Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
11997E082 EG Art82;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde der T-Mobile Austria GmbH in Wien, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 10, gegen den Bescheid der Telekom-Control-Kommission vom 15. Oktober 2007, Zlen M 15b/03-111, M 15d/03-113, M 13b,d/06-105, betreffend Feststellung beträchtlicher Marktmacht und Auferlegung spezifischer Verpflichtungen nach dem TKG 2003, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Beschluss vom 20. Oktober 2003 leitete die belangte Behörde von Amts wegen das Marktanalyseverfahren gemäß § 37 TKG 2003 im Hinblick auf die Märkte gemäß § 1 Z 15 Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 (TKMVO 2003) ein. Mit Bescheiden vom 27. Oktober 2004 stellte die belangte Behörde fest, dass die T-Mobile Austria GmbH sowie die tele.ring Telekom Service GmbH über beträchtliche Marktmacht iSd § 37 Abs 2 TKG 2003 auf dem Markt der Terminierung in ihr jeweiliges öffentliches Mobiltelefonnetz verfügten, und erlegte ihnen spezifische Verpflichtungen nach dem TKG 2003 auf.
In einem weiteren, mit Beschluss der belangten Behörde vom 6. Februar 2006 amtswegig eingeleiteten Marktanalyseverfahren stellte die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Dezember 2006 fest, dass die beschwerdeführende Partei - nach "Zusammenführung" der tele.ring Telekom Service GmbH mit dem Betrieb "Telekom" der T-Mobile Austria GmbH - über beträchtliche Marktmacht auf dem Markt der Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz verfügte und erlegte ihr spezifische Verpflichtungen nach dem TKG 2003 auf.
Mit Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Februar 2007, Zl 2004/03/0211 (T-Mobile) und Zl 2004/03/0212 (tele.ring) wurden die Bescheide der belangten Behörde vom 27. Oktober 2004 wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben; mit Erkenntnis vom 26. April 2007, Zl 2007/03/0030, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 2006 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
2. Mit dem nun angefochtenen, im fortgesetzten Verfahren erlassenen (Ersatz-)Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 37 Abs 2 TKG 2003 die beträchtliche Marktmacht der beschwerdeführenden Partei (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) auf dem Markt der Terminierung von Sprachrufen in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz einerseits für den Zeitraum vom 29. Oktober 2004 bis zum 19. Dezember 2006 (Spruchpunkt A.1.), andererseits für den Zeitraum seit 20. Dezember 2006 (Spruchpunkt B.1.) festgestellt und der beschwerdeführenden Partei (bzw ihrer Rechtsvorgängerin) in den jeweiligen Zeiträumen spezifische Verpflichtungen auferlegt, wobei es sich im Wesentlichen um Verpflichtungen zur Gleichbehandlung iSd § 38 TKG 2003 (Spruchpunkte A.2.1 bis A.2.3 und B.2.1. bis B.2.3.), zur Veröffentlichung eines Standardangebots iSd § 38 Abs 3 TKG 2003 (Spruchpunkte A.2.4. und B.2.4.), zur Gewährleistung der Zusammenschaltung iSd § 41 TKG 2003 (Spruchpunkte A.2.5. und B.2.5.) sowie zur Entgeltkontrolle für den Zugang iSd § 42 TKG 2003 (Spruchpunkte A.2.6. und B.2.6.) handelte. Mit Spruchpunkt C des angefochtenen Bescheides wurde eine mit einem früheren Bescheid der belangten Behörde auferlegte spezifische Verpflichtung gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz TKG 2003 aufgehoben.
Wörtlich lautet der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt:
"A.1. Gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 wird festgestellt, dass T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom Service GmbH auf den Vorleistungsmärkten 'Terminierung von Sprachrufen in die öffentlichen Mobiltelefonnetze der T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom Service GmbH' iSd § 1 Z 15 Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 für den Zeitraum 29.10.2004 bis 19.12.2006 jeweils über beträchtliche Marktmacht verfügen.
A.2. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH werden für den Zeitraum 29.10.2004 bis 19.12.2006
gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 folgende spezifische Verpflichtungen
auferlegt:
A.2.1. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH haben gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf die Qualität der Leistung 'Terminierung in ihre öffentlichen Mobiltelefonnetze' unter den gleichen Umständen dieselben Bedingungen anderen Betreibern anzubieten, die sie sich selber, verbundenen oder anderen Unternehmen bereitstellen.
A.2.2. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH haben gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf den Preis der Leistung 'Terminierung in ihre öffentlichen Mobiltelefonnetze' unter den gleichen Umständen anderen Betreibern, einschließlich der mit ihr verbundenen, dieselben Bedingungen anzubieten, die sie verbundenen oder anderen Unternehmen bereitstellen.
A.2.3. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH haben gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf den Preis der Leistung 'Terminierung in ihre öffentlichen Mobiltelefonnetze' unter den gleichen Umständen dieselben Bedingungen anderen Betreibern anzubieten, die T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom Service GmbH für ihre eigenen Festnetzleistungen bereitstellen. Diese Verpflichtung gilt für jene Leistungen der T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom Service GmbH, die mit Hilfe eines über die Luftschnittstelle angebundenen physischen ortsfesten Netzabschlusspunktes in den öffentlichen Kommunikationsnetzen der T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom Service GmbH erbracht werden.
A.2.4. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH haben gemäß § 38 Abs. 3 TKG 2003 ein Standardangebot betreffend 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' zu führen, das folgende näher zu bestimmende Mindestinhalte aufzuweisen hat:
-
Arten und Kosten der Realisierung von Zusammenschaltungsverbindungen,
-
Informationen über Standorte der Vermittlungsstellen,
-
Verkehrsarten und Entgelte,
-
Regelungen betreffend Notrufe,
-
Regelungen betreffend private Netze,
-
Regelungen betreffend personenbezogene Dienste,
-
Regelungen betreffend sonstige Dienste.
A.2.5. T-Mobile Austria GmbH und tele.ring Telekom
Service GmbH haben gemäß § 41 Abs. 2 Z 9 TKG 2003 die direkte und indirekte Zusammenschaltung mit ihren öffentlichen Mobiltelefonnetzen betreffend die Leistung 'Terminierung in ihre öffentlichen Mobiltelefonnetze' mit anderen Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze auf Nachfrage zu gewährleisten.
