TE Vwgh Erkenntnis 2008/6/26 2006/20/0792

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Veröffentlicht am 26.06.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §12;
AsylG 1997 §7;
AVG §52;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofrätin Dr. Pollak, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres, 1014 Wien, Herrengasse 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 12. Oktober 2006, Zl. 265.531/16-II/04/06, betreffend §§ 7 und 12 Asylgesetz 1997 (mitbeteiligte Partei: E zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ist Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit. Sie reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann (Mitbeteiligter zu hg. Zl. 2006/20/0685) und dem gemeinsamen Sohn (Mitbeteiligter zu hg. Zl. 2007/20/0226; ein weiteres Kind wurde in Österreich geboren: Mitbeteiligte zu hg. Zl. 2007/20/0227) am 16. Juli 2005 in Österreich ein und beantragte an diesem Tag Asyl. Sie habe Angst um ihr Kind und ihren Mann; dieser sei oft mitgenommen und geschlagen worden; man habe ihn töten wollen.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab (Spruchpunkt I.), stellte fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Mitbeteiligten "nach Russland" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II.), und wies sie gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Russland" aus (Spruchpunkt III.).

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung der Mitbeteiligten Folge und gewährte ihr gemäß § 7 AsylG Asyl; weiters stellte die belangte Behörde gemäß § 12 AsylG fest, dass der Mitbeteiligten damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde geht - gestützt auf die bereits im hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, Zl. 2006/20/0771, dargestellten gutachterlichen Äußerungen - von einer asylrelevanten Verfolgung grundsätzlich aller (jedes beliebigen) Bewohner(s) Tschetscheniens tschetschenischer Ethnie aus. Ergänzend verwies die belangte Behörde darauf, dass dem Ehemann der Mitbeteiligten ebenfalls Asyl gewährt worden sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem genannten Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt hat, sind die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen nicht nachvollziehbar. Sie sind in sich widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, die zusammenfassende Behauptung der Sachverständigen hinsichtlich der Verfolgungswahrscheinlichkeit eines beliebigen Tschetschenen zu tragen.

Soweit die belangte Behörde der Mitbeteiligten Asyl im Hinblick auf die ausschließlich auf diese mangelhaften gutachterlichen Äußerungen gestützten Feststellungen gewährte, wären die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben (vgl. dazu wiederum das Erkenntnis vom 19. Dezember 2007, Zl. 2006/20/0771). Soweit die Asylgewährung - ergänzend - darauf gegründet wurde, dass dem Ehemann der Mitbeteiligten Asyl gewährt worden sei, ist zu bemerken, dass mit dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2006/20/0685, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, der Bescheid der belangten Behörde, mit welchem dem Ehemann der Mitbeteiligten Asyl gewährt worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Das Verwaltungsverfahren über den Asylantrag des Ehemanns der Mitbeteiligten ist daher mit Wirkung ex tunc wieder offen. Der angefochtene Bescheid ist insofern vor Entscheidung über den Asylantrag jenes Familienangehörigen ergangen, dessen Asylberechtigung Voraussetzung für die Asylgewährung an die Mitbeteiligte ist (§ 10 Abs. 2 AsylG).

Der angefochtene Bescheid war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 26. Juni 2008

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete Anforderung an ein Gutachten Gutachten Überprüfung durch VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006200792.X00

Im RIS seit

26.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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