsübliche Marktwert, zusammengesetzt aus dem Preis für eine Neubeschaffung, vermindert um den Wertverlust durch Abnützung, veraltete Technik uä, maßgeblich ist; der Wert der besonderen Vorliebe im Sinne des § 305 zweiter Halbsatz ABGB ist nicht zu berücksichtigen (vgl die Erl zu § 12 der RV des Waffengesetzes 1986, 457 BlgNR XX. GP, abgedruckt bei Grosinger/Szirba/Szymanski, Das österreichische Waffenrecht3 (2005) 75, sowie das insofern auch für die geltende Rechtslage maßgebliche Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1970, Zl 1862/69).
Die Ermittlung der Entschädigung hat regelmäßig auf Grundlage eines Schätzgutachtens über den objektiven Verkehrswert der verfallenen Gegenstände zu erfolgen. Um als Grundlage der Festsetzung einer Entschädigung dienen zu können, muss das Schätzgutachten schlüssig und nachvollziehbar sein; dies setzt insbesondere voraus, dass die im Gutachten angewendeten Erfahrungssätze in ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall in einer für den nicht Sachkundigen ersichtlichen Weise offengelegt werden (vgl zu Befund und Gutachten im Allgemeinen die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 , E 141 ff zu § 52 AVG abgedruckte Rechtsprechung).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer als Eigentümer der mit Rechtskraft des Waffenverbotes ex lege verfallenen Waffen rechtzeitig (§ 12 Abs 4 letzter Satz WaffG) die Zuerkennung einer Entschädigung beantragt. Dass der Beschwerdeführer die Waffen mit dem im Verwaltungsakt erliegenden, am 2. April 2003 abgeschlossenen Kaufvertrag - somit nach Rechtskraft des Waffenverbotes - an FS verkauft hat, konnte keinen Eigentumsübergang an den im Kaufvertrag genannten Käufer bewirken, sodass der Beschwerdeführer weiterhin als "Betroffener" des in Rede stehenden Verfalls anzusehen ist.
Der Bemessung der "angemessenen Entschädigung" gemäß § 12 Abs 4 WaffG mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde eine Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien vom 22. Oktober 2004 zugrunde gelegt, die wie folgt lautet:
"Folgende eingezogene Waffe(n) wurde(n) genauestens untersucht, der Zustand geprüft von BezInsp S, Beamter im waffentechnischen Dienst, und wie folgt geschätzt (Waffe, Schätzwert):
1 Repetiergewehr, Marke Steyr (...) EUR 1020,-
1 Repetiergewehr, Marke Sauer (...) EUR 1260,-
Der Schätzwert wird (die Schätzwerte werden) der do. Behörde für die Zuerkennung einer angemessenen Entschädigung empfohlen.
In einem wird um Mitteilung ersucht, ob der Betroffene den (die) Schätzbetrag (beträge) als angemessene Entschädigung anerkannt hat."
Dieses Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien entspricht nicht den an ein Gutachten anzulegenden Erfordernissen. Es wird darin lediglich auf eine nicht näher beschriebene Untersuchung Bezug genommen und es ist nicht ersichtlich, woraus die genannten Schätzwerte abgeleitet wurden. Dem Verfasser dieses Schreibens dürfte die mangelnde Eignung seiner Stellungnahme, als ausreichende Grundlage für die bescheidmäßige Festsetzung der Entschädigung zu dienen, auch bewusst gewesen sein, zumal er die Behörde um Mitteilung ersuchte, ob der Betroffene die Schätzbeträge als angemessene Entschädigung anerkenne.
Die belangte Behörde hätte sich mit diesem Schreiben der Bundespolizeidirektion Wien daher nicht begnügen dürfen, sondern dessen Ergänzung veranlassen müssen, zumal der Beschwerdeführer die Schätzwerte in seiner Stellungnahme als zu niedrig bezeichnet und dies auch mit einem Hinweis auf den Kaufpreis und das geringe Alter der Waffen begründet hatte.
Da die Entschädigung für die verfallenen Waffen sohin nicht auf Grundlage eines schlüssigen und nachvollziehbaren Schätzgutachtens festgesetzt wurde, ist der angefochtene Bescheid mit einem relevanten Verfahrensmangel behaftet. Er war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 25. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005030099.X00Im RIS seit
28.08.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013