A.2.6.a. Für die Zusammenschaltungsleistung 'Terminierung in das öffentliche Mobiltelefonnetz der T-Mobile Austria GmbH' gelten gemäß § 42 TKG 2003 für nachfolgend näher bezeichnete Zeiträume jeweils folgende maximalen Entgelte:
Vom 29.10.2004 bis 31.10.2005
Cent 13,18
Vom 1.11.2005 bis 31.12.2005
Cent 12,66
Vom 1.1.2006 bis 30.6.2006
Cent 11,66
Vom 1.7.2006 bis 19.12.2006
Cent 10,66
A.2.6.b. Für die Zusammenschaltungsleistung 'Terminierung in das öffentliche Mobiltelefonnetz der tele.ring Telekom Service GmbH' gelten gemäß § 42 TKG 2003 für nachfolgend näher bezeichnete Zeiträume jeweils folgende maximalen Entgelte:
Vom 29.10.2004 bis 31.3.2005
Cent 15,99
Vom 1.4.2005 bis 31.12.2005
Cent 13,80
Vom 1.1.2006 bis 30.4.2006
Cent 12,80
Vom 1.5.2006 bis 30.6.2006
Cent 11,66
Vom 1.7.2006 bis 19.12.2006
Cent 10,66
A.2.6.c. Die angeführten Beträge sind in Cent und ohne Umsatzsteuer. Die Entgelte sind tageszeit- und verkehrsvolumensunabhängig. Für Verbindungsaufbauleistungen und nicht zustandegekommene Verbindungen sind keine zusätzlichen Entgelte zu verrechnen. Das konkret zu entrichtende Entgelt bemisst sich auf Grundlage einer sekundengenauen Abrechnung der zustandegekommenen Verbindung. Diese Entgelte gelten nicht für den Trägerdienst '64 kbit/s unrestricted'.
B.1. Gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 wird festgestellt, dass T-Mobile Austria GmbH auf dem Vorleistungsmarkt 'Terminierung von Sprachrufen in das öffentliche Mobiltelefonnetz der T-Mobile Austria GmbH' iSd § 1 Z 15 Telekommunikationsmärkteverordnung 2003 seit 20.12.2006 über beträchtliche Marktmacht verfügt.
B.2. T-Mobile Austria GmbH werden für den Zeitraum ab 20.12.2006 gemäß § 37 Abs. 2 TKG 2003 folgende spezifische Verpflichtungen auferlegt:
B.2.1. T-Mobile Austria GmbH hat gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf die Qualität der Leistung 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' unter den gleichen Umständen dieselben Bedingungen anderen Betreibern anzubieten, die sie sich selber, verbundenen oder anderen Unternehmen bereitstellt.
B.2.2. T-Mobile Austria GmbH hat gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf den Preis der Leistung 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' unter den gleichen Umständen anderen Betreibern, einschließlich der mit ihr verbundenen, dieselben Bedingungen anzubieten, die sie verbundenen oder anderen Unternehmen bereitstellt.
B.2.3. T-Mobile Austria GmbH hat gemäß § 38 TKG 2003 in Bezug auf den Preis der Leistung 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' unter den gleichen Umständen dieselben Bedingungen anderen Betreibern anzubieten, die T-Mobile Austria GmbH für ihre eigenen Festnetzleistungen bereitstellt. Diese Verpflichtung gilt für jene Leistungen der T-Mobile Austria GmbH, die mit Hilfe eines über die Luftschnittstelle angebundenen physischen ortsfesten Netzabschlusspunktes im öffentlichen Kommunikationsnetz der T-Mobile Austria GmbH erbracht werden.
B.2.4. T-Mobile Austria GmbH hat gemäß § 38 Abs. 3 TKG 2003 binnen 2 Wochen ab Rechtskraft dieses Bescheides ein Standardangebot betreffend 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' auf ihrer Unternehmenswebseite zu veröffentlichen und laufend auf aktuellem Stand zu halten. Dieses Standardangebot hat folgende näher zu bestimmende Mindestinhalte aufzuweisen:
-
Arten und Kosten der Realisierung von Zusammenschaltungsverbindungen,
-
Informationen über Standorte der Vermittlungsstellen,
-
Verkehrsarten und Entgelte,
-
Regelungen betreffend Notrufe,
-
Regelungen betreffend private Netze,
-
Regelungen betreffend personenbezogene Dienste,
-
Regelungen betreffend sonstige Dienste (Telefonstörungsannahmestellen, Tonbanddienste, Rufnummernbereich 17, öffentliche Kurzrufnummern für besondere Dienste).
B.2.5. T-Mobile Austria GmbH hat gemäß § 41 Abs. 2 Z 9 TKG 2003 die direkte und indirekte Zusammenschaltung mit ihrem öffentlichen Mobiltelefonnetz betreffend die Leistung 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' mit anderen Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze auf Nachfrage zu gewährleisten.
B.2.6. Für die Zusammenschaltungsleistung 'Terminierung in das öffentliche Mobiltelefonnetz der T-Mobile Austria GmbH' gelten gemäß § 42 TKG 2003 für nachfolgend näher bezeichnete Zeiträume jeweils folgende maximalen Entgelte:
Vom 20.12.2006 bis 31.12.2006
Cent 10,66
Vom 1.1.2007 bis 30.06.2007
Cent 9,45
Vom 1.7.2007 bis 31.12.2007
Cent 8,23
Vom 1.1.2008 bis 30.6.2008
Cent 7,02
Vom 1.7.2008 bis 31.12.2008
Cent 5,80
Vom 1.1.2009 bis 30.6.2009
Cent 5,72
Ab 1.7.2009 gilt bis zum Abschluss eines neuen Verfahrens gemäß § 37 TKG 2003 betreffend den gegenständlichen Markt für Terminierung in das öffentlichen Mobiltelefonnetz der T-Mobile Austria GmbH vorläufig ein maximales Entgelte in der Höhe von Cent 5,72.
