TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/25 2007/02/0360

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §60;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Becker, über die Beschwerde des C G in A, vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in 9900 Lienz, Burghard Breitner-Straße 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 13. August 2007, Zl. uvs- 2007/13/1128 und 1129-2, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer - im hier nurmehr gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren - für schuldig erkannt, er habe am 23. Februar 2007 um 20.35 Uhr an einem näher genannten Ort einen Personenkraftwagen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,53 mg/l) gelenkt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) verhängt wurde.

In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und stellte zusammengefasst fest, die Bezirksleitstelle Lienz sei am 23. Februar 2007 um 20.30 Uhr telefonisch von der Zeugin N. verständigt worden, dass das vor ihr fahrende Fahrzeug in Schlangenlinien unterwegs sei. Es sei die Sektorstreife Lienz und die Patrouille Matrei mit der Fahndung nach dem verdächtigten Fahrzeug beauftragt worden. Nachdem der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges herausgefunden worden sei, seien die beiden Beamten der Sektorstreife Lienz um 20.40 Uhr beim Wohnort des Beschwerdeführers eingetroffen. Der gesuchte PKW sei auf dem Privatgrundstück abgestellt gewesen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, das Fahrzeug zuvor gelenkt zu haben. Um 20.44 Uhr sei der Beschwerdeführer zur Durchführung eines Alkotests aufgefordert worden. Dieser Aufforderung sei vom Beschwerdeführer nach Zuwarten einer 15-minütigen Wartezeit Folge geleistet worden. Nach mehreren Versuchen hätte sich die festgestellte Alkoholisierung ergeben; der letzte Test sei um 21.26 Uhr durchgeführt worden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, zwischen 16 Uhr und 19 Uhr zwei "weiße Spritzer" getrunken zu haben; weiters habe er drei "weiße Spritzer" beim Abendessen zu Hause getrunken.

In der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde aus, die Feststellung über die Uhrzeit des Anrufes bei der Bezirksleitstelle Lienz (20.30 Uhr) ergebe sich aus der Einsatzdokumentation der Bezirksleitstelle Lienz, an deren Richtigkeit nicht zu zweifeln sei. Die Dokumentation stimme mit den Aussagen des einen Beamten überein, der angegeben habe, um

20.40 Uhr am Wohnort des Beschwerdeführers eingetroffen zu sein. Dazu im Widerspruch stünden die Angaben des Beschwerdeführers und die Angaben seiner Eltern, wonach der Beschwerdeführer um etwa

20.15 Uhr nach Hause gekommen sei und zum Abendessen drei Gläser Weißwein getrunken habe bzw. zwischen 20.30 Uhr und 20.45 Uhr sei er mit dem Abendessen fertig gewesen.

In rechtlicher Hinsicht kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer gegen § 5 Abs. 1 StVO verstoßen habe, weshalb auf der Grundlage des festgestellten Alkoholisierungsgrades von 0,53 mg/l (1,06 Promille) als Strafbestimmung § 99 Abs. 1b StVO zur Anwendung komme.

Der Beschwerdeführer hat zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 1. Dezember 2007, B 1892/07-3, abgelehnt und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.

In der Beschwerdeergänzung macht der Beschwerdeführer der Sache nach ausschließlich Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde mit dem Argument, diese habe die Feststellungen über die zeitliche Abfolge des Geschehens - entgegen den Angaben des Beschwerdeführers und seiner Eltern - ausschließlich auf die Einsatzdokumentation der Polizei gestützt.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/08/0233, mwN).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund vermag der Beschwerdeführer eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht aufzuzeigen. Allein der Hinweis des Beschwerdeführers darauf, "dass Einsatzdokumentationen nicht immer 'minutengenau' festgehalten werden", ist nicht geeignet, im konkreten Fall eine Unrichtigkeit dieser Dokumentation darzutun. Abgesehen davon hat sich die belangte Behörde - wie sich aus der Darstellung des angefochtenen Bescheides ergibt - auch mit den anderen Beweismitteln zu diesem Thema auseinander gesetzt. Die Feststellung über die Anrufzeit 20.30 Uhr ist demnach mängelfrei zustande gekommen.

In der Folge macht der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel geltend, dass die Anruferin N. nicht einvernommen worden sei; diese hätte

"selbstverständlich im Sinne der Trinkverantwortung des Beschwerdeführers ausgesagt, die telefonische Anzeige erst gegen 20:15 Uhr erstattet zu haben, woraus sich aber stimmig die Verantwortung des Beschwerdeführers bestätigt hätte, wonach er mindestens eine halbe Stunde daheim gemütlich zu Abend gegessen und dabei den Nachtrunk zu sich genommen habe. Aus der Zeugenaussage N. hätte sich die Haltlosigkeit der Einsatzdokumentation der Polizei offenbart, wonach nämlich die Anzeige von N. (erst) gegen 20.30 Uhr erfolgt sei".

Bei diesem Vorbringen übersieht der Beschwerdeführer, dass der vom Beschwerdeführervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 3. Juli 2007 der belangten Behörde die Einvernahme der Zeugin N. zum Thema beantragt hat,

"worin genau die auffällige Fahrweise (des Beschwerdeführers) bestanden habe, die Anlass gegeben habe, ihn bei der Polizei anzuzeigen, weiters zum Beweis dafür, dass die in der Protokolleinsatzdokumentation angegebenen Zeiten 20.30 Uhr nur eine ungefähre Angabe in dieser Einsatzdokumentation darstelle".

Das nunmehr in der Beschwerde erstattete Vorbringen, die Zeugin N. - hätte man sie einvernommen - hätte ausgesagt, die Anzeige gegen 20.15 Uhr erstattet zu haben, deckt sich demnach nicht mit dem im Verwaltungsverfahren gestellten Beweisantrag, der allein die Grundlage für die Beurteilung darstellt, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Dem eben im Wortlaut wiedergegebenen Beweisantrag musste die belangte Behörde aber nicht entsprechen, weil einerseits der Anlass für die Anzeige nicht verfahrenswesentlich ist und andererseits der Beweisantrag offen ließ, welche konkrete Feststellung auf Grund des Vorbringens zur "ungefähren Angabe" von Zeiten in der Einsatzdokumentation getroffen werden sollte.

Schließlich stellt der Beschwerdeführer in seiner ergänzten Beschwerde den Geschehensablauf in der vom Beschwerdeführer und von dessen Eltern ausgesagten Zeitfolge dar und behauptet, der von der belangten Behörde festgestellte Ablauf sei "völlig unglaubwürdig" bzw. "denkunmöglich". Mit Hinweis auf die dargestellte Rechtsprechung, wonach der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt ist, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Schlüssigkeitsprüfung standhält, mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre, vermag der Beschwerdeführer auch mit diesem Vorbringen keinen Verfahrensfehler aufzuzeigen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003 BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 25. Juni 2008

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Allgemeinfreie BeweiswürdigungSachverhalt Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007020360.X00

Im RIS seit

16.07.2008

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten