TE Vwgh Erkenntnis 2008/7/2 2007/08/0051

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Veröffentlicht am 02.07.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
AVG §46;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Moritz, Dr. Lehofer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Mag. Maria Zehetbauer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 15. November 2006, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-10432, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezog seit Dezember 2002 - abgesehen von kurzen Unterbrechungen - durchgehend Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung.

Aus einem dem Verwaltungsakt beiliegenden Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. Juli 2001 geht hervor, dass für den Beschwerdeführer ein einstweiliger Sachwalter für bestimmte Angelegenheiten, nämlich für sein zu diesem Zeitpunkt anhängiges Scheidungsverfahren, bestellt wurde. Nach der Begründung des Beschlusses sei das Verfahren deshalb eingeleitet worden, weil der Beschwerdeführer bei zahlreichen Vorsprachen auffällig geworden sei, wobei sich ergeben habe, dass er Lebenssituationen gänzlich unrealistisch einschätze und zur Bewältigung der anstehenden Problemkreise nicht in der Lage sei. Aus einem dem Gericht vorliegenden Gutachten des Univ. Prof. Dr. P vom 29. Juni 2001 ergebe sich, dass der Beschwerdeführer an einer paranoiden Reaktionsbildung mit emotionaler Symptomatik leide. Das Gutachten erhärte den Eindruck, dass der Beschwerdeführer zumindest die in diesem Beschluss angeordnete Hilfestellung benötige.

Aus einem Aktenvermerk über einen Sprechtag des psychologischen Dienstes des Arbeitsmarktservice vom 29. April 2003 geht hervor, dass sich der Beschwerdeführer sehr schwer damit tue, die sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten zu verstehen und sich einzufügen; er leide unter den Schwierigkeiten, die er dadurch ständig habe. Durch das Zusammentreffen vielfältiger Einschränkungen (Alter, schwer nachvollziehbare und nicht nostrifizierte Qualifikation, Sozialverhalten) sei seine Integration sehr erschwert. Es werde der Versuch der Integration in den zweiten Arbeitsmarkt im Sinne einer Chance empfohlen. Bei Nichtgelingen werde ein weiterer Termin beim psychologischen Dienst empfohlen. Darüber hinaus werden im Aktenvermerk zur Bestätigung dieser Einschätzung Texteintragungen aus dem Akt betreffend den Beschwerdeführer angeführt.

Am 30. August 2006 wurde dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice Wien, regionale Geschäftsstelle Geiselbergstraße (in der Folge: AMS Geiselbergstraße), die Maßnahme "ICE: Individuelles Coaching + E-Learning" bei der V. Erwachsenenbildung GmbH mit Beginn 4. September 2006 zugewiesen. Aus einer Niederschrift des AMS Geiselbergstraße vom selben Tag geht hervor, dass dem Beschwerdeführer die Maßnahme deshalb zugewiesen worden sei, weil Vermittlungsversuche des AMS und eigene Bewerbungsbemühungen des Beschwerdeführers bisher ergebnislos geblieben und die aktuellen Fähigkeiten und Kenntnisse des Beschwerdeführers für eine Integration am Arbeitsmarkt auf Grund der eingetretenen Distanz zum Arbeitsmarkt nicht mehr ausreichend seien, ferner, dass die Kenntnisse des Beschwerdeführers im Bereich Bewerbung und EDV erweitert und gefestigt werden sollten und dass das Selbsthilfepotential des Beschwerdeführers durch das Zurverfügungstellen einer Bewerbungsinfrastruktur wie individuelles Coaching unterstützt werden solle. Die Maßnahme sei deshalb geeignet, die vorliegenden Vermittlungshindernisse zu beseitigen, da oberste Priorität des Kurses die rasche Integration in den ersten Arbeitsmarkt, Erweiterung der EDV-Kenntnisse, Stabilität am Arbeitsplatz und das Verfolgen einer beruflichen Karriere sei. Ziele seien die Entwicklung einer Bewerbungsstrategie und gezielte Unterstützung durch Einzelcoaching sowie Erhöhung aktueller arbeitsmarktrelevanter (IT-bezogener) Schlüsselkompetenzen. Darüber hinaus findet sich in der Niederschrift eine Belehrung über die Rechtsfolgen gemäß § 10 AlVG.