B.2.6.1. Die angeführten Beträge sind in Cent und ohne Umsatzsteuer. Die Entgelte sind tageszeit- und verkehrsvolumensunabhängig. Für Verbindungsaufbauleistungen und nicht zustandegekommene Verbindungen sind keine zusätzlichen Entgelte zu verrechnen. Das konkret zu entrichtende Entgelt bemisst sich auf Grundlage einer sekundengenauen Abrechnung der zustandegekommenen Verbindung. Diese Entgelte gelten nicht für den Trägerdienst '64 kbit/s unrestricted'.
C. Die der tele.ring Telekom Service GmbH (nunmehr T-Mobile Austria GmbH) mit Bescheid M 5/05-24 vom 6.2.2006 auferlegte Verpflichtung auf dem Vorleistungsmarkt 'Terminierung in ihr öffentliches Mobiltelefonnetz' wird gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 TKG 2003 mit Rechtskraft dieses Bescheids aufgehoben."
3. Nach Darlegung des Verfahrensganges stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid den im Folgenden auszugsweise wiedergegebenen Sachverhalt fest:
"1. Zum Markt 'Terminierung in individuellen öffentlichen Mobiltelefonnetzen'
Terminierung ist eine Vorleistung und besteht darin, dass Sprach-Anrufe über eine zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle zum angewählten Mobiltelefonanschluss zugestellt werden.
Dem Markt zugehörig sind die Leistungen der Zustellung von Sprach-Anrufen über eine zusammenschaltungsfähige Vermittlungsstelle (GMSC) zum angewählten Mobiltelefon inklusive der Zusammenschaltungsleistung, die für Kunden eines Wiederverkäufers erbracht werden (IC-Terminierung) sowie Terminierungsleistung, die im Rahmen eines netzinternen Gesprächs anfällt (Netzinterne Terminierung). Der Markt umfasst nicht die Zustellung von SMS. Räumlich relevantes Ausdehnungsgebiet dieses Marktes ist das Bundesgebiet.
Die Leistung der Terminierung ist eine Zusammenschaltungsleistung und bildet einen betreiberindividuellen Terminierungsmarkt (Monopolmarkt).
Für die Leistung der Terminierung hat der nachfragende Netzbetreiber ein Entgelt (Terminierungsentgelt) an den Anbieter zu entrichten. Die Nachfrage nach Terminierung auf der Vorleistungsebene ist von der Nachfrage des Teilnehmers auf Endkundenebene abgeleitet: Jeder Teilnehmer eines Netzbetreibers benötigt zur Durchführung eines Anrufes zu einem anderen Teilnehmer - gleichgültig, ob dieser beim selben oder bei einem anderen Kommunikationsnetzbetreiber angeschlossen ist - Anrufzustellung als Vorleistung.
Der die Leistung - direkt oder indirekt - nachfragende Quellnetzbetreiber stellt das Terminierungsentgelt wiederum dem rufenden Teilnehmer im Rahmen der Endkundenpreise in Rechnung. Bei diesem als Calling-Party-Pays-Prinzip (CPP) bezeichneten Abrechnungsprinzip trägt - im Gegensatz zum Receiving-Party-Pays-Prinzip (RPP) - der Anrufende die gesamten Kosten eines Anrufs; der Angerufene trägt keine Kosten. In Österreich wird dieses Prinzip - wie auch in anderen europäischen Ländern - von allen Betreibern angewandt.
Die Verfahrenspartei betreibt ein öffentliches Mobiltelefonnetz, in welches terminiert wird.
Die tele.ring Telekom Service GmbH, FN 171112k des HG Wien, wurde nach Aufnahme eines Vermögensteils, nämlich des Betriebes 'Telekom', der T-Mobile Austria GmbH, FN 137742m des HG Wien, per 23.09.2006 ihrerseits in 'T-Mobile Austria GmbH' umfirmiert. Die (ursprüngliche) T-Mobile Austria GmbH, FN 137742m des HG Wien, wurde per 23.09.2006 in 'T-Mobile Holding Austria GmbH' umfirmiert.
2. Zur Analyse des Marktes 'Terminierung in individuellen öffentlichen Mobiltelefonnetzen'
Die nachfolgenden Feststellungen beziehen sich grundsätzlich, soweit nicht anders ausgewiesen, auf den Zeitraum seit 2004. 2.1. Markteintrittsbarrieren (...)
2.2. Marktanteile und Größenverhältnis
(...) Wenig relevant sind die weiteren Indikatoren, die auf das Größenverhältnis des potentiell alleinmarktmächtigen Unternehmens zu seinen (stärksten) Mitkonkurrenten auf dem betroffenen Markt abstellen. Dies betrifft folgende SMP-Indikatoren: Technologiebedingter Vorsprung, Vorteile in der Verkaufs- und Vertriebsorganisation, Existenz von Skalenerträgen, Verbund- und Dichtevorteilen, Zugang zu Finanzmitteln und die Kontrolle über nicht leicht ersetzbare Infrastruktur.
2.3. Nachfrage- und Angebotselastizitäten, Ausmaß an Produktdifferenzierung (...)
2.4. Preissetzung, Bündelung und internationale Preisvergleiche (...)
2.5. Nachfrageseitige Gegenmacht
Notwendig für die Bildung nachfrageseitiger Gegenmacht - allgemein verstanden als Verhandlungsmacht von Kunden gegenüber dem Anbieter eines Produktes bzw. Dienstes - ist, dass der Nachfrager über ein effektives und glaubwürdiges Drohpotenzial verfügt. Eine Drohung ist nur dann glaubwürdig, wenn es für den Nachfrager rational ist, diese auch umzusetzen, sollte der Anbieter den Forderungen nicht nachgeben. Die Drohung ist umso effektiver je höher die Kosten auf Seiten des Verkäufers (Erlöseinbußen) sind. Eine Konzentration der nachgefragten Menge auf wenige Kunden fördert daher die Gegenmacht, da Schlüsselkunden (mit einer hohen Nachfragemenge) eher in der Lage sein werden, ihr Drohpotenzial einer Nachfragereduktion (mit potenziell hohen Erlöseinbußen) zu artikulieren und in Preisverhandlungen mit dem Monopolisten durchzusetzen. Ein zentrales Element der nachfrageseitigen Gegenmacht (da es die Glaubwürdigkeit erheblich unterstreicht) ist die Existenz von Alternativen (so genannte 'outside options'): Durch die glaubwürdige Drohung, das Produkt von einem anderen Anbieter zu beziehen, es selbst herzustellen oder auf den Konsum zu verzichten kann ggf. erheblicher Druck auf den Anbieter ausgeübt werden. Ein zweites zentrales Element ist der Nutzen bzw. Schaden temporärer oder permanenter Nichteinigung (Konfliktpunkt). Die Kosten langer Verhandlungen müssen nicht gleich verteilt sein, ebenso der Schaden, wenn Verhandlungen scheitern. Darüber hinaus kann es unter-schiedliche Präferenzen bezüglich des status quo (inside option) geben. Für die Beurteilung kann weiters relevant sein, ob Kunden gleich gelagerte, organisierbare Interessen haben und so gegebenenfalls eine Aggregation an ausgleichender Nachfragemacht stattfinden kann. Inwieweit schließlich die nachfrageseitige Gegenmacht einzelner Kunden(gruppen) dazu führt, dass der Monopolist seinen Preissetzungsspielraum generell nicht, dh. gegenüber keinem Kunden ausschöpfen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, inwieweit es ihm gelingt, (über Diskriminierung) eine für Schlüsselkunden gefundene Lösung nicht zu einer Allgemeinen werden zu lassen.
