TE Vfgh Erkenntnis 2003/9/22 B1401/02

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Veröffentlicht am 22.09.2003
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7200 Beschaffung, Vergabe

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Steiermark ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführende Partei richtete mit Eingabe vom 17. Juli 2002 an den Vergabekontrollsenat des Landes Steiermark (im Folgenden: StVKS) einen Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens vor Zuschlagserteilung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend die Vergabe der Bewirtschaftung einer Landwirtschaft durch die Stadt Graz.

2. Mit Bescheid vom 24. Juli 2002 wies der StVKS diesen Antrag - gestützt auf §3 Abs2 des Steiermärkischen Vergabegesetzes 1998 (StVergG), LGBl. für die Steiermark Nr. 74 idF LGBl. 41/2002 - mangels Anwendbarkeit des StVergG zurück, weil der antragsgegenständliche Dienstleistungsauftrag ein solcher gemäß Anhang IV sei, dessen Auftragswert € 200.000,-- nicht erreiche.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheides die Abweisung der Beschwerde begehrt.

5. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 24. Februar 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des zweiten Satzes des §2 Abs2, ferner der Wortfolge "- und Dienstleistungs" in §3 Abs1 Z2 lita StVergG idF LGBl. 66/2000 sowie der Verfassungsmäßigkeit der Wortfolge "Anhang IV und" in §3 Abs2 StVergG ein.

Mit Erkenntnis vom heutigen Tag, G37/03, sprach er aus, dass diese Gesetzesstellen verfassungswidrig waren.

II. Die Beschwerde ist begründet.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde unter anderem dann verletzt, wenn diese in gesetzwidriger Weise ihre gesetzliche Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10.374/1985, 13.280/1992 und VfGH 30.11.2000, B4773/96).

Der vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfte Bescheid des StVKS, mit dem dieser sich für unzuständig erklärte, über den vom Beschwerdeführer gestellten Nachprüfungsantrag zu befinden, gründet sich auf die mit dem unter Pkt. I.5. genannten Erkenntnis für verfassungswidrig erkannten Bestimmungen des StVergG.

Da diese Gesetzesstellen gemäß Art140 Abs7 B-VG im Anlassfall nicht mehr anzuwenden sind, sohin u.a. die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen nach Anhang IV durch öffentliche Aufftraggeber (darunter die Gemeinden in der Steiermark) unabhängig von der Höhe des (geschätzten) Auftragswertes unter den sachlichen Geltungsbereich des StVergG fällt und damit der Nachprüfung durch den StVKS unterliegt und da es sich im vorliegenden Fall unzweifelhaft um einen nicht prioritären Dienstleistungsauftrag gemäß Anhang IV des StVergG handelt, hat der StVKS dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung des dem Beschwerdeführer verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.

2. Die Kostenentscheidung gründet auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,-- sowie eine Eingabegebühr in Höhe von € 180,-- enthalten.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B1401.2002

Dokumentnummer

JFT_09969078_02B01401_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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