Aus einer nach der Aktenlage am 12. September 2006 beim AMS Geiselbergstraße eingelangten, undatierten Stellungnahme der V. Erwachsenenbildung GmbH geht im Wesentlichen hervor, dass der Beschwerdeführer schon am Infotag deutlich zu spät gekommen sei. Zum vereinbarten Termin für das erste Einzelcoaching sei er erst nach einem Erinnerungsanruf eine Stunde und 40 Minuten zu spät erschienen. Er habe dies mit Verschlafen und damit begründet, dass er das Gebäude nicht gefunden habe. Dabei sei aufgefallen, dass der Beschwerdeführer mit den Gegebenheiten in Österreich kaum vertraut gewesen sei, keine Ortskenntnisse gehabt habe und auch in Englisch nicht adäquat auf die Trainerin reagieren wollte oder konnte. Auch zum nächsten Termin sei der Beschwerdeführer trotz einer telefonischen Terminerinnerung und Wegbeschreibung wiederum 1 Stunde und 20 Minuten zu spät erschienen. Trotz einer Belehrung in Englisch und Deutsch sei der Beschwerdeführer auch zum nächsten Termin 20 Minuten zu spät gekommen. Da die Trainerin im Zeitpunkt seines Eintreffens schon einen weiteren Kunden betreut habe, sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, zu warten. Nach etwa eineinhalb Stunden sei er aggressiv und ausfallend geworden und habe geschrieen, er wolle sofort den Kurs abbrechen. Da er unkontrolliert und unberechenbar erschienen sei, seien die Trainerin und eine weitere Mitarbeiterin ins Sekretariat gegangen, um "den Austritt durchzuführen". Der Beschwerdeführer sei der Meinung gewesen, dass die Trainerin jederzeit bis 17 Uhr für ihn dazusein habe, eine Aufklärung dazu sei nicht möglich gewesen, er habe nicht verstehen können oder wollen. Im Sekretariat sei er weiter sehr aggressiv gewesen, bis seine Stimmung plötzlich umgeschlagen sei. Er sei auf die Trainerin zugekommen (sie habe erwartet, geschlagen zu werden) und habe sie mehrmals geküsst. Plötzlich habe er den Kurs mit der gleichen Trainerin unbedingt fortsetzen wollen. Um die Situation zu beruhigen, sei ein weiterer Termin vereinbart worden, da nicht abzusehen gewesen sei, wie der Beschwerdeführer weiter reagieren würde. Er scheine große Schwierigkeiten zu haben, sich in Österreich zurechtzufinden, er verstehe oder begreife nicht, was er nicht begreifen wolle. Er wirke nervös und neige zu unkontrollierten Ausbrüchen mit großer Ambivalenz. Die Inhalte der von ihm erzählten Geschichten/Ausreden hätten sich immer wieder verändert. Der Beschwerdeführer wünsche einen Computerkurs mit Abschlussprüfung zu machen, möglichst nahe seinem Wohnort. Sein Terminplan sei aber mit einem geregelten Kursablauf nicht zu vereinbaren. Daher müsse man den Beschwerdeführer mit 7. September 2006 vom Kurs ausschließen.

Laut einer Niederschrift des AMS Geiselbergstraße vom 13. September 2006 wurde dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der V. Erwachsenenbildung GmbH vorgehalten. Dazu habe er im Wesentlichen ausgeführt, dass die Angaben zum Teil stimmten. Die Kurszeiten seien wechselnd gewesen, es sei ihm daher sehr schwer gefallen, pünktlich zu erscheinen. Mit seiner Trainerin sei er gut ausgekommen, eine andere Trainerin sei für seine Probleme verantwortlich.