Der Zusammenhang zwischen nachfrageseitiger Gegenmacht und der Nachfragefunktion besteht wie folgt: Grundsätzlich wird die Nachfragefunktion auf jedem Markt (unabhängig von der konkreten Angebotskonstellation) einen negativen Verlauf haben, der zum Ausdruck bringt, dass Kunden zu höheren Preisen eine geringere Menge nachfragen und mit sinkenden Preisen die nachgefragte Menge ausdehnen. Die Elastizität der Nachfragefunktion kann unterschiedlich sein, wobei im gegebenen Kontext grundsätzlich gilt, dass eine höhere Elastizität auf geringere Preissetzungsspielräume (höhere Mengenreaktionen) und (aber nicht zwingend) höhere Wettbewerbsintensität hindeutet. Dieser Zusammenhang gilt grundsätzlich für alle Märkte, sodass die Nachfrageseite eine (von ihrer Preissensitivität abhängige) beschränkende Wirkung auf das Preissetzungsverhalten des Betreibers ausüben kann. Diese ist allerdings in der Regel nicht ausreichend, um einen Monopolisten in seinem Preissetzungsverhalten hinreichend zu beschränken. Vielmehr geht es hierbei um die Frage, ob es der Nachfrageseite gelingt, den Monopolisten dazu zu zwingen, den Preis dem Wettbewerbsniveau (d.h. den Grenzkosten der Produktion) anzunähern.
Die nachfrageseitige Gegenmacht auf Mobilterminierungsmärkten kann sowohl auf Endkunden- (eigene Kunden, Fremdkunden) als auch auf Vorleistungsebene untersucht werden: Die Anreize, Verhandlungsmacht auszuüben, hängen davon ab, wie sehr Betreiber durch Zahlung niedrigerer Terminierungsentgelte ihre Gewinne erhöhen können. So wird der Anreiz grundsätzlich sehr hoch sein, wenn es möglich ist, eine unilaterale Senkung der Terminierungsentgelte durchzusetzen, da dies die eigenen Kosten senkt und gleichzeitig der Umsatz der Mitbewerber reduziert wird. Löst eine Absenkung des Terminierungsentgelts eines anderen Betreibers demgegenüber auch Druck auf die eigenen Terminierungsentgelte aus, wird der Anreiz entsprechend geringer sein, da durch den Druck auf Absenkung der Terminierungsentgelte des Mitbewerbers auch die Gefahr besteht, eine Abwärtsspirale bei den eigenen Terminierungsentgelten einzuleiten.
Der Modified Greenfield Approach, in dessen Rahmen existierende Regulierungen auf anderen Märkten berücksichtigt werden, ist bei der Bewertung der nachfrageseitigen Gegenmacht auf der Vorleistungsebene zu berücksichtigen, um die Marktsituation im tatsächlich relevanten wirtschaftlichen Kontext zu analysieren. Folglich sind auch die Zuständigkeiten der Regulierungsbehörden zur Streitschlichtungen sowie die Regulierung auf anderen Märkten (insbesondere der Festnetz-Terminierung) zu berücksichtigen.
2.5.1. Gegenmacht durch Endkunden des Terminierungsnetzbetreibers
(...) Zusammenfassend ist festzustellen, dass es selbst sehr großen Unternehmen bzw. Organisationen (die potenziell über Verhandlungsmacht gegenüber dem Mobilbetreiber verfügen) nicht möglich sein wird, niedrigere Terminierungsentgelte für Rufe von Dritten aus anderen Netzen durchzusetzen, da die Nettobilanz für den Mobilbetreiber jedenfalls negativ sein wird, die Weitergabe einer Absenkung der Terminierungskosten durch andere Betreiber nicht hinreichend sichergestellt werden kann und andere Produkte mit wesentlich geringeren Folgekosten zur Verfügung stehen, um den vom Unternehmen (Kunden) gewünschten Effekt zu erreichen. (...)
2.5.2. Gegenmacht durch Endkunden anderer Anbieter (...) Jeglicher Druck auf eine Absenkung der Terminierungsentgelte für Rufe in ein bestimmtes Mobilnetz kann nur mittelbar über den eigenen Betreiber aus-geübt werden. Da der Anbieter gleichzeitig auch die Nachfrage seiner Endkunden nach Terminierungsleistungen in (Mobil-) Netzen aggregiert und auf Vorleistungsebene der Vertragspartner für Zusammenschaltungsleistungen ist, ist es in erster Linie die Vorleistungsebene auf der sich gegebenenfalls nachfrageseitige Verhandlungsmacht finden lässt.
2.5.3. Gegenmacht auf der Vorleistungsebene
Potenziell mehr Verhandlungsmacht haben die Nachfrager auf der Vorleistungsebene, da sie die Nachfrage (der Endkunden) nach Mobilterminierungsleistungen bündeln (Aggregation der aus der Endkundennachfrage abgeleiteten Nachfrage) und (zumindest große Nachfrager) mit den Anbietern über Konditionen der Zusammenschaltung verhandeln.
