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50/01 Gewerbeordnung;Norm
GewO 1994 §74 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde 1. des F F, 2. des K F und 3. der K, alle in W und alle vertreten durch Dr. Bernhard Heitzmann, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Müllerstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Jänner 2004, Zl. U-30.061/10, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: E in W, vertreten durch Dr. Peter Petzer, Rechtsanwalt in 6330 Kufstein, Unterer Stadtplatz 24), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein erteilte mit Bescheid vom 20. August 2003 der mitbeteiligten Partei gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 die gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung für die Zwischenlagerung und Aufbereitung vorsortierter mineralischer Baurestmassen im Bereich eines näher genannten Grundstückes unter Vorschreibung von Nebenstimmungen nach Maßgabe des Einreichprojektes.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. Jänner 2004 wurde - soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung - zu Spruchpunkt I. die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen.
Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen und des Berufungsvorbringens sowie Hinweisen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte die belangte Behörde aus, nach der dargestellten Rechtslage sei eine Grenze zwischen der projektierten Betriebsanlage und ihrer Umwelt dort zu ziehen, wo die Betriebsanlage - entsprechend dem den Gegenstand des Genehmigungsverfahrens bildenden Projekt - in ihrem räumlichen Umfang ende und dementsprechend das Umfeld der Betriebsanlage beginne. Die Beschwerdeführer seien Eigentümer eines näher bezeichneten Grundstückes, das sich unmittelbar am Zufahrtsweg, der bis zum Betriebsgelände führe, befinde. Dieser Bereich sei jedoch bereits mehrere 100 m vom Standort der Betriebsanlage entfernt. Nach der Rechtsprechung handle es sich bei den Lkw-Fahrten im gegenständlichen Fall daher um das bloße Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, nicht mehr jedoch um das der Betriebsanlage zuzurechnende Zufahren und Wegfahren zur Betriebsanlage. Das Vorbringen der Beschwerdeführer, der einspurige Teil des Lweges bis zum Betriebsgelände werde ausschließlich für den Werksverkehr für den Steinbruch und zusätzlich für den Werksverkehr für die geplante Recyclinganlage genützt, sei im Hinblick auf diese Ausführungen rechtlich irrelevant. Was die allgemeine Verkehrssituation betreffe, sei auf das Verfahren nach dem Mineralrohstoffgesetz und die dazu ergangenen Bescheide zu verweisen. Die zuständige Behörde nach dem Mineralrohstoffgesetz habe sich ausführlich mit den verkehrstechnischen Anforderungen auseinander gesetzt und entsprechende Auflagen in die Bewilligungsbescheide aufgenommen. Da die Lkw-Fahrbewegungen für die gegenständliche Aufbereitungsanlage (durchschnittlich vier Lkw-Fahrbewegungen pro Tag) im Vergleich zu den rund 80 Lkw-Fahrbewegungen auf Grund des Steinbruchbetriebes von untergeordneter Bedeutung seien, sei auch im vorliegenden Fall nicht von einer wesentlichen Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf dem Lahntalweg auszugehen. Der erstinstanzliche Bescheid leide daher nicht an den von den Beschwerdeführern vorgebrachten Mängeln.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen vor, die belangte Behörde habe zu Unrecht den Verkehr auf dem Lweg nicht der Betriebsanlage zugerechnet. Beim Lweg handle es sich um eine Gemeindestraße, auf der fast ausschließlich Lkws - zwischen der Betriebsstätte der Mitbeteiligten und der Bundesstraße - hin und her fahren. Der Lweg führe bloß bis zur Betriebsstätte und es müsse jeder, der bis dorthin fahre, wieder zur Bundesstraße zurückkehren. Der Begriff einer öffentlichen Straße oder einer Straße mit öffentlichem Verkehr inkludiere die Verbindung von Siedlungen bzw. Siedlungsteilen und damit einen Durchzugsverkehr. Einen solchen Verkehr weise aber der Lweg nicht auf. Es genüge daher nicht, wie es die belangte Behörde getan habe, den Betriebsverkehr deshalb nicht der Betriebsanlage zuzurechnen, weil der Laweg eine Gemeindestraße sei. Vielmehr müsse konkret untersucht werden, ob der Verkehr auf Umstände zurückzuführen sei, die typisch für die Tätigkeit in dem gegenständlichen Betrieb seien. Auch trete die Länge des Lweges von rund einem halben Kilometer völlig in den Hintergrund, weil es ja nicht auf die Länge des Zufahrtsweges ankomme, sondern in erster Linie auf den Zusammenhang des Verkehrs mit dem Betriebsgeschehen. Im gegenständlichen Fall komme es bloß auf den Blickwinkel der Anrainer an, ob hier ein Durchzugsverkehr oder aber ein Zusammenhang mit der Betriebsanlage vorliege. Dieser Zusammenhang sei aus dem Blickwinkel der Anrainer zu bejahen, zumal Frequenz, Lärm- und Geruchsentwicklung usw. nicht vom allgemeinen Verkehrsaufkommen abhingen, sondern ausschließlich von den betrieblichen Maßnahmen der gegenständliche Anlage der mitbeteiligten Partei bestimmt würden.
Mit diesem Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, ist im Rahmen der nach § 77 Abs. 1 GewO 1994 gebotenen Prüfung zwischen gewerblichen Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1994 und Straßen mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO grundsätzlich zu unterscheiden. Da danach der Ausgangspunkt einer Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage zur Gefährdung der Gesundheit der Nachbarn oder zu deren Belästigung das wesentlich zur dort entfalteten gewerblichen Tätigkeit gehörende Geschehen sein muss, kann das bloße Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, auch wenn es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handelt, nicht mehr als zu einer gewerblichen Betriebsanlage gehörendes Geschehen gewertet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 1998, Zl. 98/04/0083, mwH). Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt hat, ist auch für die Beurteilung der Frage, ob die von einer Aufschließungsstraße herrührenden Lärmimmissionen der in Rede stehenden Betriebsanlage zuzurechnen sind, entscheidend, ob diese Aufschließungsstraße einen Teil der gegenständlichen Betriebsanlage bildet oder als (u.a.) der Zufahrt zu dieser Betriebsanlage dienende Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen ist.
Bezogen auf den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Ansicht der belangten Behörde, beim Lkw-Verkehr auf dem Lweg zu und von der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei handle es sich um ein bloßes Vorbeifahren von Betriebsfahrzeugen auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, nicht als rechtswidrig erkannt werden kann, wird doch auch in der Beschwerde bestätigt, dass es sich bei diesem Weg um eine Gemeindestraße handelt. Auf die Anzahl der vorbeifahrenden Fahrzeuge kommt es dabei nicht an. Daran vermag weder der Umstand, dass es sich um die einzige Zufahrtsstraße zur Betriebsanlage handelt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0238), noch der Umstand, dass der Lweg eine Sackgasse darstellt und bei der Betriebsanlage der Mitbeteiligten endet, etwas zu ändern. Ein der betrieblichen Tätigkeit zuzurechendes Zufahren zur Betriebsanlage bzw. Wegfahren von dieser kann entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht schon darin erblickt werden, dass die Betriebsfahrzeuge von der Bundesstraße in den Lweg abzweigen (und umgekehrt) und an den unmittelbar am Zufahrtsweg befindlichen Häusern der Beschwerdeführer vorbei die ca. einen halben Kilometer lange Gemeindestraße zur und von der Betriebsanlage der Mitbeteiligten befahren.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Kostenzuspruch beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 25. Juni 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2004040039.X00Im RIS seit
28.07.2008Zuletzt aktualisiert am
08.08.2008