In weiterer Folge sandte der Beschwerdeführer per Fax eine Bestätigung von Dr. A., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom 28. August 2006 an das AMS Geiselbergstraße. Aus dieser geht hervor, dass der Beschwerdeführer depressiv und unruhig mit Tendenzen zu Paranoia sei, an Schlafstörungen leide und manchmal auch ängstlich und aggressiv sei. Als Diagnose gab Dr. A. paranoide Depression an und führte aus, dass regelmäßige psychiatrische Kontrolle und Behandlung notwendig seien. Der Beschwerdeführer sei auch vom 10. Jänner bis 26. März 2001 wegen der gleichen Beschwerden bei ihm in Behandlung gewesen. Außerdem ist auf der Bestätigung die Medikation des Beschwerdeführers angeführt.

Ferner sandte der Beschwerdeführer zwei weitere ärztliche Bestätigungen von Dr. M., Arzt für Allgemeinmedizin, datiert mit 20. September 2006 bzw. 30. August 2006, an das AMS Geiselbergstraße. Aus diesen geht im Wesentlichen hervor, dass der Beschwerdeführer an Depressionen und einer vegetativen Psychose leide und deshalb in medikamentöser Behandlung stehe.

Mit Bescheid des AMS Geiselbergstraße vom 26. September 2006 wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 8. September bis zum 19. Oktober 2006 entzogen. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer den Erfolg einer Nach-(Um-)Schulung vereitelt habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Laut einem Computerausdruck des AMS Geiselbergstraße ging am 28. September 2006 eine Krankmeldung des Beschwerdeführers per Fax ein (im Akt befindlich). Diese von Dr. M. ausgestellte Krankenstandsbestätigung bezieht sich auf den Zeitraum vom 7. August bis 9. August 2006. Als Ausstellungsdatum ist der 28. September 2006 angeführt.

In der Berufung gegen den Bescheid des AMS Geiselbergstraße führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt im Krankenstand gewesen sei. Die Kurszeiten seien nicht akzeptabel gewesen. Das Warten auf das Coaching habe zwei bis drei Stunden gedauert, was einfach viel zu lange gewesen sei. Außerdem sei der Kurs kein Computerkurs, sondern ein Sprachkurs gewesen.

In einer am 30. Oktober 2006 von der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er schon vor Beginn der Maßnahme krank gewesen sei, Belege dafür habe er vorgelegt. Er müsse Medikamente nehmen, die bei ihm Schwierigkeiten mit dem Zeitgefühl verursachen würden. Das sei der Grund gewesen, warum er zu spät zum Kurs gekommen sei. Einmal habe er sich zusätzlich auch noch verfahren. Er sei sich keiner Schuld bewusst, er habe doch immer alle von ihm geforderten (Krankenstands-)Bestätigungen gebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 3. Oktober 2006 eine Krankenstandsbestätigung, ausgestellt am 2. Oktober 2006, vorgelegt, die eine Krankmeldung rückwirkend vom 4. September bis zum 8. September 2006 bescheinige, obwohl er den Kurs vom 4. September bis zum 7. September 2006 (Zeitpunkt des Ausschlusses) besucht habe. Auf dem aktuellen Auszug des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger scheine dieser Krankenstand nicht auf. Der Auszug sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Anlässlich der darauf folgenden Vorsprache am 30. Oktober 2006 habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen angegeben, dass er schon vor Beginn der Maßnahmen krank gewesen sei und Medikamente habe nehmen müssen, die bei ihm zu Schwierigkeiten mit dem Zeitgefühl geführt hätten, was auch der Grund für das Zuspätkommen gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seines Verhaltens (Zuspätkommen) aus dem Kurs ausgeschlossen worden. Durch sein dreimaliges Zuspätkommen trotz Erinnerungsanrufen habe der Beschwerdeführer den Erfolg der Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt vereitelt. Die Verantwortung des Beschwerdeführers sei nicht zu berücksichtigen, weil die belangte Behörde davon ausgehe, dass gerade diese Maßnahme die Wiedereingliederung des Beschwerdeführers in den Arbeitsmarkt herbeigeführt hätte. Mangels Vorliegens berücksichtigungswürdiger Gründe sei die Nachsicht nicht zu gewähren gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtwidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2005 hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer 1. der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, 2. die Anwartschaft erfüllt und 3. die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer eine Beschäftigung aufnehmen kann und darf (Abs. 3) und arbeitsfähig (§ 8), arbeitswillig (§ 9) und arbeitslos (§ 12) ist.