Auch hier gilt, dass Verhandlungsmacht eher dann gegeben sein wird, wenn ein großer Teil der Nachfragemenge auf wenige Kunden konzentriert ist. In diesem Fall verfügen nachfragestarke Kunden über ein effektiveres Drohpotenzial, mit dem sie eher imstande sein könnten ihre Preisvorstellungen gegenüber dem Monopolisten durchzusetzen.
Mobilkom, T-Mobile (auch TMA) und One sind jeweils ihre wichtigsten Zusammenschaltungspartner, wobei die netzintern abgewickelten Verkehrsmengen mit der Größe des Anbieters positiv korreliert. Mehr als 56% der gesamten Mobilterminierungsminuten stammen durchschnittlich (über alle Mobilfunkbetreiber) im Jahr 2006 aus dem eigenen Netz, 29% stammen von anderen Mobilnetzen, ca. 8% von Telekom Austria, 5,5% von alternativen Festnetzbetreibern und nur 1% von ausländischen Zusammenschaltungspartnern.
Bei kleineren Mobilbetreibern - wozu im Jahr 2004 jedenfalls Hutchison 3G Austria GmbH (Hutchison, H3G) und zu Beginn tele.ring (auch als TRA abgekürzt) zu zählen war - lag der Anteil der Terminierungsminuten aus anderen Mobilnetzen bei 44-64% (2004- 2006); für größere Mobilbetreiber liegt dieser Anteil deutlich niedriger, was durch die hohe Anzahl an Teilnehmern im eigenen Netz und der damit verbundenen Substitution externer durch interne Terminierungsminuten zu erklären ist.
Da mit externer Terminierungsleistung entsprechende Einnahmen verbunden sind, sind Einnahmen aus Terminierung für kleinere Betreiber - wie Hutchison - grundsätzlich von größerer Bedeutung. Gleichzeitig ist für kleinere Betreiber auch festzustellen, dass ein größerer Anteil des Verkehrs ihrer Teilnehmer in anderen Netzen terminiert. Die Kombination aus der Bedeutung der Terminierung von Gesprächen im eigenen Netz und dem besonders hohen Anteil der Terminierung von Gesprächen eigener Teilnehmer in Fremdnetzen unterstreicht die Bedeutung der Terminierung für Betreiber wie HUTCHISON und macht deutlich, dass diese sogar ein besonderes Interesse an hohen eigenen und niedrigen fremden Terminierungsentgelten haben können.
Die größten Nachfrager nach Terminierungsleistungen der Mobilbetreiber (in den Jahren 2004 bzw. 2006) sind neben den Mobilfunknetzbetreibern, Telekom Austria, Tele2, etel und UPC. Nur diese vier Festnetzbetreiber bezogen im Jahr 2006 einen Anteil von ca. 1% des gesamten Mobilfunkterminierungsverkehrs.
Während Netzbetreiber mit angeschalteten Teilnehmern Terminierungsleistungen gleichermaßen kaufen und verkaufen ('Two-Way-Access') treten reine Verbindungsnetzbetreiber ausschließlich als Käufer auf ('One-Way-Access'). Dies hat Einfluss auf die Verhandlungsmacht, wobei nicht alle Nachfrager auf der Vorleistungsebene einem der beiden Typen eindeutig zuordenbar sind (wie zB der Festnetzbetreiber und MVNO Tele2).
Da der Verkehr zwischen Fest- und Mobilnetzen im Aggregat einigermaßen symmetrisch ist wird ein reiner Teilnehmernetzbetreiber einen etwa ausgeglichenen Minuten-Saldo bzw. einen leichten Überhang haben. Demgegenüber wird ein reiner VNB mit ausschließlich ausgehendem Verkehr ein Verhältnis in/out von Null haben. Nur Telekom Austria und UPC sind als reine Teilnehmernetzbetreiber zu qualifizieren, alle anderen Festnetzbetreiber sind im überwiegenden Maße Verbindungsnetzbetreiber mit einer vergleichsweise geringen Zahl an angeschalteten Teilnehmern.
Liegt ein Anreiz bei den Nachfragern vor, die Mobilfunkterminierungsentgelte zu senken, gibt es grundsätzlich folgende Möglichkeiten entsprechenden Druck auszuüben: a) Verweigerung der Zusammenschaltung oder eine empfindliche Senkung der nachgefragten Menge (und damit im Zusammenhang stehende Verhaltensweisen wie prohibitiv hohe Preise verlangen, Verzögerung der Zusammenschaltung u.ä.), b) Drohung der Anrufung der Regulierungsbehörde zur Streitschlichtung, c) im Gegenzug hohe Terminierungsentgelte verlangen, d) im Falle von Drittmarktkontakten: Aufkündigung oder Verschlechterung der Zusammenarbeit auf anderen Märkten.
Auf diese vier Handlungsoptionen wird im Folgenden im Detail
eingegangen:
(...)
2.5.4. Verbundene Unternehmen und Bündelung von Nachfragemacht
In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Frage der Wirkung der Verbundenheit von Unternehmen auf die nachfrageseitige Gegenmacht in der Verhandlung von Terminierungsentgelten erörtert. Anders als im Fall einer Wettbewerbsleistung erhöht die Verbundenheit von Unternehmen nicht das strategische Handlungsvermögen der Anbieter. Zwar erhöht im Besonderen die Verbundenheit von Mobilkom und Telekom Austria die Verhandlungsmasse, die outside Optionen (die weiterhin nicht gegeben sind) und die möglichen Konsequenzen bleiben aber - auf Grund einer Beschränkung von Handlungsoptionen wegen bestehender Marktmacht auf anderen Märkten durch Regulierung bzw. wegen effektiven Wettbewerbs - dieselben. Dies gilt auch für die drei in ihren Ausprägungen wohl extremsten Fälle, in denen der verbundene Konzern bestehend aus Telekom Austria und Mobilkom den Unternehmen tele.ring bzw. Hutchison und Tele2 gegenübersteht. In jedem dieser Fälle steht den letztgenannten Unternehmen eine bedeutend größere Nachfrage und eine ähnliche Verhandlungsposition der verbundenen Einheit auf dem Terminierungsmarkt bzw. auf anderen Märkten gegenüber. In allen Fällen aber ist, wo Marktmacht auf anderen Märkten besteht und diese zum Nachteil des Partners eingesetzt werden kann, eine Regulierung vorgesehen bzw. könnte ggf. sehr rasch eine Entscheidung durch die Regulierungsbehörde getroffen werden. Zwar könnte der Telekom Austria Konzern (bei unterstellter abgestimmter Konzernstrategie und hoher Disziplin in der Umsetzung) auf Grund der vielfältigen über Märkte hinwegreichenden Kontakte 'unangenehm werden', die Möglichkeiten aber sind begrenzt, bzw. könnten diese durch entsprechende Entscheidungen der Regulierungsbehörde (wo Marktmacht missbraucht wird) rasch korrigiert werden.
Letztlich ist aber, selbst wenn man unterstellte, dass es jenseits der regulatorischen Erfassung Möglichkeiten geben könnte, Druck auszuüben, auch nicht zu erwarten, dass sich ein Terminierungsnetzbetreiber diesem Druck beugt, besteht doch gerade bei einer engen Verbundenheit über mehrere Märkte kein Grund für die Annahme, dass eine einmal - auf Druck - erfolgte Absenkung der Terminierungsentgelte nicht weiteren Druck nach sich zieht und somit in seiner Wirkung zu einer schleichenden aber nachhaltigen Beschädigung der Wettbewerbsposition führt.
Analoges, wenngleich differenziert nach Märkten und Konstellationen, lässt sich auch für andere Fälle feststellen, in denen es um die Beurteilung der Auswirkung der Verbundenheit anderer Unternehmen auf die nachfrageseitige Gegenmacht geht. (...)
2.5.6. Zusammenfassung
Wie bereits festgestellt, hat ein Nachfrager nur dann Verhandlungsmacht, wenn er über ein glaubwürdiges und effektives Drohpotenzial verfügt; d.h. wenn er ein erhebliches Nachfragevolumen auf sich konzentriert und dem Anbieter gegenüber glaubwürdig androhen kann, dieses zu reduzieren, sollte der Anbieter den Forderungen nach einem niedrigeren Preis nicht nachgeben. Die Drohung, die Leistung von einem anderen Anbieter zu beziehen oder sie selbst zu produzieren, ist die effektivste und glaubwürdigste im Zusammenhang mit Nachfragemacht. Diese steht allerdings einem Nachfrager von Terminierungsleistungen auf der Vorleistungsebene nicht zur Verfügung, was seine Verhandlungsmacht ganz erheblich einschränkt.
Zusammenfassend ist zur Ausübung nachfrageseitiger Gegenmacht durch einzelne Nachfrager und Nachfragergruppen festzuhalten, dass die nach-frage-seitige Verhandlungsmacht keine hinreichend disziplinierende Wirkung auf den mit Mobilterminierungsmonopolen verbundenen Preissetzungsspielraum auszuüben vermag. Überdies geben die Situation des Marktes, die Besonderheit der Terminierungsleistung und die voraussehbare technische Entwicklung auf die absehbare Zeit von 2 Jahren keine Anhaltspunkte dafür, dass eine grundlegende Änderung der Verhandlungspositionen der Interessen und des einsetzbaren Instrumentariums zu erwarten wäre.
2.6. Strukturelle Besonderheiten
Die Mobilfunkterminierungsleistung ist durch zwei strukturelle Besonderheiten charakterisiert:
-
Die Terminierungsleistung zu einem bestimmten mobilen Endgerät (Teilnehmer) ist - jedenfalls solange das Vertragsverhältnis aufrecht ist - eine Monopolleistung und kann durch keinen anderen Betreiber als denjenigen, bei dem die SIM-Karte freigeschalten ist (der Teilnehmer subskribiert ist), erbracht werden.
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Die gesamten Kosten eines Gesprächs zu einem Mobilfunkteilnehmer (Originierung, Transit und Terminierung) trägt der rufende Teilnehmer. Dem gerufenen Teilnehmer (im Inland) fallen keine Kosten an. Dieses als Calling-Party-Pays-Prinzip (CPP) bezeichnete Tarifsystem ist verantwortlich für folgende Externalität: Die Entscheidung, über welches Netz Gespräche an ihn zugestellt werden (und sohin auch was die Zustellung kostet), trifft der gerufene Teilnehmer, die Kosten trägt aber der rufende Teilnehmer.
Auf Grund dieser strukturellen Besonderheiten wird ein Anbieter von Mobilterminierungsleistungen weder durch den Anrufer noch durch den Angerufenen in seinem Preissetzungsverhalten hinreichend restringiert und hat einen (Monopol-) Preisspielraum. Der Anrufer kann das Gespräch (zu einem bestimmten Teilnehmer) nicht durch einen Anruf zu einem anderen Mobilfunkbetreiber mit niedrigeren Terminierungsentgelten ersetzen. Es kann daher keine Substitution von einem Mobilfunknetz in ein anderes stattfinden. Folglich ist der Anbieter von Terminierungsleistungen mit einer relativ inelastischen (Residual-)nachfrage konfrontiert. Diese ist jedenfalls nicht höher als die Elastizität der Endkundennachfragen nach Anrufen in Mobilnetze. Der Angerufene könnte zwar potenziell mehr Preisdruck ausüben, weil er im Rahmen der Subskriptionsentscheidung die Wahl zwischen Betreibern mit unterschiedlich hohen Terminierungsentgelten hätte. Es mag auch einen (möglicherweise sogar nicht vernachlässigbarer) Teil der Mobilfunkteilnehmer geben, für die die Kosten der Erreichbarkeit ein Entscheidungskriterium für die Netzauswahl darstellt, allerdings spielt das Kriterium der günstigen Erreichbarkeit im Vergleich zu anderen Kriterien, insbesondere aber zu den aktiv zu tragenden Kosten eine untergeordnete Rolle. Damit schlägt sich dieses Entscheidungskriterium nicht in einer hohen firmenspezifischen Elastizität der Nachfrage nach Subskriptionen.