Gemäß § 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid beziehungsweise nicht berufsunfähig im Sinne der für ihn in Betracht kommenden Vorschriften der §§ 255, 273 beziehungsweise 280 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ist.

Gemäß § 8 Abs. 2 AlVG ist der Arbeitslose, wenn sich Zweifel über die Arbeitsfähigkeit ergeben, verpflichtet, sich auf Anordnung der regionalen Geschäftsstelle ärztlich untersuchen zu lassen. Weigert er sich, dieser Anordnung Folge zu leisten, so erhält er für die Dauer der Weigerung kein Arbeitslosengeld.

Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.

Nach § 10 Abs. 1 AIVG in der hier anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 verliert ein Arbeitsloser, der ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AIVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Nach der hg. Rechtsprechung gelten im Leistungsverfahren des Arbeitsmarktservice unter anderem das Prinzip der Amtswegigkeit, der Grundsatz des Parteiengehörs sowie die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und der Unbeschränktheit der Beweismittel. Das Offizialprinzip im Leistungsverfahren verpflichtet die Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen festzustellen. Daher obliegt es dem Arbeitsmarktservice, Erhebungen, die zur Klärung des Sachverhalts benötigt werden, durchzuführen. Dabei erstreckt sich die Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes auf die Ermittlung aller unter dem Gesichtspunkt der anzuwendenden Rechtsvorschriften im konkreten Fall in Betracht kommenden Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2004/08/0247, mwN).

Der Beschwerdeführer brachte im Verwaltungsverfahren mehrfach vor, dass er an einer psychischen Erkrankung leide, daher in medikamentöser Behandlung sei und insbesondere Probleme mit dem Zeitgefühl habe. Diese Darlegungen werden nicht nur durch die von ihm vorgelegten ärztliche Bestätigungen, sondern auch den sonstigen Akteninhalt, insbesondere den Aktenvermerk des psychologischen Dienstes vom 29. April 2003 und den Beschluss des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. Juli 2001, gestützt. Aus den letztgenannten Unterlagen geht darüber hinaus hervor, dass der Beschwerdeführer große Anpassungsschwierigkeiten an das Arbeitsleben hat und darüber hinaus berechtigte Zweifel bestehen, ob er in der Lage ist, bestimmte Angelegenheiten selbständig zu besorgen. Aus dem im Akt befindlichen Bezugsverlauf des Beschwerdeführers ergibt sich auch, dass gegen ihn schon mehrfach Sanktionen gemäß § 49 AlVG wegen der Versäumung von Kontrollmeldeterminen verhängt worden sind. Zusammen mit dem im Akt dokumentierten Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber den Betreuern des Arbeitsmarktservice und Trainern von Weiterbildungseinrichtungen hätte dies bei der belangten Behörde Zweifel an der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers wecken müssen. In einem solchen Fall wäre sie aber verpflichtet gewesen, die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers von Amts wegen zu prüfen. Dafür kommt eine medizinische Untersuchung in Betracht (vgl. ausführlich dazu das schon genannte hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, Zl. 2004/08/0247, mwN).

Es war daher rechtswidrig, wenn dem Beschwerdeführer trotz des aktenkundigen Vorhandenseins von deutlichen Anhaltspunkten für das Vorliegen von regelwidrigen Körper- oder Geisteszuständen, welche geeignet sind, die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers in Zweifel zu ziehen, und trotz seines darauf hindeutenden Vorbringens eine Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zugewiesen und in der Folge eine Sanktion gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verhängt wurde, ohne dass zuvor von Amts wegen die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers bzw. seine Vermittelbarkeit einer Prüfung unterzogen wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem Pauschbetrag für Schriftsatzaufwand auch die Umsatzsteuer abgegolten wird. Wien, am 2. Juli 2008

Schlagworte

Sachverhalt SachverhaltsfeststellungGrundsatz der Unbeschränktheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007080051.X00

Im RIS seit

06.08.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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