Es ist eine ex-ante-Betrachtung anzustellen, die der Frage nachgeht, wie die Unternehmen die Terminierungsentgelte in einem regulierungsfreien Raum setzen würden ('Greenfield-Ansatz'): Eine solche Analyse stützt sich in erster Linie auf die Anreizstrukturen der betroffenen Unternehmen, d.h. es wird untersucht, wie ein gewinnmaximierendes Unternehmen die Terminierungsentgelte bei Abwesenheit von Regulierung (bzw. Regulierungsandrohung) vor dem Hintergrund der strukturellen Besonderheiten dieser Leistung setzen würde.
Die Anreizstrukturen sind bei der Zusammenschaltung von Mobilbetreibern (Mobil-Mobil-Zusammenschaltung) andere als zwischen Mobil- und Festnetzbetreibern (Fest-Mobil-
Zusammenschaltung): (...)
3. Wettbewerbsprobleme aus ökonomischer Sicht:
Folgende potentielle Wettbewerbsprobleme im Zusammenhang mit der Mobilterminierungsleistung in das Netz der Verfahrenspartei werden für den Fall der Nicht-Regulierung identifiziert:
1. Wettbewerbsproblem 1: Allokative Marktverzerrungen auf Grund zu hoher Terminierungsentgelte für Anrufe von Fest- ins Mobilnetz. Subventionierung von Mobilfunkteilnehmern durch Festnetzanrufer. Dieses Wettbewerbsproblem ist aus ökonomischer Sicht das Wesentlichste.
2. Wettbewerbsproblem 2: Allokative Marktverzerrungen auf Grund zu hoher Terminierungsentgelte für Anrufe zwischen Mobilnetzen sowie der Preisdiskriminierung von On-Net- und Off-Net Calls (verzerrte Preisstrukturen).
3. Wettbewerbsproblem 3: Foreclosure-Strategien gegenüber kleinen Mobilfunkbetreibern insbesondere aber Marktneueinsteigern (z.B. MVNOs). Diese können sowohl durch nichtpreisliche Taktiken, wie Verweigerungs- bzw. Verzögerungsstrategien bei der Zusammenschaltung, ungerechtfertigte Konditionen oder inferiore Qualität erfolgen wie auch durch preisliche Taktiken, wie überhöhte Terminierungsentgelte, starke Preisdiskriminierung von On-Net und Off-Net Calls (Praktizierung von Margin Squeeze). Damit in Zusammenhang stehend die Gefahr der Übertragung von Marktmacht auf die Endkundenebene. Dieses Wettbewerbsproblem ist vor allem im Zusammenhang mit dem Markeintritt neuer Anbieter relevant.
4. Wettbewerbsproblem 4: Wettbewerbsverzerrungen zu Gunsten von Mobilbetreibern und zum Nachteil von Festnetzbetreibern in Bereichen, in denen sich Geschäftsfelder überschneiden (Fest-Mobil-Konvergenz, Erhöhung der Substitution zwischen Fest- und Mobilnetzen). Daraus resultiert die Gefahr der Marktmachtübertragung auf Festnetzmärkte und konvergente Märkte bzw. die Gefahr von Foreclosure-Strategien gegenüber Festnetzbetreibern.
4. Zu den Regulierungsinstrumenten aus ökonomischer Sicht
Da die betreiberindividuellen Terminierungsmärkte resistente Monopolmärkte sind, ist das primäre Ziel der Auferlegung von Regulierungsinstrumenten nicht die Förderung von Wettbewerb auf den Terminierungsmärkten selbst, sondern die Beseitigung der identifizierten Wettbewerbsprobleme mit ihren nachteiligen Auswirkungen für den Wettbewerb auf den nachgelagerten Märkten, insbesondere aber für die Endnutzer.
4.1. Transparenzverpflichtung
Zweck einer Transparenzverpflichtung ist es, die vertikale Markttransparenz (zwischen Anbietern und Nachfragern) zu verbessern und damit Transaktionskosten (z.B. Suchkosten) zu senken bzw. den (Preis-)Wettbewerb zu intensivieren. Nur wenn die Nachfrager der (Vor-) Leistung hinreichend über alternative Angebote (Preise) informiert sind, können Wettbewerbskräfte wirksam werden.
Die wettbewerbsfördernde Wirkung einer Stärkung der Markttransparenz lässt sich aber nicht nur auf den Parameter Preis reduzieren. Insbesondere dann, wenn eine Zugangspreisregulierung existiert und Unternehmen einen Anreiz haben, auf 'nichtpreisliche' Aktionsparameter auszuweichen, kann die Transparenzverpflichtung in Zusammenhang mit anderen Verpflichtungen wie z.B. der Nichtdiskriminierungsverpflichtung (in Form eines Standardzusammenschaltungsangebot) ein wirkungsvolles Instrument sein, um solche 'nichtpreislichen' Taktiken zu erschweren.
Hinsichtlich der Effektivität ist festzustellen, dass eine Transparenzverpflichtung (alleine) keinen Einfluss auf die Verhaltensparameter des marktbeherrschenden Unternehmens - insbesondere auf den Preis - hat. Eine Transparenzverpflichtung (auf der Vorleistungsebene) alleine ist daher nicht geeignet, um den identifizierten Wettbewerbsproblemen (insbesondere aber dem Problem überhöhter Preise) zu begegnen.
Vor diesem Hintergrund ist die Transparenzverpflichtung primär als Hilfsinstrument für andere Verpflichtungen zu sehen. Für den vorliegenden Zusammenhang relevant ist dabei vor allem die Unterstützung der Gleichbehandlungsverpflichtung. Um eine solche effektiv zu gestalten, ist es erforderlich, dass die Nachfrager hinreichende Informationen auf einfachem Weg (wie etwa über eine Homepage) über jene Faktoren beziehen können, die potenziell zur Diskriminierung herangezogen werden könnten.
4.2. Getrennte Buchführung
Das Instrument der getrennten Buchführung dient dazu, innerbetriebliche Aufwendungen, Kosten und Erlöse zwischen unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen für die Regulierungsbehörde transparent zu machen, um so gegebenenfalls Quersubventionierung und Diskriminierung zwischen interner Bereitstellung (interner Transferpreis) und externem Verkauf (für die Regulierungsbehörde) erkennbar zu machen.
Getrennte Buchführung alleine, wie auch in Kombination mit der Transparenzverpflichtung, ist nicht geeignet, die genannten Wettbewerbsprobleme zu adressieren, da diese Verpflichtung keinen Einfluss auf die Verhaltensparameter des marktbeherrschenden Unternehmens auf seinem betreiber-individuellen Terminierungsmarkt hat. Das Instrument der getrennten Buchführung ist daher primär als Ergänzung zu anderen Instrumenten (wie der Nichtdiskriminierungsverpflichtung oder gegebenenfalls auch der Preiskontrolle) zu sehen.
4.3. Zugang zu Netzeinrichtungen und Netzfunktionen
Mit einer Zugangsverpflichtung kann die Verweigerung des Zugangs/der Zusammenschaltung (denial of access) verhindert werden; weiters können Bedingungen des Zugangs/der Zusammenschaltung (das Vorleistungsprodukt) spezifiziert werden, wenn eine bestimmte Zugangsvariante noch nicht existiert.
Die Zugangsverpflichtung ist ein wirksames Instrument, um die generelle Verweigerung der Zusammenschaltung abzustellen bzw. um nichtpreisliche anti-kompetitive Praktiken zu verhindern.
Eine solche Verpflichtung ist wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Zusammenschaltung - die Sicherstellung der 'Any-toany-Erreichbarkeit' - als verhältnismäßig zu betrachten. Gerade im Bereich der Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen überwiegen - nicht zuletzt auf Grund der Existenz von Netzwerkexternalitäten (positive Netzwerkeffekte liegen vor, wenn der Nutzen für den einzelnen Konsumenten mit der Größe des Netzwerks steigt) - klar die Effizienzgewinne durch Interoperabilität. Zu den Effizienzgewinnen zählen neben der (direkten) Ausschöpfung von nachfrageseitigen Größenvorteilen (Netzwerkexternalitäten), die (indirekte) Ausschöpfung von Größenvorteilen auf der Anbieterseite (z.B. Endgeräteproduktion), Verringerung von Substitutions- und Wechselkosten, Verringerung von Transaktionskosten und eine Intensivierung von tatsächlichem und potenziellem Wettbewerb.
Bei Vorliegen hoher Netzwerkeffekte, wie das im Bereich der Telekommunikation der Fall ist, ist in der Regel davon auszugehen, dass alle Betreiber ein Interesse daran haben, ihren Kunden Zugang zum jeweils anderen Netz zu eröffnen, allerdings kann Nichtkompatibilität (d.h. die Verweigerung der Zusammenschaltung) auch als strategisches Instrument zur Beschränkung von Wettbewerb gegenüber kleineren neu in den Markt eintretenden Betreibern (z.B. MVNOs) eingesetzt werden (Gefahr von Foreclosure-Strategien). Solche Foreclosure-Strategien müssen sich nicht auf die Verweigerung der Zusammenschaltung beschränken, sie können auch in Form von Verzögerungstaktiken, inferiorer Qualität des Vorleistungsprodukts, Verweigerung des Zugangs zu Informationen und Vorsystemen etc. erfolgen.
Wie bereits festgestellt, hat das markt-beherrschende Unternehmen einen (ökonomischen) Anreiz zu 'nichtpreislichen' antikompetitiven Praktiken, wenn es einer Zugangspreisregulierung (Zugangsverpflichtung und Preisregulierung) unterliegt. In diesem Fall wird das marktbeherrschende Unternehmen versuchen, die Marktposition bzw. die Kosten (potenzieller) Mitbewerber auf nachgelagerten Märkten durch 'nicht-preisliche' Strategien negativ zu beeinflussen ('raise rival's cost').
Spezifische Zugangsverpflichtungen dienen dazu, das Vorleistungsprodukt hinreichend 'brauchbar' für die Nachfrager zu spezifizieren, um so nichtpreisliche Taktiken zu unterbinden. Das wesentlichste ökonomische Argument gegen eine Zugangsverpflichtung ist in Zusammenhang mit Effizienzgewinnen von exklusiven Verträgen bei Gütern mit hohen Transaktionskosten zu sehen. Aber gerade dies ist bei der Zusammenschaltung aus oben genannten Gründen nicht der Fall, so dass eine Zugangsverpflichtung in Form einer Zusammenschaltungsverpflichtung jedenfalls als verhältnismäßig zu bewerten ist.
Eine Verpflichtung zur Zusammenschaltung beschränkt sich allerdings auf 'nichtpreisliche' Aspekte. Damit aber ist diese Verpflichtung alleine - analog zur Transparenzverpflichtung -bzw. im Zusammenspiel mit den vorher genannten Verpflichtungen (Transparenz, getrennte Buchführung) nicht geeignet, alle identifizierten Wettbewerbsprobleme zu beseitigen.
4.4. Gleichbehandlungsverpflichtung
Die Gleichbehandlungsverpflichtung dient dazu, die Diskriminierung zwischen unter-schiedlichen Abnehmern einer Leistung zu verhindern. Zu unterscheiden ist zwischen einer Diskriminierung in Bezug auf den Parameter Preis (Preisdiskriminierung) und Diskriminierung in Bezug auf andere Parameter als den Preis (Qualitätsdiskriminierung).
Qualitätsdiskriminierung
Das marktbeherrschende Unternehmen hat einen (ökonomischen) Anreiz zu 'nichtpreislichen' anti-kompetitiven (Diskriminierungs-)Praktiken (Wettbewerbsprobleme 3 und 4). Eine Verpflichtung, die geeignet ist, einer Reihe solcher 'nichtpreislichen' Wettbewerbsprobleme insbesondere aber unterschiedlichen Formen der Qualitätsdiskriminierung zu begegnen, ist die Gleichbehandlungsverpflichtung. Mit dieser Verpflichtung kann sichergestellt werden, dass das marktbeherrschende Unternehmen das Vorleistungsprodukt allen Abnehmern mit derselben Qualität anbietet wie sich selbst.
Die (Web-)Veröffentlichung eines Standardangebotes dient der Konkretisierung bzw. Operationalisierung der Zugangsverpflichtung und ist insbesondere bei komplexen Produkten sinnvoll, da ohne ein solches Standardangebot - insbesondere für kleinere Nachfrager - signifikante Transaktionskosten im Rahmen von Zusammenschaltungsverhandlungen anfallen können.